Katz und Maus – Tatort 1217 #Crimetime Vorschau XXL #Tatort #Dresden #Gorniak #Winkler #Schnabel #MDR #Katz #Maus #Verschwörung

Crimetime Vorschau – Titelfoto © MDR, Marcus Glahn

Die Dresdner Ermittlerinnen haben sich über die Jahre zu einem Top-Team gemausert. Okay, dieser billiger Gag musste jetzt sein, zumal „Gorniak“ alias Karin Hanczewski von einigen weniger sprachgenudelten Tatortfans gerne als Spitzmaus bezeichnet wurde. Wir betonen die Vergangenheit, denn unsere Quelle für herzhaft politisch unkorrekte Kurzkommentare, der Tatort-Fundus, ist nicht mehr verfügbar. Zumindest trifft das auf die Rangliste zu, die uns immer eine große Hilfe war, wenn es ums Einordnen der Beliebtheit von Teams und Filmen ging. 

Die Kritiken, die wir in der Vorschau für Sie aussuchen, zeigen aber, wie unterschiedlich die Sichtweisen sind, auch bei Menschen, die sich intensiv mit dem Tatort befassen. Bei uns war es zum Beispiel auch in den Zeiten, als wir den Vergleich unserer Eindrücke mit der Liste noch vornahmen, oft so, dass wir Experimentaltatorte und auch Teams, die es nicht so leicht hatten und einem gewissen Bashing ausgesetzt waren, höher bewertet haben, andererseits bei dem einen oder anderen Hype etwas distanzierter geblieben sind. Das ist ganz normal, deshalb steigen wir erst einmal mit ein paar Infos ein, die noch nicht so meinungsgeprägt sind:

„„Pizzagate“ in Dresden: Ein Verschwörungstheoretiker erpresst die Polizei und fordert die Freilassung von 150 angeblich entführten Kindern innerhalb von 24 Stunden, sonst wird seine Geisel sterben. Das ist das Setting für den neuen Sachsen-Tatort „Katz und Maus“, angelehnt an die Fake News, die im Jahr 2016 im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf kursierten. Dort wurde behauptet, eine Pizzeria in Washington D.C. sei Treffpunkt eines Kinderpornorings, zu dem angeblich auch die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gehören sollte. Das Gerücht verbreitete sich über die sozialen Medien immer weiter, bis im Dezember 2016 ein Anschlag auf die Pizzeria verübt wurde, um die angeblich dort festgehaltenen Kinder zu befreien.“

Diesen Zusammenhang hätten wir vermutlich gar nicht hergestellt, wenn wir die Tatort-Fans diese Information nicht in die Einleitung ihrer Beschreibung zum 1217. Tatort gepackt hätten. Tatort Folge 1217: Katz und Maus – Tatort Fans (tatort-fans.de)

Was ist Wahrheit, was ist Lüge?, wird im Folgenden philosophiert. Um die Frage drastisch und in Thrillerform besprechen zu können, wir das gute Schnabeltier (wir bleiben bei der Animalisierung der Figuren) von einem Verschwörungstheoretiker entführt, der für kein Argument mehr zugänglich ist. Oh je, dieser Tatort wird wieder einige Gemüter erhitzen, falls die Personen, die über jene Gemüter verfügen, diesen Film anschauen werden. Vermutlich wird darin Stellung gegen das Abdrehen bezogen, das sich speziell während Corona auch in Deutschland immer offener zeigt. Man hat aber wohl dieses Thema vermieden, weil es in der Tat nicht ganz einfach ist, hier zu einer objektiven, eindeutigen Wahrheit zu gelangen.

Das hat mit den Fakten zu tun. Es gibt zu viele Fakten in Sachen Pandemie, die alles andere als valide sind. Wenn wir zum Beispiel unsere Corona-Reporte schreiben, ist uns das auch bewusst und wir haben es kürzlich erst wieder in aller Ausführlichkeit besprochen. Das gilt aber für die meisten Statistiken mehr oder weniger, sie sind von Erfassungsansätzen geprägt, die man entweder als manipulativ oder als mit dem Mut zur Lücke ausgestattet bezeichnen muss. Aber es gibt auch objektive Fakten. Wenn jemand tot ist, ist er tot. Und ein grüner Baum ist nicht rosa. Schönen Gruß an jemanden, den wir schätzen und der diesen Text eh nicht lesen wird. Aber schon die Definition des Todeszeitpunktes ist wichtig und eine Vereinbarung, ebenso am anderen Ende: Wann ist ein Leben ein Leben, das zum Beispiel schützenswert ist? Selbst die Einwohnerzahl der meisten Länder ist nur geschätzt, auf Deutschland trifft das beispielsweise zu. Davon hängen aber viele weitere Darstellungen  ab, wie das BIP pro Kopf, das wiederum ebenfalls davon beeinflust wird, was auf der Seite der Erwirtschaftung des BIP gemessen wird.

