Der brennende Acker (DE 1921) #Filmfest 795

Filmfest 795 Cinema

 Der brennende Acker ist ein deutsches Filmdrama von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahre 1922. Der viragierte Stummfilm ist in sechs Akte aufgeteilt.

Was hat Friedrich Wilhelm Murnau gemacht, bevor er den weltberühmten „Nosferatu“ inszenierte? Hier haben wir das Ergebnis, das Familiendrama „Der brennende Acker“. Ein verblüffender, interessanter Film, der meinen Eindruck von Murnaus Vielseitigkeit erweitert hat und – er ist ganz von diesem Filmschaffenden, keine Frage. 

Handlung[1]

Als der alte Bauer Rog stirbt, schafft es sein Sohn Johannes, aus der Stadt kommend, nicht mehr rechtzeitig zum Sterbebett. Nach Rogs Tod übernimmt sein anderer Sohn Peter den Hof, Johannes, der sich für die Arbeit auf dem Lande nicht geeignet hält, wird Sekretär beim Grafen Rudenburg. Johannes interessiert sich für dessen Tochter Gerda, die ihm die Stelle vermittelt hatte, doch als er Kenntnis davon erlangt, dass unter dem „Teufelsacker“ – einem unfruchtbaren Stück Land, das Rudenburg seiner zweiten Frau Helga testamentarisch vermacht hat, eine Petroleumquelle vermutet wird, wendet er sich dieser zu. Gerda heiratet aus Verzweiflung ihren ungeliebten Verehrer Lellewel, Johannes wird nach dem Tod des Grafen mit Helga vermählt.

Johannes wird auf dem Acker fündig – er ist Millionen wert – und bemüht sich in der Stadt um Kredite für die Ausbeutung der Petroleumquelle. Helga will währenddessen den öden Acker verkaufen, da dieser Johannes‘ ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Ihr zuliebe übernimmt ihr Schwager Peter den Boden für 12.000 Mark; gleichzeitig ist auch Johannes mit seinem Kreditvertrag erfolgreich. Als Johannes von dem Verkauf erfährt, ist er außer sich und bekennt gegenüber Helga, sie nie geliebt, sondern nur wegen des Ackers geheiratet zu haben. Helga kann Peter zum Rücktritt vom Vertrag bewegen und geht über den verschneiten Acker, wo sie sich in einem nahen Bach ertränkt. Die Tote wird von einem Kutscher gefunden und ins Dorf gebracht.

Probebohrungen haben auf dem Acker begonnen, ohne dass Johannes daran besonderen Anteil nimmt. Gerda versucht, ihn für sich zurückzugewinnen, doch auch sie war für ihn nur wegen seiner Karriere interessant. Sie setzt daraufhin einen Bohrturm in Brand und kommt zu Tode.

Auch das Bauernmädchen Maria hat Johannes immer geliebt. Sie nahm eine Stelle als Magd bei Peter auf dem Roghof an, um Johannes‘ Geburtsort nahe zu sein – sie wurde von Johannes ebenfalls abgewiesen, als dieser sich noch für etwas Besseres als die Bauern hielt. Johannes geht zu seinem Bruder in das väterliche Haus, wo Maria, der Peter vergebens einen Heiratsantrag gemacht hatte, ihre Liebe zu ihm bekennt. Er wehrt ihr und Peters Entgegenkommen mit den Worten „Ich bin es nicht wert“ ab, bleibt aber schließlich in seinem alten Zimmer, das von Maria täglich liebevoll hergerichtet worden war.

Rezension

Wenn sich eine solche Kategorisierung nicht verbieten würde, bei einem Meister wie F. W. Murnau, würde ich schreiben, da hat er einen mächtig dramatischen Heimatfilm rausgehauen, mit etwas Mystik, aber für seine Verhältnisse wieder sehr realistisch und beinahe ist „Der brennende Acker“ auch ein Wirtschaftskrimi. Ein modernes Thema verbindet er mit einer hochmoralischen Attitüde, dem Gleichnis vom verlorenen Sohn und mit einer romantisierenden Sicht, welche die Scholle hochleben lässt und das dreckige Öl darunter ist des Teufels. Im Grunde hochmodern. Hätte man nie angefangen mit den fossilen Brennstoffen und mit der Geldgier, die auch durch sie immer neue Exzesse erlebt hat. Zunächst dachte ich, der Film sei schon zur Zeit der Hyperinflation entstanden, wegen der enormen Summen, um die es bezüglich der Bohrrechte oder des Verkaufs des Ackers an „den Konzern“ geht. Aber die zwölftausend Mark, die Peter für den Verkauf an seine Schwägerin ausgibt, rücken das Ganze wieder zurecht. Wie hätten Sie gehandelt, wenn Sie als verlorener Sohn, der in der Welt nichts Rechtes mit sich anzufangen weiß, aber so aussieht, dass alle Frauen ihm verfallen, in dieser Lage gehandelt? Hätten Sie die Chance genutzt, an den Acker heranzukommen und dafür eine Frau geheiratet, die Sie nicht wirklich lieben? Ich finde das nicht trivial, sondern eher die in der Tat recht biedere bäuerliche Welt, welche die Aussage von Johannes nachvollziehbar macht, dass, wer die Welt gesehen hat, nicht mehr unter diesen niedrigen Decken und mit jenen stumpfen Menschen leben möchte.

