Und täglich grüßt das Murmeltier (Groundhog Day, USA 1993) #Filmfest 799 #Top250

Filmfest Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (99)

Morgens um 6 gerät die Welt aus der Ordnung

Und täglich grüßt das Murmeltier (Originaltitel: Groundhog Day) ist eine US-amerikanische Filmkomödie aus dem Jahr 1993Bill Murray spielt darin einen arroganten, egozentrischen und zynischen Wetteransager, der in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erlebt, bis er als geläuterter Mann sein Leben fortsetzen kann. Regie führte Harold Ramis.

Wir können’s nicht in einen prägnanten Satz fassen, was uns an dem Film so mitgerissen hat. Die Inszenierung ist ebenso konservativ wie die Botschaft, die man aus tausenden von Hollywood-Produktionen kennt und die etwas sehr Tückisches, wenn nicht Hinterhältiges hat. Doch wie hier ein Großstadtzyniker zum beliebten und zur Liebe fähigen Mann wird, indem er immer wieder denselben Tag erlebt, bis er eben diese Fähigkeiten gewinnt und dadurch erlöst wird, ist eben auch eine wunderschöne Story und von Bill Murray als Phil Connors großartig gespielt – am besten nach unserer Ansicht vor seiner Wandlung zum netten Menschen. Mehr dazu steht in der –> Rezension.

Handlung (1)

Phil Connors ist ein ehrgeiziger, zynischer TV-Wetteransager aus Pittsburgh, dem es davor graut, zum vierten Mal in Folge vom Tag des Murmeltiers am 2. Februar in der Kleinstadt Punxsutawney in Pennsylvania zu berichten. Gemeinsam mit seiner neuen Aufnahmeleiterin Rita und dem Kameramann Larry kommt er am Vortag dort schon entsprechend schlecht gestimmt an. Tags darauf ist seine Laune nicht besser, routiniert rasselt er die Reportage herunter und möchte möglichst schnell wieder weg. Weil aber der Highway wegen eines überraschend heraufgezogenen Schneesturms gesperrt wird, ist das Drehteam gezwungen, noch einmal in Punxsutawney zu übernachten.

Während der Radiowecker morgens wiederum den Song „I Got You Babe“ von Sonny and Cher spielt, glaubt Phil zunächst an ein Déjà-vu. Nachdem ihm wieder dieselben Leute mit den gleichen Worten begegnen und schließlich die zum Festplatz strömenden Menschen, ebenfalls genau wie tags zuvor – kein Zweifel, Phil erlebt den Murmeltiertag noch einmal. Verwirrt erledigt er nochmals seinen Job, aber auch diesmal kann er danach die Stadt nicht verlassen, und von nun an wiederholt sich der Tag für ihn immer wieder, ohne irgendeine Erklärung oder einen Ausweg. Vertraut er den anderen sein Problem an, empfehlen die ihm nur ärztliche Hilfe. Der örtliche Neurologe findet jedoch keine organische Ursache, und der sichtlich überforderte Psychotherapeut bietet ihm einen Termin am nächsten Tag an, was unter den gegebenen Umständen auch nicht sehr hilfreich ist. Phil bleibt also nichts anderes übrig, als sich mit dem seltsamen Phänomen zu arrangieren. (…)

Rezension 

In Andie MacDowell hat Bill Murray die richtige Partnerin mit Darling-Appeal und die Idee von der Möglichkeit oder gar dem Zwang, immer neu zu starten, bis man endlich seine Rolle gefunden und im Menschsein eine höhere Stufe erreicht hat, gehört offenbar zu den Sehnsüchten, die aus dem Unterbewusstsein immer wieder emporsteigen. Zum Beispiel, wenn man einen Film wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ anschaut und sich zudem mit den Figuren identifizieren kann – in dem Fall mit Phil Connors, dem Typ mit der scharfen Zunge und den anfangs geringen sozialen Fähigkeiten.

Außerdem ist das Geschehen eine Anspielung auf sämtliche Modelle der Reinkarnation, bei der es z. B. es darum geht, solange kreatürlich wiedergeboren zu werden, bis man erleuchtet ist und im Nirwana endet (buddhistische Ausprägung des Reinkarnationsgedankens). Wie viel sicherer es ist, im jetzigen Leben zu verbleiben, die (ebenfalls buddhistischen) Vorstellungen vom Karma als einer Möglichkeit zum selbstbestimmten Handeln umzusetzen und damit Ursachen und Wirkungen zu steuern, zeigt uns „Und täglich grüßt das Murmeltier“ auf eine sehr verständliche und liebenswerte Art.

