Baerbock oder Habeck als Kanzlerkandidat:in? (Umfrage + Kommentar) | Briefing 573 | PPP Politik Personen Parteien, Die Grünen, Baerbock & Habeck, #btw2025 #btw25 #Kanzlerkandidat:in

Briefing 573 | PPP, Die Grünen, Ampelkoalition, Außenministerin, Wirtschaftsminister, Annalena Baerbock, Robert Habeck, Kanzlerkandidat:in, Bundestagswahl 2025

Zu Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union gab es bereits eine Civey-Umfrage, wir hatten uns kürzlich dementsprechend geäußert. Was uns erstaunt hat: Die Umfrage wurde im November 2023 aufgesetzt, wir dachten, das sei noch nicht so lange her. Unsere Einschätzung zu Merz hat sich seitdem allerdings nicht geändert.

Und wie mit den Grünen? Sahra Wagenknecht meinte kürzlich, nach ihrer eigenen Kandatur gefragt, eine Partei solle erst dann eine:n Kanzlerkandidat:in aufstellen, wenn sie bei einer Bundestagswahl mehr als 10 Prozent zu erwarten habe – was sie für ihr BSW offenbar gegenwärtig nicht sieht. Nun hatten die Grünen für die Wahl 2021 eine Kandidatin aufgestellt. Sie heißt Annalena Baerbock und ist gegenwärtig Bundesaußenministerin. Sie und Robert Habeck, der damals zu ihren Gunsten verzichtet hatte, stehen zur Abstimmung.

Wer ist Ihrer Meinung nach geeigneter für die Kanzlerkandidatur der Grünen bei der Bundestagswahl 2025, eher Annalena Baerbock oder eher Robert Habeck?

Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter

Die Grünen wollen per Mitgliederbescheid bestimmen, wer die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2025 übernimmt. Aktuell sind Robert Habeck und die ehemalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Gespräch. Seit die Bundesaußenministerin und der Bundeswirtschaftsminister im Amt sind, hat ihre Partei stark an Rückhalt verloren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte seine Partei angesichts des desaströsen Ergebnisses bei der EU-Wahl zum Umsteuern auf. Zugleich forderte er eine klare Führung sowie eine selbstkritische Analyse – auch mit Blick auf den Wahlkampf vor drei Jahren. 

„Als Außenministerin habe ich gelernt, dass alles möglich ist.“ So beantwortete sie jüngst die Frage der SZ, ob sie erneut als Kanzlerkandidatin antrete. Laut Tagesspiegel habe sie weiterhin viel Rückhalt in der Partei, besonders im linken Parteiflügel und der Bundestagsfraktion. Ihre Unterstützer:innen heben etwa ihren Verdienst als globale Krisenmanagerin hervor – eine Meinung, die auch US-Außenminister Antony Blinken in der Time teilte. Kritiker:innen führen an, sie habe 2021 ihre Chance gehabt und vertan. Baerbock stand im Laufe des Wahlkampfes mehrfach in der Kritik. Sie wurde etwa für die verspätete Angabe von Nebeneinkünften und einen fehlerhaften Lebenslauf kritisiert. 

Habeck wird indes von den „Vert-Realos“ der Partei unterstützt. Die Gruppe von wertkonservativen Realos erhoffen sich vom derzeitigen Vizekanzler die dringend benötigte, starke Führung. Sie argumentieren laut Tagesspiegel, dass Habeck breite Gesellschaftsgruppen erreiche, zentrale Erfolge in der Ampel verbuche und insgesamt der bessere Wahlkämpfer sei. Die SZ verweist indes darauf, dass Habeck polarisiere und für einige ein Feindbild darstelle. Unbeliebt hat er sich in der Bevölkerung mit dem Heizungsgesetz gemacht. Von der Grünen Jugend wurde er indes laut ZDF dafür kritisiert, die verschärfte, von Rechten initiierte Asylpolitik der Ampel mitgetragen zu haben.

