Hexen brennen – Polizeiruf 400 #Crimetime Vorschau #Polizeiruf110 Das Erste, 30.10.2022, 20:15 Uhr #Magdeburg #Brasch #MDR

Crimetime Vorschau Titelfoto © MDR / Filmpool Fiction , Conny Klein

War nicht erst der letzte Polizeiruf ein Werk mit Doreen Brasch aus Magdeburg? Vielleicht wollte man ihr a.) den 400. Polizeiruf (Wikipedia-Zählung, es gibt abweichende Zählweisen) zukommen lassen oder hat sich b.) beim Sendedatum an Halloween orientiert.

Letzteres würde dem Trend folgen, dass sich kein anderer „Feiertag“ aus den USA bei uns so ungehemmt ausbreitet und dabei auf einen Zeitgeist zunehmender Irrationalität trifft wie das Ereignissen mit den ausgehöhlten Kürbissen, in die man Gesichter schneidet. In unserem Kiez hätte doch eigentlich dieses Wochenende das Kürbisfest stattfinden müssen? Vielleicht ist das heute, da sind wir noch nicht durch unsere Umgebung gewandert. Eigentlich hat es aber mit Allerheiligen zu tun und eigentlich kommt es aus Irland, hat Ursprünge in der vorchristlichen Zeit, verbreitete sich in den USA und was sich dort durchsetzt, erobert bekanntlich die Welt. Dürfen es heute Abend ein paar Hexen sein? Mit Hexenverbrennung hat der Brauch eigentlich nichts zu tun, aber da ja alles irgendwie zusammengehört und ein Feuer eben ein Feuer ist:

Lodernde Feuer in der Nacht, rätselhafte Symbole an Hauswänden, tote Hunde vor Haustüren – und grausame Morde an zwei Frauen: Den 16. Fall von Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) umweht der Hauch des Mysteriösen, des Unheimlichen, der schwarzen Magie. (…)  Am 30.10.2022, also am Vorabend von Halloween, zeigt Das Erste um 20:15 Uhr den Polizeiruf 110 „Hexen brennen“, ein Krimi mit Gruselfaktor, in dem es aber noch um viel mehr geht: In der Dorfgemeinschaft von Thalrode im Harz zeigen sich tiefe Risse zwischen alteingesessenen Männern und zugezogenen Frauen – zwei davon zahlen dafür mit ihrem Leben. Wurden sie von ihrem Mörder als „Hexen“ angesehen? Kommissarin Brasch ermittelt im Dickicht von tiefsitzenden Feindbildern und uralten, sagenumwobenen Vorstellungen von Hexenwahn und Inquisition, die immer noch lebendig zu sein scheinen.

Dieser Polizeiruf liegt voll im Trend, man merkt es gleich. Leider verwischt sich in den letzten Jahren immer mehr eine Grenze, die ich sehr geschätzt habe: Tatorte sind schon seit Längerem offen für Experimente und Schräges, Polizeirufe waren ein Stück weit bodenständiger. Vor allem die München-Schiene hatte diese Abgrenzung aufgehoben, während in den letzten Jahren der DDR die Polizeirufe oft introspektiver waren und ebenso subjektiver wie mehr zum Nachdenken geeignet waren als die Tatorte, die damals eine inhaltliche und formale Stagnationsphase zu absolvieren hatten. Über die Magdeburger Kommissarin Doreen Brasch kann man wunderbar nachdenken, weil sie eine der schwierigsten Ermittlerfiguren in der gesamten Tatort-Polizeiruf-Welt ist. Bis heute kommen Teile des Publikums und der Kritik mit ihr nicht besonders gut klar und zu diesem Teil rechne ich mich ebenfalls. Allerdings fehlen mir ja die letzten, die „Alleinkrimis“ noch, die ich rückwirkend anschauen muss, also alles unter Vorbehalt. Mit den männlichen Partnern hat es jedenfalls nicht funktioniert, und die Art, wie das inszeniert wurde, war schon nervig. Man munkelt, das, was wir auf dem Bildschirm sahen, entsprach etwa dem, wie es hinter den Kulissen zuging. Vielleicht ist Brasch bzw. deren Darstellerin Claudia Michelsen ja nun mehr bei sich selbst und kann entsprechen aufspielen. Was schreiben nun die Kritiker:innen zum 400. Polizeiruf?

