Crimetime 368 - Titelfoto © MDR, Andreas Wünschirs
Raubvögel verschiedener Art und alle Haarfarben
In diesem Film wird Hauptkommissar Herbert Schmücke auf seinen Gesundheitszustand untersucht und muss erst einmal Innendienst schieben, was er selbstverständlich nicht tut. Von der Ausheilung seiner Schussverletzung ist die Rede, aber auch von seinem Übergewicht, das er sich durchs Aufgeben des Rauchens zugezogen hat. Deswegen dachten wir, der Film sei der direkte Nachfolger von „Ein todsicherer Plan„, aber da liegt noch ein Schmücke-Schneider-Film namens „Blutige Straße dazwischen. Wir sind schon so gespannt darauf, wie sie dort mit seiner Schusswunde aus „Ein todsicherer Plan“ umgehen werden. Wie spannend „Raubvögel“ war, erläutern wir in der -> Rezension.
Handlung
Auf einem stillgelegten Industriegelände in Halle wird ein Mann tot aufgefunden. Den Spuren nach wurde er erschlagen. Der Fundort scheint allerdings nicht der Tatort zu sein. Die Identität des Toten ist schnell geklärt. Es handelt sich um André Wanka. Er wohnte zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Falknerin Jenny Münzer, auf einem alten Bauernhof. Wanka war als Pilot und Fluglehrer beschäftigt. In der Nacht seiner Ermordung hatte er angeblich den Auftrag für einen Transportflug. Doch Wanka ist in dieser Nacht nicht gestartet. Wer war der angebliche Auftraggeber und welche Fracht sollte Wanka fliegen?
Bei der Auswertung der Spuren entdeckt Rosamunde Weigand THC an der Kleidung des Toten. Doch Wanka hat selbst nie Drogen genommen. War er in den Handel mit Drogen verstrickt? Außerdem befindet sich an den Schuhen des Opfers Erde, die Spuren von Sprengstoff enthält. Ein Hinweis auf den möglichen Tatort? Wankas Wohnort liegt am Rande des Brekels, eines Naturschutzgebietes und früherer Truppenübungsplatz, von dem er bei seinem letzten Flug viele Fotos gemacht. Die Luftbilder zeigen jedoch nichts als Wald. Warum hat Wanka diese Fotos gemacht und gibt es einen Zusammenhang zwischen seiner Ermordung und dem, was Wanka offensichtlich beim Überflug des Brekels gesucht hat?
Schließlich taucht Maria, die Exfrau des Opfers, im Präsidium auf. Angeblich wollte Wanka seine Lebensgefährtin verlassen und wieder zu ihr zurückkommen. Ist enttäuschte Liebe oder Eifersucht das Motiv für den Mord?
Schmücke entscheidet kurzerhand, seine Ermittlungen vom Büro auf den Hof der Münzers zu verlegen. Unter falschem Namen und als Urlauber getarnt, quartiert er sich bei den Münzers ein. Inmitten unberührter Natur und blühender Frühlingslandschaften klären Schmücke, Schneider und Nora Lindner diesen Fall. Eine trügerische Idylle voller Rätsel, geplatzter Träume und menschlicher Abgründe.
Rezension
Die Kritik nörgelt an dem Film herum, er sei ein Rückschritt gegenüber „Ein todsicherer Plan“, weil der ja viele Thriller-Elemente beinhaltet und eben kein Whodunit, sondern ein Howcatchem ist. In der Tat ist das die Plotanlage, die mehr Schärfe bei der Figurenzeichnung und mehr Nervenkitzel möglich macht, weil es meist darum geht, gegen die Zeit zu arbeiten. In der Regel in der Form, dass ein Entführungsopfer vom Tod bedroht ist, wie auch in „Ein todsicherer Plan“, dort setzt man noch eins drauf, indem Schmücke bei eine Schusswechsel so stark verletzt wird, dass sein Überleben auf der Kippe steht. Alles okay, aber: Ein mittlerweile ziemlich ausgelutschtes Muster ist das auch und ein Whodunit kann durchaus gut gemacht sein. Oft wirkt ein Film dieser Machart etwas dröge, weil man ganz sehr darauf bedacht ist, keinen Charakter so in den Vordergrund zu rücken, dass er alle anderen Verdächtigen stark überstrahlt – und am Ende war er’s dann vielleicht nicht. Sowas mögen die Zuschauer_innen nicht so gerne, weil sie sich behumpst und die Lösung als weit hergeholt oder auch an den Haaren herbeigezogen finden.
Bei zwei Frauen mit prächtigem rotem und schwarzem Haar kann die Lösung aber immer begründet sein, so, wie die beiden Ex-Freundinnen mittlerweile einander hassen. Vielleicht haben wir uns ein wenig vom Showwert dieses Duells blenden lassen und davon, dass wir uns bei einer Wahl zwischen den beiden und noch weniger leicht durch die blonde Kommissarin Lindner hätten entscheiden können, wen wir näher kennenlernen möchten, weil das schon ein super Trio ist, das für sich viel Thrill beinhaltet. Auch in der IMDb hat der Film eine ungewöhnlich niedrige durchschnittliche Bewertung von 5,7/10, meist liegen Polizeirufe zwischen 6,5 und 7,0. Allerdings bei geringen Abstimmungszahlen gegenüber Mainstream-Kinofilmen. Nun ja, die Hanfplantage im Naturschutzgebiet. Und am Ende war die Schwarzhaarige die Mörderin. Wie sagte noch der Rechtsmediziner: Frau? Axt geführt? Eher nicht, wenn, dann besonders kräftig. So besonders kräftig kam uns Maria gar nicht vor, da hätten wir eher auf die Falknerin als auf die Ornithologin getippt. Aber es muss nicht alles immer so plan und logisch-logisch sein. Außerdem waren wir am Ende sogar froh, dass es nicht Jenny war, denn wir hatten uns dann irgendwann auf sie als Favoritin festgelegt. Und wer will schon ein Date mit jemandem, der bei Eifersucht und Ausnutzung zur Axt greift, denn sowas kommt in zwischenmenschlichen Verhältnissen schließlich alle Tage vor.
