Aus gegebenem aktuellen Anlass gibt es einen Update-Beitrag.
Liebe Leser_innen,
nachdem wir den Tag erst einmal haben vorüberziehen lassen, um uns einen Überblick zu verschaffen und etwas übers Ganze nachzudenken, kommt jetzt unser Beitrag zum Hashtag dieses 7. Januar 2019.
Im Grunde scheint diese Botschaft selbstverständlich, aber eben doch nicht. Sie zu äußern und sie richtig zu adressieren, ist in Wirklichkeit nicht einfach. Weil wir uns mit vielen gar nicht ins Boot setzen wollen, die mal wieder wohfeile Worte von sich geben, ähnlich wie (bei) #Unteilbar oder #Wirsindmehr.
Wir grüßen deshalb heute alle wirklichen Antifaschist_innen. Alle, die Antifaschismus leben und sich jeden Tag dafür einsetzen und dafür auch etwas riskieren. Mit allen, die in unserer Partei und außerhalb den Antifaschismus auch dann nicht vergessen, wenn er gerade nicht en Vogue und nicht so massentauglich ist wie gerade heute wieder ist und die wissen, woher der deutsche Faschismus kam und wie er siegen konnte. Damit meinen wir diejenigen, die im täglichen Kampf stehen, echter Repression ausgesetzt sind und keine Solidarität aus der sogenannten Mitte heraus erhalten.
Deswegen ist dies keine Solidaritätsadresse an den Mainstream, der sich per Hashtag moralisch aufschwingt und mit seiner täglichen Politik oder seinem täglichen Journalismus den neuen Faschismus verbreiten hilft, indem er sich nicht gegen die sozialen und systembedingten Gründe dafür stellt.
Es ist lächerlich, wer sich da teilweise auf den Nazisraus-Zug setzt und gerade vielen Grünen, die ja nun erklärtermaßen zu den einzigen Nichtfaschisten geadelt worden sind, sollte diese Zuweisung peinlich sein, weil sie längst komplett vergessen haben, dass Faschismus und Kapitalismus miteinander Hand in Hand gehen und in den 1930ern nur zusammen die Oberhand gewinnen konnten.
Echte Demokratie und Kleptokratie können niemals harmonisch miteinander für die Mehrheit wirken und die heutige Kombination von immer mehr Ungleichheit und kostenfreiem Hashtagging kann totalitäre Tendenzen sicher nicht verhindern. Man kann nicht den Faschismus schrecklich finden und das immer mehr freidrehende Kapital hemmungslos unterstützen, ohne sich Fragen an die eigene Denkfähigkeit stellen lassen zu müssen. Ebenso übrigens, wie gedankenlose Systemaffinität und Aufrufe zur ökologischen Wende ziemlich hohl klingen.
Weil wir zu diesen Einsichten gekommen sind, haben wir uns im Zuge von deren rasanter Verbürgerlichung von den Grünen ab- und der LINKEn zugewendet. Wir lassen uns jetzt ganz bestimmt nicht erzählen, wir seien deshalb Nazis, und wenn es noch so ironisch gemeint war. Gelernte Journalist_innen wissen genau, wann welche Tonart angesagt ist und wie man es geschickt anstellt, links zu diskreditieren, indem man alle außer dem Mitte-Mitte-Mainstream, dem man selbst angehört, außerhalb des großen Konsenses stellen will – den es in Wirklichkeit nicht in Ansätzen gibt, wie sich am Klein-Klein und tausend Meinungsvarianten bei sehr vielen Themen zeigt, auch beim Thema Nazis.
Vor allem trifft diese Ausgrenzung diejenigen, die sich wirklich antifaschistisch nennen dürfen und die nach unseren Beobachtungen überwiegend nicht (mehr) grün wählen.
Wir schreiben hier auch ganz klar, dass wir innerhalb unserer politischen Gruppe nicht zur aktiven Antifa rechnen, also zu denen, die sich in ihrer Basisarbeit vehement gegen den Faschismus einsetzen, sondern dass wir andere Themenschwerpunkte haben, vor allem die Wirtschafts- und Wohnungspolitik. Wir finden auch, dass jeder das machen soll, was er am besten kann oder wozu er sich berufen fühlt und wo er authentisch wirkt.
Aber wir sind solidarisch mit jenen, die sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit glaubhaft in die Arbeit gegen den Faschismus innerhalb und außerhalb unserer Partei einbringen und die wissen, dass man, um dabei glaubhaft zu sein, auch die Systemfrage stellen muss. Falls jemand den Eindruck haben sollte, die echte Antifa hält sich beim gegenwärtigen NazisRaus-Hype etwas zurück, dann vielleicht genau deshalb: Weil hier wieder viele politische und journalistische Leichtmatros_innen unterwegs sind, die außerhalb solcher Social-Media-Events rein gar nichts dazu beitragen, den Faschismus in Deutschland zu bremsen und sich bloß wieder die tägliche Dosis billige Selbstgerechtigkeit und natürlich etwas Aufmerksamkeit reinziehen wollen.
In dieser Woche jähren sich die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum hundertsten Mal. In dieser Woche ist es besonders geboten, sich abzugrenzen. Gegen Rechts und auch gegen diejenigen, deren fehlgeleitete politische Vorfahren mit ihrer Scheinheiligkeit und ihrer Zusammenarbeit mit der Reaktion schon einmal für das Ende der demokratischen Hoffnungen gesorgt haben.
Daher heute unsere Solidarität mit der aktiven Antifa! Nazis raus!
© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
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