Die Letzten beißen die Hunde (Thunderbolt and Lightfoot, USA 1974) #Filmfest 814

Filmfest 814 Cinema

Die Letzten beißen die Hunde (Originaltitel: Thunderbolt and Lightfoot) ist eine Actionkomödie von Michael Cimino aus dem Jahr 1974. Der Film erschien in Deutschland bisher unter dem Titel Den Letzten beißen die Hunde auf VHS, DVD und Blu-ray.

Bei der Auswertung auf Datenträgern ist man offensichtlich darauf gekommen, dass der Originaltitel doppeldeutig ist. Der neue Titel ist aber falsch, denn der Vorletzte wird vom Hund gebissen und der Letzte, der stirbt, ist derjenige, der vom Vorletzten verletzt wird. Stimmt wenigstens die Zuschreibung „Actionkomödie“? Wir klären dies und mehr in der –> Rezension.

Handlung (1)

Der ehemalige Dieb John Doherty genannt „Thunderbolt“ ist in einem abgelegenen Ort als Prediger abgetaucht. Die Dorfidylle wird jedoch abrupt gestört, als ihn plötzlich ein früherer Komplize während einer Predigt in der Kirche erschießen will. Thunderbolt entkommt durch den Hinterausgang und wird anschließend in einem Kornfeld verfolgt. Der in einem gestohlenen Wagen zufällig vorbeifahrende Herumtreiber „Lightfoot“ hilft ihm ungewollt, als er versehentlich den Verfolger überfährt. Die Männer freunden sich an. Der junge Lightfoot erfährt, dass Thunderbolt vor Jahren an einem Raubüberfall auf die Firma Montana Armored beteiligt war und die Beute versteckt hat, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Seine ehemaligen Komplizen gehen aber davon aus, dass Thunderbolt sie um ihren Anteil der Beute gebracht hat. Schließlich verfolgen sie ihn, um ihn zur Strecke zu bringen.

Thunderbolt und Lightfoot wollen zu der alten Schule fahren, wo die Beute hinter der Tafel des einzigen Klassenzimmers versteckt wurde. Dort angekommen müssen sie jedoch feststellen, dass das Gebäude abgerissen und durch eine moderne Schule ersetzt wurde. Verfolgt werden Thunderbolt und sein neuer Partner Lightfoot dabei von den damals ebenfalls am Raubüberfall beteiligten „Eddie Goody“ und „Red Leary“. Nach einer Auseinandersetzung zwischen Thunderbolt und Leary beschließen sie ein Bündnis, um die Firma Montana Armored erneut zu überfallen. Sie gehen für eine Weile ganz gewöhnlichen Jobs nach, denn sie benötigen Geld für die Durchführung des Überfalls. Das Bündnis wackelt, weil der jugendlich wirkende Lightfoot den ernsten Leary während der Vorbereitungen immer wieder auf die Schippe nimmt. Leary schwört, sich den „Jungen nach dem Überfall zu kaufen“.

Thunderbolt und Leary dringen in das Haus der Familie des Bankdirektors ein und erpressen von ihm die Zahlenkombination zum Tresorraum. Im Tresorraum müssen die ehemaligen Kriegskameraden noch ein Hindernis überwinden und schießen mit einer Kanone aus dem Koreakrieg ein Loch in die Wand, um an die Beute zu kommen. Nach dem Raub planen sie, sich in einem Autokino zu verstecken. An der Kasse des Kinos muss der im Kofferraum versteckte Leary niesen, woraufhin die Kassiererin misstrauisch wird. Sie alarmiert die Polizei. Während die vier Räuber im Auto verfolgt werden, wird Goody angeschossen und von Leary kaltblütig aus dem Kofferraum geworfen. In einem abgelegenen Waldstück nutzt Leary die Gelegenheit und rächt sich endlich an dem ihm verhassten Lightfoot, indem er ihn mit einem harten Schlag an den Hinterkopf und anschließenden Fußtritten übel zurichtet. Danach flieht er allein mit der Beute im Auto weiter. Von der Polizei angeschossen, kann er den Fluchtwagen nicht mehr kontrollieren und fährt durch die Glasscheibe eines Kaufhauses. Dort wird er von einem Dobermann totgebissen. (…)

Rezension

Zwischenzeitlich, besonders zum Ende hin, dachte ich, den Film habe ich doch schon einmal … aber offenbar nicht komplett, denn die Anfangssequenzen erinnerten mich an gar nichts und es gibt am Archiv auch keinen Text zu diesem Werk. Aber der Schluss ist wirklich sehr charakteristisch und den Film als Actionkomödie zu bezeichnen, ruft bei mir Kopfschütteln hervor. Er ist ein Roadmovie, ein Heist-Movie, ein Thriller dadurch ebenso, er ist ziemlich gewaltsam für damalige Verhältnisse, aber nicht mit diesem makaber-ironischen Drive, den solche Darstellungen in den 1990ern bei Quentin Tarantino und anderen bekamen.

