Bis zum Hals im Dreck – Tatort 244 #Crimetime 1145 #Tatort #Duisburg #Schimanski #Thanner #WDR #Hals #Dreck

Crimetime 1145 – Titelfoto © WDR

Bis zum Hals im Dreck ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde vom WDR produziert und am 9. Juni 1991 zum ersten Mal gesendet. Er ist die 244. Folge der Tatort-Reihe und die 27. mit Kommissar Schimanski. Anlässlich des 40. Sendejubiläums des Duisburger Tatorts strahlte der WDR am 29. März 2022 eine in HD abgetastete und digital restaurierte Folge aus.

Auch dieses Mal sei erwähnt: Wir haben noch nicht die abgetastete, sondern die abspulbare Version zu sehen bekommen. Obwohl es nicht mehr so häufig vorkommt, dass ich ältere Tatorte erstmalig sehe, was nach sechs Jahren Arbeit am Thema nur natürlich ist, obwohl also diese Tatorte mehr und mehr zu selteneren Festereignissen werden, hatte ich den Impuls, den Fernseher auszuschalten. Ich bin aber drangeblieben, weil ich ja sonst ein zweites Mal hätte einsteigen müssen, und eine unterbrochene Affäre macht die Affäre meist nicht besser. Mehr dazu, wie es mit der Affäre ausging, steht in der –> Rezension.

Handlung (1)

Schimanski nutzt seinen Urlaub für eine Motorradtour auf das Land. Bereits seine Suche nach einem Zeltplatz erweist sich wegen der feindseligen Landbevölkerung als schwierig. Von einem Dorfpolizisten wird er darauf hingewiesen, dass er einen Angelschein braucht. Er rettet Silke, Tochter des Bauern Faber, das Leben, nachdem sie vom Pferd in den See abgeworfen wurde.

Er bringt sie heim und findet bei seiner Rückkehr sein Zelt überfahren vor. Also quartiert er sich in der Dorfschenke ein und trifft dabei auf feindlich gesinnte Bauern. Silke lädt ihn zu ihrem Polterabend ein, bei der er ihren Verlobten kennenlernt, den Tierarzt Dr. Karl-Heinz Ascher, der sichtlich über den Durst getrunken hat. Am nächsten Morgen erscheint der Bräutigam nicht zur Hochzeit und Schimanski findet ihn unweit seines Zeltes am Baum erhängt vor.

Silke ist überzeugt, dass er umgebracht wurde, da Ascher keine Selbstmord­absichten hatte. Die Leiche wird obduziert und es erweist sich, dass er ermordet wurde. Schimanski kann seinen Kollegen Thanner dazu überreden, den Fall auf dem Land näher zu untersuchen. Beim Betreten der Tierarztpraxis können sie ein gelegtes Feuer löschen und finden Dokumente, die beweisen, dass Ascher den Bauern erhöhte Dosen von Tierhormonen verschrieben hat, um ihre Finanzsituation gegenüber den Abnehmern zu sichern. Thanner lässt durch Polizei und Veterinäre die Kühe auf erhöhte Dosen von Aufbauhormonen prüfen und die Tiere nach dem positiven Ergebnis abtransportieren. Diesen Umstand begleiten die Bauern natürlich ablehnend, da sie dadurch ruiniert sind. Doch die Kühe des Bauern Faber sind bereits vor der Enteignung verschwunden. Es stellt sich heraus, dass Faber als zukünftiger Schwiegervater bevorzugt von Ascher behandelt wurde und er die Möglichkeit hatte, mehr Geld für sein Fleisch zu bekommen als die anderen Bauern. Genau dies und auch frühere Reibereien haben die Fabers bei der Dorfgemeinschaft unbeliebt gemacht.

