Zum Weltfrauentag: „Für Frauen ist die Welt anders“ (Statistiken zu Frauen in der Arbeitswelt) +++ „Wie mit der Gleichstellung?“ (Umfrage) +++ Kommentar | Briefing 149 | Gesellschaft, Wirtschaft | International Women’s Day – #WorldWomensDay

Frontpage | Briefing 149 | Weltfrauentag 8. März 2023 | Wirtschaft, Arbeitswelt, Gender Gap, MINT-Berufe

In Berlin ist der Weltfrauentag ein echter Feiertag. Das ermöglicht es uns, ihn in einem Artikel zu würdigen, der sich mit der Situation von Frauen beschäftigt. Natürlich, dazu wird eine große Menge geschrieben. Wie ist der Stand der Dinge im Jahr 2023?

Dazu haben wir zunächst eine Umfrage gefunden, bei der Sie mitmachen können:

Civey-Umfrage: Sind Frauen und Männer Ihrer Meinung nach in Deutschland gleichgestellt? – Civey

Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Der 8. März soll seit über hundert Jahren als Gedenk-, Erinnerungs- und Feiertag dienen für den Kampf um Gleichberechtigung, Wahlrecht und Emanzipation der Frauen. Im Grundgesetz Artikel 3 steht: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Demnach solle der Staat aktiv auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will mit der „feministischen Entwicklungspolitik” die Förderung der Gleichberechtigung massiv erhöhen. Laut BMZ besteht das Ziel darin, den Frauen die gleichen Rechte und den gleichen Zugang zu Ressourcen zu garantieren wie den Männern und darauf hinzuwirken, dass Frauen in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen gleichberechtigt vertreten und eingebunden sind.

Frauen verdienen im Durchschnitt noch sieben Prozent weniger als Männer mit vergleichbaren Qualifikationen und Tätigkeiten. Die Analyse des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass 63% des Gender Pay Gaps durch Faktoren wie Berufswahl und Teilzeitarbeit erklärt werden können. 37 Prozent des Verdienstunterschiedes zwischen Frauen und Männern können jedoch nicht erklärt werden.

Wir haben ja nicht nur eine feministische Wirtschaftspolitik, sondern auch eine feministische Außenpolitik, da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, die endgültige Gleichstellung betreffend. Der obige Text stellt etwas heraus, was wir vor Jahren bereits thematisiert haben, als alle mit dem 18-bis-20-Prozent Gender-Gap unterwegs waren, gerne auch in meiner damaligen Partei: Dass man nicht Äpfel und Birnen miteinander vergleichen kann, nämlich verschiedene Jobs und Positionen, und dann alles miteinander verrechnet. Wir wehren uns immer gegen Darstellungen, die einen großen Teil der Wahrheit verschweigen, zumal, wenn dies aus manipulativen bzw. politischen Gründen geschieht.

Nun können wir aber einen Schritt weitergehen und damit wieder zurück, nachdem geklärt ist, dass man nur Vergleichbares vergleichen kann. Dahinter steckt aber auch: Warum ist zum Beispiel Care-Arbeit, in der immer noch vorwiegend Frauen tätig sind, warum ist häusliche Pflege schlechter oder, schlimmstenfalls, gar nicht vergütet, warum ist also das, was Frauen tun, weniger  finanziell wertvoll? Es ist wichtig, es ist unabdingbar, damit unsere Gesellschaft funktioniert und Frauen haben nach unseren Beobachtungen seltener Bullshit-Jobs als Männer. In dieser Hinsicht nimmt die Gleichstellung leider zu, aber was ist los mit unserem Gesellschafts- und Menschenbild?

Jeder IT-Fuzzi, der einen Server wartet, verdient mehr als jemand, der Dienst an Menschen tut, wenn man von Chefärzt:innen absieht. Wir können gut verstehen, dass es Frauen nicht so zu den Servern zieht, aber deshalb kommt der höhere Gender-Gap von fast 20 Prozent doch wieder zum Vorschein. Nichts gegen die Systemrelevanz der Server, aber dort, wo es um die Grundfesten der Zivilisation geht, ist unendlich viel Arbeit zu leisten, gibt es Personalmangel, weil diese Arbeit nicht in ihrer Wichtigkeit entsprechend vergütet wird und wegen der allfälligen Überlastung auch noch viel stressiger ist als zum Beispiel eine Tätigkeit im IT-Bereich. Dieser Stress wiederum trifft vor allem Frauen.

