Crimetime Vorschau – Titelfoto © WDR, Valentin Menke
Ein Leben ohne den Münster-Tatort wäre vorstellbar, aber sinnlos. Sinngemäß mit Loriot halten es viele Menschen in Deutschland, sonst hätte durch alle Höhen und Tiefen hindurch und über 20 Jahre hinweg die komische Schiene des WDR nicht permanent die höchsten Zuschaueranteile zu verzeichnen.
Heute stellen wir die die Umschau ein wenig vor … die Vorschau ein wenig um, denn wir wollen beispielhaft zeigen, womit Klicks generiert werden. Unser Mailprovider ist oder hat ja auch eine Nachrichtenseite und da steht heute zu lesen: „Ein Freund, ein guter Freund – der Tatort ist eine Sensation!“ Okay, das Ausrufezeichen fehlt. „Tatort: Ein Freund, ein guter Freund“ aus Münster ist eine Sensation | WEB.DE
Die Rezension liest sich dann so:
„Es gibt eine Sensation zu melden: Der neue Fall für das Münsteraner Team Frank Thiel (Axel Prahl) und Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) ist ein ganz normaler „Tatort“. Es geschieht ein Mord. Der Gerichtsmediziner analysiert kurz die Leiche. Dann ermittelt der Kommissar.“
Sie verstehen den Trick mit der sensationellen Überschrift. Eine Sensation in Münster, nach all den Sensationen, hätte bedeutet, es ist die Sensation der Sensationen. Nun ja. Wir haben uns ein wenig angepasst und erstmal ein Zitat aus einer Kritik in die Überschrift übernommen. Mal sehen, wie es sich auf die Zugriffszahlen auswirkt. Für Anfänger haben wir auch etwas:
„Ein Freund, ein guter Freund,/ das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“, heißt es in dem Lied, das diesem „Tatort“ seinen Namen gab und das aus dem deutschen Filmklassiker „Die Drei von der Tankstelle“ stammt. „Ein Freund bleibt immer Freund,/ auch wenn die ganze Welt zusammenfällt./ Drum sei auch nie betrübt,/ wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt./ Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den’s gibt.“ Die Zeilen sind eine ziemlich gute Zusammenfassung für diesen Münsteraner Fall. Da wird’s einem ganz warm ums Herz – aber sonst kommen keine großen Gefühle auf.
Das liest sich, als habe man versucht, das Drehbuch entlang dem Lied aus dem Filmklassiker zu verfassen, aber die Rezension betont mehrfach, dass die Figuren eher mau, der Spannungsgehalt höchstens mittelprächtig und der Klamauk, offenbar zum Nachteil einer Schiene, die darauf bisher so gesetzt hat, dass die Qualität der Fälle in den Hintergrund treten konnte, ohne dass es langweilig wurde, weitgehend entfällt. Schauen wir nach, was die üblichen Verdächtigen schreiben: Tatort Folge 1216: Ein Freund, ein guter Freund – Tatort Fans (tatort-fans.de)
„Mafiamorde in Münster? Eigentlich undenkbar in der beschaulichen Universitätsstadt. Doch Nino Agostini ist eine Größe im organisierten Verbrechen und schon lange im Visier von Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl). Als der junge Anwalt Nikolas Weber erschossen in seiner Kanzlei aufgefunden wird, fällt der Verdacht sofort auf Agostini, denn Weber war sein Anwalt. Das Verbrechen (…) führt tief in die Münsteraner Anwaltsszene hinein. Eine besondere Rolle spielt dabei Friedhelm Fabian, ehemaliger Vorsitzender der Anwaltskammer und bester Freund von Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan-Josef Liefers). In ihrem 42. Einsatz müssen Thiel und Boerne seltsame Verstrickungen in der Welt der Advokaten aufklären (…).“
Die Bewertung von dieser Seite fällt so aus:
Mal Krimi, mal Komödie, mal ein bisschen von beidem – so sind sie, die Münster-Tatorte. Im 42. Fall gelingt das Zusammenspiel der beiden Genres recht gut, wobei die Krimielemente diesmal dominieren. Allerdings kommt Nino Agostini als böser Mafiapate doch recht harmlos daher, und das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Thiel und Boerne, wer nun zuerst auf die heiße Spur kommt (…), ist mittlerweile (…) ausgereizt. Einige Handlungsstränge sind für den aufmerksamen Zuschauer durchaus vorhersehbar, sodass auch zum Ende hin keine wirkliche Spannung aufkommen will. Allerdings ist es amüsant anzusehen, wie der sonst souverän über allem schwebende Boerne diesmal den Irrungen und Wirrungen der Liebe erliegt – wenn auch nur in Gedanken. Insgesamt durchschnittliche drei Sterne für entspannte Unterhaltung am Sonntagabend.
