Die Mietpreisbremse ist nicht verfassungswidrig. Das hat das BVerfG in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss entschieden. Wir greifen zum aktuellen Thema einen taz-Beitrag heraus, der den Vorzug hat, die Prüfungsschritte auf Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes klar zu trennen und herauszustellen.
Liegt ein Grundrechtseingriff vor, ist also eine materiellrechtliche Prüfung überhaupt vorzunehmen?
Ja. Es wird in das Grundrecht auf Eigentum eingegriffen.
Jedes Grundrecht hat aber Schranken. Zum Beispiel dort, wo es mit anderen Grundrechten zu Kollisionen kommen kann.
Die Mietpreisbremse ist demnach eine solche Schranke. Die Gemeinwohlbindung des Eigentums ist sogar direkt in Art. 14 II GG festgelegt und beschränkt die Eigentumsfreiheit. Das ist die Argumentation, die wir bei den Mietenwahnsinn-Themen von Beginn an vertreten haben. Ausnahme wie die freie Vermietung bei Neubauten begrenzen im konkreten Fall wiederum die Schranke, die durch die Mietpreisbremse ausgefüllt wird.
Das BVerfG testiert der Mietpreisbremse Wirksamkeit (Geeignetheit) und stellt sich damit gegen die Neoliberalen, die das anzweifeln und zwar auf Basis dessen, worauf ihr eigenes Tun gerichtet ist: Die Mietpreisbremse funktioniert nicht so recht, die Mieten steigen weiter. Ja, aber warum? Weil sie nicht geeignet ist? Höchstens deshalb, weil sie nicht scharf genug gestellt ist, und das wiederum verhindern jene politische Kreise, so gut sie können.
Ihre Wirksamkeit ist tatsächlich verbesserungsbedürftig: Vor allem die quasi nicht vorhandene Sanktionierung von vermieterseitigem Mietenbetrug ist rechtsstaatlich bedenklich und mindert die Wirksamkeit der Mietpreisbremse auf der Anwendungs- und Durchsetzungsebene.
Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Eine in diesem Bereich geschärfte Mietpreisbremse wäre ebenfalls verfassungsgemäß, weil wirksamer als die aktuelle Version. Es gäbe aufgrund Bedenken , dass ernsthaft sanktioniert werden könnte, weniger Übertretungen seitens der Vermieter.
Die Erforderlichkeit der Mietpreisbremse wird daraus abgeleitet, dass es zwar andere Möglichkeiten der Preisdämpfung gibt, diese aber allein nicht ausreichen – etwa die Neubauförderung.
Würde diese als nicht ins Eigentumsrecht eingreifende Maßnahme ausreichen, wäre die Mietpreisbremse nicht erforderlich. Damit widerlegen die Verfassungsrichter ein weiteres Narrativ der Immobilienlobby und ihrer politischen Freunde: Bauen, bauen, bauen alleine würde ausreichen. Auch gegen dieses nicht haltbare Argument haben wir uns in vielen Beiträgen gestellt, vor allem, weil es darum geht, was gebaut wird und da sieht der Abgleich zwischen dem Angebot und dem, was überwiegend nachgefragt wird, schlecht aus.
Nun etwas ganz Entscheidendes, bei dessen Verneinung man die Mietpreisbremse(n) hätte ebenfalls kippen können. Die Zumutbarkeit, auf die sich Immobilieneigentümer gerne berufen:
„Schließlich sei die Mietpreisbremse den Vermietern auch zumutbar, denn sie könne nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt eingeführt werden. Die Eigentumsgarantie schütze aber nicht die Erwartung, mit einer Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, so die Richter. Ein Eingriff in die Substanz des Eigentums liege nicht vor. Den Vermietern würden keine dauerhaften Verluste zugemutet.“
Weiterdenken
Für uns ist das bereits ein klarer Hinweis darauf, dass auch ein Mietendeckel verfassungsgemäß sein könnte. Den Eingriff, die Schranke, die Geeignetheit, das alles wird man bei einem Mietendeckel ebenfalls bejahen können. Ebenso die Erforderlichkeit, denn sie folgt demselben Tatbestand: Dass Neubau und Förderungen eben nicht ausreichen, um den Preisauftrieb zu bremsen und Gentrifzierung zu verhindern.
Auch der Mietendeckel greift nicht so in die Substanz ein, dass dauerhaft Verluste für Vermieter entstehen, denn faktisch und bei in Berlin vorgesehener Ausgestaltung und falls die Mietpreisbremse endlich konsequent durchgesetzt wird, schärft er die Mietpreisbremse nur noch maßvoll. Dass Vermieter vielfach privilegiert werden, steuerrechtilch und privatrechtlich, tritt hinzu und kann als Reserveargumentation für einen Mietendeckel verwendet werden.
