Crimetime 342 - Titelfoto RBB / Antaeus Film, Arnim Thomaß
Satans dunkelstes Geheimnis
Den ersten Film, in dem Horst Krause und Johanna Herz zusammen zu sehen sind, haben wir bereits rezensiert („Braut in Schwarz“) und kürzlich die Rezension zum zweiten („Die Schlacht“) veröffentlicht, die Kritik zu einem etwas neueren Fall („Geliebter Mörder“) wollen wir vor der Publikation noch einmal überarbeiten. Es geht also voran mit den 2000ern, in denen dieses ungleiche Paar die Tötungsdelikte in Brandenburg aufzuklären hatte. Wie wir mit Herz, Krause und den Satanisten klargekommen sind, steht in der -> Rezension.
Handlung (Wikipedia)
In Potsdam wird an der Havel die Leiche einer unbekannten jungen Frau gefunden. Erst nach einigen Recherchen findet Krause heraus, dass es sich dabei um eine Amanda Rösler handelt. Hinweise in Röslers Wohnung deuten auf einen satanistischen Lebensstil. Kommissarin Herz sucht die Schwester der Toten auf, die seit zwei Tagen ihre sechsjährige Nichte in Pflege hat. Amanda hatte sie ihr kurzfristig anvertraut und schien vor irgendjemandem auf der Flucht zu sein. Diese Vermutung bestätigt Leonie Herz, die ebenfalls vor zwei Tagen Sandra Voigt, einer Schulfreundin, Unterschlupf gewährt hatte und die zusammen mit Amanda ohne Voranmeldung bei ihr aufgetaucht und ebenso plötzlich wieder verschwunden war.
Da Carola Leipold ihre Nichte Mona nicht länger behalten kann, nimmt Kommissarin Herz sich ihrer an. Auffällig ist eine große Verstörtheit des Kindes. So spricht sie kaum und hat panische Angst bei Dunkelheit. Nur sehr langsam findet Herz Zugang zu ihr. Anhand ihrer Zeichnungen schließt Herz wiederum auf einen satanistischen Hintergrund. Allem Anschein nach ist Amanda Rösler in die Fänge einer solchen Sekte geraten und hatte auch ihre Tochter dort mit hineingezogen. Anhand einer E-Mail zu einer Selbsthilfegruppe ist davon auszugehen, dass sie aus der Gruppe aussteigen wollte.
Inzwischen meldet sich Sandra Voigt bei Leonie Herz, doch ehe sie ihrer alten Freundin helfen kann, wird diese von zwei Männern entführt. Ihr eigener Freund Christian Wedemann hat sie mit Gewalt zu ihrer Gruppe zurückgeholt. Er fürchtet Repressalien ihres Anführers Mertens. Als er von Sandra erfährt, dass sie ein Kind von ihm erwartet, gibt er diese Nachricht umgehend an Mertens weiter. Nach ihrer Lebensphilosophie gehören die Kinder allen, so wie auch die Körper der Mädchen allen gehören. Um sie gehorsam und gefügig zu machen, werden sie gefoltert und Todesängsten ausgesetzt. Nachdem sich Herz über die (…) Methoden der satanistischen Gruppe, der Amanda angehörte erkundigt hat, ist sicher, dass der eigentliche Hintergrund nicht nur Macht, sondern auch ein lukrativer Kinderhandel ist. Daher setzt Mertens alles daran, um auch Amandas Tochter Mona zurückzuholen. Das Kind weiß nicht, dass ihre Mutter nicht mehr lebt und so lässt es sich, mit dem Versprechen zu ihrer Mutter gebracht zu werden, von Christian Wedemann aus dem Kinderheim weglocken, in welchem es betreut wird.
Nach Krauses Recherchen finden neuerdings Schwarze Messen in einer Dorfscheune statt. Als er sich eines Abends dort umsehen will, wird er niedergeschlagen. Trotzdem kann er unter anderen Christian Wedemann erkennen, nachdem nun massiv gefahndet wird. Nach Untersuchung seines Wagens steht fest, dass darin Amandas Leiche transportiert worden ist. Als sie Wedemann finden hat er sich bereits erhängt. In einem Abschiedsbrief gesteht er den Tod Amandas verschuldet zu haben. Er selber hätte zu spät begriffen, dass er von der Gruppe nur ausgenutzt wurde.