Man kann über Fakten schon herrlich streiten, aber erst deren Interpretation! Welche Folge wird welchem Grund zugeordnet? Was ist Kausalität, was Koinzidenz? Es mangelt uns allzumeist an einer Grundausbildung in Logik, Mathematik und auch philosophisch sind wir meist nicht in der Lage, einen sicheren Kompass für den Umgang mit Fakten zu entwickeln. Das schafft eine Orientierungslosigkeit, die auch uns das Leben oft nicht leicht macht. Es klappt alles weitgehend auf dem Boden der politischen Ideologien, weil einige Umstände zu offensichtlich sind, um als unwahr bezeichnet werden zu können. Etwa die immer mehr  zunehmende Ungleichheit der sozialen Klassen. Aber wenn es darum geht, Entwicklungen mit exakten  Zahlen zu unterfüttern, die möglicherweise nur aus einer einzigen zuverlässigen Quelle stammen sollte, ohne Abweichungen durch andere Quellen mit andern Erfassungsansätzen, wird es schon viel schwieriger.

Vielleicht ist es deswegen sinnbildlich und gar nicht so blöd, dass die Vermesser der Tatorte vom Fundus uns ihre Datenbank nicht mehr zur Verfügung stellen (können). Denn selbstverständlich war das, was dort an Durchschnittsbewertungen zustandekam, subjektiv, auch wenn die Zählung der Einzelwertungen wohl objektiv gestimmt hat. Es geht bei ganz vielen Dingen um Meinungsbilder und daher ist die Meinungsmache so wichtig. Wie sie vom Mainstream und wie sie von dessen Gegnern betrieben wird, haben wir in den letzten Jahren mit ziemlich großem Zeitaufwand ermittelt und können nur feststellen: Man muss sich seinen eigenen Kopf machen, es geht nicht anders. Es ist eine Menge Propaganda zu erdulden, wie eben jene Pizzeria-Geschichte, die sich initial vermutlich die Pizza-Spezialisten von der russischen Agentur für Desinformation ausgedacht haben, die Donald Trump beim Wahlsieg helfen wollten. Können Sie klar widerlegen, was im vorherigen Satz steht? Wir sehen es auch im Ukrainekrieg: Gegenwärtig steht die Mehrheitsmeinung, die Raketen, die auf Polen gefallen sind, seien fehlgeleitete ukrainische Flugabwehrwaffen, gegen die Behauptung des ukrainischen Präsidenten, sie seien von den Russen abgefeuert worden. Letzteres wirkt nicht logisch, ist angeblich faktisch widerlegt, aber wissen wir das so genau?

Unsere Wahrnehmung ist sowieso das eine und das, was uns mitgeteilt wird, das andere. Oft stimmt das eine nicht mit dem anderen überein und daran entzünden sich Verschwörungstheorien, ebenso wie an offiziellen Darstellungen, die gewisse Mängel zeigen, die man also immer wieder hinterfragen kann. Das alles ist aber etwas anderes als Fake News.

Fake News sind als Lüge beabsichtigt und werden in die Welt gesetzt, um Personen zu schaden und anderen zu nutzen. Diese Form von Lügenpropaganda hat durch die sozialen Netzwerke erheblich zugenommen. Dazu wiederum zählt der bewusst falsche Umgang mit Daten, zählt eine gewollt sachwidrige Interpretation. Manche Diskussionsteilnehmer sind vielleicht auf dem Holzweg, damit muss man umgehen und Meinungen respektieren, aber wir sind auch einem Sturm von Fehlinformationen ausgesetzt, den wir erst einmal kanalisieren müssen. Wenn aber jemand das nicht kann und beschließt, zu handeln, wie möglicherweise der Verschwörungstheoretiker in „Katz und Maus“? Dann kann der Schaden dieser Fake News groß werden und natürlich will niemand der Verursacher gewesen sein, ähnlich wie bei den Waffen, deren Gebrauch, nicht ihre Existenz, nach der Meinung der Waffennarren entscheidet, ob es zu Opfern kommt.