Kollektives Bewusstsein

Dass der Film an unser individuelles Unterbewusstes appelliert und gleichzeitig ins kollektive Bewusstsein eingegangen ist, wird dadurch belegt, dass das Wort Déjavu plötzlich eine sehr konkrete, wenn auch eingeengte Bedeutung bekam und dass „Und täglich grüßt das Murmeltier“ zu einem geflügelten Wort für Vorkommnisse geworden ist, die sich – eher auf negative Art – immer zu wiederholen scheinen.

Der Film wurde nicht einmal für einen Oscar nominiert, von der zeitgenössischen Kritik eher unterschätzt, später gab es dann Revisionen, wie zum Beispiel bei Roger Ebert, der seine Bewertungen zu einigen Filmen im Lauf der Zeit angehoben hat. In der IMDb wird der Film derzeit in der Top 250-Liste geführt (auf Platz 212, Stand August 2014 und Platz 224, Stand Juni 2022). Auffällig ist am „demographic breakdown“, den die IMDb uns gewissenhaft übermittelt, dass Frauen den Film weniger mögen als Männer, eine im Durchschnitt um 0,4 schlechtere Bewertung ist eine signifikante Abweichung, wenn ansonsten über alle Altersgruppen hinweg und sowohl in den USA als außerhalb, von erfahrenen wie weniger erfahrenen Nutzern gleichermaßen hoch gezielt wird. Ein Geheimnis des Erfolgs ist sicher, dass der Film, im Gegensatz zu vielen künstlerisch hochstehenden Werken, kaum echte Gegner hat und nicht durch eine Schar Widersacher, die 1/10 geben, heruntergezogen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass er extrem massenkompatibel ist und wenig Kontroversen verursacht. Als Kritiker kann man das als verdächtig ansehen, man kann aber auch einräumen, dass hier ein sehr liebenswertes Stückchen Kino gelungen ist.

Gedreht wurde nicht wirklich in dem Städtchen mit dem unaussprechlichen Namen, sondern in Illinois, um 6 Uhr morgens ist es am 2. Februar normalerweise nicht so hell wie in dem Moment, in dem Phil aus dem Fenster schaut, aber man kann auch darüber hinwegsehen, denn schließlich ist das gesamte Szenario eine Form von Fantasy.

Die Idee, an einen gleichen Ort zurückzukehren zu einem früheren Zeitpunkt und sein Wissen zu nutzen, um es dort später besser zu machen, ist neben dem angesprochenen Reinkarnationsgedanken auch ein Rekurs auf die Vorstellung von der Zeitmaschine und damit aus dem Reich des Genres Science-Fiction. Diese Maschine gibt es hier nicht, anders als in „Back to he Future“, der viele Ähnlichkeiten prinzipieller Natur mit „Groundhog Day“ aufweist. Unter unserem Realnamen haben wir uns des Themas Zeitmaschine in einer Kurzgeschichte angenommen und empfinden sie zehn Jahre nach ihrer Veröffentlichung und Auszeichnung mit einem SF-Preis nicht nur als die gewollte Reflektion über H. G. Wells und Filme wie „Back tot he Future“, sondern beinahe auch als eine Art Epigone zu „Groundhog Day“ – den wir damals allerdings nicht kannten.

Mithin kann man sagen, wir haben eine Affinität zum vorliegenden Thema und vielleicht auch ein wenig die Fantasie, es in vielen Varianten durchzuspielen, von denen „Groundhog Day“ einige zeigt – so viele, wie in einen kurzweiligen Film von wenig mehr als 90 Minuten hineinpassen.

Das ist neben der Idee und Bill Murrays Spiel das dritte Benefit des Films: Dass er so kurzweilig und auch spannend ist. Wie dieselben Begebnisse immer wieder leicht voneinander abweichen oder Phil Connors neue Wege geht, weil er weiß, dass er sowieso am nächsten Tag aufwacht, ohne dass all dies geschehen ist, hat eine geradezu zwingende Logik, ist manchmal sehr anrührend, meistens witzig und wenn man den Film vorher nie gesehen hat, ist das Ende zwar hollywood-typisch, aber es drückt auch deshalb auf die Tränendrüse weil unsere romantischen Erwartungen dieses Mal in der Erfüllung liegen. Weil die Erfüllung mit Erlösung gepaart ist, das ist wohl der ganze Trick daran, dass etwas so Konventionelles so frisch wirkt und so gut funktioniert.