Auf der Suche nach Mona wird Gruppenleiter Mertens observiert und als er sich mit einem Kunden trifft, dem er das Kind übergeben will, verhaftet.
Rezension
Gut, dass Internetcafés mittlerweile out sind, denn sie fungieren als Schnittstellen zu den dunkelsten Seiten des dunklen Internets. Nicht, weil man von dort erweiterte Zugänge hätte, sondern wegen der Betreiber solcher Schuppen, denen zu Recht vom Vater eines jungen Mannes keine große Zukunftsfähigkeit attestiert wird. Gut auch, dass Kriminalkommissarinnen wie Johanna Herz noch nie von der Satanistenszene gehört haben, die in den 2000ern so viel Furore machte – es gibt z. B. auch einen Ehrlicher-Tatort zum Thema -, denn dadurch kann ihr Lebenspartner für sie und damit natürlich für uns Zuschauer ein wenig Recherche betreiben. Alles noch okay, wenn auch wenig glaubwürdig. Selbstverständlich werden Kriminalbeamt_innen über neue Tendenzen aus dem Reich der Subkulturen geschult. Aber wenn eine Komimssarin mit maßlosem Erstaunen im Gesicht sagt: „Gibt’s doch nicht!“, hat entweder das Drehbuch einen schweren Fehler, falls es den damit gemeinten Tatbestand doch gibt, oder die Kommissarin wirkt eher wie eine Polizeischülerin.
Dabei heißt sie Johanna Herz, besser geht’s nicht. Deswegen meint man wohl, sie vor allem durch moralische Statements hervorstechen lassen zu müssen, die beweisen, dass sie viel Herz hat, etwa gegenüber der sichtlich überforderten Tante des jungen Mädchens, das gerade mutterlos geworden ist. Das wirkt eher übergriffig als besonders empathisch. Dass die Kleine allein zu ihr überhaupt ein positives Verhältnis aufbauen kann, versucht man mit einer Szene zu begründen, in der Herz vom Papierflugzeugbau erzählt. Kann man machen, wirkt aber etwas statisch, denn Kinder suchen sich „ihre“ Menschen doch eher intuitiv. Außerdem hätte die Kommissarin dabei gerne in die Hocke gehen dürfen, um auf Augenhöhe mit der Sechsjährigen zu sein. Nachdem wir vier Filme mit Imogen Kogge als Johanna Herz gesehen haben, müssen wir leider konstatieren, sie nervt uns irgendwie. Sie wirkt trotz ihrer stark bewertenden Sprache nicht sehr dezidiert, sondern eher flach, die Nachfolgerin Olga Lenski ist ein viel prägnanterer Typ, obwohl sie eher neutral agiert. Bei Johanna Herz denken wir immer wieder an Inga Lürsen, die Bremer Tatort-Kommissarin, die aber ihren Erziehungsauftrag mit Applomb wahrnimmt.
Gerade bei „Das Zeichen“ ist die moralische Lage so eindeutig, dass man sie nicht durch eine Figur weiter ausführen lassen muss. Das wird vor allem deutlich, nachdem man weiß, dass es hier um ein Geschäftsmodell des Kinderhandels geht und dabei nicht etwa um Kinder in der Dritten Welt, die nach Europa verschleppt werden, um hier kinderlosen Menschen zu Elternglück zu verhelfen, sondern aus dieser Mitte heraus abgerichtet werden, um für jedwede Form körperlicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs zur Verfügung zu stehen. Selten haben wir einen Polizeiruf oder Tatort gesehen, der so viel verwerfliches Handeln beinhaltet.
Wenn da der Krause nicht wäre, wär’s wirklich megadüster. Er hat einen eigenen Fall, den verschwundenen Hahn der Bäuerin, die ein Auge auf ihn geworfen hat. Nach guter, alter Polizeiruftradition stellt sich aber heraus, dass dieser Fall und der Fall von Amanda und ihrer Tochter miteinander zu tun haben. Und wieder muss Krause leiden. Entweder wird ihm die Waffe abgenommen oder er wird niedergeschmettert, das haben wir als Muster schon verstanden – zumindest gilt dies für die frühen Polizeirufe, in denen er mit Herz zusammenarbeitet. Hat man wirklich den Hahn getötet? Einen tierschutzorientierten Disclaimer gibt es jedenfalls nicht. Aber der Hahn als solcher ist ja auch wegen seiner machohaften Art und der von ihm gelebten Vielehe ein wenig in Verruf geraten.