Wir haben heute einen relativ langen eigenen Text geschrieben, bevor wir Kritiker:innen zu Wort kommen lassen und fangen gleich auf der Webseite an, die wir ohnehin wegen der Einleitung geöffnet haben:

„Der Duktus der Dresden-Tatorte ist zuletzt sehr ernsthaft geworden, und das passt gut zum Team und zu den Fällen. Auch in „Katz und Maus“ wird ein gesellschaftlich relevantes Thema behandelt, das leider nach wie vor hochaktuell ist. (…) Die kammerspielartigen Szenen, in denen er [der entführte Schnabel, Anm. TH] mit seinem Peiniger (großartig: Hans Löw) interagiert, ihn (…)  zu verstehen versucht, sind herausragend gespielt. Die Jagd nach dem Entführer wird zugleich temporeich und mit vielen überraschenden Wendungen inszeniert. Am Ende aber bleibt es vor allem das persönliche Drama eines verzweifelten und gescheiterten Familienvaters, das ebenso überzeugend herausgearbeitet wird wie die verheerende Wirkung von Verschwörungsmythen, die sich in rasender Geschwindigkeit im Netz verbreiten. Ein Krimi, der zum Nachdenken anregt und lange nachwirkt.“

Mir gefällt dieser ernsthafte Duktus, weil er gut zu den Typen Gorniak und Winkler passt. Schnabel bildet mit seiner wuschigen Art einen guten Kontrast zu den beiden. Im Grunde vertauschte Rollen gegenüber der alten Tatortzeit: Die Ermittelnden sind nicht mehr die Rebellen, sondern leisten sich gegen den Willen des Chefs nur dann Alleingänge, wenn sie anders nicht weiterkommen, informieren ihn aber darüber – die Vorgesetzten sind demgemäß nicht mehr die Autoritäten, sondern allenfalls Moderatoren. Der Duktus war natürlich auch als Abgrenzung zum Klamauk-Tatort von Weimar gedacht, der ebenfalls vom MDR verantwortet wird. Während jedoch der ernsthafte Tatort immer geht, übersteht der Klamauk, wenn er nicht solchen Kultstatus hat wie in Münster, nicht die Zeit, in der wir alle nur noch genervt sind von so vielen Dingen. Wenn das große Augenrollen beim Publikum beginnt, muss man eine Schiene entweder einstellen oder neu aufstellen. In Dresden hat man nach einem Beginn, der mehr aufs Kuriose ging, Letzteres geschafft, und das muss man erst einmal können, eine so deutliche Korrektur vornehmen und das Publikum nicht im Sturm erobern, sondern à la Longue gewinnen, obwohl Meinungen sich bereits verfestigt haben. Schon die letzten Dresden-Tatorte mit Alwara Höfels als Karin Hanczewskis Partnerin in Crime-Ermittlung waren übrigens so angelegt, die damals mit prägende Darstellerin ging trotzdem und auch das hat die Dresden-Schiene weggesteckt.

Tatort Dresden: „Katz und Maus“ mit Gorniak & Winkler – SWR3:

„„Look-and-feel in diesem Tatort sind absolut hollywoodreif. Sorgfältig eingesetzte Filter sorgen für das Gefühl von ganz großem Kino. (…) Was heißt Krimi – Regisseur und Kameramann sagen beide, dass sie es toll fanden, hier mehr in Richtung Thriller drehen zu können. Und tatsächlich, das hat sich für die Zuschauer gelohnt. Dazu tragen aber auch die teils monumentale Musik und das perfekte Sounddesign bei, richtig gut! Großartig auch die Schauspieler, besonders Martin Brambach als Chef-Kommissar Schnabel. Ihm gelingt es nochmal neue stimmige Fassetten seiner Figur darzustellen, ohne in alte oft gespielte Klischees zurückzufallen. (…) Erstklassig auch die Story: Denn wenn man so nach einer Stunde vielleicht das Gefühl hat, es ist alles erzählt, kommt nochmal eine geschickte Wendung mit der Frage auf, ob die Polizei selbst jetzt den Entführer mit einen eigenen Fake-Video täuschen darf, oder ob der Staat auch an der Stelle sauber bleiben muss. Sehr gut gemacht! Fünf von fünf Elchen!“ 

Da ist jemand schwer begeistert von dem, was die Kollegen im Osten auf die Beine gestellt haben. Dass es sich um einen Thriller handelt, hat mich nicht überrascht, es ließ sich aus der Handlungsbeschreibung herauslesen. Der Thriller wird beim Tatort ohnehin häufiger genommen, als die Abschichtung zwischen Krimi und Thriller vermuten lässt, die in der Rezension vorgenommen wird. Wir sehen Whodunit (Rätselkrimi) und Thriller (Howcatchem und vor allem rechtzeitig, bevor das Opfer stirbt)  mehr als Spielarten des Genres „Crime“.