Polizeiruf 110: Hexen brennen – Tatort Fans (tatort-fans.de):

Für Fans von Gruselgeschichten und Mystery-Thrillern bietet dieser Polizeiruf reichlich Stoff. Eigentlich war es längst überfällig, die mystische Szenerie des herbstlichen Harzes mit seinen Legenden rund um Hexen und schwarze Magie als Setting für einen Sonntagskrimi zu nutzen. Das alles wurde filmisch eindrucksvoll umgesetzt, die unheimliche Atmosphäre im fiktiven Thalrode überträgt sich sofort in die heimischen Wohnzimmer. Und doch ist dieser Krimi auch ganz von dieser Welt: Er zeigt in authentischer Weise eine Dorfgemeinschaft im Zerfall, in der am Ende vor allem gegenseitiges Misstrauen und Einsamkeit herrschen. Das Thema Frauenfeindlichkeit schwingt bei Braschs Ermittlungen immer mit, wird allerdings nicht so dominant, dass der Film mit politisch-ideologischen Botschaften überfrachtet würde. (…) Das Geheimnisvolle, Unergründliche, Vieldeutige – es bildet den roten Faden dieses insgesamt sehr sehenswerten Krimis.

Vermutlich wird heute Abend das Wohnzimmer nicht in Gruselstimmung getaucht werden, die Zeiten sind gruselig genug. Mittlerweile ist es bei mir so, dass vor dem Beginn der Arbeitswoche gar keine maximale Lust an Mord, Totschlag, Grusel herrscht und was sonst mittlerweile alltäglich ist. Auch dies hat dazu beigetragen, dass ich mir Tatorte und Polizeirufe lieber von Donnerstagabend bis Samstagabend anschaue. Der Sonntag ist dann der Erholung davon gewidmet. Das ist nicht nur ironisch gemeint: Die Filme sind nicht mehr so schlicht strukturiert wie früher und haben oft keinen Abschluss mehr in dem Sinne, dass die Welt nach 90 Minuten wieder in Ordnung ist. Trotzdem sind die beiden Reihen nach wie vor sehr beliebt und erreichen bei den Premieren immer sehr hohe Zuschauser:innezahlen. Der Tatort ist diesbezüglich nach wie vor etwas voraus, vor einer Woche haben die Kölner Ballauf und Schenk mit „Die Spur des Blutes“ fast 11 Millionen Zuschauer:innen angelockt.

„Polizeiruf 110: Hexen brennen“ – Kritik zum neuen Fall (prisma.de)

Wer gerne mehr Halloween-Horror hätte, muss sich mit auffliegenden, tot geglaubten Amseln und knurrenden Hunden begnügen, in die menschliche Geister gefahren sind. Mehr lässt das „Polizeiruf“-Budget der Regisseurin Ute Wieland nicht zu – allenfalls kann noch ein herzallerliebster Hexenladen im Fachwerkstädtchen für Horror sorgen. Hier wenigstens sind allerlei Folterwerkzeuge als Devotionalien für die Touristen versammelt, und der Ladenbesitzer selbst setzt sich den Zwingenkranz auf, um den vorangegangenen Foltertod zu demonstrieren. Allzu deutlich ist das alles angelegt, als dass es einen wirklich das Fürchten lehren könnte. Mehr Magie bitte, wenn nächstens an Halloween wieder ein Polizeiruf vom Brocken oder sonstwoher kommt!

Es hängt eben auch von der Persönlichkeit ab, wie man Grusel definiert. Also doch heute Abend? Vorsicht, es gibt ja immer noch das Verbrechen, den Zerfall, die Dorfgemeinschaft im Abbruch. Wir merken das ja hier alles in Berlin nicht so, aber viele Menschen sind keine Gewähr für Stabilität, weil sie sich meistens nicht gegenseitig stützten, sondern weil jeder für sich sein Ding macht. Lediglich die institutionalisierten Hilfsangebote sind um Längen besser, das macht die Großstadt erträglicher als das Stranden irgendwo im Nirgendwo.

Polizeiruf 110 aus Magdeburg: „Hexen brennen“ – SWR3

Die Schauspieler in „Hexen brennen“ spielen ihre Rollen durchweg überzeugend. Als Zuschauer bekommen wir einen guten Eindruck davon, wie es ist, in diesem tristen, dunklen Dorf zu wohnen, das langsam vor sich hin zerfällt. Aber der Polizeiruf aus Magdeburg will zu viel: Schwarze Magie, starke Frauen gegen ohnmächtige Männer, und dann geht es noch um Borkenkäfer. Zu viel für 90 Minuten.

