Frohe Ostern, Falke – Tatort 942 / Crimetime 280 // #Tatort #Falke #Bundespolizei #Lorenz #HH #NDR #Ostern #HappyEaster #FroheOstern

 

Titelfoto © NDR, Christine Schroeder

5 Geiselnehmer und ein totes Ei

Seitdem Thorsten Falke und Katharina Lorenz zur Bundespolizei weggelobt wurden, denn in Hamburg ist nur Platz für einen Tschiller, hat das immerhin den Effekt, dass die Fälle von Lorenz und Falke ungewöhnlicher werden, denn es geht nicht mehr um das alltägliche Morden aufgrund alltäglicher Motive, sondern um Einsätze, die als Werbung für die modernstmögliche SEK- oder MEK-Technik dienen (Sondereinsatzkommando / Mobiles Einsatzkommando). Wir klären in der -> Rezension, ob dieser Tatort, der so deutlich auf Ostern bezogen ist, ein besonders schönes Geschenk zum Anlass darstellt.

Handlung

Eine österliche Charity-Gala in Sachen Flüchtlingshilfe wird von der Aktivistengruppe „Bad Easter Bunnies“ überfallen. Fast 80 Gäste werden als Geiseln genommen, unter ihnen auch Katharina Lorenz.

Via Livestream präsentieren die Aktivisten ihre Forderung nach einer Amnestie für alle Abschiebehäftlinge. Bald spitzt sich die Lage zu und der Anführer der Geiselnehmer tötet eine – nur scheinbar – beliebige Geisel. Heimlich gelingt es Lorenz, ihren Kollegen Falke zu informieren und es startet eine dramatische Rettungsaktion. 

Rezension

Sie sind ja schon ein ansehnliches Duo, der Raue und die Hübsche, ihm steht die Lederjacke so gut wie ihr das Abendkleid – aber zusammen sieht man sie in „Frohe Ostern, Falke“ kaum, denn sie ist drinnen und er ist draußen und kann erst einmal nicht rein. Kein Wunder, dass sie am Schluss, als er sie gerettet hat, langsam und gemeinsam aus dem Bild wandern, von oben gefilmt. Frohes Anbaggern, Falke. Nein, das tut er ja nicht. Hat er nicht nötig. Es wird was gehen, und wenn, dann wird es ganz natürlich wirken.

Die nunmehr bundespolizeilichen-Ermittler haben eine Zukunft in der Tatort-Reihe. Schon deswegen, weil sie menschlich so unauffällig-positiv sind, ein wenig Kante haben und, wie wir nicht erst seit dem 5. Gemeinsamen Fall wissen, in dem es 5. Geiselnehmer gibt, auch sehr viel Mut. Schreibfehler? Nein, nein. Es sind 5 böse Osterhasen (Bad Bunnies extra übersetzt für Nicht-Englisch-Kenner – wenn andere Begriffe wie Charity-Gala doch auch so behandelt würden). Aber wenn Kathi dem Thorsten eine SMS schreibt, dann sind es 5. Geiselnehmer. Natürlich als Zahl, obwohl man „fünf“ normalerweise noch ausschreibt, der Kürze und der Dramatik wegen aber als Zahl. Man beachte allerdings, der Punkt ist korrekt. Damit schließt der Ein-Zahl-Satz ab. Stimmt das überhaupt?

Auffallend ist die korrekte, zeitaufwändige Schreibweise der Handynachrichten, die gut zur Künstlichkeit des Falles passt. So würde das in Wirklichkeit kein Mensch machen, selbst wenn er, was bei Polizisten eher die Ausnahme sein dürfte, die deutsche Orthografie fehlerfrei beherrscht. Selbst wir, ja, wir würden wohl alles klein und ohne Punkt und Komma schreiben, in einer solchen Situation. Doch beim NDR wollte man wohl die zahlreichen erbosten Meldungen von Altpädagogen vermeiden, die bei Verwendung einer lebensnahen Schreibweise den Untergang des Abendlandes für erwiesen hielten. Dabei ist der Untergang des Abendlandes in seiner spätkapitalistischen Prachtentfaltung ohnehin beschlossene Sache. Fragen Sie mal die Morgenländer, die wissen das. Was sie meist ausblenden: Sie sitzen mit im Boot.