Insofern ist dies ein Heimatfilm Plus, denn in den Nachkriegswerken des Genres wird diese Landwelt viel zu sehr idealisiert. In der Verteufelung der geldgierigen Großstädter ist man sich insofern einig, als hier die Grafen, die im späteren Heimatfilm oft eine sülzig edle Statur haben, hier den Link zur Großstadt bilden. Die Absichten mögen gut sein, denn Petroleum erleuchtet die Welt, aber ein einziger allzu Ehrgeiziger genügt, um sie zu verderben. In diesem Fall treibt Johannes seine Frau in den Tod und hat so was von Glück, dass er am Ende wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wird und die nächste schon wartet, die ihm immer schöne Augen gemacht hat. Sehr gut fand ich in diesem Zusammenhang das Spiel von Eugen Klöpfer als Peter Rog, der als Typ deutlich von den damaligen Granden des expressionistischen Films absticht und für den beinahe naturalistischen bäuerlichen Teil dieser Sage steht.

Sein Gegenpart, der ihm wohl absichtlich sehr unähnlich gestaltete Johannes, wird von dem russischen Schauspieler Viktor Gaidarow verkörpert, der ein wenig auf den jungen Conrad Veidt kommt, wie er in vielen Filmen jener Zeit zu sehen ist, natürlich auch in „Das Cabinet des Dr. Caligari“. Bei den Frauen hat Murnau ein Händchen für das Drama in Gesichten und Gesten, das fiel mir  zuletzt bei „Schloss Vogelöd“ auf, wo es zu ähnlich leicht übertrieben wirkenden Momenten  kommt wie in „Der brennende Acker“. Ich weiß, wir sind in einer anderen Zeit und der Expressionismus fordert seine Gestaltungselemente. Aber Fritz Lang hat sich da immer etwas mehr zurückgehalten – und die Männer aufspielen lassen. Nun ja, der Modernste war aus heutiger Sicht sowieso Ernst Lubitsch mit seinem beinahe zeitlosen Humor.

Trotzdem finde ich „Der brennende Acker“ ausgewogener und gleichzeitig wuchtiger als „Schloss Vogelöd“. Ein wenig lag das an der kongenialen Musik, die der Filmversion unterlegt ist, die ich gesehen habe, aber auch die optische Gestaltung und die Handlungsführungen bieten einiges. Die Gegenschnitte bezüglich der beiden Vertragsunterzeichnungen bringen außerdem in den Höhepunkt des Films eine Atemlosigkeit, die für damalige Verhältnisse sehr dynamisch gewirkt haben muss. Heute würde man das so exemplarisch wohl kaum noch machen, aber die Montage war schon vor Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ auf dem Weg zu künstlerischer Ausformung, das sieht man in Murnaus Filmen wiederum besser als in den gleichzeitig entstandenen Werken von Fritz Lang, mit einer Wende, kann man sagen, bei „Dr. Mabuse“, der trotz seiner Länge ein sehr wirbelnder und fiebriger, nie langweiliger Film ist. Ihn verbindet mit „Der brennende Acker“ die Thematisierung moderner Investments und der Gier, die alles zerstören kann. Was ihn trennt, ist etwas, was Murnaus eher romantischer Veranlagung auch widersprechen würde: Ein Mastermind, der alles und jeden manipuliert, nicht nur sich selbst.

Murnau ist nicht nur um eine Spur konservativer, sondern um ein erhebliches Maß. Letztlich ist das Bild, das in „Der brennende Acker“ vermittelt wird, nämlich ein Sehnsuchtsbild. Man kann durchaus hineininterpretieren, dass der explodierende Bohrturm für das Drama der Explosion der Ordnung im Ersten Weltkrieg und die anschließende Verwirrung steht. Nicht umsonst scheint der Rückgriff auf die Sage um den Petroleumacker, die im 17. Jahrhundert entstanden ist, in jene Epoche des 30jährigen Krieges geraten zu sein, in der schon einmal alles aus den Angeln gehoben wurde. Nur wusste man mit Erdöl damals noch nichts anzufangen.