Wenn man sein ganze Leben lang aus der Mitte ist, beständig fehlgeht und die Chance bekommt, alles neu auzurichten, diese Chance, ganz wie Menschen aus dem richtigen Leben, unzählige Male verdaddelt, dann ist es grandios, dass man sie so lange bekommt, bis man sie wirklich nutzt. Welch gnädiges Schicksal ihn getroffen hat, erkennt auch der zunächst hochgradig von der Wiederkehr des Murmeltiertages genervte Phil Connors und nimmt dieses Schicksal an: Er wird ein hilfsbereiter Mensch, der außerdem seine künstlerischen Seiten stärkt, indem er lernt, wie man Jazzpiano spielt und Eisfiguren bastelt und wie man es allgemein schafft, Menschen wirklich an sich zu binden.

Ob man dazu all dies können muss und sich so sehr ändern muss, wie Connors das hier tut? Hoffentlich nicht, zumal nicht jedermann und jeder Mensch zum exzellenten Klavierspieler werden kann, aber der Bezug zu ganz üblichen und therapeutisch gut unterlegten Vorgehensweisen, zum „An-sich-Arbeiten“, ist doch sehr eindeutig. Mag dieses anfangs eine eher mechanische Neuorientierung sein, mag man den Sinn darin noch nicht erkennen und das eine oder andere justieren, ohne deswegen vom Misanthropen zum Menschenfreund geworden sein, durch die Zeichen, die man setzt, bringt man tatsächlich eine andere Richtung ins persönliche Ursache-Wirkung-Schema. Und das ist wohl auch der tiefere Sinn der Reinkarnationslehren: Sie nicht zu wörtlich zu nehmen, sondern zum Anlass, im Hier und Jetzt mehr Tiefe und Reflektion ins Handeln zu bringen und vielleicht anderen auch mal eine Freude zu machen, und das irgendwann sogar, damit sie sich freuen und nicht, damit man sich an seiner eigenen Fähigkeit, andere zu entschlüsseln und entsprechend zu manipulieren freut, wie es Phil Connors zunächst u. a. gegenüber Rita tut, indem er alles zusammenträgt, was er über sie erfährt, um einen inneren Gleichklang mit ihr zunächst vorzuspiegeln – bevor er sich wirklich in sie verliebt und damit sein Ticket löst, um endlich aus dem 2. Februar rauszukommen.

Finale

Man kann über „Und täglich grüßt das Murmeltier“ keine filmwissenschaftlichen Abhandlungen schreiben, dazu ist der Film in allem, was er darstellt, zu simpel und es gibt jenseits verschiedener Anklänge an Genres, Religionen und therapeutische Elemente keinen Subtext, den man mühevoll entschlüsseln müsste und der zudem sehr interpretationsfähig sein könnte.

„Groundhog Day“ gehört in die Kategorie der Wohlfühl-Filme, die uns mit dem Gefühl zurücklassen, dass alles richtig ist, was geschah und wie es geschah und dass auch wir für unser tägliches Leben daraus etwas mitnehmen können und der natürlich einen Trosteffekt hat. Wir wissen, dass wir die Dinge nicht wiederholen können, aber wir begegnen ja manchen Menschen an jedem neuen Tag und können mit etwas Mut möglicherweise festgefahrene Schemata aufbrechen und unser Leben und das anderer damit bereichern.

Dass man dazu, tausend anderen US-Produktionen gleich, das Hohelied vom einfachen Landleben singen und sich Menschen mit ganz anderen individuellen Voraussetzungen zu Freunden machen muss, ist eine andere Frage. Dass der Film tut, als ob das so einfach wäre, bringt ihm auch eine halben Punkt Abzug von den 9/10, die wir ansonsten tatsächlich vergeben hätten. Natürlich liegt in der Vereinfachung die Veranschaulichung, aber da hat ist man doch wieder etwas zu sehr in den Bann der Botschaft geraten, dass im Kleinen alles besser ist als in den unübersichtlichen Metropolen. Mag in vieler Hinsicht stimmen, aber die Verknüpfung mit dem Hauptthema ist falsch – es kommt in Wahrheit nicht darauf an, wo, sondern wie man lebt und diese Erkenntnis als Essenz von „Groundhog Day“ ist richtig und der Film schlägt diesbezüglich den richtigen Ton an.

85/100

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

Regie Harold Ramis
Drehbuch Danny Rubin,
Harold Ramis
Produktion Trevor Albert,
Harold Ramis
Musik George Fenton
Kamera John Bailey
Schnitt Pembroke J. Herring
Besetzung

Hinterlasse einen Kommentar