Tod eines Wachmanns – Tatort 265 #Crimetime 1124 #Tatort #Düsseldorf #Flemming #Koch #Ballauf #WDR #Tod #Wachmann

Crimetime 1124 – Titelfoto © WDR

Die Mutter der BKA-Bashing-Filme?

Tod eines Wachmanns ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort. Es ist der dritte Fall der Düsseldorfer Ermittler Flemming, Koch und Ballauf und die 265. Tatortfolge. Der vom Westdeutschen Rundfunk und Bavaria Film produzierte Beitrag wurde am 25. Oktober 1992 auf Das Erste zum ersten Mal gesendet.

Man glaubt in der heutigen Zeit gernet, die 1990er, das sei so eine bleierne Nachwendezeit gewesen, alle Ziele erreicht und dann verharrt die Welt. Herausgerissen aus dieser Elegie habe uns erst 9/11. Demgemäß gelten die Tatorte der 1990er als konservativ. Das stimmt so nicht. Es hing davon ab, welche Ermittler am Werk waren und welcher Sender den Tenor der Filme bestimmte. Auch wenn der Filmstil von „Tod eines Wachmanns“ nicht auf heutigem Stand ist und der Titel klingt wie aus den 1970ern, als man um Figuren wie einen Wachmann namens Kampmann noch ganz Milieus baute. Aber es gibt mehr zu diesem Film zu schreiben, Sie finden es in der –> Rezension.

Handlung

Zwei Männer dringen mit Hilfe eines Angestellten in das Düsseldorfer Bauamt ein. Als sie beim Fotografieren von Lageplänen vom Wachmann überrascht werden, bringen sie ihn um und täuschen einen Raubmord vor. Flemming und seine Mitarbeiter fallen auf diesen Trick jedoch nicht herein, denn sie stellen fest, daß außer einigen Computern auch Baupläne fehlen.

Als Flemming im Fernsehen den Besuch der englischen Königin in Düsseldorf verfolgt, macht er eine alarmierende Entdeckung: Die gestohlenen Baupläne betreffen Objekte, die auf der Fahrstrecke der Königin durch die Stadt liegen. Flemming greift zum Telefon. Der Wagen der Königin wird umgeleitet. Eine explodierende Bombe zerstört jedoch ein Begleitfahrzeug und zwei Beamte kommen zu Tode.

Flemming erhält eine Belobigung, die Ermittlungen aber zieht Kriminaldirektor Helmer vom BKA an sich. Damit ist Flemmings Interesse an dem Fall jedoch keineswegs erloschen. Als er eher zufällig auf eine heiße Spur stößt, gelingt es ihm, den Tätern eine raffinierte Falle zu stellen: Dabei kommt heraus, daß das Attentat nicht – wie allgemein vermutet – der Königin galt. Die Täter hatten offensichtlich versucht, diesen Eindruck zu erwecken, um eine falsche Fährte zu legen. Flemming beginnt zu kombinieren und kommt zu einer überraschenden Erkenntnis.

Rezension

Der Titel ist absichtlich so gewählt, um einen ganz kleinen, intimen Fall zu suggerieren, doch dann weitet sich alles immer mehr zu einem der ersten Tatort-Politthriller aus, deswegen ist der Film auch als Thriller oder Howcatchem und nicht als Whodunit angelegt. Wir wissen von Anfang an, dass Meyer der eiskalte Killer ist, aber a.) wird das Attentat noch rechtzeitig zu verhindern sein und b.) werden seine Hintergründe und Auftraggeber aufgedeckt? Letzteres ist denn auch spannender, als ob er selbst am Ende gestellt wird. Oder draufgeht. Was a.) angeht, kann man sich ja gleich entspannen, denn dass die Queen nicht bei einem Deutschland-Besuch ermordet wird, versteht sich von selbst. Schön aber zu sehen, wie viel Manpower im Hintergrund bei solchen Besuchen eingesetzt wird, um die Sicherheit zu gewährleisten. Um sie dann doch nicht zu gewährleisten.

Eine Frage zur Handlung stellt sich natürlich. Braucht man für das Subgullydeckel-Attentat wirklich die Tiefbaupläne der Stadt? Kommt darauf an. Heute werden die Deckel entlang einer Staatsbesucher-Route ja zugeschweißt, zumindest, wenn es um Besucher geht, denen besonders hohe Sicherheit zusteht. Und der Gullydeckel, unter dem der Sprengstoff platziert wurde, lag logischerweise direkt auf der Route der Queen. Aber würde das Verschweißen ausreichen, um die Sprengung zu verhindern oder geschieht es, damit niemand einsteigen kann, um den Sprengstoff erst zu platzieren, was natürlich bedeuten würde, dass man auch in den umliegenden Straßenzügen alle Kanaldeckel dichtbekommen müsste. Nun empfiehlt sich aber schon aus Gründen der Unauffälligkeit wohl eher das Einsteigen in einem weit entfernten Gebiet und vielleicht dort, wo ein Abwasserrohr sein Ende hat und in einen Fluss mündet – Klärwerk dazwischen mal außen vorgelassen. Egal, wo Meyer jetzt genau eingestiegen ist, es war ein gutes Stück vom Anschlagsort entfernt und natürlich braucht Meyer Pläne, um sich zurechtzufinden. Wie man solche Pläne der Kanalisation liest, scheint er zu wissen. Und so cool, wie er dargestellt wird, passiert ihm auch keine Panne bei der Ausführung des Attentats, bei welcher er in Wirklichkeit nicht etwa die Queen verfehlt, sondern genau den Mann erwischt, auf den es ihm ankommt. Ein vorgeblich fehlgehendes Attentat ist ein toller Twist und wird viele Menschen erfreuen.