So amüsant das Duell der Frauen ist: Es ist nicht amüsant wegen der angedeuteten Perspektive des Wählenden, denn es gibt ja auch mehrere Männer, die in die Sache verstrickt sind und dabei alle eine nicht allzu glückliche Position einnehmen. Das Mordopfer am wenigsten, aber auch die beiden anderen Typen sind alles andere als nur ehrenwerte Herren. Es liegt an der Gewächshaus-Hanfplantage. In ein paar Jahren, wenn das alles freigegeben ist, werden wir diese Rezension überarbeiten und die Jungs zu Visionären erklären, Jennys Bruder und den Vogelkundler. Nachvollziehbar sind ihre Motive jetzt schon, der eine hat Angst vor dem großen Nichts bei Jobverlust, der andere steht mit seiner Schwester Jenny zusammen mit dem Rücken zur Wand weil sie sich in ein Unternehmer-Abenteuer haben treiben lassen – und sowas ist im Osten immer kippelig. Zumal in Sachsen-Anhalt, dem Bundesland mit den bundesweit schlechtesten Wirtschaftsdaten.
Beide hätten aber nicht die Schreiadler-Eier vertickt, das war demjenigen vorbehalten, der eben nicht nur aus Eifersucht, sondern auch wegen der Eier sein Leben lassen musste. Und wer kauft sowas? Die Araber natürlich. 30.000 Eier pro Ei.
Was immer andere zu dem Film schreiben, wir haben schon schlechtere Whodunits mit langweiligeren Settings und Personen gesehen. Die Männer sind charakterlich nicht sehr scharf voneinander abgegrenzt, bei den Frauen hilft die dezidierte Auswahl der Optik ein wenig, die bestimmte Archetypen symbolisieren soll. Nervig ist allerdings die Polizeiarbeit. Dass Schneider und Lindner unnötig durch die Gegend kutschieren müssen, weil sie von Schmücke geradezu vorgeführt werden, ist zu albern und bremst den Film erheblich. Immerhin, eines ist nun ausgesprochen, was wir nach den bisherigen Schmücke-Schneider-Tatorten bereits dachten, aber es gab in ihnen keine wörtliche Erklärung: Schmücke ist der Chef der beiden anderen und darf sie etwas hochnehmen. Die Schauspielerführung ist nicht so gut wie in „Ein todsicherer Plan“, was man bei alten Hasen wie Schmücke und Schneider bzw. Schwarz / Winkler nicht so merkt, wohl aber bei Kollegin Lindner bzw. Isabell Gersch, die weniger subtil und gleichzeitig weniger dynamisch wirkt als im Vor-Vorgängerfilm.
Finale
Das Thema ist nicht so schlecht und beinhaltet eine hochkorrekte Aussage zu Ökonomie und Ökologie. Man darf die Wut von Maria verstehen, die zum Spatenstich führt (es war der Spaten, nicht die Axt, wir haben’s nochmal nachgelesen). Es ist aber auch der erste Film, bei dem wir nachvollziehen können, warum der MDR sich anschickte, die beiden sympathischen Herren Schmücke und Schneider zu ersetzen. Wolfgang Winkler wirkt eben schon ziemlich alt und bei Jaecki Schwarz musste man Bedenken haben, dass er komplett aus der Form geht. Eine so deutliche Figurveränderung innerhalb weniger Jahre haben wir zuvor bei keiner anderen Ermittlerperson im Polizeiruf oder im Tatort wahrgenommen. Das wirkt anders, als wenn jemand, wie Freddy Schenk aus Köln, vom Beginn seiner Dienstzeit an ein wenig beleibt war und dies so bleibt. Hingegen halten wir es für richtig, dass die Figuren, die hier handeln, von ihren Jobs, ihren Plänen und ihren Beziehungen her interessant sind, aber nicht komplett schräg und damit sehr künstlich gezeichnet wurden, was das Ganze wieder ins Satirische hätte abgleiten lassen, das man hier eben nicht wollte, wegen des Umweltschutzthemas. Kein herausragender Film, aber auch kein schwacher.
7,5/10
© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
| Hauptkommissar Herbert Schmücke | Jaecki Schwarz |
| Hauptkommissar Herbert Schneider | Wolfgang Winkler |
| Oberkommissarin Nora Lindner | Isabell Gerschke |
| Jenny Münzer | Henny Reents |
| Dominik Münzer | Matthias Ziesing |
| Maria Wanka | Esther Zimmering |
| Knut Köhler | Kai Scheve |
| Ulf Adamski | Eckhard Preuß |
| Rosamunde Weigand | Marie Gruber |
| Gabi Rössner | Karin Düwel |
| Dr. Stabroth | Jochen Schropp |
| Kriminaltechniker | Lutz Jeskulke |
| Musik: | Robert Schulte-Hemming |
| Kamera: | Helmfried Kober |
| Buch: | Andreas Pflüger |
| Regie: | Esther Wenger |
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