Crimetime Vorschau 25.04.2021, Das Erste, 20:15 Uhr – Titelbild © SWR, Benoît Linder
Vielleicht macht Stadtluft nicht immer frei
Harald Schmidt? Ja, so steht es immer noch in ARD-Texten, ist sich aber so ausgegangen: „Die Schauspielerin Steffi Kühnert ist kurzfristig für Harald Schmidt eingesprungen, der die Rolle des Gernot Schöllhammer, des ursprünglich konzipierten Vorgesetzten der beiden Ermittler, spielen sollte.[3]“
Wer weiß, was Harald Schmidt für den Schwarzwald-Tatort hätte tun können, aber so sind die beiden etwas verschroben und in der Tat hinterwäldlerisch wirkenden Kommissare eben doch mehr oder weniger allein mit den Zuschauer*innen bzw. diese mit ihnen. Umso wichtiger sind die Episodenrollen, und die sind im 1165. Tatort zumindest mit einigen bekannten Namen besetzt worden.
Im SWR3-Tatortcheck schreibt Brigitte Egelhaaf: „Beim Streit um das Erbe der Fabrikantenwitwe kracht es gewaltig. Erbt die „dahergelaufene Russin“ tatsächlich den Stammsitz der Familie? Das muss verhindert werden. Beim Kampf ums Erbe kommen die Fabrikantenkinder einem dunklen Familiengeheimnis auf die Spur.“ Aber dann: „Ein Tatort, so spannend wie ein Gesetzestext zur Erbschaftssteuer. (…) Ich weiß nicht, welches Konzept dahinter steckt, die beiden Kommissare so farblos wie möglich wirken zu lassen. An den Schauspielern kann es jedenfalls nicht liegen. Aber die Dialoge sind manchmal doch sehr beliebig und emotionslos. So, wie halt zwei Menschen miteinander reden, die Gefühle nicht so gern zeigen. Gibt’s ja viele im wahren Leben.“
Angesichts der insgesamt massiven und zudem aufeinander gerichteten Gefühle, die im oben erwähnten „Ich hab im Traum …“ bei den beiden Ermittlern zutage traten, wollte man vielleicht mal wieder auf die Bremse treten und kehrte zurück zum Ausgangspunkt und klarstellen, dass die beiden eben nicht so exzentrisch oder auch expressiv wirken sollen wie andere Tatort-Polizist*innen. Leider führt dies dazu, dass es seitens des SWR, der immerhin auch der produzierende Sender der Schwarzwald-Tatorte ist, nur zwei Elche von fünf Elchen herausgerückt werden.
ine schöne Villa, zwei tote alte Frauen und die Sorge der Nachkommen um ihren Reichtum: Die „Tatort“-Episode „Was wir erben“ (SWR) ist ein kritischer, wenn auch etwas konstruierter und wortlastiger Beitrag zum Thema Erbschaftsrecht. Herausragend in dem unaufgeregten, präzise inszenierten Film ist das Spiel von Jenny Schily als zornige Tochter und taffe Leiterin eines Familienunternehmens mit belasteter Vergangenheit. Auch dem Schwarzwald-Duo Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner folgt man gerne durch das komplizierte Erbrecht.“
Na bitte, Erbrecht kann also doch spannend sein. Ist es auch, besonders für Erben und solche, die es werden wllen. Während der Corona-Krise sollen schon viele Stoßgebete dieser Art abgesendet worden sein: „Möge das Virus doch den Alten / die Alte … und wenn’s nur ein paar Jahre schneller geht.“ So denken aber nur Menschen, die sich selbst nicht viel zutrauen. Trotzdem sind 4/6 für Tittelbach-TV keine überdurchschnittliche Wertung. Interessant ist auch folgende Anmerkung zum Pressefoto, das wir verwendet haben: „Groß und klein ermitteln – da sollte sich die Pressestelle etwas einfallen lassen.“ Frau Löbau auf einen Stuhl stellen? Sie auf Stelzen laufen lassen? Ich weiß nicht. Wir sollten doch daran arbeiten, Unterschiede zu akzeptieren und nicht zu bewerten, anstatt sie peinlichst zu kaschieren. In diesem Sinne: das kurze Pony!