Wir wollen damit natürlich nicht die Leistung von Männern schmälern, die ebenfalls in Berufen tätig sind, die immer noch als „typisch weiblich“ gelten, aber es ist signifikant, dass es eben immer noch Männer- und Frauenberufe gibt, obwohl das heutzutage nicht mehr durch unterschiedliche körperliche Anforderungen erklärbar ist. Meistens jedenfalls nicht.

Das Grundproblem drückt sich in Zahlen und in Empfindungen aus. Männer sind zum Beispiel grundsätzlich optimistischer. Der Optimismusgrad in Deutschland hält sich sowieso in Grenzen und vielleicht sind Frauen auch die besseren Realistinnen, aber es gibt mindestens einen Wahrnehmungsunterschied bei der Beurteilung der allgemeinen und der eigenen Situation. Danach wenden wir uns wieder Fakten zu, das schicken wir voraus. Wir untersuchen dann die Jobsitutation von Frauen und Männern etwas näher.

Infografik: Für Frauen ist die Welt anders | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de  erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

In Deutschland ist die Welt anders als für Männer, wie der Blick auf Zahlen der Statista Consumer Insights zeigt. Dass es dabei mitnichten um Wahrnehmung, sondern um harte Fakten geht, zeigt beispielsweise die ökonomische Situation der Geschlechter. Während fast jeder zweite befragte Mann mit seiner wirtschaftlichen Lage zufrieden ist, sagen das bei den Frauen nur 37 Prozent. Ein Grund hierfür dürfte die Gender Pay Gap von 18 Prozent (unbereinigt) in Deutschland sein. Außerdem sind Frauen häufiger alleinerziehende und teilzeitarbeitend. Auch das Frauen weniger optimistisch in die Zukunft blicken, dürfte mit mit den ökonomischen Rahmenbedingungen zusammenhängen. Bei der persönlichen Gesundheit kann der Abstand hingegen möglicherweise mit männlicher Ignoranz gegenüber Vorsorge und dem eigenen Körper erklärt werden.

Vergleichen wir nun den Frauenanteil in Berufen insgesamt und die Führungspositionen, gibt es die auffälligen Unterschiede, die wohl jeder vermutet hat. Führend sind Frauen in Führungspositionen nur dort, wo sie auch den weit überwiegenden Anteil an Erwerbstätigen bilden. Auch diese Grafik ist ganz aktuell bzw. wurde für den heutigen Weltfrauentag erstellt:

Infografik: Frauen in Führungsrollen unterepräsentiert | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de  erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Frauen stellen fast die Hälfte aller Erwerbstätigen, aber weniger als 30 Prozent der Führungskräfte. Das geht aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes anlässlich des Weltfrauentags hervor. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Wirtschaftsbereichen, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Am höchsten ist der Anteil im Bereich Erziehung und Unterricht: dort habe Frauen 67 Prozent der Führungspositionen inne – das entspricht fast dem Frauenanteil an allen Erwerbstätigen in dieser Berufsgruppe. Ähnlich stark vertreten sind Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der öffentlichen Verwaltung – allerdings mit dem Unterschied das Frauen hier zwar jeweils die Mehrheit der Erwerbstätigen stellen, nicht aber die der Manager:innen. Am weitesten klafft die Lücke zwischen Führungs- und Erwerbstätigenanteil bei Unternehmensdienstleistern auf.

Interessant ist, dass in Ländern, die man als Gesellschaften ganz unterschiedlich wahrnimmt, der Frauenanteil in den MINT-Berufen viel höher ist als in Deutschland, der nach dieser Statistik Frauenanteil in MINT-Berufen in Deutschland | Statista sogar noch geringer ist als in den der folgenden Grafik ausgewiesen. Sie ist bereits über zwei Jahre alt und bezieht sich auf das Jahr 2019, doch die Anteile dürften sich seitdem nur unswesentlich verändert haben, zumal Corona eine ungestörte Weiterentwicklung der Gleichstellung beeinträchtigt haben dürfte:

Infografik: Frauen in Wissenschaft und Ingenieurswesen | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de  erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Im Jahr 2019 waren in der Europäischen Union über 6,3 Millionen Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen in Wissenschaft und Technik beschäftigt – das sind rund 41 Prozent der Gesamtbeschäftigten dieser Branchen. Wie die Statista-Grafik auf Basis der Daten von Eurostat zeigt, variiert der Anteil innerhalb Europas. In Ländern wie Norwegen (55%), Litauen (55%) und Dänemark (52%) ist die Mehrheit weiblich, während der Anteil in Deutschland beispielsweise nur ein Drittel beträgt. Damit liegt die Bundesrepublik im Jahr 2019 deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Mit etwa 28 Prozent den geringsten Anteil verzeichnet Luxemburg.

