UPDATE: Hohe #Wahlbeteiligung zeichnet sich ab +++ Ab 16 wählen dürfen: gut? (Umfrage) +++ #Europawahl2024 #Europawahl: Wir haben gewählt | Briefing 552 Update 1 | Europa, PPP, Politik, Parteien, Personen

Briefing 552-UP EU, Europaparlament, Europawahlen 2024, Unzufriedenheit, Wahl-O-Mat vor Staatstragung, Absenkung des Mindestwahlalters, Wahlbeteiligung

Update 16:00 Uhr

In Deutschland zeichnet sich eine hohe Beteiligung an der Europawahl ab, bis 14 Uhr war die höchste Wahlbeteiligung der letzten 25 Jahre  zu verzeichnen:

1999: 21.2%
2004: 20.4%
2009: 20.2%
2014: 25.6%
2019: 29.4%
2024: 32.3%[1]

Hat es damit zu tun, dass mehr junge Leute wählen dürfen? Jedenfalls schien das Interesse der Jungen groß zu sein und lag über der Gesamtwahlbeteiligung in Deutschland im Jahr 2019.[2] Vermutlich ist der Unterschied zu 2019 noch größer, wenn man die zunehmende Tendenz zur Briefwahl einbezieht, die Briefwähler:innen wurden oben nicht mitgezählt.

Da bietet es sich an, eine aktuelle Civey-Umfrage einzubetten:

 Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie es, dass bei der diesjährigen Europawahl erstmals auch Jugendliche ab 16 in Deutschland wählen dürfen? – Civey

Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter von heute

Vom 6. bis 9. Juni 2024 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ein neues Europäisches Parlament. Heute wird in Deutschland gewählt. Mit der 2022 vom Bundestag beschlossenen Absenkung des Wahlalters können hierzulande erstmals Jugendliche ab 16 Jahren an der Wahl teilnehmen. Die Ampelkoalition setzt sich per Koalitionsvertrag dafür ein, dies auch für die Bundestagswahlen zu ermöglichen. 

Für die Grünen ist die Senkung des Wahlalters für die EU-Wahlen ein wichtiger Meilenstein für mehr demokratische Beteiligung und Gerechtigkeit. Die Belange junger Menschen erhalten so mehr Gewicht in der Politik, heißt es auf deren Partei-Webseite. Ihr Engagement in Ehrenämtern, Schulen oder bei Demos zeuge davon, dass viele Jugendliche ein großes politisches Interesse haben. Durch die Senkung des Wahlalters bei den Bundestagswahlen könnten mehr Menschen demokratische Verantwortung übernehmen und die Gesellschaft aktiv mit gestalten. 

Während die Linkspartei ein Wahlrecht ab 16 befürwortet, sind Union und AfD dagegen. „Das Wahlrecht würde durch eine Absenkung des Wahlalters letztlich entwertet“, sagte der Unionsabgeordnete Thorsten Frei (CDU) im letzten Frühjahr in der FAZ. Er glaube nicht, dass Jugendliche „reif genug” seien, um über die Geschicke des Landes mitzuentscheiden, wenn sie für viele Angelegenheiten noch die Zustimmung der Eltern bräuchten. Auch der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor zeigte sich zuletzt laut Tagesspiegel skeptisch hinsichtlich des „Kenntnis- und Reifestands” und der „Urteilskraft” von Jugendlichen.

Unser Kommentar

Deutschland und die Jugend, das passt einfach nicht zusammen. Nur 25 Prozent stimmen derzeit klar  für das Wählen ab 16, über 50 Prozent eindeutig dagegen. Wenn Politiker, die selbst aussehen, als werden sie wohl niemals aus der Pubertät kommen, aber schon in alle möglichen Skandale verwickelt sind, 16-Jährigen, die noch idealistisch und engagiert sind, das Wählen verbieten wollen, wird uns ganz anders und wir sind so froh, keine Partei gewählt zu haben, die sich dermaßen reaktionär auch in diesem Punkt stellt. Sicher, ab 16 wählen ist progressiv, auch im Vergleich zu den meisten anderen EU-Ländern, aber dass man die volle Geschäftsfähigkeit und die volle Strafmündigkeit, die mit 18 eintreten, gegen die Reife, sich ein politisches Urteil bilden zu können, ausspielt, ist typisch für diese Spalterparteien, die vermutlich damit auch Erfolg haben werden. Klar, die Mehrheit hierzulande traut Jugendlichen nichts zu, also wählt sie Parteien, die Jugendlichen das Wählen verbieten wollen.