Dass es einige komische Momente gibt, ändert nichts daran, dass der Film vor allem dem Genre Drama zuzuordnen ist. Vielleicht Actiondrama, nach heutigen Maßstäben. Man glaubt zunächst nicht, dass es so hart enden wird, das hat auch mit dem sprunghaften Drehbuch zu tun, das aus derselben Hand stammt, die auch den Takt bei der Regie vorgab. Wenn man will, kann man sogar in diesem Film bereits Schwächen entdecken, die sechs Jahre später Michael Ciminos „Heaven’s Gate“ zu einem Riesenflop werden ließen, obwohl „Die Letzten beißen die Hunde“ mit 109 Minuten eine für damalige Verhältnisse ganz übliche Länge aufweist. Allerdings sind diese auch in „The Deer Hunter“ zu sehen und das ist doch ein großer Film geworden, der bis dahin beste Vietnamfilm, bis heute einer der besten und ein tolles Vehikel für Robert de Niro, so, wie „Die Letzten beißen die Hunde“ vor allem für Clint Eastwood geschrieben wurde. So scheint es zumindest, denn in dem, was wir sehen, läuft Jeff Bridges als naiv-frecher junger „Lightfoot“ ihm schauspielerisch den Rang ab, weil Eastwood ständig sein hohes Alter betonen und sich ansonsten ziemlich zurücknehmen muss.

Am Ende ist es ihm sogar auferlegt, echte Gefühle für den tragischen Sonnyboy Lightfoot zu entwickeln. Hätte man das Ende nicht spätestens vorausahnen können, als Lightfoot auf dem Weg zur kleinen alten Schule von Warsaw immer wieder strauchelt und merklich angeschlagen ist, man ist also darauf vorbereitet, Eastwoods Spiel allein hätte die emotionale Bindung des Zuschauers an diesen Moment und die Trauer über das abrupte Ende einer nicht sehr wahrscheinlichen Freundschaft kaum erreicht. Was den Augenblick vorbereitet hat, ist, dass Thunderbolt exakt den weißen Cadillac Eldorado erstanden hat, den Lightfoot sich immer wünschte. Dazu musste Thunderbolt aber doch die uralte Beute finden, die in der uralten Schule versteckt war.

Die Grundidee mit dem Versteck, das versetzt wurde, ist originell, aber ich musste stark darüber nachdenken, wie es möglich war, dass das Versteck beim Versetzen der alten Schule nicht gefunden worden war. Okay, es handelt sich um einen Haus in Holzständerbauweise, nicht Stein auf Stein gemauert, und man hat wohl die ganze Wand mitsamt der Schultafel versetzt, die noch daran hing, vielleicht sogar das gesamte Haus auf einen Anhänger gehoben und an einen anderen Ort verbracht, bei einem Steinhaus wäre das so nicht möglich gewesen. Sagen wir mal, das geht gerade so, es handelt sich ja sicher auch um Papiergeld, nicht um schwere Münzen, Barren oder dergleichen. Aber wie kommt jemand auf ein solches Versteck? Damit man es im Drehbuch als ungewöhnlichen Ort installieren kann, warum sonst?