Offensichtlich ist eines der Opfer wirklich verbrannt worden (im Film natürlich nur), das geht aus der obigen Kritik ebenfalls hervor. Zwei von fünf Elchen sind vielleicht nur einer, aber man traut sich nicht, im Kreis der befreundeten Sender der ARD, so ketzerisch zu sein. Ein guter Eindruck muss auch nichts Gutes bedeuten, das ist ebenfalls festzuhalten. Gerade haben wir bei TV Spielfilm nachgeschaut und erstaunt festgestellt, dass zumindest der Abschnitt, den wir zitieren wollten, dem von Prisma aufs Wort gleicht. Wehe, demnächst sehen wir unsere Einlassungen in einem Mainstream-Medium als Raubkopie, ohne die Erwähnung unseres Kleinmediums also. Bei umgekehrter Größenordnung ist es doch nicht ganz so unfair, daher weiter mit den Großkritiker:innen:

Rainer Tittelbach höchstselbst schreibt in Tittelbach-TV:
 
Am Fuße des Brocken erwartet Kommissarin Brasch ein Schreckensszenario wie aus dem Mittelalter. Eine Frau wurde verbrannt, nachdem ihr Kopf mit Schädelschrauben zum Platzen gebracht wurde… Wenn der realistische, vernunftgesteuerte Fernsehkrimi mit dem Mystery-Genre, mit Mythologie, surrealem Schrecken und schwarzer Magie schwanger geht, dann ist das eine Herausforderung für die Macher. Denn weder darf der Plot als völliger Humbug, noch das atmosphärische Beiwerk als aufgesetzter Schauer-Effekt empfunden werden. Außerdem hat man die Krimi-Puristen im Nacken, die es prinzipiell lieber (krimino)logisch als assoziativ und genregemixt mögen. Der „Polizeiruf 110 – Hexen brennen“ (…) nimmt alle diese Hürden. (…)

Im Anschluss zählt Tittelbach eine ganze Reihe von Gründen dafür auf, warum der Film diese Hürden nimmt. Mit 4,5/6 kommt er am Ende zu einer für die beiden Formate Tatort und Polizeiruf im Rahmen der Prämisse, die seiner Publikation in etwa Punktezahlen ab 3/6 für diese Formate aufwärts erlaubt, zu einer mittleren Wertung. Wir schließen die Kritikenschau hier ab und stellen fest: Grusel ist Ansichtssache und es ist manchmal spannender, die Meinungen zu einem Film zu vergleichen, als den Film anzuschauen. Letzteres ist dann aber doch notwendig, um unsere Rubrik „Crimetime“ füttern zu können, die mittlerweile fast 1.100 Beiträge enthält. Und Seriennummern bekommen nur die eigenen Rezensionen, nicht die Vorschauen.

TH

Handlung

Eine Frau wird nach dem Halloweenfest am Fuße des Brockens tot aufgefunden. Hauptkommissarin Doreen Brasch bringt den Mord vorerst nicht mit abergläubischen oder gar spirituellen Ritualen in Verbindung. Seltsam ist die Tat aber schon. Die Leiche wurde verbrannt, auf einer Art Scheiterhaufen. Und schließlich stellt sich heraus, dass das Opfer gefoltert wurde – mit Methoden der mittelalterlichen Inquisition. Wer steckt hinter dieser Tat?

Erst vor anderthalb Jahren war das Opfer, Tanja Edler, aus Berlin in den Harz zurückgekehrt, um die familienbetriebenen Hotels zu übernehmen. Nun beschließt ihre Mutter, Stefanie Edler, den eigenen Ruhestand aufzuschieben, denn dem Sohn Reiko traut sie den Betrieb nicht zu. Tanja Edler gehörte seit ihrer Rückkehr einem Coven an, einer Gruppe moderner Hexen. Deren Zusammenkünfte stoßen insbesondere bei den Männern im Ort, allen voran beim Arzt Dr. Petersen, auf Unverständnis.

So entgeht es Brasch während ihrer Ermittlungen nicht, wie tief gespalten das Verhältnis zwischen den Frauen und Männern ist. Gemeinsam mit Kriminalrat Lemp versucht sie zum Kern dieses Zerwürfnisses vorzudringen, um so den Täter zu überführen. „Hexen brennen“ handelt von starken Frauen und ohnmächtigen Männern, die sich die Erfolge, das Aufstreben, die Kraft der Frauen nur noch so erklären können, dass es mit dem Teufel zugegangen sein muss.

Besetzung und Stab

Hauptkommissarin Doreen Brasch Claudia Michelsen
Kriminalrat Uwe Lemp Felix Vörtler
Reiko Edler Pit Bukowski
Paul Kopp Helgi Schmid
Doris Petersen Birgit Berthold
Pastorin Kathrin Bach Julia Schubert
Manfred Muser Henning Peker
Stefanie Edler Gabriela Maria Schmeide
Georg Kopp Hermann Beyer
Hans Petersen Michael Schweighöfer
Peggy Sasse Yvonne Johna
Giorgia Luana Stappenbeck
Andre Lüderitz Harald Polzin
Musik: Oli Biehler
Kamera: Eeva Fleig
Buch: Wolfgang Stauch
Regie: Ute Wieland

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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