Also haben die Osterhasen Recht. Zumindest, was die lächerliche Zurschaustellung von Promis auf jenen Charity-Galas angeht. Da wird ein Bruchteil von einem Promille des eigenen Vermögens publikumswirksam an die Armen der Welt übergeben, und davon kommt abzüglich der Kosten fürs Event nur noch die Hälfte an die Organisationen, die das Geld sollen. Kein Wunder, dass Kathi diese attraktiven Falten über der Nasenwurzel bekommt, als der Festredner davon spricht, dass das Geld vor Ort eingesetzt werden soll, damit nicht gar so viele Flüchtlinge überhaupt erst zu solchen werden und unverschämterweise in Strömen dorthin strömen, wo ihre Probleme hauptsächlich erzeugt werden. So ist das, wenn die Lage unüberschaubar wird. Alles sprudelt zu einem reißenden Wasser zusammen, Menschen, gar Individuen, sind nicht mehr erkennbar, wenn Panik aufkommt. Panik, weil das reißende Nass die Ufer des Rechts und der Herzen übersteigt, die doch nur für die ganz kleine Lösung angelegt wurden, also ein bis zwei Vesprengte pro Tag, die man bürokratisch mit aller gebotenen Ordnung bearbeiten und vielleicht, nach einigen Demonstrationen, aufnehmen will, ohne dass sie einen „Status“ erhalten konnten.

Ein Rinnsal, ja, aber Ströme? Gut, dass der böseste unter den Osterhasen, also der einzig wirklich böse, keinen Stromschlag bekommt, als er die Telefonkabelchen rausreißt. So ein Quatsch, wir sind doch nicht beim Starkstrom, und selbst da sprühen normalerweise nicht so die Funken, wenn Hand an die Leitung gelegt wird. Egal. Wenn schon ein Tatort eine Handlung wie diese hat, dann kommt’s auf ein paar unsauber gestaltete Effekte nicht mehr an. Immerhin sehen wir, warum Telefonieren nicht möglich ist. Richtig, damit Kathi dieses Mal einen großen Part haben darf, mit gefühlt mehr Spielzeit als Thorsten. Wenn sie nämlich nicht so bockig wäre und unter Lebensgefahr ihr Handy behalten würde, mit dem sie SMS schreibt, deren Ergebnisse ohnehin verraten werden, dann wäre der Film viel zu einfach gestrickt. Schon so, wie er ist, kann man ihm eine gewisse Redundanz nicht absprechen, die sich in ausgiebigen Unter-Tisch-Szenen und ausgiebigen Erklärungen des Oberhasen zeigt, die ein Profi niemals gegenüber seinen Amateur-Kumpanen abgeben würde. Er verhält sich so auffällig, dass im Grunde alles schiefgehen muss, wenn die anderen keine geborenen Killer sind. Nehmen wir nur die Waffengeschichte. Es hätte doch vollkommen ausgereicht, wenn er als einziger, ohne dass die anderen es so richtig mitbekommen, zu einer echten MP gegriffen hätte! Dann hätte der Kollege mit den schwachen Nerven auch nicht das Osterei erschossen.

Ein weniger vom Osterfest beseelter Killer hätte vielleicht den Rüstungs-Manager, der als Whistleblower eine Zweitkarriere starten wollte, einfach so, irgendwo im Nirgendwo, erschossen, aber nee, manche Menschen neigen zu Inszenierungen der übertriebensten Art, nur, um die Charity-Blockupy-Bewegung zu diskreditieren. Dass hinter diesem einzigen Hasten mit markantem Gesicht (da kann auch Falke nicht mit) eine Organisation steht, ist schnell klar. Wir werden aufgrund des Aufwandes aber in eine unfair irre Irre geführt.

Wir dachten, der MEK-Infiltrant sei vom Staat installiert worden, um die renitente Osterhasenbande als Mördergang darzustellen. Die V-Männer in radikalen Organisationen hätten grüßen lassen. Hätten sie, falls man bei der Auflösung konsequent gewesen wäre. So, wie in vielen anderen norddeutschen Tatorten, in denen der Staat immer mehr zu einem Monstrum ohne jedes Gewissen verkommt. Der Staat ist eben nicht niedlich. Der Staat ist nicht wie Ostern. Und schon gar nicht wie Ostern und Weihnachten zusammen. Es wird Zeit, den Staat wieder ernst zu nehmen. Dachte man sich am Ende wohl doch und hat das Drehbuch entschärft. Die Unausgegorenheit der gesamten Aktion lässt tatsächlich darauf schließen, dass da gefummelt wurde, den am Ende stehen wir vor zwei toten Menschen und einem fünf toten Hasen und fragen uns, wieviele Leute wir einladen sollen, um das Ergebnis der Hasenjagd in einen prächtigen Osterschmaus umzusetzen.

Machen die Sondereinsatzkommandos das wirklich so, dass die Geiselnehmer sofort ein Projektil in den Kopf geschossen bekommen, ohne Versuch, das Ganze unblutig zu beenden? Vielleicht doch, wenn eh schon Blut geflossen ist und noch was drin ist, im Eimer mit roter Theatersoße.