Aber was ist in dem Zusammenhang der gepriesene Fortschritt? Die Bullshit-Jobs in der aufstrebenden Gemeinde, die nach der polnischen Hauptstadt gemeint ist? Nur Thunderbolt bekommt eine Art richtige Arbeit als Schweißer in einem Stahlwerk, während alle anderen, die Geld zusammenbringen müssen, um den Coup in der Sicherheitsfirma zu finanzieren, als lächerliche Eisverkäufer, als Fertighauszusammenbauer oder als Putzkräfte versuchen, sich durchzuschlagen. Man kann natürlich auch sagen: Würde ist kein Argument, Hauptsache Arbeit. Und genau da besteht der Unterschied zu einer „Actionkomödie“. An dieser Stelle und auch in anderen Zusammenhängen wird Sozialkritik deutlich. Die Wunderlichkeit der Jobs und die Hindernisse bei der Ausübung (sich verfahren und von einem naseweisen Mittelstandskind belehrt werden, das nicht einmal ein Eis kauft, Regenschauer, während der Chef weiter zur Arbeit antreibt, die Hunde als Drohung gegen alle) sind für sich genommen zwar recht witzig, auch die Sticheleien und kleinen Provokationen von Thunderbolt gegen Leary, weil er sich nicht vorstellen kann, dass der Typ ernst machen könnte mit seinen Drohungen, ihn für seine vorlaute Art umzubringen, wenn die Zeit gekommen ist, aber man merkt, dass sie nicht dazu gedacht sind, einfach über das hinwegzugehen, was der Regisseur ausdrücken will. Dafür war das damalige Kino viel zu kritisch. Wenn es nur plump zum Lachen sein wollte, machte es das auf andere Weise deutlich und nicht mit Verhältnissen, die von Beginn an auch ziemlich bedrohlich sind.

Deswegen war es auch nicht so leicht, zu entscheiden, ob die vollkommen unberechenbare und gewalttätige Art von Red Leary (der immer rot sieht) ein Problem der Figurenpsychologie darstellt, oder ob der Regisseur auc damit etwas zeigen wollte: Den typischen amerikanischen Redneck, der erst zuschlägt und dann argumentiert, falls es überhaupt zu einem verbalen Austausch kommt. Manche dieser Leute schießen auch zuerst, das tut Leary, der reizbare Charakter, nur sehr knapp nicht und als er es nicht tut, ist es gerade in dem Moment nicht konsequent. Dass er sich damit der Fluchtchancen beraubt, dass er Thunderbolt und Lightfoot viel zu früh loswerden will, die als Fahrer viel cooler sind und der Polizei vielleicht hätten entkommen können – nun ja, dafür beißt ihn der Dobermann.

Der einzige, der überlebensfähig ist, überlebt dann auch: Thunderbolt. Aber wird er noch Spaß an der Beute haben, die er sichern konnte? Es sieht im Schlussbild nicht so aus. „Die Letzten beißen die Hunde“ ist ein genuiner Film noir, irgendwo zwischen den „Originalen“ und dem Neo noir angesiedelt, aber mit fast allen Zutaten, die dieses Genre auszeichnet, inklusive einem Ende, das niemanden glücklich zurücklässt. Die Gauner sind aber zu roh, als dass man sich mit ihnen identifizieren könnte, Lightfoot etwas zu infantil und Thunderbolt wird von Eastwood wieder einmal so verkörpert, dass er den Zugang nicht unbedingt erleichtert. Allerdings muss er dieses Mal einen Talking Head spielen, um die Vergangenheit zu erläutern, die ihm die Bekanntschaft mit Red und Goodie eingebracht hat und wenn eines nicht zum Stil von Eastwood passt, dann solche Ausführungen. Dass die den Film verlangsamen, ist hingegen nicht so schlimm, denn in den 1970ern fühlte man sich noch der Idee verpflichtet, dass ein Rhythmus vorhanden sein muss und man nicht die Action-Show ohne Pause durchziehen sollte. Deswegen kann man schon sagen, das Tempo von „Die Letzten beißen die Hunde“ ist gut und für Überraschungsmomente ist stets gesorgt. Leider sind sie etwas zu überraschend in dem Sinn, dass zu oft neue Charaktere aus dem Hut gezaubert werden, die dafür sorgen müssen, dass es vorangeht.

Der Film wird dadurch aber auch dichter und alles kulminiert in der Erarbeitung und Ausführung des „großen Plans“, der aus dem Roadmovie ein Heist-Movie macht. Mit etwas Glück und Haken und Ösen funktioniert der Plan dann ja auch, der eigentlich nur ausgeführt wurde, weil man die Beute aus dem Jahre vergangenen Raub für verloren hielt (die neue mehrzügige Schule an dem Platz, wo das alte Holzhäuschen stand, in dem offenbar alle Jahrgänge in einem einzigen Raum unterrichtet werden mussten – welch ein Bildungssprung).

