Was hat die Entnazifizierung mit der Coronapolitik zu tun? (Besprechung) | Briefing 171

Briefing 171 | Gesellschaft, NS-Herrschaft, Pandemie-Regime, Corona, Entnazifizierung

Liebe Leser:innen, wir könnten wieder miteinander auf die Reise gehen. Die wichtigen Themen betreffend, auch die Art, wie wir sie aufbereiten. Heute besprechen wir den Artikel

„Drehtür für Verbrecher. Die Entnazifizierung scheiterte auch an der juristischen Aufarbeitung persönlicher Mitschuld.“

(Aaron Richter)

Drehtür für Verbrecher | Manova-Magazin

Wir hatten zunächst die Idee, den Artikel zu republizieren, bevor wir ihn kommentieren, es gibt auch einen Hinweis darauf, dass das erlaubt ist, aber keine ausdrücklich erwähnte Commons-Lizenz. Manova ist das Nachfolgemagazin von Rubikon, dessen Vorzüge und Nachteile ziemlich extrem ausgeprägt sind oder waren. Sehr informativ fanden wir den Teil über die Entnazifizierung von 1945 bis 1951. Als wir ChatGPT baten, zusammenzufassen, hat es sich selbstständig gemacht und allgemeine Informationen über die Entnazifizierung zu liefern. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten:

– Der Artikel beschreibt die Geschichte und die Probleme der Entnazifizierung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

– Die Entnazifizierung war ein Prozess, der darauf abzielte, die nationalsozialistische Ideologie und ihre Anhänger aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und sie für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

– Die Entnazifizierung wurde von den vier Besatzungsmächten (USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion) durchgeführt, die unterschiedliche Ansätze und Ziele verfolgten.

– Die USA waren zunächst sehr rigoros und wollten alle ehemaligen Nazis aus wichtigen Positionen entfernen und sie vor Gericht stellen. Sie stützten sich auf Fragebögen, die die politische Vergangenheit der Menschen erfassten, und auf öffentliche Tribunale, die über ihre Schuld oder Unschuld entschieden. Sie stießen jedoch auf Widerstand von der deutschen Bevölkerung und der Kirche, die eine kollektive Bestrafung ablehnten. Außerdem änderten sie ihre Prioritäten im Kalten Krieg und sahen in den ehemaligen Nazis potenzielle Verbündete gegen den Kommunismus.

– Großbritannien war pragmatischer und konzentrierte sich auf die Verfolgung der Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen und Völkermord. Sie nutzten die vorhandenen deutschen Gesetze und Institutionen, um die Entnazifizierung durchzuführen, und versuchten, eine demokratische Erziehung zu fördern. Sie waren jedoch mit einem Mangel an Personal und Ressourcen konfrontiert und mussten sich mit der Korruption und Vetternwirtschaft der deutschen Behörden auseinandersetzen.

– Frankreich war weniger engagiert und widmete sich vor allem der Sicherung seiner eigenen Interessen in seiner Besatzungszone. Sie verfolgten nur wenige ehemalige Nazis und ließen viele von ihnen unbehelligt oder begnadigten sie. Sie versuchten auch, die deutsche Kultur zu beeinflussen, indem sie französische Sprache und Literatur förderten.

– Die Sowjetunion war am härtesten und verhaftete massenhaft ehemalige Nazis oder deportierte sie in Arbeitslager. Sie verurteilten viele von ihnen zum Tode oder zu langen Haftstrafen. Sie versuchten auch, den Sozialismus in ihrer Besatzungszone zu etablieren, indem sie die Industrie verstaatlichten, die Landwirtschaft kollektivierten und kommunistische Parteien unterstützten.

– Die Entnazifizierung war insgesamt ein komplexer und widersprüchlicher Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wurde. Er hatte sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft. Er trug dazu bei, einige der schlimmsten Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, das Bewusstsein für die nationalsozialistischen Gräueltaten zu schärfen und den Weg für eine demokratische Entwicklung zu ebnen. Er führte aber auch zu Ungerechtigkeiten, Ressentiments und einer mangelnden Aufarbeitung der Vergangenheit. Er wurde schließlich 1951 offiziell beendet, aber seine Folgen sind bis heute spürbar.[1]

Wir finden diese allgemeinen Infos als Einstieg gar nicht schlecht, vermutlich hätte der Bot bei Auswahl einer anderen Artikeldarstellung auch eher auf den konkreten Inhalt reagiert. Was hier ganz unter den Tisch fällt, ist, was wir wirklich, man kann schon fast sagen, verrückt finden.

Der obige Artikel, den Sie wirklich unbedingt lesen sollten, wegen des eigentlichen Teils, ist die gekürzte version einer studentischen Semesterarbeit aus dem Jahr 2018. Er wurde um ein Fazit zu Corona ergänzt, das selbstverständlich 2018 noch nicht zu ziehen war.

Wir finden es immer ziemlich erschreckend, wenn die angeblich offene und individuelle Diskussionskultur bei bestimmten Medien, nicht nur bei den vielfach aus ebenjener Ecke heraus gescholtenen „Leitmedien des Mainstreams“, darauf hinausläuft, dass alles, was je geschrieben wurde und heute veröffentlicht werden darf, einen bestimmten Tenor und die Unterordnung unter eine Agenda erfordert. In diesem Fall: Die erschreckende Corona-Politik.