Die Irrungen und Wirrungen wurden von der eingangs zitierten Rezension gar nicht erwähnt, dabei kann das bei Boerne doch nur lustig sein. Gab es das nicht auch schon einmal? Mindestens? Vermutlich nur andeutungsweise. Begeisterung blieb bei den Kritiker:innen bisher aus, aber vielleicht finden wir im Kreis der ÖR-Sender, zu denen der WDR zählt, etwas durchweg Positives
Tatort Münster: „Ein Freund, ein guter Freund“, Thiel & Boerne – SWR3
„(…) Langsam wird die Machart zum Problem. Der Tatort aus Münster ist durch den Humor recht unterhaltend – auch ich lache mich oft scheckig –, aber die beiden Clowns Thiel und Boerne wirken ein bisschen ausgelatscht. Denn die Handlung ist viel zu deutlich zur Nebensache geworden, die Spitzen sind weg. Mehr noch: Gemessen an der schrägen Gag-Kultur war der Münster-Tatort früher auch absurd überdreht, was gepasst hat. Raus kam zwar oft auch kein Krimi, aber ein sehr unterhaltsames Kunstwerk. Wenn verrückte Handlungen aber wegbleiben, ist Humor und Charakterspiel irgendwann zu wenig. Und so fängt es seit ein paar Folgen, seit den „unauffälligen“ Handlungen an, abgestanden und schal zu wirken.
Was wir geschrieben haben: Wenn die Spezifika des Münster-Tatorts zurückgefahren werden, aber nicht durch eine erstklassige Krimi-Handlung ersetzt, dann bleibt eben Durchschnitt. Weniger als drei Elche traut sich auch der SWR-Check nicht zu vergeben, aber das kann man verstehen, immerhin passiert alles mehr oder weniger in der Familie. Nicht in der direkten Linie, aber unter den Verwandten zweiten Grades. Der Vergleich zwischen dem ÖR oder die ARD mit einer Mafia-Institution, wie sie im Film vorkommt, bietet sich aber trotz der jüngeren Abweichungen vom guten Weg nicht an. Der betrifft außerdem die Administration, nicht die Krimis der ARD. Die sind immer noch Renner, und das gilt nicht nur für Tatort und Polizeiruf, sondern auch für die Krimis, die anderen Wochentagen als dem Sonntag zugeordnet sind. Angesichts dieser vielen angesehenen Produktionen darf auch ein Münster-Tatort mal etwas schwächeln. Aber wir suchen weiterhin nach Meinungen. Bei Tittelbach-TV findet man eigentlich zu jedem Tatort auch Positives: http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6184.html
„Den zunächst ebenso unterhaltsamen wie fesselnden „Tatort“ aus Münster (WDR / filmpool fiction) ereilt in der zweiten Hälfte ein fataler Spannungsabfall: Dem Film geht nicht nur die Geschichte aus, auch die Besonderheiten der Inszenierung büßen an Originalität ein. Dabei ist die Handlung zunächst durchaus fesselnd. Nach der Ermordung eines Anwalts, mutmaßlich durch einen unzufriedenen Mafia-Mandanten, ist offenbar auch der beste Freund von Boerne (Liefers) zwischen die Fronten geraten: Eigentlich wollte Friedhelm Fabian (Jan Georg Schütte), ebenfalls Strafverteidiger, mit Gattin Veronika (Proschat Madani) auswandern, aber nun ist er entführt worden; und Thiel (Prahl) ahnt, dass die Verbrechen zusammenhängen. Die Szenen mit Liefers und Prahl sind gewohnt amüsant, die Bildgestaltung erfreut durch viel Liebe zum Detail, aber der Split-Screen-Effekt ist irgendwann abgenutzt.
Lassen Sie sich von der gar nicht so negativen Schreibe nicht täuschen. 3,5/6 (zum zweiten Mal hintereinander übrigens, que pasa?), sind für die Verhältnisse dieser Publikation in etwa der untere Tatort-Bewertungs-Rand, seit wir lesen, was diese kundigen Menschen über das Format schreiben. Wir haben heute etwas mehr reingelesen: In einer Woche kommt vom MDR der Dresden-Tatort „Katz und Maus“. Die Nr. 1217 soll richtig spannend sein. Vielleicht noch etwas zu den oben angedeuteten Quoten-Höhepunkten der Münsteraner:
„Tatort: Ein Freund, ein guter Freund“ – Kritik zum neuen Fall aus Münster (prisma.de)
Ob dies jedoch für einen neuen Quoten-Rekord reicht, bleibt abzuwarten. Eingefleischte „Tatort“-Fans beklagen sich schon länger darüber, dass die Fälle oft albern, aber wenig spannend seien. Zu albern ist es diesmal jedenfalls nicht. Der bislang beliebteste „Tatort“ aus Münster war der Film „Fangschuss“, der bei seiner Erstausstrahlung im April 2017 14,56 Millionen Menschen und damit die höchste Zuschauerzahl einer „Tatort“-Folge seit 1992 erreichte. Im Hinblick auf den Marktanteil brach der vorletzte „Tatort“, „Des Teufels langer Atem“ (Erstsendung: Januar 2022), mit 41 Prozent den allgemeinen „Tatort“-Rekord seit 1992. Der eingangs erwähnte erste Fall aus Münster, der den Titel „Der dunkle Fleck“ trug, erreichte immerhin 8,82 Millionen Menschen und wurde für den Grimme-Preis nominiert.