„Ein Krimi, so mitreißend wie eine Sitzung beim Notar“, findet wiederum Christian Buß vom Spiegel. Nun ja, siehe oben, für hoffnungsvolle Beteiligte kann solch eine Sitzung wirklich spannend sein. Zur Präzisierung jedoch: „Knarzende Dielen, knarzende Dialoge: Tobler und Berg räsonieren nach dem Tod einer Schokokirschen-Fabrikantin über Fragen des Erbrechts. »Tatort« im Uralt-Format.“ Wenn schon Buß kein besserer Titel einfällt als der genannte und eine Art Coverung dessen, was beim SWR schon zu lesen war, muss das Anschauen für ihn sehr wenig inspirierend gewesen sein. Ich mag übrigens die Uralt-Tatorte ganz gerne. Vermutlich, weil sie uralt sind, aber auchd, weil Dialoge und Figuren damals oft sehr prägnant waren. Es wurde eben recht langsam gefilmt und das hatte in alten Herrenhäusern seine Berechtigung, denn es erleichterte den genauen Blick auf jene, die in Wahrheit doch eher wie Parvenüs wirkten. Da war doch noch was. Das Schokifabrikant*innenmilieu … genau: „So wurde die Erbrechts-Story im Schweizer Schokoladenfabrikanten-»Tatort« im Februar abenteuerlustig in einen bizarren reproduktionsmedizinischen Kontext gedreht.“ Nur 2/10 von Christian Buß. Habe ich je eine Kritik von ihm gelesen, in der am Ende nur ein Punkt stand? Mir fällt auf Anhieb keine ein.
Das Milieu betreffend, hatten sich die Sender sicher nicht abgesprochen, zumal der schweizerische SRF nun einmal nicht Mitglied der ARD ist. Ich erinnere mich sehr an die gute Optik des Films und die Überzeichnung, die durch seine Visualität und zuweilen auch die Kostüme zustande kam.
TV Spielfilm als Vertreterin der Publikumsmeinung jedoch hebt den Daumen, wie stets, seit wir dorthin einen Abstecher machen, um unsere Vorschau mit den Ansichten eines Publikumsmagazin zu komplettieren – für Tatort Nr. 1165, obwohl nur jeweils ein Punkt für Action und Spannung vergeben werden und sonst keiner. Da müssen wir uns vielleicht doch mal etwas anderes einfallen lassen, selbst, wenn es differenzierter ist.
TH
Handlung
Der verdächtige Treppensturz der 78-jährigen Fabrikantenwitwe Elisabeth Klingler ruft die Kommissare Franziska Tobler und Friedemann Berg auf den Plan. Gerade hatte Klingler ihrer Tochter, ihrem Sohn, der Enkelin samt dem Notar eine Testamentsänderung verkündet: Die Familienvilla solle nach ihrem Tod an ihre Betreuerin Elena Zelenko gehen. Ein Schock für ihre Kinder, die mit vehementer Empörung reagieren.
Erst als ihre Mutter schon im Sterben liegt, erfahren Gesine und Richard, dass Elisabeth Klingler und Elena Zelenko heimlich geheiratet hatten. Anders als ihre Nichte Toni wollen sie diese Tatsache nicht akzeptieren. Zumal es jetzt um mehr als nur die Villa geht. Hin- und hergerissen zwischen Trauer, dem Gefühl des Zurückgewiesenseins und der Angst vor den finanziellen Auswirkungen präsentieren die düpierten Erben den Kommissaren diverse Hinweise auf die Verstrickung Zelenkos.
Franziska Tobler und Friedemann Berg gehen dem nach, behalten aber auch die Familienmitglieder im Blick. Zumal sie bei ihren Ermittlungen feststellen, dass die Klinglers und Elena Zelenko eine gemeinsame Vergangenheit hatten, deren Schatten Elisabeth Klingler belasteten.
Besetzung und Stab
Hauptkommissar Friedemann „Frieda“ Berg – Hans-Jochen Wagner
Hauptkommissarin Franziska Tobler – Eva Löbau
Witwe Elisabeth Klingler-Rathmann – Marie Anne Fliegel
ihre Ehefrau Elena Zelenko – Wieslawa Wesolowska
die Tochter Gesine Rathmann – Jenny Schily
der Sohn Richard Rathmann – Jan Messutat
die Enkelin Toni Wood – Johanna Polley
Notar Hägele – Christoph Jungmann
Rechtsanwalt Kretz – Christian Erdt
Haushälterin Zofia Janczak – Janina Elkin
Leitende Kriminaltechnikerin – Katharina Hauter
Karin Deuter – Anna Böger
u.a.
Drehbuch – Patrick Brunken
Regie – Franziska Schlotterer
Kamera – Stefan Sommer
Szenenbild – Irene Piel
Schnitt – Sabine Garscha
Ton – Peter Tielker, Wolfgang Remé
Musik – Johannes Lehniger, Sebastian Damerius
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