Finale

Man kann sagen, Vorzüge und Nachteile halten sich in „Die Letzten beißen die Hunde“ recht ausgewogen an der Hand, das eine und das andere wären ohneinander nicht denkbar, das Sprunghafte und Unlogische ist mit der Zeit auch immer mehr als Spannungselement zu erkennen. Es bleibt etwas Bruchstückhaftes, das gut mit der Aufstellung der Charaktere matcht, die alle nicht geerdet wirken, wie das bei Gangstern und Kleinganoven eben meist der Fall ist oder zu sein scheint. Schauspielerisch kommen Jeff Bridges als Lightfoot und George Kennedy als Berserker am besten raus, Eastwood wirkt zwar dominant wie immer, vor allem prügelt er sich um Längen besser als Red, der wiederum Lightfoot körperlich überlegen scheint. Aber die wortkarge Härte, die ihn berühmt gemacht hat, die kann er hier nicht so ausspielen, denn Lightfoot fordert von ihm immer wieder, dass er sich öffnet für eine Freundschaft und das weicht das Eastwood-Gepräge doch ein wenig auf. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil, es hebt den Film aber auch nicht in dem Sinne, dass man glauben möchte, eine bahnbrechende Offenbarung des Spirits von New Hollywood habe sich ereignet. Im Umfeld anderer Eastwood-Filme und von ähnlich geplotteten Werken wie „Charlie Varrick“ mit Walter Matthau aus dem Jahr zuvor reiht sich „Thunderbolt und Lightfoot“ ein, ohne in der Summe seiner Bestandteile herauszustechen und den Kultstatus fordern zu können, den Eastwoods Dirty-Harry-Darstellungen bis heute besitzen. Mit den 7,0/10, die von den IMDb-Nutzer*innen derzeit im Durchschnitt für diese Nichtkomödie vergeben werden, kann ich mich anfreunden.

68/100

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2021)

Rezension 2015 

Offenbar gab es doch zuvor eine komplette Sichtung, und zwar im Jahr 2015. Kurios oder nicht, dass wir uns daran sechs Jahre später nicht mehr exakt erinnern konnten – wir hängen die Rezension von damals an die neuere an. Die Bewertung liegt im Rahmen der Veränderung des Schemas (Umstellung von 10 auf 100 mögliche Punkte) jeweils auf gleichem Niveau.

Road Movies waren in den 1970er Jahren in Mode gekommen, Heist-Movies waren nicht totzukriegen, und wenn man beides kombiniert, kann ein Film wie Michael Ciminos Erstlingswerk „Lightfoot and Thunderbolt“, wie der Film im Original heißt, herauskommen. Zuvor hatte Cimino schon beim Drehbücher schreiben gelernt, wie man zeitgemäße Action macht (u. a. „Dirty Harry II“ und dabei auch Clint Eastwood kennengelernt, den Star von „Die Letzten beißen die Hunde“.

Generell mögen wir diese beiden Filmtypen – das immer unterwegs sein zu einem großen Ziel oder der Weg als Ziel, der große Plan, der im klassischen Hollywoodkino nie aufgeht, ab dem New Hollywood der späten 1960er dann aber doch mal klappen kann. Überhaupt sind Filme, in deren Mittelpunkt Outlaws, meist sympathisch gezeichnete Kriminelle stehen, durch den Wegfall des Production Code von dem Zwang befreit worden, dass das Verbrechen sich nicht lohnen darf. Warum eigentlich nicht, wenn zwei so knuffige Typen wie Thunderbolt und Lightfoot seine anonyme, hoch gesicherte Bank ausrauben wollen, ohne dabei jemanden umzubringen? Die Grenze für das Verbrechen, das Gelingen kann, gab es in den 1970ern sehr wohl noch, aber sie hatte sich von der Tat an sich hin zum Blutzoll verschoben, den eine gelungene Sause haben darf oder nicht.