Als letzte Konsequenz belagern die Bauern eines Abends in Schimanskis und Thanners Beisein Fabers Hof, um mit Faber abzurechnen. Fabers Sohn Gustav beginnt eine Schießerei und es gibt Verletzte. Auffälligerweise zieht sich Fabers Pferdeknecht Franz aus der Szene zurück. Schimanski folgt ihm und es wird ihm klar, dass der Scherz am Polterabend gegenüber Ascher nur der Vorwand war, ihn zu töten. Der Knecht gesteht den Mord aus niedrigen Beweggründen. Einerseits wollte er sich an den Fabers aufgrund seiner tragischen Familiengeschichte rächen; andererseits musste Ascher sterben, weil er einen Swimmingpool in sein Geburtshaus bauen wollte.

Rezension

Obwohl es nicht mehr so häufig vorkommt, dass ich ältere Tatorte erstmalig sehe, was nach sechs Jahren Arbeit am Thema nur natürlich ist, obwohl also diese Tatorte mehr und mehr zu selteneren Festereignissen werden, hatte ich den Impuls, den Fernseher auszuschalten. Ich bin aber drangeblieben, weil ich ja sonst ein zweites Mal hätte einsteigen müssen, und eine unterbrochene Affäre macht die Affäre meist nicht besser.

Sicher hatte dieser Impuls, den ich gerade noch beherrschen konnte, damit zu tun, dass ich kein Schimanski-Fan bin. Fans tolerieren alles, was ihr Kultobjekt veranstaltet, ich hingegen dachte: Jetzt nicht auch noch du, alte Socke oder Jacke, die du ablegen musstest für eine, na ja, sagen wir mal, mittelprächtige Lederkluft. Nein, es war nicht die Enduro und eine Harley wäre auch wirklich zu dick aufgetragen gewesen. Es war das Dorfschema. Ich mag diese Tatorte mittlerweile nicht mehr so gerne, in denen ein Polizist aufs Land gerät und dort einen Mord aufgehalst bekommt oder sich selbst aufhalst, wie in diesem Tatort Nr. 244. Selbst die Variante, dass einer in Urlaub ist und dabei geradewegs über eine Leiche stolpert oder sie auch irgendwo hängen sieht, ist nicht neu. Vielleicht war Schimanski ja früher dran als die anderen und es ist ihm gegenüber ungerecht, aber vor allem die Inga Lindström-Tatorte – sorry, Charlotte-Lindholm-Tatorte haben mir den Spaß am Landleben à la Tatort gründlich genommen. Und tatsächlich, bei Schimanski sind die Landleute genauso doof und gemein in Personalunion wie bei ihr. Das Schema ist auch von den aktuellen Österreich-Tatorten hinlänglich bekannt, aber das ist immer noch ein Schmäh drin, etwas in der Zeichnung der Figuren, was in einem dieser typischerweise drögen Tatorte der frühen 1990er fehlt. Man merkt aber mit zunehmender Kenntnis der Reihe auch, wie über die Jahre gnadenlos immer wieder die selben Motive in ähnlichen Settings durchgenudelt werden. Sogar der Gasthof, der die Cops aus der Stadt lieber nicht beherbergen mag und die gruselige Wirtshaus-Antigemeinschaft sind richtige Standards. Okay, man muss es eben gut bringen. Gut verkaufen.

Und eines ist doch immerhin besonders an diesem Film: Der Kälbermast-Hormonskandal. Ich erinnere mich gut. Es war jene Zeit, in der plötzlich jüngere Cousins und Cousinen von mir mit zwölf schon größer waren als ich mit achtzehn Jahren. Sie waren mitten in der Hormonfleischwelle aufgewachsen, während ich etwas zu früh dran war und erreichten schließlich Größen von weit über 2 Metern, ohne dass die Statur der Eltern derlei Riesenwuchs hätte erahnen lassen. Ältere Vergleichsgeschwister waren gut 15 Zentimeter kleiner. Wir werden sehen, was mit den sich langsam einstellenden Kindern der Riesen und Riesinnen passiert, die selbstverständlich vegan und Gender-Manistreamig aufgezogen werden. Es darf vermutet werden, dass sich ähnliche Zuwächse von einer Generation zur nächsten nicht wiederholen werden. Die Kühe sind aber wohl nicht immer größer geworden, sondern nur schneller gewachsen und schwerer, also früher schlachtreif geworden als in jenen Jahren, als die Welt auf dem Bauernhof noch in Ordnung war und man sogar Kinder dorthin in Ferien schicken konnte, ohne dass sie als Hormonexperten zurückkamen.