Es ist wirklich schlimm, denn es sind die alten Männer und Frauen, die dafür sorgen, dass es bei Jüngeren an politischer Bildung mangeln könnte. Ob das wirklich der Fall ist, können wir hier nicht diskutieren, aber, um ehrlich zu sein: es war früher nicht besser. Gerade die Generation X und die Millennials sind ziemlich unpolitische Generationen, und das merkt man an ihrem Wahlverhalten, mit dem sie sich in vielen Belangen selbst schaden. Das Verhalten der AfD ist ebenfalls merkwürdig, denn angeblich sind ja viele junge Menschen ihr zugeneigt. Ebenso wie den Grünen. Am Ende treffen sich dann, nach jahrzehntelangem Abschleifen der Persönlichkeit, die meisten in der sogenannten Mitte, und das ist nicht gut für die Vielfalt in der Demokratie.

Wir hatten uns in dieser Umfragenschau schon einmal zur Absenkung des Wahlalters geäußert, aber nur auf Bundestagswahlen bezogen: Umfragen-Marathon: Wird die neue Berlin-Koalition liefern, und wenn ja, was? +++ Bundeswehr-Sondervermögen weiter aufstocken? +++ Wahlalter senken? +++ Wahlen nur noch alle fünf Jahre?

Auf den ersten Blick haben wir unsere Meinung geschärft, damals hatten wir noch mit „eher ja“, nicht mit „eindeutig ja“ gestimmt. Wir verweisen aber darauf, dass Europawahlen keine Bundestagswahlen sind. Ob es Sinn ergeben würde, da einen Unterschied zu machen, zumal die Europawahlen immer wichtiger werden, ist eine andere Frage. Wir meinen, man sollte es junge Menschen Demokratie üben lassen, schlechter als die Älteren können sie es kaum machen.

Bei der Abstimmung gibt es aber einen Punkt, der uns besonders erschreckt hat: Frauen tendieren mehr als Männer dazu, Jugendlichen das Wählen nicht erlauben zu wollen. Vielleicht haben Mütter mehr Ahnung vom Zustand ihrer Sprösslinge als Väter, könnte man witzeln, aber wir freuen uns, dass Männer wenigstens mal um einen Hauch progressiver sind (der Unterschied macht bei „eindeutig ja“ und „eindeutig nein“ derzeit jeweils etwa 3 Prozent aus).

In 8 Bundesländern finden heute auch Kommunalwahlen statt. Damit können wir uns hier aus Kapazitätsgründen höchstens am Rande beschäftigen, indem wir das eine oder andere Ergebnis erwähnen.

 

Ausgangsartikel von 13:16 Uhr

Liebe Leser:innen, nun haben wir also gewählt. Und erstmals wird es an einem Europawahltag eine Artikelserie in Form von Live-Updates geben. Damit drücken wir aus, wie wichtig uns diese Wahl ist. Schon zuvor haben wir eine ganze Reihe von Beiträgen zur Wahl publiziert. [3]

Heute schreiben wir in Form eines persönlichen Interviews und fangen gleich mit der wichtigsten Frage an. Welche Partei haben wir gewählt?

Die exakte Antwort muss bis nach dem Schließen der Wahllokale warten. Aber letztlich habe ich mich an meinem Wahl-O-Mat-Ergebnis orientiert. Das Gewissen meldet sich durchaus, denn es geht ja um den Erhalt von Europa, aber das Gewissen hätte sich auch gerührt, wenn ich eine Partei gewählt hätte, die beim Wahl-O-Mat irgendwo in der Mitte zu finden war, nur, um besonders staatstragend zu sein. Letztlich bin ich unzufrieden und solange ich nicht nach rechts drifte, erlaube ich mir auch, das in der Wahl einer Partei auszudrücken, die gegenwärtig nicht im Bundestag vertreten ist und es aller Voraussicht nach auch nach der Wahl 2025 nicht sein wird. Mainstream zu wählen, ist per se kein Ausweis von irgendwas, außer mainstreamig zu sein.

Das Wahldilemma wurde zuvor ausführlich beschrieben? Wo liegt die Kompromissgrenze?

Ich habe bisher nie eine Partei gewählt, mit der ich weniger als 70 Prozent Zustimmung beim Wahl-O-Mat hatte und bis zur Wiederholungswahl AGH Berlin 2023 etwas wie eine politische Heimat. Diese Partei stand in der Auswertung auch dieses Mal recht weit vorne, aber ich bin so massiv enttäuscht darüber, was dort intern geschehen ist, dass es einfach nicht mehr ging. Bei der Europawahl 2019 habe ich sie übrigens auch nicht gewählt, sondern einer linken Kleinpartei meine Stimme gegeben. Europa scheint auch bei mir mehr das Experimentierfeld zu sein, zumal die Partei, die ich gewählt habe, sicherlich genug Stimmen erhalten wird, um den einen oder die andere Abgeordnete ins EU-Parlament zu schicken. Dazu werden etwa 0,45 bis 0,65 Prozent der Stimmen in Deutschland erforderlich sein. 2029 wird es vermutlich eine Hürde geben, auch wenn sie wohl nicht bei 5 Prozent liegen wird, wie bei Bundestags- oder Landtagswahlen.