Die Zeitkomponente, die tickende Bombe, ist für einen perfekten Thriller fast unabdingbar, sonst handelt es sich mehr um ein Psychoduell auf Augenhöhe. Jemand muss in der Gewalt von jemand anderem sein, Hilfe kann in der Regel nur von außen kommen und dort wird angestrengt gegen ein Ultimatum oder dergleichen gearbeitet. Weiter mit den Stimmen, die wir nicht hören, sondern lesen. Ach so: Fünf von fünf Elchen vom SWR3-Check!

Auch Christian Buß vom Spiegel hat wieder mal etwas geschrieben, das wir Ihnen nicht vorenthalten wollen: Tatort »Katz und Maus« aus Dresden: Der militante Arm der Verschwörungsmystik – DER SPIEGEL

Narzissmus, Fake-News, Gewaltbereitschaft: Der »Tatort« nimmt einen Verschwörungsmystiker ins Visier. Hart inszeniert, sensibel gespielt. Warnung: Dieser Text kann Spuren von Spoilern enthalten.(…)  Dieses Motiv hat man so konsequent erzählt im deutschen Fernsehen noch nicht gesehen: Der Verschwörungsmythos dient als Krücke, an der sich der Soziopath aus der von ihm selbst verbockten Realität schleppt.

Dafür gibt Buß 8/10. Man merkt direkt, der Mann arbeitet für ein Mainstream-Medium, das immer wieder ins Visier der „Nachdenker & Querdenker“ gerät. Nicht ganz zu unrecht, denn der SPIEGEL ist nun einmal nicht mehr das, was er in der Zeit war, als wir mit ihm sozialisiert wurden. Das spielt eben auch eine Rolle: Wie sich eine Publikation entwickelt. Da kommt es nicht gut, dass ein Magazin, das einmal das in dicke Wochenhefte gedruckte Gewissen der vierten Gewalt war und an dem sich so viele politisch Interessierte orientiert haben, so abgebaut hat, dass sogar ein Relotius erst einmal nicht auffällt. Der Anspruch war mal ein anderer als das, was sich heute zeigt. Eine von wenigen Ausnahmen: Christian Buß. Für uns nach wie vor einer der Besten im Bereich Fernsehkritik. Recherchen zu politischen Themen, die den Namen verdienen, stammen  hingegen eher von der ZEIT, der Süddeutschen, dem WDR oder neuen Medien wie Correctiv. Wir neigen heute  zum Off Topic, aber es geht ja auch um Medien und Fake News, um das, was die vierte Gewalt sein sollte und leider allzu oft nicht sein mag oder kann. Eine gute Orientierungshilfe im Wust der Weltnachrichten.

Unverzichtbar hingegen und ganz auf das Schreiben über Fernseh-Events konzentriert: http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6191.html

Der MDR-„Tatort – Katz und Maus“ (MadeFor) setzt 90 Minuten lang auf die Dramaturgie eines Thrillers: eine Entführung, ein Ultimatum, eine Todesdrohung, Kommissare, denen die Zeit davonläuft. Spannung und Emotionalität werden zusätzlich dadurch gesteigert, dass der (durch dreizehn „Tatort“-Episoden wohlbekannte) Kripo-Chef, gespielt von Martin Brambach, in die Fänge des Geiselnehmers gerät. Der größte Reiz aber ergibt sich aus der Persönlichkeit des Antagonisten. Der glaubt an eine Verschwörung, bei der Presse und Polizei gemeinsame Sache mit Kinderschändern machen. Mit diesem Entführer ist es unmöglich, ein vernünftiges Gespräch zu führen. Psychologisch und gesellschaftspolitisch bleibt der Fall auf dem (Betroffenheits-)Niveau des Ermittler-Trios – sprich: mit einem intellektuelleren „Tatort“-Team wäre mehr möglich gewesen. Dennoch wird man diesen Thriller mit Drama-Momenten wegen der Ausweglosigkeit des Falls, der markanten Kommunikationssituation und Hans Löw als Fake-News-Fan länger als andere Krimis in Erinnerung behalten.