Das erlaubte es auch, einen Sozialkommentar in Filme einzubauen, in denen die Ordnung eben nicht schön wiederhergestellt wird und in denen das Kapital nicht selten so dargestellt wurde, dass man unweigerlich davon auszugehen hatte, dass es zu Recht Federn lassen musste. Ähnliche Filme wie Ciminos Starter waren „The Getaway“ (1972) und „Charlie Varrick“ (1973), die sicher einen gewissen Einfluss auf den Jungregisseur hatten, aber beide wesentlich kompromissloser und gewalttätiger wirkten. Zwar sterben in „Thunderbolt und Lightfoot“ drei der vier Spießgesellen, die das Ding drehen, und der Tod von Lightfoot ist durchaus berührend, aber trotzdem hat der Film eine eher poetische und sonnige Stimmung und eine gute Portion Humor – ohne, dass man ihn als Krimikomödie bezeichnen kann, denn das Ende der Identifikationsfigur aufgrund einer Hirnschädigung nach einer körperlichen Attacke seitens eines anderen Beteiligten am Bankraub verhindert diese Klassifizierung. Die Art des Todes von Bruder Leichtfuß ist deswegen so ungewöhnlich, weil hier tatsächlich jemand auf realistische Weise an einem zuvor erhaltenen Tritt an den Hinterkopf stirbt, und das ist in amerikanischen Filmen sehr selten, die überwiegend eine körperliche Robustheit  von Menschen suggerieren, die weit oberhalb der Wirklichkeit liegt und es damit ermöglicht, dass Schwerverletzte immer weiter aktiv sind und sich binnen kürzester Zeit von schwersten gewaltsamen Einwirkungen erholen.

Von Michael Cimino haben wir bisher nur seinen großen Erfolg „Die durch die Hölle gehen“ („The Deer Hunter“) rezensiert und rechnen ihn unbewusst immer einem der großen Regisseure mit italienischen Nachnamen zu wie Scorsese oder Coppola – und warum hätte Michael Cimino nicht ein weiterer Top-Filmkünstler mit italienischen Wurzeln werden sollen? 1980 kam bekanntlich „Heaven’s Gate“ und belegte, zusammen mit späteren Filmen, dass nicht alle vielversprechenden Newcomer in den Olymp gelangen können.

Was „The Deer Hunter“ auszeichnet, ist aber in „Thunderbolt and Lightfoot“ schon zu sehen: Wunderbare Schauspielerführung und schöne Landschaftsbilder. Der Vietnamkriegsfolgen-Film hat allerdings trotz seiner Länge eine Stringenz, die dem vier Jahre älteren Werk ein wenig fehlt. Vor allem gefällt sich das Drehbuch darin, uns anfangs rein gar nichts über die  Hintergründe der Personen mitzuteilen, die wir sehen. Der Zuschauer weiß, wie in einem Rätselkrimi, nicht, wie sich die Zusammenhänge dessen erschließen, was er sieht, obwohl der Film von der Anlage ein Thriller ist. Man kann das so machen, Charaktere erst mit der Zeit, hier durch Gespräche untereinander, mit einer Historie versehen, aber die Kryptik zu Beginn ist angesichts dessen, was sich auf eher banale Weise dahinter verbirgt, ein wenig übertrieben – und außerdem offenbart es, dass die Figuren zwar gut gespielt werden, insbesondere natürlich vom jungen Jeff Bridges und von Clint Eastwood, der hier auch mal etwas weniger hart mimen darf, und hier funktioniert auch die Konstellation recht gut. Nicht perfekt, denn vor allem fragt man sich doch hin und wieder, wie ein solcher Haudegen wie Thunderbolt sich so schnell von Lightfoots jugendlichem Charme einfangen lässt, aber man schluckt es dann nach einer halben Stunde doch recht gerne.

Warum aber Leary Thunderbolt erst ans Leben will und sich dann ratzfatz dazu überreden lässt, mit ihm einen neuen Coup zu drehen, nachdem die alte Schule von Warsaw und damit das Geldversteck des früheren Raubzuges futsch zu sein scheinen, das geht doch zu glatt. Vor allem überprüft Leary Thunderbolts Angaben gar nicht erst und kann so auch nicht feststellen, dass dieser sich geirrt hat. Ein weiteres Plothole ist, dass man die alte Schule an einem anderen Ort wieder aufgebaut hat, anstatt die neue neben die alte zu setzen und dass bei diesem Wiederaufbau das Versteck hinter der Tafel nicht entdeckt wurde.

Ob moderne Banktresore wirklich auf die Art gesichert werden, wie es im Film dargestellt wird, wissen wir nicht, aber es würde im Grunde das Aus für Filme dieser Art bedeuten, denn wer hat schon Gelegenheit, sich eine Panzerfaust als betonbrechende Waffe zu beschaffen und mit ihr unbemerkt in eine Bank einzudringen?