Innerhalb Deutschlands ist auffällig, dass in den neuen Bundesländern verhältnismäßig deutlich mehr Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen arbeiten als in Westdeutschland. Den geringsten Anteil registriert Eurostat in Baden-Württemberg – hier machen Frauen etwa 28 Prozent der Beschäftigten in Wissenschaft und Technik aus.

Der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft findet jährlich am 11. Februar statt. Die Vereinten Nationen haben den Aktionstag mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Beteiligung von Frauen an Wissenschaft und Technologie zu fördern.

Dass skandinavische Länder da wieder ganz vorne sind, verwundert nicht, aber auch in Südeuropa haben sich Frauen teilweise viel mehr in diesen Berufen angesiedelt als in Deutschland, in dem der Frauen-MINT-Anteil fast 9 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Damit wirkt das Land patriarchalischer als andere Staaten, weil diese Berufe so angesehen sind. Es geht also nicht nur darum, in Deutschland Berufe aufzuwerten, die vor allem Frauen hierzulande anziehen, sondern auch zu hinterfragen, wieso Gesellschaften, die noch vor wenigen Jahrzehnten als sehr konservativ galten, wie etwa die spanische, mittlerweile ein ausgeglichenes Gender-Verhältnis von Erwerbstätigen in den MINT-Berufen zeigen.

Auch die Unterschiede in den deutschen Bundesländern deuten darauf hin, dass Rollenbilder eine große Rolle bei der Berufswahl und den Aufstiegsschancen spielen – in Baden-Württemberg dürfte aber auch hinzukommen, dass viel Wissenschaft in der produzierenden Industrie betrieben wird, und die ist wiederum nach wie vor männlich geprägt. Das dürfte auch einen gewissen Anteil an der deutschen Männerlastigkeit in diesen Berufen insgesamt erklären: Deutschland hat (derzeit noch) eine der höchsten Industriequoten bezüglich des Anteils am erwirtschafteten BIP aller fortgeschrittenen Staaten. Und anders als etwa (mittlerweile) im Medizinbereich oder in den Geisteswissenschaften zieht sich dort die männliche Prägung der Arbeitswelt vom Arbeiter in der Fertigung bis zu den Chefetagen durch. Ob man das durch Frauenquoten für Führungskräfte beheben sollte, ist Sachfrage, denn eines sollte bei einer funktionalen Firmenkultur gegeben sein: Dass Arbeitende auf allen Stufen der Hierarchie etwa ähnliche Gleichstellungswerte erreichen können. Bisher, siehe Grafik zuvor, ging sich das überall zugunsten der Männer aus, deshalb wäre zunächst dieser Gap zu schließen, bevor man versucht, besonders konservative Wirtschaftszweige wie die Baubranche von oben umzukrempeln. 

Dieser Artikel ist freilich nur ein Einstieg in das Thema Gleichstellung – allein bei Statista gibt es eine große Anzahl an Grafiken, die es beleuchten und die wir im diesem Rahmen nicht zeigen können. Insofern wäre es sinnvoll, spätestens in einem Jahr einen zweiten Teil zu schreiben. So weit reicht unsere Artikelplanung nicht voraus, aber wir werden versuchen, diese Idee zu memorieren. Der berechtigte Einwand: Jeder Tag muss ein Frauentag sein, damit die Dinge sich (weiter) verbessern. Das stimmt. Aber wir schreiben ja auch nicht jeden Tag über den Ukrainekrieg, obwohl er aktuell so ein großes Thema ist. Es liegt an der Zeitkapazität. Die Zeit, die vergeht und nicht wiederkehrt, die Kapazität, die endlich ist, sind übrigens weiblich. Das sollte uns zu denken geben.

TH

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