Man kann dem Film nicht absprechen, dass er spannend ist, weil es um das Schicksal des Mädchens Ramona geht, die Entführung eines Kindes stellt das beste Mittel dar, um Zuschauer_innen zu emotionalisieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob der häufige Tatbestand einer Lösegelderpressung gegeben ist oder eine so ungeheuerliche Masche, wie der Satanisten-Chef Mertens sie anwendet. Pädophilie, Kindesmissbrauch, alles groß und wichtig, aber dann noch die Kombination mit der Zerstörung einer kindlichen Persona von klein auf, da hat man ganz tief in die Kiste gegriffen.
Ob es in dieser Form plausibel ist, in einem Land, in dem man nicht, wie in den USA, so einfach sein eigenes, abgeschottetes Ding machen kann, ist allerdings zu hinterfragen, denn die Verhaltensauffälligkeiten von Ramona hätten irgendwann jemandem auffallen müssen, der außerhalb des Systems steht. Passenderweise lässt man sie zwar sechs Jahre alt sein, sodass ihr Verhalten in der Schule noch keine Rolle spielt, in eine Kita geht sie natürlich nicht, aber – Brandenburg. Wer weiß schon, was da draußen alles passiert. So da draußen ist Potsdam eigentlich auch nicht, aber die umliegenden kleinen Ortschaften werden ja intensiv einbezogen. Dort kräht kein Hahn danach, was sich an seltsamen Events wie den Satanisten-Partys abspielt. Die Einbindung in Sekten, die manipulative Verschiebung von Lebensbildern einzelner Personen, ist in unserer städtischen Realität eher so ausgeformt, dass sie nicht optisch nach außen tritt. Alles andere ist eher Mummenschanz, es sei denn, man sieht rechtsextreme Gruppen, deren Mitglieder an äußerlichen Merkmalen bzw. ihren Klamotten identifizierbar sind, als Sekten an.
Finale
Die psychologische Glaubwürdigkeit einiger Vorgänge ist für uns schwierig zu beurteilen, weil der Film trotz seines bösen Sujets recht flach geraten ist. Die Dialoge sind einfallslos, Dramaturgie und Bebilderung konventionell und die Darsteller_innen müssen sich doch sehr mühen, um das Dämonische des Szenarios an die Zuschauer_innen zu vermitteln. Bleibt also das Schicksal von Ramona und damit das Abheben auf den Beschützerinstinkt, der in den meisten von uns wohnt und auf das Entsetzen oder den Ekel angesichts solcher moralischen Abgründe. Dem ersten Herz-Krause-Polizeiruf „Die Schlacht“ haben wir eine hohe Punktzahl gegeben, weil er großes Kino ist, „Das Zeichen“ hat eher Schwierigkeiten damit, das Böse so rüberzubringen, dass es uns wirklich anfasst und muss auf das leider sehr standardmäßige Mittel zurückgreifen, Thrill durch eine laufende Entführung zu erzeugen. Ein richtig schlechter Film ist dabei nicht herausgekommen, aber auch kein überdurchschnittlicher. Eine Befürchtung hat sich nicht bestätigt.
Als Arndt Klawitter erstmals im Bild auftauchte, dachten wir: Klar, dass auch der Kinderpsychologie im satanischen Zirkel reüssiert – doch erstaunlicherweise spielt er hier eine eher positive Rolle, auch wenn er natürlich zur kleinen Ramona nicht ein so gutes Verhältnis aufbauen kann wie die Kommissarin, die selbst eine Tochter und ab einem bestimmten Zeitpunkt berechtigterweise Angst um sie hat.
6,5/10
© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
| Regie | Bodo Fürneisen |
| Drehbuch | Marlis Ewald |
| Produktion | Alexander Gehrke |
| Musik | Tomas Kahane |
| Kamera | Sebastian Richter |
| Schnitt | Matthias Behrens |
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