Dass hingegen Clint Eastwood gemäß Figurenbiografie schon im Koreakrieg gekämpft hat und dort unter der Führung von George Kennedy stand, ist möglich, denn Eastwood war im Jahr 1950, als der Koreakrieg ausbrach, 20 Jahre alt, Kennedy 25 Jahre. Und warum sollten Kiegskumpels nicht nach der Abmusterung beruflich zusammenarbeiten? Derlei gab es schon in früheren Gangsterfilmen wie „Die wilden Zwanziger“, denn die einstige Gefahrengemeinschaft hält dann als Fundament fürs Tun im  Hier und Jetzt her. Man konnte sich im Krieg aufeinander verlassen, warum nicht wieder? Allerdings stimmt das so eben gerade in „Die wilden Zwanziger“ nicht, wo die guten Bösen und die bösen Bösen schon anhand ihres Verhaltens im Krieg unterschiedlich charakterisiert werden. Was im Koreakrieg geschah, wird uns nicht gezeigt, aber die Spannungen im Team, in dem der ältere Leary den jungen, schnodderigen Lightfoot als Eindringling empfindet und zudem seinem Ex-Kumpel Thunderbolt nicht recht traut und sich ihm unterlegen fühlt, sind unübersehbar. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass der Coup zwangsläufig schiefgehen muss, und das ist sicher eine der Stärken des Films. Er gibt den Ausgang nicht, wie im Film noir, bereits von Beginn an vor, sondern nimmt uns mit auf die Reise durchs weite Land, auf verstaubten Straßen, in Karren, die wir nicht geschenkt haben möchten – bis auf den weißen Cadillac Eldorado am Ende des Films, wo Lightfoot seinen Traum, nämlich eben dieses Auto, das Thunderbolt von einem Teil der Beute gekauft hat, noch ein paar Minuten erleben darf, bevor er stirbt.

Der verwendete Cadillac selbst ist, vielleicht nicht ganz unfreiwillig, ein Symbol dafür, dass die Außenseiter mit ihren Träumen letztlich doch scheitern, denn es handelt sich um die letzte Fullsize-Version vor dem Ölschock, und auch dieser Wagen hatte nicht mehr ganz die Leistung wie einige ältere Varianten des Modells, das 1953 als absoluter amerikanischer Traumwagen, teuerstes Serienmodell der damaligen US-Produktion und seinerseits als Symbol der fetten 1950er aus der Taufe gehoben worden war. Damals aber wären keine versprengten Gangster mit diesem Wagen gefahren, in gewisser Weise hat sich also der amerikanische Traum schon marginalisiert und die Freundschaft zwischen Thunderbolt und Lightfoot endet auch genau dort, wo der persönliche Traum der beiden hätte beginnen können. Am Ende fährt Thunderbolt mit dem Wagen in den Sonnenuntergang wie im Western der einsame Reiter, der keine Anbindung an andere findet und seinen ewigen Weg durch die Prärie fortsetzt.

Fazit

Man soll von einem schönen, kleinen Film wie „Die letzten beißen die Hunde“ nicht zu viel erwarten, nur, weil Michael Cimino wenig später ein mit vielen Oscars gekröntes Meisterwerk geschaffen hat (Jeff Bridges erhielt für seine Rolle des Lightfoot eine Nominierung in der Kategorie bester Nebendarsteller), man soll aber auch nicht zu kritisch herangehen, nur, weil Cimino mit „Heaven’s Gate“ und seinen späteren Filmen nicht mehr an dieses Meisterwerk anknüpfen konnte. Wenn man „Thunderbolt and Lightfoot“ mit „The Deer Hunter“ vergleicht, kann man eine Handschrift ermitteln, in letzterem Werk spielt übrigens ebenfalls ein weißer Cadillac eine Rolle, aber hat man diesen Vergleich nicht zur Hand, könnte „Lightfoot and Thunderbolt“ auch von anderen versierten Regisseuren stammen, die sich damals den Weg zum Ruhm machten und in ihren frühen Jahren von den Straßen des weiten Landes fasziniert waren, wie etwa Steven Spielberg, der 1971 mit dem famosen „Duell“ herauskam und im selben Jahr, in dem „Die letzten beißen die Hunde“ entstand,  „Sugarland Express“ gefilmt hat, ebenfalls ein Roadmovie, mit allerdings schon erheblich mehr Aufwand inszeniert..

Unsere Wertung: 7/10

(1) und kursiv: Wikipedia

Regie Michael Cimino
Drehbuch Michael Cimino
Produktion Robert Daley
Musik Dee Barton, Paul Williams
Kamera Frank Stanley
Schnitt Ferris Webster
Besetzung

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