Frontpage Briefing 165 Politik / Wirtschaft, Klima-Energie-Report 27
Da wir uns zuletzt gestern über eine neue Wagenknecht-Partei geäußert haben, können wir heute gut anschließen und Sie können ebenfalls abstimmen, wenn Sie möchten, den die Umfrage ist heute erst aufgesetzt worden :
Begleittext aus dem Civey-Newsletter:
Die Welt berichtete diese Woche, dass die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ die Gründung einer politischen Partei planen. Diese Recherchen beziehen sich auf eine interne Sitzung während des internationalen Vernetzungstreffens, bei dem die Aktivisten die geplante Gründung einer Partei diskutierten. Ihr Ziel sei es, die Politik zum Handeln zu bewegen sowie Spendengelder effektiver zu generieren und zu verwalten.
Die „Letzte Generation“ dementierte dies jedoch: „Es gibt aktuell keine konkreten Planungen, eine Partei zu gründen.“ Die Aktivistengruppe hat sich zu einer „politischen Bewegung“ entwickelt und diskutiert seit einem halben Jahr die Idee einer Partei als Organisationsform. Die Gruppe betont jedoch, die Idee „bis heute immer wieder verworfen oder auf Eis gelegt, da wir nicht den Eindruck erwecken wollen, dass Parteien allein das Problem des absoluten klimapolitischen Versagens der Regierung lösen werden. Daran sind sie in der Vergangenheit gescheitert und werden es auch in Zukunft.“
Auch Expertinnen und Experten halten eine Parteigründung für unwahrscheinlich. Die Parteienforscherin Dr. Julia Reuschenbach betonte im Gespräch mit der Berliner Morgenpost: „Momentan ist die Gruppierung noch sehr jung und hat mehr Chancen als Protestbewegung.“ Nach Reuschenbach hätte die Gründung einer Partei zur Folge, dass ein Teil der Anhängerschaft, die sich als kritisches Korrektiv zur aktuellen Politik versteht, verloren ginge. Zudem hätte die „Letzte Generation“ als Bewegung eine größere Gestaltungsfreiheit in der Wahl ihrer Mittel.
Wir denken in dem Zusammenhang sofort an „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, die als Berliner Regionalpartei ganz sicher die Fünfprozenthürde überspringen würde, wenn sich die Bewegung gegen Mietenwucher (#Mietenwahnsinn) eine Organisation als politische Partei geben würde. Aber ihr Bewegungscharakter ist es gerade, was sie glaubhaft und anziehend auch für Menschen macht, die finden, die Parteien tun viel zu wenig, um Mietende vor Abzocke, vor dem Rauswurf per Eigenbedarfskündigung und allgemein vor der Immobilienblase zu schützen, die vor allem sie belastet, nicht die Eigentümer von Immobilien.
Das ist in Berlin ein dringendes Thema. Es konkurriert sogar mit dem Klimaschutz. Es lässt sich aber auch als soziale Komponente mit ihm verbinden.
Die Letzte Generation ist eine Bewegung von jungen Menschen, die sich für den Klimaschutz und die soziale Gerechtigkeit einsetzen. Sie sehen sich als die letzte Generation, die noch die Chance hat, die Erde vor einer ökologischen Katastrophe zu bewahren. Sie organisieren sich vor allem über soziale Medien und führen regelmäßig Protestaktionen durch. Aber reicht das aus, um politischen Einfluss zu haben? Sollte die Letzte Generation nicht auch eine eigene Partei gründen, um ihre Forderungen in den Parlamenten zu vertreten? Diese Frage wird immer wieder diskutiert, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bewegung. Es gibt gute Argumente für und gegen eine Parteigründung. Ein Argument dafür ist, dass eine Partei mehr Legitimität und Sichtbarkeit hätte als eine lose Bewegung. Eine Partei könnte auch konkrete Gesetzesvorschläge machen und mit anderen Parteien koalieren oder verhandeln. Eine Partei könnte zudem mehr Mitglieder und Spenden anziehen und so ihre Basis verbreitern.[1]
Der Verfassungsschutz hat die LG bereits seit einem halben Jahr beobachtet und kam kürzlich zu dem Ergebnis, sie sei nicht verfassungsfeindlich. Von dieser wichtigen Seite würde also einer Parteigründung nichts im Wege stehen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte, an dieser Einschätzung ändere sich nicht deshalb etwas, weil die Gruppe teilweise kriminell agiere – in unserer Diktion: illegale Aktionen durchgeführt hat. „Im November 2022 hatte Haldenwang Vergleich der Letzten Generation mit der RAF Nonense genannt“, heißt es in dem Artikel abschließend. Das ist auch unsere Meinung.
