Medienspiegel 39 / „Aufstehen für Renditen“ (Junge Welt)
Immer, wenn ich irgendetwas von Sahra Wagenknecht höre, das sie so noch nicht gesagt hat, und sei es auch nur eine kleine Abweichung oder Erweiterung, dokumentiere ich das immer gerne. Im großen #Aufstehen-Auftrieb gingen die Kleinigkeiten ja zuletzt etwas unter, aber hier gibt es sie wieder und gleich titelt die „JW“ so wie oben, was klingt, als sei „Aufstehen“ ein Aufruf an alle, endlich Kapitalisten zu werden. Dabei hat Sahra Wagenknecht bloß ihr Herz für die Kleinsparer entdeckt.
Die Situationsbeschreibung von Sahra Wagenknecht ist vollkommen richtig. Aber man muss wissen, dass sie sich gegen die EZB wendet, mithin gegen die Art, wie der Euro und einige Länder, die ihn als Währung verwenden, am Leben erhalten werden. Nämlich u. a. durch die extreme Niedrigzinspolitik der EZB, die in Deutschland für „keine Renditen mehr bei klassischen Sparanlagen“ sorgt. Jetzt fehlt noch die andere Seite: Dass die Immobilienpreisexplosion auch dadurch angetrieben wird, dass das Kapital in die Immobilien strömt, um eine mittlerweile auch schon recht niedrige, aber einigermaßen sichere Rendite zu erzielen.
Wenn eine Reaktion von Ralf Stegner von der SPD kommt, denke ich häufig, da hätte er mal besser – nichts gesagt. Klar, die Schwächung des linken Flügels der SPD, zu dem Stegner zählt, durch Lafontaines Abgang, ist nicht vergessen. Die SPD muss zudem am meisten von allen Parteien befürchten, weiter in der Wählergunst zu verlieren. Das tut sie sowieso seit vielen Jahren, auch ohne Bewegung #Aufstehen. Wenn es stimmt, was Oskar Lafontaine so auffällig betont, nämlich, dass #Aufstehen nur ergänzend und nicht konkurrierend zur LINKEn gemeint ist, dann besteht natürlich die Gefahr, dass Wähler der SPD abspringen und via #Aufstehen zur LINKEn wechseln, weil nun einmal die Macher der Bewegung von dieser Partei kommen und ein Scharnier bilden können oder einen Verbindungsgang für die anlegen, die sich mit einigen elitären Zielen der Linken bisher nicht klarfinden konnten – mit Zielen, die von Wagenknecht und Lafontaine erkennbar nicht geteilt werden.
Absolut richtig ist es, derzeit auf Bundesebene nicht rot-rot-grün anzuzielen. Damit würden sich alle drei Parteien keinen Gefallen tun. Die SPD muss erst einmal wissen, ob sie wieder als links gelten will und die Grünen fahren derzeit mit der Oppositionsrolle sehr gut und können sich in aller Ruhe so aufstellen, dass sie richtig lecker sind für die Neoliberalen, die im Ökoladen kaufen.
TH
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