Vor allem haben die Verfassungsrichter den Vermietern endlich ins Stammbuch geschrieben, dass es kein Recht auf unbegrenzte Rendite gibt.
Es war überfällig, dass dies klargestellt wird. Auf der Linie dieser Argumentation sollte auch die sicher kommende Klage gegen den Mietendeckel bearbeitet werden: Er ist eine Fortsetzung der Mietpreisbremse, weil diese zwar wirksam, aber nicht wirksam genug ist – auch, weil sie häufig umgangen wird. Das bedeutet, dass der Mietendeckel einfach gestaltet und die Einhaltung gut überprüfbar sein und die Umsetzung gewährleistet sein muss. Es sollte vermieden werden, dass Gerichte eines Tages konstatieren müssen, dass der Wille wohl vorhanden war, Mieterschutz zu gewährleisten, aber die andere Seite faktisch Recht behielt, weil es an Durchsetzungskraft mangelte.
Was sich auf der Basis dieses Urteils nicht ohne Weiteres vorhersagen lässt: Ob auch ein Enteignungsgesetz Chancen auf Verfassungsmäßigkeit hat. Denn falls der Mietendeckel wirkt, ist eine Enteignung zumindest nicht mehr erforderlich, um die Gentrifzierung zu bremsen. Aus diesem Grund argumentieren die Verfechter der Enteignung allerdings gar nicht in diese Richtung, sondern mit einer im Rahmen von Art. 15 GG nach ihrer Ansicht zulässigen wirtschaftspolitischen Neuausrichtung oder Rückkehr der Daseinsvorsorge zur Gemeinnützigkeit im Rahmen der Möglichkeiten, die das Grundgesetz bietet, die jedoch in der neoliberalen Ära konsequent vernachlässigt wurden.
Das Erforderlichkeitsproblem macht es schwierig, neben Art. 15 auch Art. 14 II, III GG für die Enteignung ins Feld zu führen, daher war geschulten Beobachtern rasch klar, dass der SPD-Mietendeckel auch gegen „DWenteignen“ gerichtet ist. Man verhindert das aus der Sicht vieler politischer Kräfte Schlimmste, nämlich eine Rückkehr zur Gemeinnützigkeit der Wohnungswirschaft zu vertretbaren Kosten, indem man Mieter*innen eine preisliche Atempause verschafft. Vermutlich sind die FDP und die CDU der SPD für den Mietdendeckel weitaus dankbarer, als sie das öffentlich darstellen.
Aber hätte das BVerfG schon die Mietpreisbremse als nicht gerechtfertigten Eingriff und den Kampf gegen die Gentrifzierung nicht als Gemeinwohlinteresse angesehen, wären schärfere Instrumente ohnehin obsolet gewesen. Wirksamkeit und Erforderlichkeit sind aber weiterhin immer wieder zu prüfen, für jedes Mieterschutzinstrument. Deshalb wird vieles davon abhängen, wie sich der Immobilienmarkt in nächster Zeit entwickelt: Nur ein Tipp – es wäre für die Immobilienwirtschaft besser, endlich mal etwas Luft aus der Blase zu lassen.
Die Mietenbremse wird das wohl nicht allein bewirken, vielleicht aber in Kombination mit dem Mietendeckel. Insofern hilft der Mietendeckel, ganz im Sinne seiner Macher, den privaten Wohnungskonzernen dabei, ihr Eigentum behalten zu dürfen. Einige haben das gut erkannt und gehen auf freiwilliger Basis etwas vom Gaspedal der Mietpreistreiberei. Soziale Aspekte, die auf eine Anerkennung des Kampfes gegen die Gentrifizierung als Gegenstand des Gemeinwohls hinauslaufen sowie auf den Wert des Allgemeinwohls an sich hinauslaufen, spielen hingegen bei der privaten Immobilienwirtschaft keine Rolle. Was also auf dieser Seite an Zugeständnissen gemacht wird, ist wohlkalkuliert und als nicht (mehr) vermeidbare Abwehrmaßnahme gedacht – wie etwa die Kooperationsvereinbarungen mit einzelnen Bezirken für einzelne Wohnanlagen und die „freiwilligen Mietendeckel“, die von einzelnen Wohnungskonzernen verkündet werden.
Dieses Verhalten aus Notwendigkeit, nicht aus Einsicht, belegt aber, dass Politik und Stadtgesellschaft nicht darin nachlassen dürfen, den Mieter*innenschutz weiter zu stärken – und endlich wieder auf die Rekonstruktion der Wohnungsgemeinnützigkeit hinzuarbeiten.
TH
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Wieder ein sehr schöner Beitrag. Vielen Dank für die Informationen zur aktuellen Entwicklung.
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