Immerhin hat DIE WELT einen Immobilienspezialisten, der über Immobilien schreibt. In Berlin können das nicht alle Zeitungen von sich behaupten, daher kommen auch immer wieder seltsame Verwirrungen heraus. Nun behauptet Michael Fabricus von der WELT, die CDU sei auf Mietendeckelkurs. Kann das sein?
Kuscheln mit Mieter*innen? Mit Underachiever*innen, die schon als Kinder so blöd waren, sich keine Millionär*innen als Eltern ausgesucht zu haben? Wir müssen erstmal den morgigen Lobby-und-Politik-Kongress abwarten, vielleicht hat sich dann schon wieder alles geändert. Aber die telefonieren alle häufig miteinander, da wird gerade am Framing gearbeitet.
Warum plötzlich?
Das haben wir uns auch gefragt und mal einen Civey-Schnellcheck gemacht: Die CDU liegt gegenwärtig bei der Sonntagsfrage Bund bei 27,7 Prozent, in Berlin auf 15,0. Das beantwortet die Frage im Grunde schon.
Es geht als nicht um Einsichten, sondern um eine Art Notfalltaktik?
Das Einzige, was die CDU in Wirklichkeit sieht oder einsieht, ist, dass man die armen Vermieter vor den wildgewordenen Mieter*innen schützen muss. Aber in Berlin haben mittlerweile auch Eigenheimbesitzer erkannt, dass sie gar nicht zu denen gehören, die von den wilden Mieter*innen gemeint sind und so langsam werden die meisten von ihnen, diejenigen, die nicht gleichzeitig Vermieter sind, auch sauer darauf, dass die Vermieter immer größere leistungslose Einkommen erzielen. Da geht ein Riss durchs konservative Lager.
Deswegen kann die FDP auch Kurs wahren – weil ihr Klientel einheitlich ist?
In Berlin rechnen sich nach dem aktuellen Check 6,5 Prozent der Einwohner_innen zu den Kernkapitalisten. Nach unserer Ansicht dürfte es nur die Hälfte sein. Man wird weiter daran arbeiten müssen, Mittelständlern klarzumachen, dass die FDP nicht ihre Interessen vertritt, sondern die des Großkapitals.
Das könnte dann Erfolg haben, wenn die Mieten so sehr abheben, dass auch Ärzte und Anwälte Schwierigkeiten mit den Mieten für ihre Praxen bekommen. Das dauert freilich noch etwas, wenn die Praxen gut laufen. Deswegen würden wir vom dringend notwendigen Gewerbemietendeckel solche Berufsstände ausnehmen. Wir meinen, die haben es sich, weil sie FDP wählen, verdient, dass die Immobilienlobby versucht, alles, was sie woanders nicht mehr durchsetzen kann, bei ihnen zu erwirtschaften.
Aber der Mietenspezialist der CDU, Dr. Luczak, auf Schmusekurs mit den Mieter_innen?
Wir sind äußerst überrascht und in dem Fall können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, falls es eine neue Anweisung oder Linie in der CDU gibt, dann ordnet er sich dieser lediglich zähneknirschend unter. Weil er unser Bezirks-CDU-Mann ist, sehen wir uns seine Tweets etwas genauer an. Die CDU muss wirklich in Not sein, wenn ein Herr Luczak anfängt, Mieterinteressen in den Blick zu nehmen. Das sollte nicht über die wirkliche Mentalität täuschen. Dazu waren bisherige Statements, die in eine ganz andere Richtung gingen, mit viel zu großer Überzeugung vorgetragen. Kein Wunder, dass die FDP sich nun über die CDU wundert.
Die CDU will ein Mietenbündnis wie in Hamburg – Stadtbausenatorin Lompscher lehnte ab.
Der Stadtbausenat ist nicht für seine herausragenden Kommunikationsfähigkeiten bekannt, aber inhaltlich hat die Senatorin Recht. Warum jemanden mit ins Boot nehmen, der bisher nur geätzt und die Interessen der Mieter*innen konsequent missachtet hat? Damit die CDU sich am Ende noch die Lorbeeren für einen Kompromiss anheften kann, nach dem Motto, für alle Seiten das Schlimmste verhindert?
Angesichts der massiven Angriffe der Berliner CDU auf 2RG und auf viele Menschen, die hier leben und unter dem Mietenwahnsinn leiden, Angriffe mit teilweise lächerlichen oder absichtlich falschen Vergleichen und Argumenten unter der Gürtellinie, braucht niemand die CDU, um Berlin für die Menschen zu einem besseren Platz zu machen.