Verfassungsschutz stuft „Letzte Generation“ derzeit nicht extremistisch ein | WEB.DE
Wie haben wir abgestimmt? Mit „eher nein“. Es gibt derzeit sogar eine satte absolute Mehrheit von ca. 57 Prozent, die „auf keinen Fall“ sagt. Es ist ziemlich klar, dass es sich dabei überwiegend um diejenigen handelt, die das Vorgehen, teilweise auch die Ziele der LG ablehnen. Die Variante, dass jemand auch eine Partei gründen könnte, die man selbst ja nicht wählen muss, ist nicht sehr weit verbreitet. Nur 17 Prozent haben sich klar für die Parteigründung ausgesprochen.
Warum sind wir eher dagegen, trotz der oben von ChatGPT recht gut zusammengefassten Pro-Argumente? Auch hier hören wir wieder erst, was das Chatbot, das für so viel Furore sorgt, zu sagen hat:
Ein Argument dagegen ist, dass eine Parteigründung die Bewegung spalten und schwächen könnte. Eine Partei müsste sich an bestimmte Regeln und Formalitäten halten, die die Kreativität und Spontaneität der Bewegung einschränken könnten. Eine Partei könnte auch von internen Machtkämpfen und Skandalen geplagt werden, die das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben könnten. Eine Partei könnte zudem von anderen Parteien vereinnahmt oder marginalisiert werden und so ihre Unabhängigkeit und Radikalität verlieren.[1]
Wie wir sehen, sind das ähnliche Argumente, wie sie im Civey-Begleittext vorgetragen werden. Wir greifen wieder auf den Fall der Berliner Enteignungsbewegung zurück. Einer der Tricks der Politik war es, diese Bewegung in eine Kommission zur Prüfung eines Enteignungsgesetzes einzubinden, in der sich nicht viel zu sagen hat, aber gut gezähmt werden kann. Denn sie sitzt plötzlich auf beiden Seiten und damit zwischen den Stühlen. Hätte sie sich nicht dazu bereitgefunden, mitzutun, hätte man ihr seitens der Politik vorgeworfen, dass sie nicht an einer konstruktiven Lösung interessiert ist.
Wir würden eine Parteigründung der „Letzte Generation“ zumindest für verfrüht halten. Eine Entwicklung ähnlich wie bei den Grünen hin zum Greenstream (grüner Mainstream mit Fassadengrün für den Kapitalismus), nur wesentlich schneller, wäre der wahrscheinliche und zu befürchtende Weg, den die heutigen Aktivist:innen im Parteienbetrieb gehen würden. Damit wäre für den Klimaschutz nichts gewonnen.
Zu den wichtigen Eigenschaften der Bewegung zählt auch, dass sie kontrovers diskutiert wird. Dass sie dabei die Mehrheit nicht auf ihrer Seite weiß, ist zwar schade, aber so ist es bei progressiven Haltungen im Grunde immer. Die Besitzstandswahrungsmentalität in Deutschland lähmt das Land schon seit langer Zeit. Sie hat historisch nachvollziehbare Gründe. Das ändert aber nichts daran, dass sie überwunden werden muss, um die Erderwärmung zu begrenzen. Darauf weist aktuell niemand anderes so deutlich und so effizient hin wie die „Letzte Generation“. Sie ist sozusagen der Dorn im Stängel der Wohlstandsrose. Es gibt aber keine Rosen ohne Dornen und sie abschneiden zu wollen, ist auch eine Form von Realitätsverweigerung.[2]
TH
[1] ChatGPT, Artikel mittlerer Länge, Blogbeitrag, Stil professionell
[2] Es gibt Rosensorten ohne Stacheln, aber sie eignen sich nicht für dieses rhetorische Bild.