Zum Beispiel die Verschwörungstheoretiker, die hinter allem, was in der Welt passiert, eine False Action irgendeines Geheimdienstes vermuten. Das BKA ist zwar eigentlich kein Geheimdienst, aber natürlich arbeitet es mit dem Verfassungsschutz zusammen. Bei dem RAF-Szenario hätte der auch involviert sein müssen, das wird aus Vereinfachungsgründen nicht gezeigt, denn der Fall ist so schon kompliziert genug und zwischenzeitlich hatte ich Schwierigkeiten zu folgen. Eigentlich vor allem kurz vor Ende, als dann der BKA-Mann Helmer noch den Talking Head macht. Da wird dann schon mal etwas geholzt, wo vorher die Spannung noch sehr konsequent aufgebaut wurde. Dem Tatort hätten fünf Minuten mehr wirklich gut getan. Denn wie die Hintergründe, sagen wir mal, erläutert und wie leicht sich der zuvor so überaus versierte Meyer von Max Ballauf abschießen lässt, das bedeutet einen merklichen Abfall der Qualität dieses 265. Tatorts zum Ende hin.

Dass man also RAF-Leute bewusst hat in die DDR entkommen lassen, weil ja zehn Jahre dort schlimmer sind als jedes westdeutsche Gefängnis, das bleibt doch immerhin hängen. Und dass die Wende dazu geführt hat, dass aus dem Osten nun eine ganz neuartige Spezies von Verbrechern im Rheinland einfällt und sich an nichts mehr hält, was früher doch zwischen Polizei und Unterwelt sozusagen als Codex abgesprochen war, das erfahren wir auch. Wenn also die Ossis Ehrlicher und Kain zu jener Zeit Ostsicht in den Tatort einbrachten, hielt der WDR mit einer klar westlich geprägten Anschauungsweise dagegen. Damit der Rassismus nicht zu sehr auffällt, hat man noch ein paar als Fortuna-Düsseldorf-Fans verkleidete Neonazis oder mittelultrarechte Typen ins Spiel gebracht, die ein bisschen durch den Film rüpeln dürfen. Und die IRA, die darf auch nicht fehlen, wenn es um die Queen geht, wobei jeder sich sofort fragen müsste, warum sie diese gerade auf einem Deutschland-Besuch beiseite schaffen will und welche symbolische Bedeutung darin wohl liegen mag. Die Deutschen waren doch in ihren antibritischen Zeiten dem Freiheitskampf der Iren gegenüber immer recht aufgeschlossen.

Finale

Gemäß der Bewertung der Nutzer des „Tatort-Fundus“ gilt „Tod eines Wachmanns“ derzeit als drittbester von 15 Flemming-Tatorten und war auch chronologisch die Nummer drei. Mich hat das ein wenig überrascht, weil das Team schon sehr gut eingespielt wirkt und die Figur Max Ballauf hier wesentlich mehr zum Einsatz kommt als in späteren Filmen des Düsseldorf-Trios, das nach der Schimanski-Duisburg-Ära des WDR wie eine Rückkehr zur Normalität wirkt. Was die Sprache und das Verhalten der handelnden Personen angeht, war es das sicher auch, nicht aber soziologisch. Denn die Ablösung des Machos durch einen Teamleiter mit zwei jungen Beamt_innen, männlich und weiblich, war ein Zwischenschritt auf dem Weg zu den heute dominierenden, gleichberechtigten Frauen-Männer-Teams. Lena Odenthal, die damals schon in Ludwigshafen tätig war, blieb noch bis 1997 eine Ausnahme, als Inga Lürsen in Bremen die zweite weibliche Leitende Ermittlerin wurde.

Zudem wirkt das Team hier sehr sympathisch und einfach menschlich. Man mag insbesondere die Figur Miriam Koch nicht für maximal realistisch halten und das war sie im Vergleich zu den oft sehr spröden Ermittlern der 1970er oder 1980er sicher auch nicht, aber sie hat ja einen speziellen Hintergrund. Ob man den gebraucht hätte, ist eine andere Frage, weil es wirkt, als sei die Frau aus Langeweile mals ins richtige Leben eingestiegen. Aber die innere Mitte, in der sie sich meist befindet, ist eigentlich das, was sie besonders wirken lässt, dieses propere, unverletzt und ungebrochen wirkende. Max Ballauf mit seiner oft etwas angekratzt wirkenden Miene lässt hingegen den Typ einsamen Wolf schon gut ahnen, den er später in Köln geben wird.

8/10

© 2022, 2017 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Kursiv: Wikipedia

Stab und Besetzung

Regie Ilse Hofmann
Drehbuch Axel Götz, Thomas Wesskamp
Produktion Veith von Fürstenberg
Musik Andreas Köbner
Kamera Wolfgang Dickmann
Schnitt Ueli Christen, Alexandra Iliopolou 

Martin Lüttge: Bernd Flemming, Hauptkommissar
Klaus J. Behrendt: Max Ballauf, Hauptmeister
Roswitha Schreiner: Miriam Koch
Ulrich Pleitgen: HelmerRalph Schicha: Ulrich Meyer
Ralph Herforth: Hörster
Michael Seyfried: Holger Kranich
Wilhelm Blasberg: Wachmann Willi Kampmann
Helga Storck: Frau Kampmann
Fritz Graas: Nachbar der Kampmanns
Christine Merthan: Frau Marquardt
Andreas Borcherding: Soko-Kollege Weber
Ludwig Schütze: Polizeidirektor Gelsdorf
Jeannette Charles: Queen-Double
Thomas Flach: Ingo Flemming
Geraldine Schröder: Ingos neue Freundin
Heinrich Schmieder: Mike, Fußball-Fan
Anton Pointecker: Kranichs Onkel
Walter Tschernich: Wachmann Kampmann

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