Wenn 2RG es nicht schafft, dann schafft es die CDU sicher nicht.
Aber was ist mit der Subjektförderung der CDU?
Wir haben es kürzlich geschrieben: Einige wollen, dass die Vermieter ihre überhöhten Preise vom Staat finanziert bekommen, was ohnehin schon teilweise der Fall ist, angesichts der hohen Zahl von WBS-Inhaber*innen und sonst unterstützungsberechtigten Personen in Berlin – und genau darauf läuft eine (noch höhere) Subjektförderung hinaus. Das ist eine Idee mit großem Giftpotenzial, weil dadurch die Sozialkosten sehr rasch (weiterhin) steigen werden, während gleichzeitig munter am Bedarf vorbei gebaut wird, denn der Staat zahlt’s ja, wenn niemand sich die Wohnungen aus eigener Tasche leisten kann.
Nein, der Profit muss begrenzt werden. Witzig, dass Dr. Luczak den Mietendeckel als die Bande ansieht, über welche nun die CDU spielen will, um die Subjektförderung nicht ausufern zu lassen. Da wäre es in der Tat gut, den Mietendeckel nicht so anzugreifen.
Es gibt auch Neues. Nach Modernisierungen soll die Miete nur um 50 Cent pro Quadratmeter angehoben werden.
Ganz neu ist es vielleicht nicht, wir hatten es nur bisher nicht im Blick. Das könnten ja sogar wir uns leisten, wir würden zustimmen, wenn wir dafür ein Marmorbad, einen schnieken, überdachten Großbalkon mit Partyzonenappeal und einen Glasaufzug bekommen würden. Und endlich einen neuen Kokosläufer im Treppenhaus, unserer ist nun einfach unansehnlich geworden, nach geschätzten 75 Jahren Gebrauch.
Spaß beiseite: Auch hier ein klares Nein, dieses Mal zur Ausgestaltung des Mietendeckels, falls er so geplant ist. Die Bestände in Berlin sind weitgehend so in Schuss, dass man mal ein paar Jahre mit den Luxus- und sonstigen Modernisierungen aussetzen kann. Ausnahmetatbestände müssten einzeln betrachtet werden, das ist aber unseres Wissens ohnehin so geplant – Genehmigungspflicht für Modernisierungen, die mietenerhöhend sind.
Ansonsten: Instandhaltung und sogar einige echte Modernisierungsmaßnahmen können von der Steuer abgesetzt werden, nichts wird verfallen, wenn es nicht absichtlich so gehandhabt wird. Und wenn es absichtlich so gehandhabt wird, muss vermehrt auf Ersatzvornahme abgestellt werden und die Gerichte müssen da ausnahmsweise auch mit den Vermietern mal streng sein.
Aber die CDU schiebt doch hinterher, der Mietendeckel ist formell und materiell verfassungswidrig.
Da sieht man das wahre Gesicht der CDU durchschimmern. Formell wäre er das nur dann, wenn Berlin nicht die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich hätte. Materiell könnte das beispielsweise der Fall sein, wenn bestehende Mieten abgesenkt werden. Wir schrieben bereits (im oben verlinkten Beitrag), dass wir eine Absenkung nicht als konstitutiv für einen guten Mietendeckel erachten und wir glauben auch nicht, dass es zu einer Absenkung kommt. Hingegen muss das Einfrieren wirklich absolut sein und nicht von unzähligen Ausnahmetatbeständen durchlöchert.
Das heißt?
Ein Beispiel: Es muss auch für bestehende Verträge gelten, die mit Gleitklauseln versehen sind, sonst ist diese bisher für beide Seiten vernünftige und durchdachte Lösung plötzlich die Arschkarte für die Mieter_innen. Vor allem, wenn die Inflation weiter ansteigen sollte, wäre das eine neue Form von Ungerechtigkeit.
Was ist davon zu halten, wenn sogar der Chef des deutschlandweit größten Vermieters Vonovia, Rolf Buch, sagt, man könne die Mieten nicht dem freien Markt überlassen?
Wölfe, die Kreide fressen. Oder Immobilienhaie, die sich von Plankton ernähren wollen. Die haben alle Angst vor Enteignung. Weiter steckt nichts dahinter.
Die Rückschau und die Betrachtung der Gegenwart zeigen, dass kein Umdenken in Richtung sozial stattfindet. Man findet sich ins Unvermeidliche und man weiß, woher der Immobilienhype kommt: Nicht aus einer super starken, von großen Einkommenszuwächsen der Mehrheit getragenen Wirtschaft, was höhere Mieten bis zu einem gewissen Grad rechtfertigen könnte, sondern durch makroökonomische Fehlleitungen, die alles Geld in die Immobilien treiben.