Unser Kommentar

Entweder sind wir aus der Welt gefallen oder der Berliner Tagesspiegel oder wer immer sonst noch an dem obigen Text beteiligt war. Das war unser erster Gedanke nach dem Lesen. Es ist richtig, dass Annalena Baerbock die beliebteste Politikerin der Ampelkoalition war, bis der Wechsel im Verteidigungsministerium von Christine Lambrecht zu Boris Pistorius stattfand. Dieser führt nun mit einer Wertung das Ampelranking an, die in früheren Regierungen vielleicht für Rang drei oder vier gereicht hätte, und das mit weitem Abstand. Baerbock war die Beliebteste der Ampel, aber nicht beliebt, sie kam nicht einmal auf einfache Mehrheiten, sondern fand sich bei allerhöchstens 40 Prozent Zustimmung ein (Angela Merkel: bis zu 80 Prozent, frühere Außenminister wie Hans-Dietrich-Genscher erzielten noch höhere Werte).

Als der Parteivorsitz der Grünen im Jahr 2018 an Habeck und Baerbock überging, dachte jeder: Jetzt kommt was Großes. Weil die Presse es uns so mitgeteilt hatte. Es gab kaum negative Stimmen zu den beiden. Unverbraucht, sympathisch, zeitgemäß, sogar hip waren sie, so zumindest der Tenor der besonders viel gelesenen Stimmen.

Wir waren sogar ein wenig neidisch, weil unsere damalige Partei auf Sahra Wagenknecht angewiesen war und schon damals für jene, die etwas dichter dran waren, das Knirschen im Apparat so deutlich zu vernehmen war, dass uns klar war, wie sehr die Reibungsverluste, die dadurch entstehen, der Partei schaden werden, der Blödsinn mit „Aufstehen“ inszeniert wurde, uns hat die Spaltung, zu der es jetzt kam, nicht überrascht.

Und dann diese Grünen: Im Trend, keinerlei Diskrepanzen mehr, keine Flügel, keine Realos und Fundis, der Weg nach vorne frei. Und dann kam noch FFF, eine Situation wie gemalt für die Grünen. Es schien kein Halten mehr beim rasanten Aufstieg zu geben.

Sechs Jahre später. Die Grünen haben gerade bei den Europawahlen ein Ergebnis erzielt, das sie fast auf ihre Kernwählerschaft, die mach bei 8 bis 10 Prozent ansiedelt, zurückgeführt hat. Mit Habeck und Baerbock als deren Gesichter, die Europawahl-Kandidat:innen waren weitgehend unbekannt, wie bei den anderen Parteien (außer bei der FDP mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann und dem BSW, wo der Wirtschaftsexperte Fabio de Masi in das  Parlament zurückgekehrt ist, indem er bis 2019 schon für die Linke saß). Die Auswertung, die besagt, dass die Grünen das o. g. Stammwähler:innenpotenzial haben, ist schon etwas älter, möglicherweise liegt es mittlerweile höher. Das würde bedeuten, die Grünen hätten das Ergebnis vom 9. Juni mit irgendwem erzielen können, dazu wären keine Persönlichkeiten notwendig gewesen, die zusätzliche Stimmen einfahren können, zumal sie bei Europawahlen traditionell etwas besser liegen als bei Bundestagswahlen.

Was ist passiert? Jedenfalls, auf die Gesamtbevölkerung, nicht auf die stabilen Grün-Anhänger:innen gezogen, nicht das, was oben im Tagesspiegel, den Civey hauptsächlich als Grundlage für den eigenen Text herangezogen hat, zu lesen ist. Und so wurde bisher auch abgestimmt. Krachende 67 Prozent sagen aktuell: keiner von beiden. Abgesehen von ein paar Leuten, die vielleicht lieber Cem Özdemir als Kandidat sehen würden, heißt das, man hält die Grünen generell nicht für kanzler:innentauglich.