Das haben sie also geschafft, so viele Zuschauer anzulocken wie in jenen goldenen Jahren, in denen es nur zwei Fernsehsender in Deutschland gab. Nun ja, damals lagen Topquoten für den Tatort bei bis zu 2/3 der Zuschauer:innen, die damaligen Querdenker:innen, die keine Tatorte mochten, mussten sich irgendwas im ZDF oder in den Dritten anschauen. Die Meinung von Prisma hingegen klingt gar nicht negativ, quantifizieren kann man diesen Eindruck allerdings nicht, da die Publikation keine Punkte, Sterne, Elche, Daumen oder dergleichen vergibt. Deshalb noch etwas zur Einschätzung:
Ehe es sich versieht, befindet sich das Fernsehpublikum also in einem vielschichtigen Film wieder, der neben dem Toten und dem Entführten auch noch von Drogen, Geldwäsche, Lizenzverlust und Kryptowährung erzählt. Bei dieser Fülle an Themen gehen leider sowohl der Tiefgang als auch der Humor ein wenig verloren: Statt über die Risiken digitaler Vermögenswerte oder auch den psychischen Druck, der auf vielen Juristinnen und Juristen lastet, zu berichten, werden diese und weitere gesellschaftlich relevanten Themen lediglich angerissen.
Ich dachte bisher, Jurist:innen bauen Druck auf andere auf, aber so kann man sich täuschen. Damit schließen wir die heutige Vorschau ab und halten fest, dass dieser Film vermutlich nicht zu den Legenden der kriminalistischen Leidenschaft und auch nicht zu den Höhepunkten der Klamaukerei aus Münster zählen wird. Es ist einfach ein Wiedersehen mit Ermittlerfiguren, die längst Institutionen des Tatorts geworden sind. Beinahe so, wie die Mafia in ihren verschiedenen Ausprägungen prägend für die Unterflächenwirtschaft geworden ist, prägt Münster das Bild des immer noch besten und beliebtesten deutschen Krimi-Formats mit.
TH
Handlung
Prof. Boerne hält eine launige Abschiedsrede auf seinen alten Freund Friedhelm Fabian und dessen Frau Veronika. Neben der Münsteraner Prominenz lauschen auch Kommissar Thiel, Assistentin Silke Haller und Staatsanwältin Wilhelmine Klemm den schwungvollen Ausführungen. Doch das Verbrechen schläft nicht und am anderen Ende der Stadt bedroht ein unzufriedener Mandant seinen Anwalt Nikolas Weber. Als Kommissar Thiel am nächsten Morgen zu dessen heruntergekommener Kanzlei gerufen wird, erkennt er in dem Toten sofort den Haus- und Hofanwalt von Nino Agostini. Dem gefährlichen Mafiaboss traut Thiel den kaltblütigen Mord durchaus zu. Auch würde Thiel Agostini nur zu gerne überführen und für immer hinter Gitter bringen. Doch auch der ehemalige Kompagnon des Toten, Erik Nowak, macht sich verdächtig. Er verbrachte die letzten Wochen in einer psychiatrischen Klinik und ist just zu Besuch auf dem Münsteraner Bauernhof seines Vaters …
In der Rechtsmedizin kämpft Prof. Boerne währenddessen mit den Folgen der vergangenen Nacht. Es war spät geworden bei der Abschiedsfeier und Silke Haller entgeht nicht, dass Boerne fast mehr über den Weggang von Veronika Fabian trauert als über den seines Jugendfreundes Friedhelm.
Besetzung und Stab
Frank Thiel |
Axel Prahl |
Karl-Friedrich Boerne |
Jan Josef Liefers |
Mirko Schrader |
Björn Meyer |
Silke Haller „Alberich“ |
ChrisTine Urspruch |
Wilhelmine Klemm |
Mechthild Großmann |
Herbert Thiel |
Claus D. Clausnitzer |
Friedhelm Fabian |
Jan Georg Schütte |
Veronika Fabian |
Proschat Madani |
Erik Nowak |
Hendrik Heutmann |
Jochen Nowak |
Uwe Rohde |
Nikolas Weber |
Hadi Khanjanpour |
Jana Kimmich |
Katja Danowski |
Nino Aqostini |
Claudio Caiolo |
Funktionsbereich |
Name des Stabmitglieds |
Musik: |
Michael Klubertanz |
Kamera: |
Victor Voß |
Buch: |
Benjamin Hessler |
Regie: |
Janis Rebecca Rattenni |