Was wir uns aber vor allem fragen – wozu dieses Gedöns, nur, um einen Mann loszuwerden, den sein Gewissen plagt? Der sich übrigens auch noch als Opfer anbietet, indem er dem wohl zähesten und wütendensten Exemplar von künftigem Hasenragout à la Provence oder mit Spätzle tatsächlich verbal die Stirn bietet. Hätte man ihn wirklich zufällig herausgegriffen, hätte man das genau so filmen können und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass keine Zufälligkeit herrsche. Das nennt Bowling for Nothing, was hier gespielt wird. Rein logisch ist die Handlung also besser als psychologisch. Oft ist es umgekehrt. Wenn beides perfekt zusammengeht oder doch einigermaßen, dann wid’s Grimme-Preise regnen.

Finale

Kathi soll bloß aufpassen. Wir dachten immer, sie sei die eher Rationale, Falke der Mann aus dem Volk, fürs Volk und daher auch ein Gemütsmensch. Mit diesem Verdacht haben sie in „Frohe Ostern, Falke“ gründlich abgerechnet. Falke ist integriert, aber voll auf Effizienz ausgerichtet, während sich Kathi verhält, als wolle sie einen Tod auf Verlangen seitens des Ober-Osterhasen erzwingen. Charity-Galas müssen bei Menschen, denen man bisher einen gesunden Selbsterhaltungstrieb zugerechnet hat, und seien sie gar Polizisten, schwere Traumata auslösen. Niemand verlangt von Miss Galadinner, dass sie außer Dienst und nur mit den Waffen einer Frau ausgestattet, mit ihrem Leben spielt, indem sie ihr iPhone nicht beim strengen Oberhasen abgibt. Die Waffen einer Frau setzt sie gar nicht ein. Von ihr fühlt sich aber eine junge Hostess ermutigt, frech gegenüber dem bösen Hasen zu werden. Ihre Waffen setzt auch sie nicht ein. Diese Nordfrauen!

Dafür versucht Kathi, mit einer ungeladenen Pistole zu schießen. Mann, wenn der Falke nicht in diesem, aber wirklich genau in diesem Moment aufgetaucht wäre, hätten wir eine der wenigen Jungermittlerinnen verloren, die tatsächlich wie ein Gesicht in der Menge wirkt. Am Risikoverhalten seiner Ermittler muss das BKA noch einmal sehr arbeiten, sonst wird das nichts, mit dem Aufstieg in die Tatort-Weltliga, für die Aktivisten Falke und Lorenz.

2051-04-08 Tatort 942 Frohe Ostern, Falke Petra Schmidt Schaller Katharina LorenzWird es sowieso nicht mehr, für Kathi, weil Petra Schmidt-Schaller aufhört. Da ist wieder dieses Bedauern. Noch nicht so ausgeprägt wie damals, als Conny Mey ihren Frank Steier verließ, aber der Eindruck, die Guten gehen jung, verstärkt sich.

Die politische Korrektheit des Tatorts, die in Norddeutschland ohnehin besonders gepflegt wird, was wir auch als begründet empfinden, geht leider ziemlich unter in einer Handlung, deren Sinn so vage bleibt wie die Begründung vieler einzelner Momente in diesem Film. Schade irgendwie für die Typen unter den Ermittlern. Was die Action angeht, können sie auf dieser Schiene so viel zulegen, wie sie wollen, Hamburg-City können sie niemals toppen, denn dort ist Rambo Tschiller at Work. Und der macht jetzt gleich zwei Fälle hintereinander, weil er noch schockiert ist von der Tatsache, dass Murot ihm bezüglich des Bodycounts einfach mal so hat in der Ecke stehen lassen. Was sind da schon sie sieben Toten im Tatort 942? Frohes Ballern auf Politiker-Schießscheiben, Jungs!

Wenn uns in diesem Tatort etwas erstaunt und schockiert hat, dann diese Putin- und Merkel-Schießscheiben. Jetzt ist es nämlich belegt: Jene Pappkameraden sind zweidimensional und aufgrund der Einschusslöcher kann man sogar durch sie hindurchsehen. Diesem Tatort hätte etwas mehr Humor von der Sorte gutgetan, aber wie es oft ist, wenn Werke überambitioniert und irgendwie verschoben wirken – genau der fehlt.

 6,5/10

© 2019, 2015 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Thorsten Falke            Wotan Wilke Möhring
Katharina Lorenz       Petra Schmidt-Schaller
Jan Katz          Sebastian Schipper
Frank (Bunny 1)         Thomas Sarbacher
Steffen (Bunny 2)      Lasse Myhr
Nico (Bunny 3)          Sascha Alexander Gersak
Joachim (Bunny 4)     Milton Welsh
Rainer (Bunny 5)        Marek Harloff
Sönke Sauer    Thomas Darchinger
Axel    Tim Grobe
SEK Einsatzleiter       Torsten Michaelis
Redner            Peter Hommen
Hostess           Nina Gnädig
Anke Schmidt            Saskia Schindler
Frau Schmidt  Isis Krüger
Holger Schmidt          Horst Günter Marx

Regie:  Thomas Stiller, Buch:  Thomas Stiller

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