Wie konnte es passieren?

Baerbock kommt auf eine eindeutige Zustimmungsrate von unter 5 Prozent, Habeck immerhin auf 16 Prozent. Bestimmt ist da wieder Frauenfeindlichkeit dabei, aber angesichts der konkreten Ausfassung sogenannter feministischer Außenpolitik unter der Ägide von Annalena Baerbock haben sich offensichtlich auch nur wenige Frauen für sie erwärmen können.

Wir können hier nicht sämtliche Fails der beiden grünen Minister:innenpersonen noch einmal durchkauen, aber wir sind geradezu entsetzt gewesen von Baerbock dilettantischen Auftritten nach außen und von Habecks mangelnde Kompetenz auf dem Gebiet, das er zu verwalten hat und gestalten sollte. Beide Politikfelder sind derzeit eminent wichtig und nach unserer Ansicht klar fehlbesetzt. Das ist eine Katastrophe für die Ampel, für die deutsche Politik und damit auch für die Demokratie. Die beiden Grünen tragen mit ihrer Mischung aus Abgehobenheit und Unwissenheit dazu bei, dass die Demokratie in Verruf gerät. Baerbock als Krisenmanagerin, das mussten wir mehrmals lesen, bis wir es geglaubt haben. Welche Weltkrise hat Baerbock bitte wie gemanagt? Wo hat sie etwas zu einer wichtigen, positiven weltpolitischen Entwicklung beitragen? Wie viele verpatzte Auftritte mit viel anschließendem Ärger in den Gastländern hat sie hingegen schon hingelegt, mit ihrer einmalig snobistischen Art.

Dass der US-Außenminister sie lobt, ist trotzdem nicht unlogisch, denn die US-Außenpolitik braucht sich keine Sorgen zu machen, dass die deutsche ihr mit Baerbock diplomatisch den Rang ablaufen oder gar eigene Akzente setzen könnte.

So klar wie kein anderes Ressort ist aber das Wirtschaftsministerium von der Spitze her falsch besetzt, das müssen wir noch einmal festhalten, auch wenn wir ideologisch vor allem Christian Lindner im Auge haben, wenn es um die Gegnerschaft geht. Auf seine neoliberale Art hat er jedenfalls mehr Ahnung vom Stoff als Habeck und Baerbock vom ihren zusammen. Bei Habeck führt das auch dazu, dass er sich leicht manipulieren lässt und nicht durchdenken kann, wo er anfangen muss, selbst eine Haltung zu entwickeln. Er gilt u.a. als von wenigen Ökonom:innen sehr stark beeinflusst, hat weder ein Rechts-, noch ein Wirtschaftsstudium, nicht einmal eine kaufmännische Grundbildung, und kann handwerkliche Fehler in den Gesetzen, die aus seinem Haus kommen, nicht aufdecken und analysieren. Dazu braucht er stets Expertise durch seinen Stab. Wenn auf der Ebene ebenfalls Kompetenzmängel und Ideologie vor Praktikabilität vorherrschen, kommt das heraus, was wir zuletzt beim Heizungsgesetz kennengelernt haben. Er war vor seinem Ausrücken in die Bundespolitik Wirtschaftsminister der scharz-grünen Koalition von Schleswig-Holstein, aber was er jetzt bewältigen muss, ist eine andere Größenordnung.

Fails anderer Minister:innen, wie der von Christine Lambrecht waren zunächst eher etwas für Spezialisten, die sich mit der Bundeswehr gut auskennen, bis der Ukrainekrieg sie in den Fokus gerückt hatte und alles aufgepoppt ist, was nicht passte.

Natürlich kann die Ampel nichts dafür, dass sie in diese Krisen hineingeschleudert wurde, das vergessen wir in unseren Artikeln nie. Aber für diese Krisen stellt die Ampel und sind insbesondere die grünen Minister darin das falsche Personal. Das falsche Konzept und das falsche Personal, sofern man dieser zusammengewürfelten Truppe mit ihren vielen Disparitäten etwas wie Konzeptionalität unterstellen mag.