Hätte ich „staatstragend“ gewählt im Sinne der Ampel, hätte ich auf jeden Fall einer Partei meine Stimme geben müssen, mit der ich 61, 56 oder gar nur etwas über 40 Prozent Übereinstimmung hatte. Da endet bei mir die Kompromissfähigkeit, letztlich habe ich mich also dagegen entschieden, mich so weit zu verbiegen, nur damit bloß nichts Schlimmes mit der Demokratie passiert. Ich glaube, das wäre der falsche Weg gewesen, sie zu schützen, eine Politik zu unterstützen, die schlicht und einfach nicht für mich gemacht ist und viele, viele Menschen mit großer Sorge erfüllt. Eine Politik, die schlecht ausgeführt und schlecht kommuniziert wird.

Vielleicht ein paar Worte zu der Partei, die dieses Mal wohl Wahlgewinner sein wird?

Um auch dies noch einmal klarzustellen, die Union ist es auch nicht, das ergibt sich aus der obigen Darstellung. Ich war mit einer befreundeten Person zusammen wählen, von der ich befürchtet hatte, dass sie vor lauter Wut und Ärger über alles die AfD wählt. Ich rechne mir das nicht als mäßigenden Einfluss zu, dass sie sagte, sie habe, wie früher, der CDU noch einmal ihre Stimme gegeben. Das habe ich nicht getan, denn die Union ist für die meisten Missstände im Land hauptsächlich verantwortlich, aufgrund ihrer langen, langen Regierungszeiten. Und einige ihrer Exponenten hetzen schlimmer gegen Schwächere als die meisten AfD-Politiker und tragen damit zur Spaltung der Gesellschaft bei. Unmöglich, diese Charaktere zu wählen und auch die Programmatik wird immer rechtslastiger. Die Spitzenkandidatin in Berlin hingegen kannte ich zuvor nicht einmal. Der Name war mir vollkommen neu, als ich ihn erstmals auf einem Wahlplakat las. Da hat die CDU wieder einmal bewiesen, wie nachrangig ihr Europa im Grunde ist.  Da hat die CDU wieder einmal bewiesen, wie nachrangig ihr Europa im Grunde ist. Die Namen der grünen Spitzenkandidaten fallen mir auch nicht ein, auch, weil sie nicht plakatiert wurden. Die der anderen Parteien sagten mir zumindest etwas, inklusive der wichtigsten Kandidat:innen des neuen BSW. Ich habe mir die Liste der Grünen nun nachträglich angeschaut. [4]  Es ist ja nicht so, dass ich nie politische Nachrichten lese, aber ich schwöre, keinen einzigen dieser 40 Namen kannte ich. Man muss wohl mindestens Parteimitglied sein, um sich zu diesen Personen ein Gesicht vorstellen zu können. Auch das war mal anders, da ich bisher aber hier keine Namen genannt habe, belasse ich es auch bei den Grünen dabei.

Es ist bei den Grünen doch Absicht, dass das Programm und nicht die Personen im Vordergrund stehen sollen. Deswegen gab es ja auch das Rotationsprinzip.

Das man aus nachvollziehbaren Gründen abgeschafft hat. In diesen aufgeregten Zeiten muss man etwas höher greifen, etwas mehr politisches Gewicht in die Waagschale werfen, wenn man sich ernsthaft europäisch-demokratieschützend bewegen will. Ich habe die Grünen ja in meiner ersten Zeit in Berlin gewählt, das war aber immer mit Namen verbunden, die bekannt waren und deren Träger:innen ich bis heute politisch und als Personen akzeptabel finde. Das hat ab 2016 nicht mehr gereicht, aber die Berliner Grünen stehen mir ohnehin etwas näher als die Bundespartei mit ihrem so schrecklich bürgerlichen Anstrich, den sie mittlerweile hat. Und mit zwei Bundesministern, die immer im Fokus stehen und dabei eine Fehlerhäufung aufweisen, die auf dieser hohen Ebene einfach nicht geht. Der Kanzler hätte mindestens eine dieser Personen längst austauschen müssen, aber Korrekturen konnte er nur bei Handlungsbedarf in der eigenen Partei vornehmen, bisher in Sachen Verteidigung, die fragile Koalition durfte er nicht mit Ansagen an die anderen Partner belasten. Wie schädlich die wackelige Ampel für das Land ist, sieht man jeden Tag.

Nun warten wir ab, was sich ergebnisseitig abzeichnet und werden weitere interessante Fakten und Fragen besprechen. Sie haben alle noch fünf Stunden Zeit. Gehen Sie wählen, auch wenn Sie genervt von der herrschenden Politik sind, es ist wichtig, Europa ernst zu nehmen. Ernster, als einige Parteien es nehmen.

TH

[1] Europe Elects auf X: „Germany, European Parliament election today: Turnout estimate at 2 PM CEST (excluding postal votes)

[2]  Interesse der Jungwähler:innen in den EU-Staaten

[4] Die grüne Liste für die Europawahl 2024 – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (gruene.de).

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