Deswegen wäre mehr Demut schon lange angebracht gewesen. Die enormen Wertsteigerungen von Immobilien sind kein Verdienst der Handelnden, kein geniales Entrepreneurship, sondern die Politik hat eine die Immobilienwirtschaft begünstigende Voraussetzung nach der anderen geschaffen. Davon jetzt ein bisschen was zurückzunehmen, ohne das Grundsätzliche anzutasten, das muss doch mal angehen, wenn sich die Wähler*innen mehr und mehr abwenden. Abwenden von denen, welche die Immobilienlobby schützen.
Die Unternehmen haben Angst davor, ihre politischen Unterstützer zu verlieren?
Wenn sich die GroKo-Parteien weiterhin so entwickeln wie seit Jahren, könnte das immerhin passieren. Dass keine von ihnen mehr an der Regierung beteiligt ist, nach 2021. Das wäre ein Novum in der Geschichte der BRD. Und falls die SPD doch noch dabei ist, wäre sie derzeit nur die Nummer zwei hinter viel stärkeren Grünen.
Sind die Grünen sichere Kandidaten für die Mieter*innen?
Das ist für uns eine der spannendsten Fragen überhaupt. Werden sie das soziale Profil noch einmal so verraten wie mit dem Genossen der Bosse als Koalitionspartner? Von der Kahlschlagpolitik der frühen 2000er haben sie sich bis heute nicht distanziert. Ähnlches gilt übrigens für DIE LINKE, die sich sehr rasch in Richtung Mitte bewegt. Wir geben lieber keine Prognose darüber ab, wie G2R im Bund handeln würde.
Aber die Immobilienlobby kann auch keine Prognose abgeben, das macht sie nervös?
Vor allem aus einem Grund: Es muss gar nicht erst wirklich etwas passieren, damit die Immo-Riesen stolpern. Wenn sie börsennotiert sind, kann eine schlechte Stimmung an den Märkten, die sich etwas länger hinzieht, tödlich für die Expansionspläne sein, die ja jedes Immobilienunternehmen hat, das auf sich hält. Kurse fallen, Kapitalbeschaffung wird schwieriger, neue Käufe mit dem Wert gerade getätigter Käufe finanzieren, dieser Kreislauf könnte ins Stocken geraten. Die Märkte strafen dann enttäuschte Erwartungen mit weiteren Kursverlusten ab und schon sind die Unternehmen beim Ausweisen von Gewinnen auf die Mieteinnahmen angewiesen und können nicht mehr Wertzuwächse hinzubuchen. Das wird für Gewinneinbrüche sorgen und dies wiederum für sinkende Kurse. Es ist eben in dieser Finanzkapitalwirtschaft vieles nur virtuell.
Aber gerade dann auch noch Mietenbegrenzungen? Was ist mit der 30-Prozent-Grenze?
Da haben wir die Argumentation der Grünen in Berlin nicht ganz verstanden. Gerade ärmere Haushalte sollen unter der 30-Prozent-Grenze liegen, deswegen seien die Selbstbeschränkungs-Ankündigung von Vonovia, DW und anderen wohlfeil? Weniger begüterten Haushalte dürften eher schon weit darüber liegen, sodass diese Konzerne Preissenkungen anbieten müssten, wenn sie ihre Selbstverpflichtungen ernst nehmen würden.
Dies ist das Problem: Durchschnittlich zahlen Berliner Mieter*innen schon 40 Prozent ihres Nettoeinkommens fürs Wohnen. Aber wenn es zu freiwilligen Reduktionen kommt, für uns kein Thema, wir freuen uns mit den Betroffenen.
Sogar bundeseigene Bestände sollen mietenbegrenzt werden.
Wir warten das alles ab. Schon manche Bewegung hat sich den Wind aus den Segeln nehmen lassen und dann überrascht festgestellt, dass sie von der Strömung weiter dem Abgrund entgegen getrieben wurde.
Wir meinen, das sollte nicht für die Mieter*innenbewegung gelten. Siehe dazu auch unseren vorausgehenden Artikel: Es geht um mehr als ein paar Streicheleinheiten für geplagte Menschen in dieser Stadt und in anderen Städten. Es geht um zukunftssichere Wohnungsbewirtschaftung. Diese haben die CDU und die Immobilienwirtschaft, die grundsätzlich weiterhin auf neoliberale Modelle zählen, nicht im Sinn.
© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
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