Diese beiden grünen Ministeriumshinhaber:innen  sind eben keine Krisenmanager, keinen Strategen, sondern ganz stark abhängig davon, wie die Lage gerade ist und, wenn es denn zu Ideen kommt, vor allem im Fall von Baerbock, mit außenpolitischen Ideen unterwegs, die an Fadenscheinigkeit und Mehrfachstandards nicht zu überbieten sind. Konkrete Hilfe oder Unterstützung für irgendwen, wie sie unter Merkels Außenministern noch üblich war, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, hingegen Fehlanzeige. Denn Baerbock ist Generalistin und verbaut sich mit ihren Auftritten zudem die Option, in aller Stille mit schwierigen Machthabern über konkrete Punkte und Personen zu verhandeln, weil sie meint, Leute abbürsten zu können, die nicht gerade auf Deutschlands Wohlwollen angewiesen sind. Diese Art von Politik ist also zu allem auch noch überdehnt und verlangt eine Position, die Deutschland nicht innehat. Wer diese Politik gut findet? Ein paar arrogante Grüne vielleicht, die sich ethisch für die Erdachse halten und nicht merken, was draußen in der Welt los ist und wie Deutschland an Ansehen verliert.

Der Ukrainekrieg kommt noch hinzu, und da muss die Haltung der Bundesregierung ja auch gegenüber der Mehrheit der Welt, die eine andere Einstellung dazu hat, zumindest kompetent kommuniziert werden. Da kommt es ganz schlecht, wenn man eine Außenministerin damit packen kann, wie einseitig der Westen sich verhält, wenn es um Menschenrechte geht und dann noch damit, dass sie meint, andere ständig belehren zu können. Sie verkörpert keine feministische Außenpolitik, sondern altes, weißes Überlegenheitsdenken, aber beraubt um die Machtposition, die die alten Kolonialmächte einmal hatten. Mithin, es kommt dazu, dass die deutsche Außenpolitik als lächerlich wahrgenommen wird, und es wird viele Jahre dauern, bis dieser schlechte Eindruck, den die Außenpolitik eines Landes erweckt, das u. a. den Holocaust zu verantworten hat, repariert ist.

Das, was diese beiden Minister:innenpersonen machen, geht so an der Realität vorbei, dass Kanzler Scholz im Grunde das Außenministerium mit übernehmen müsste, um weitere Schäden zu verhindern und das Wirtschaftmsinisterium zumindest mit einem Aufpasser verstehen müsste, der weitere Betisen verhindert und immer selbst am Ball sein. Aber was soll er noch alles machen?

Wir sind nicht immer bei der Mehrheit, in diesem Fall aber schon. Wir sehen bei den Grünen niemanden, der Kanzler:innenformat hat. Nicht einmal auf dem Niveau von Angela Merkel, die der aktuellen Politik viele ungelöste Probleme hinterlassen hat.

Dadurch sind wir in der Klemme, denn die Ablösung der Ampel durch Jamaika, die wahrscheinlichste Kombination nach der nächsten Bundestagswahl, wird nichts verbessern. Nicht für uns als Bevölkerung.

Annalena Baerbock als im linken grünen Spektrum verortet zu bezeichnen, das hallt wirklich nach. Das muss man erst einmal auf die Rolle bekommen, journalistisch gesehen. Wenn das stimmt, dann ist klar, dass die Grünen eher rechts von der Mitte stehen. Wir werden also auf jeden Fall nach der nächsten Wahl eine rechte Regierung bekommen. Und wen das nicht verdrießt, der hat die allgemeine Menschenfeindlichkeit in diesem Land schon so sehr inhaliert, dass er unrettbar verloren ist für eine solidarische Politik für die Menschen, die sie brauchen und die eine solche Politik verdienen.

TH

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