Schau an, nur 4,5/6. Das ist im Rahmen des Schemas der Publikation nur Durchschnitt, was wiederum gut verborgen wird durch den grundsätzlich positiven – sic! – Duktus der TBTV-Kritiken. Ich finde das sehr wichtig, denn die mehr immanente Sichtweise der Tittelbach-Autor:innen führt zwar zu einer allgemein großen Akzeptanz des Tatort-Formats, mit dem einige dieser Personen z. B. durch den Grimme-Preis verbunden sind, aber man kann auch einen Film dort kritisieren, wo es fachlich möglicherweise doch angebracht ist: am Niveau wäre noch etwas zu tun gewesen, wenn die Figuren dafür gestanden hätten, heißt es. Vielleicht wirkt einiges, was geplagte Journalist:innen der Mainstream-Medien geradezu als Befreiungsschlag empfinden, auch etwas platt, wenn man sich nicht immer mit einfachen Lösungen zufriedengeben will. Andererseits müssen wir erst einmal darüber nachenken, welches intellektuelle Tatort-Team denn so ins Grundsätzliche gehen oder es wenigstens andeuten, wie wir das hier tun, ohne dass die Spannung verlorengeht. Das war jetzt ein Satz zum Nachdenken. Murot (Ulrich Tukur)  vielleicht. Der frühere Polizeiruf-München-Ermittler von Meuffels (Matthias Brandt) wäre ebenfalls geeignet gewesen, um in diesem Szenario reflektiert und doch gerade hinreichend dynamisch zu wirken. Unsere letzte Stimme für heute:

Die Kritiker: «Tatort – Katz und Maus» – Quotenmeter.de

Die vielen Szenen, in denen man meint, die Zuschauer auf den Stand der Dinge bringen zu müssen, zehren also irgendwann an den Nerven und stören das Rhythmusgefühl dieses schnellen Krimis mit seiner herunterlaufenden Uhr. Was fast komplett ausgeblendet wird, ist jedoch gleichzeitig der eigentlich interessanteste Ansatz: Denn «Tatort – Katz und Maus» wäre auch eine Chance gewesen, ein bisschen Ursachenforschung zu betreiben: Warum glaubt eine laute Minderheit an Hirngespinste wie Reptilienwesen, die im Rahmen einer Neuen Weltordnung im Geheimen die Strippen ziehen? Und wie kann man Menschen begegnen, die meinen, Politiker seien in Pädophilenringen organisiert und saugen Kindern das Adrenochrom aus den Adern, um es sich selbst als Jungbrunnen zu spritzen? Und wie sollen wir als Gesellschaft mit diesen Menschen umgehen – sie ignorieren, vom Gegenteil zu überzeugen versuchen oder ihren Ideen eine Plattform geben wie dieser Film? Schon das könnte eigentlich kritikwürdig sein.

Auch hier wird mit der Quadratur des Kreises operiert: Notwendige Informationen, die einen Krimi nicht zu kryptisch und seine Aussagen klar wirken lassen sollen vs. Spannung und Geschwindigkeit – und die Plattform. Zieht man über diesen Entführer her oder gibt man ihm wirklich eine Plattform? Und wie hätte sich die Ursachenforschung auf die Geschwindigkeit des Films ausgewirkt? Dass hingegen Verwerfungen in der Politik einfach so abgetan werden, als ob Politiker nicht Menschen wie alle anderen wären, mit teilweise eklatanten Charakterschwächen und Verfehlungen und es nicht vorkommen kann, dass ein Politiker in einem Pädophilenring organisiert ist, halten wir für eine Aussage, die den Querdenker:innen Nahrung gibt: Die meisten fühlen sich, wenn sie z. B. über den Kennedy-Mord von 1963 oder 9/11, also klassische Fälle der Herausbildung von Verschwörungstheorien, nachdenken, zu Recht diskriminiert und von einer allzu regierungstreuen Journalistenschar verunglimpft, wenn sie mit Flacherdlern oder Reptiliengläubigen verglichen werden. Dass es zu Überspitzungen wie dem „Adrenochrom“ kommt, ist im Grunde nur folgerichtig, denn der Wahn, sich selbst immer mehr optimieren zu müssen, wird uns noch eine Menge Kontrollverlust einbringen, Stichwort Transhumanismus. Selbstverständlich sind das sowohl prokapitalistische wie antidemokratische Tendenzen, die wir hier sehen.