Es ist auch nicht vollkommen unlogisch, dass der einzige, der den bösen Tierarzt, den alle nicht leiden können, weil er ihnen immer mehr Geld für die Hormonpräparate abknöpft, dass also derjenige den Typ aufhängt, der als einziger, den wir in diesem Film sehen, seinen Hof verloren und demgemäß kälbermastmäßig nichts mehr zu verlieren hat. Das kann man so hinnehmen. Das Motiv ist aber für diesen rudimentären Typ ziemlich um die Ecke gedacht, denn es geht ja nicht gegen den Tierarzt, sondern gegen seine Kunden, genau genommen. Und einen richtigen Täterschaftsnachweis gibt es auch in diesem, wie in so vielen Tatorten, nicht.

Aber an Schimanski muss man ein großes Lob aussprechen. Oder war es bereits Abgesangs-Stimmung, die 1991 um sich griff? Jedenfalls sagt er nur ein Mal Scheiße, und zwar dort, wo es wirklich angebracht ist und er bandelt nicht mit der Ex-Braut an. Das wäre auch etwas krass gewesen, vor allem von ihrer Seite. Andererseits, bei  dem Typ. Da geht der Fluss beinahe über die  Ufer, als er hineinspringt und man seinen Hintern bewundern darf. Ich dachte bisher, Schweigers Gesäß sei das erste eines Ermittlers gewesen, das man im Tatort unbekleidet zu sehen bekommt, aber man lernt nie aus. Bisher dachte ich ja auch, der Angelschein sei so eine Art Fachkundeprüfung und es ist ganz unmöglich, innerhalb von 90 Minuten dreimal mit dem passenderweise geländegängigen Motorrad in den Acker zu fahren, weil man doch den Dörflern irgendwie ähnelt. Man schafft es nicht, die immer gleichen Wegversperrungen durch Trecker etwas eleganter zu meistern.

Was aber immer wieder hübsch anzusehen ist, wenn der Fall schon wenig bietet: Die Zusammenarbeit von Schimanski und Thanner. Allein dafür, dass Letzterer Ersteren aushält, hat er bei mir eine Menge Sympathiepunkte und dieses Mal auch viel Spielzeit, sodass man ab dem Moment, in dem Schimmi seine Eitelkeiten ausgelebt hat, von einem echten Teamkrimi sprechen kann. Von Beginn an geht das leider selten, vermutlich hatte Götz George irgendwas im Vertrag, das ihm das Recht an der fast alleinigen ersten halben Stunde  zusicherte.

Finale

Die meisten Schimmis sind keine hochklassigen Krimis, das trifft auch auf den nicht nur durch das Dorfsetting bieder wirkenden „Bis zum Hals im Dreck“ zu. Natürlich, das Ende ist erheblich aufgemotzt, es gibt noch einen Toten und einen für Tatortverhältnisse heftigen Schusswechsel unter Amateuren, bei dem unter anderem zutage tritt, dass offenbar zum Bauer sein im Nordrhein-Westfälischen auch gehört, dass man ein Jagdgewehr hat. Da kommt nochmal richtige vorzivilisatorische Stimmung auf. Aber um mich so richtig reinzuziehen, hat es nicht gereicht, denn wenn man mitgehen will, wenn jemand stirbt, sollte man ihn gekannt haben, und das war bei den hiesigen Figuren so richtig gegeben.

6/10

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

Regie Peter Carpentier
Drehbuch
Produktion Veith von Fürstenberg
Musik
Kamera Viktor Ruzicka
Schnitt Lili von Otting
Premiere 9. Juni 1991 auf Deutsches Fernsehen
Besetzung

 

 


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