Ob sich nun die Heimatfilmer der 1950er auf Murnau berufen konnten? Den Kitsch, der in die damaligen Filme eingebaut wurde, hatten die Werke der 1920er generell nicht vorzuweisen, insofern kann man nicht sagen, dass das ein Grund ist, nicht die Wurzeln auch bei Menschen zu suchen, die heimlich oder offen das 19. Jahrhundert verehren. Dass Murnau das getan hat, steht wohl außer Frage, einer seiner ganz berühmten Filme zeigt das deutlich, gerade, weil er in den USA entstand: „Sunrise“. Fünf Jahre nach „Der brennende Acker“. In diesem Werk verirrt sich ein nicht gerade nettes Citygirl in eine sehr bäuerlich, aber nicht im Sinne amerikanischer Farmeridylle angelegte Siedlung hinein und stiftet dort wiederum Verwirrung ohne Ende. Selbst in den geldgierigen USA konnte Murnau also diese Haltung bewahren. Dabei ging es weniger um soziales Filmen, wie etwa Frank Capra es in den 1930ern mit großem Erfolg zeigte, nicht um eine amerikanisierte Version des Klassenkampfes, sondern um die Abwehr der turbulenten Einflüsse der Stadt auf das wahre Leben, das auf der Scholle stattfindet.

Finale

Nicht alle Filme Murnaus sind so deutlich dieser Dichotomie verpflichtet wie „Sunrise“ und „Der brennende Acker“, „Nosferatu“ zum Beispiel wirkt beinahe wie gedreht, weil der Schrecken aus den fernen Bergen in eine biedermeierliche Bürgerstadt einbricht, aber wenn man genauer hinschaut, ist auch hier eine in der Tat idyllische Welt mit dem Bösen „da draußen“ verlinkt, und sei es nur durch einen Makler, der Häuser egal an wen verkauft, auch an Untote, die sich am Blut der braven Menschen zu nähren gedenken. Diesem Film hat man sogar antisemitische Tendenzen unterstellt, aber im Vordergrund steht ganz gewiss, dass etwas Unheimliches im Gange ist. Das ist auch in „Der brennende Acker“ der Fall, musikalisch hervorragend untermalt, siehe oben. Der Schatz in der Erde kann nichts dafür, dass die Menschen sich um ihn balgen, das Böse kommt aus ihnen selbst. Aber er ist da und weicht nicht aus ihren Köpfen. Die Frage, was mit ihm nach der Löschung des Bohrturms passieren wird, bleibt unbeantwortet. Die ländliche Welt scheint gerettet. Ist das so? Der Acker ist noch kontaminiert vom ersten Unglück und wird niemals die Früchte tragen, die allein Glück bedeuten, das Korn, das die Welt ernährt.

Es ist schrecklich, dass man sich gar nicht mehr in die Welt vor 100 Jahren zurückversetzen muss, als der Erste Weltkrieg den Hunger zurückbrachte und die furchtbaren Möglichkeiten moderner Technik aufzeigte, wenn sie für Kriegszwecke genutzt werden, um Murnaus Sicht zu verstehen und warum sich die Menschen damals von seiner Darstellung der Dinge angesprochen gefühlt haben. Den Effekt gab es ja 30 Jahre später noch einmal. Wir müssen uns nur anschauen, wie gerade in einem Krieg in Europa auch um Rohstoffe und um Lebensmittel gekämpft wird und welche Auswirkungen das bei uns gerade hat, um eine Ahnung davon zu bekommen, warum der Landflucht die Stadtflucht folgen könnte. Eine Trendumkehr gibt es im Grunde nicht, aber eine Spur, die ins Hier und Jetzt führt und eine Ausleuchtung der Frage, wo die tieferen Gründe dafür liegen, dass immer wieder der Tod auch dort auftritt, wo er nichts zu suchen hat: Bei jungen Menschen, die lieben und leben wollen.

Formal wirkt „Der brennende Acker“ nicht so expressionistisch wie andere Filme der Zeit, inhaltlich ist er sowieso ganz klassisch oder traditionell, aber man spürt die bedachte optische Gestaltung mit schweren, niedrigen Decken, vielen Schatten und dunklen Ecken, dem Gegensatz zwischen Feuer, das wärmt und Feuer, das vernichtet, der inneren Einsamkeit in der äußeren Einsamkeit der Schnee-Öde, den Kontrast zum engen Beisammensitzen in der Bauernstube, karge, aber natürliche Umgebung mit ebensolchen Bewegungen, hingegen wenige Menschen in großen Dekors im Schloss, stilisiertes Beisammensein – und in welchem Szenario Murnaus Sympathie wenigstens überwiegend weilt. Am Ende kehrt der verlorene Sohn zurück und wir harren der Dinge, die kommen werden.

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

74/100

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Uraufführung von Der brennende Acker fand am 9. März 1922 statt. Die Bauten des Films stammen von Rochus Gliese.

Der Film galt als verschollen, bis 1978 in der Sammlung eines italienischen Pfarrers eine fast vollständige Kopie gefunden wurde. Der Pfarrer hatte in psychiatrischen Kliniken regelmäßig alte Filme vorgeführt.

[1] Der brennende Acker – Wikipedia

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