Die große Zeit der gesellschafts- und staatskritischen Tatorte scheint sowieso vorbei zu sein. Man will nicht noch Öl ins lodernde Feuer der abweichenden Meinungen gießen. Was man genau damit aber tut, dass man zu affin gegenüber der Macht im Land ist. Gerade die öffentlichrechtlichen Sender stehen dabei unter besonderer Beobachtung, obwohl sie immer noch viel bessere Informationen liefern als die Privaten. Die Kritiker:innen der ARD reiben sich am staatlichen bzw. parteipolitischen Einfluss in diesen Sendern, aber dass die Privaten im Wesentliche Kapitalinteressen bedienen, und zwar ohne die Ansätze von Transparenz bei den ÖR-Sendeanstalten, rutscht gerne mal durch. Das ist es auch, was wir sehr dezidierten Anti-Mainstreamer:innen und Verschwörungstheoretiker:innen vorhalten müssen: Sie denken vielleicht mehr, in Zeiteinheiten gerechnet, aber nicht besser, sondern lediglich mit anderer Ausrichtung. Dies jedoch mindestens so einseitig wie diejenigen, die zu wenig denken oder staatsaffine Propaganda betreiben. Und wenn man etwas genauer hinschaut: So ist es von den „Alternativmedien“ ja auch gedacht. Das Problem sind diejenigen, die das für bare Münze nehmen und sich klug vorkommen, weil sie eben anders denken. Das Zauberwort heißt aber auch hier: Distanz. Eine gesunde Distanz zu allem, was veröffentlicht wird. Und das logische Denkvermögen schulen und offen sein für neue Erkenntnisse, so gut es geht. Dann ist man auch freier darin, seine Meinung anhand neuer Erkenntnisse anzupassen als Ideologen, die versuchen, verzweifelt alles, was in der Welt geschieht, ihrem engen Weltbild unterzuordnen versuchen.

Wir wollen uns nicht anmaßen, die Vertiefung betrieben zu haben, die dem Tatort „Katz und Maus“ vielleicht fehlt, aber das Vorstehende musste mal wieder geschrieben werden.

TH

Handlung

Die Reporterin Brigitte Burkhard wird in Dresden auf offener Straße verschleppt. Ihr Entführer, der sein Gesicht hinter einer Maske versteckt, wendet sich mit einer Videobotschaft an die Polizei. Die Kommissarinnen Karin Gorniak, Leonie Winkler und ihr Chef Peter Michael Schnabel werden mit der Behauptung konfrontiert, 150 in Sachsen entführte Kinder würden in einem Dresdner Keller gefangen gehalten. Werden sie nicht innerhalb von 24 Stunden befreit, muss Brigitte Burkhard sterben. Fieberhaft sucht die Polizei nach dem angeblichen Kinderversteck, ein Spezialeinsatzkommando stürmt eine in Frage kommende Gaststätte. Doch hier gibt es keinerlei Spuren für ein Verbrechen.

Die Kommissarinnen können auch die entführte Journalistin nicht finden. Schnabel sieht keinen anderen Weg, als sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Am nächsten Morgen befindet sich Schnabel selbst in der Gewalt des Täters. Gorniak und Winkler können dessen Identität klären: Michael Sobotta vermisst seit Jahren verzweifelt seine bei einem Schulausflug verschwundene Tochter Zoe. Während Gorniak und Winkler mit Hochdruck versuchen, den Aufenthaltsort Schnabels zu ermitteln, stellt der Kidnapper, tief im Sumpf wirrer Verschwörungsfantasien, den Kommissarinnen erneut ein absurdes Ultimatum: Gorniak und Winkler können das Leben ihres Chefs nur retten, wenn sie den Kinderschänder-Ring ausheben.

Rolle

Darsteller

Karin Gorniak

Karin Hanczewski

Leonie Winkler

Cornelia Gröschel

Peter Michael Schnabel

Martin Brambach

Philipp Laupheimer

Yassin Trabelsi

Michael Sobotta

Hans Löw

Nathalie Kissel

Christina Hecke

Zoe Sobotta

Alida Bohnen

Brigitte Burkhard

Elisabeth Baulitz

Achim Burkhard

Kai Ivo Baulitz

Tim Burkhard

Frederik Stein

Holger Kirbach „Grinsekatze“

Paul Ahrens

Melanie Kirbach

Ellen Schlootz

Artur Troschitz

Mateo Wansing Lorrio

Lagerchef Marvin

Patrick Isermeyer

 

Stab

 

Musik:

Lucas Ezequiel Zavala

Kamera:

Dino von Wintersdorff

Buch:

Stefanie Veith

 

Jan Cronauer

Regie:

Gregory Kirchhoff

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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