Dadurch kommt es zu Verzerrungen, die atemberaubend sind: Die Corona-Politik wird quasi mit der NS-Herrschaft verglichen und die Aufarbeitung der Corona-Politikfehler, die es zweifelsohne gab, mit der Entnazifizierung. Dass das nicht funktioniert, merkt man dem neugeschriebenen Fazit leider an. Die Versöhnung von Menschen, die für oder gegen die Corona-Politik der Bundesregierung waren, mit dem Kitten der zerstörten deutschen Identität nach dem Zweiten Weltkrieg gleichzusetzen oder auch nur in Bezug dazu zu setzen, ist abenteuerlich, schon wegen der ganz unterschiedlichen Dimensionen, wegen des großen Unterschieds bei der psychologischen Situation. Und natürlich, weil es tatsächlich eine Bedrohung durch ein Virus gab, mit der man anfangs mehr oder weniger ohne Vorwissen umzugehen hatte. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu einer selbstgemachten, menschenverachtenden Ideologie.

Untersuchungsausschüsse zu Corona sind keine Nazi-Tribunale und Corona-Maßnahmen-Befürworter keine Nazis. Was durch diesen Teil des Artikels durchschimmert, erinnert uns auf äußerst unangenehme Art und Weise an die Querdenker-Demos, auf denen sich Impfgegner nicht entblödeten, aufgemalte gelbe Judensterne zu tragen.

Wenn wir uns anschauen, wie ein im Grunde guter, informativer Artikel, dessen Quellen seriös sein sollten, dessen Analysebestandteile nachvollziehbar sind, zu einer weiteren Abrechnung mit der Corona-Politik umfunktioniert wird, gruselt es uns. Diese Abrechnung findet statt anhand der kaum verdeckten Gleichsetzung von Menschen, die für strenge Corona-Maßnahmen waren, mit jenen, welche die Schreckensherrschaft von 1933 bis 1945 organisiert, ausgeführt, aktiv unterstützt oder gebilligt hatten.

Der Beitrag wird dadurch zu einer sehr fragwürdigen Publikation. Wir sind geradezu froh  darüber, dass die Mainstream-Medien, auch wenn sie nicht immer pluralistisch genug sein mögen, nicht jedes Thema einer ganz engen Agenda, in diesem Fall den Hass von Herausgebern auf das Corona-Management, unterstellen. Diesen Hass,k der auch bis zur Leugnung der Pandemie selbst ging, gab es bei Rubikon vom Beginn der Maßnahmen im März 2020 an. Makaber ist dabei, dass die Täter-Opfer-Umkehr, das bei den Entnazifizierungsprozessen als wichtiges Problem identifiziert wird, durch den Corona-Zusatz auf den Artikel selbst überträgt. Zum Glück sind anders drauf und setzen nicht diejenigen, die andere mit ihrer Ignoranz in Sachen Corona gefährdet haben, auf eine imaginäre Liste von Menschen, die wieder zum Geradeausdenken gebracht werden müssten. So etwas gibt es nicht, und wenn die Politik sich einer Aufbereitung unterzieht, ist das in Ordnung. Damit würde sie in die Verantwortung gehen, was die Querdenker:innen ganz sicher nicht tun werden.

Auf uns wirkt die Verknüpfung des Unverknüpfbaren, ziemlich neurotisch, und wer sich als Autor:in, nur um des Publizierens willen, auf das Glatteis von Vergleichen wie dem benannten begibt, der macht sich verantwortlich für die Relativierung der Nazi-Verbrechen, die nach wie vor zu bekämpfen ist. Selbst unter der Annahme, dass  durch die Corona-Politik Grundrechte um des Angriffs selbst willen angegriffen wurden: Bis jetzt hat keiner davon diejenigen, die sich gegen den (vermeintlichen oder echten) Angriff zur Wehr setzten, in ein KZ geführt. Es gab gewisse Nachteile für Ungeimpfte, das haben wir in unserer Umgebung auch mitbekommen. Es war manchmal stressig. Auch das Aushalten der Querdenker:innen. Es gab harte Auseinandersetzungen über den richtigen Weg.

Aber wir haben schon im Jahr 2020 geschrieben: Was nach Corona von den Grundrechtseinschränkungen übrigbleibt, ist zu betrachten, wenn man darüber urteilen will, ob die Pandemie von der Politik genutzt wurde, um die Demokratie zu beschädigen. Um es offen zu schreiben: Was die neue Berliner #Rückschrittskoalition vorhat, geht bezüglich Demokratieabbau locker über das hinaus, was jetzt noch an Corona-Beschränkungen erhalten ist, über Spurenelemente einer Lage, die selbst von Karl Lauterbach offiziell als beendet erklärt wurde. Dass wir diesbezüglich anderer Ansicht sind, solange die Todesfallzahlen so hoch bleiben, seien sie mit oder durch Corona eingetreten, erwähnen wir immer wieder in unseren Infektionsreporten.

TH

[1] ChatGPT, verfassen, Ideen, lang

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