Heißer Schnee – Tatort 161 #Crimetime 1150 #Tatort #München #Lenz #Brettschneider #BR #Schnee

Crimetime 1150 – Titelfoto © BR

Steht an der Spitze der Organeisäschn wirklich ein Dschenerell?

Heißer Schnee ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort. Der vom Bayerischen Rundfunk produzierte Beitrag wurde am 9. September 1984 im Ersten Programm der ARD erstgesendet. Er ist der vierte Einsatz von Kommissar Lenz, gespielt von Helmut Fischer.

Helmut Fischer als Kommissar Lenz ermittelt in der Nähe einer amerikanischen Kaserne, wo eine Prostituierte zusammengeschlagen wird und gerät in eine undurchsichtige Angelegenheit um Drogen und einen desertierten US-Soldaten und verschiedene Frauen aus dem Milieu der käuflichen Liebe. Wie wir unsere erste „Lenz-Sichtung“ kommentieren, lesen Sie in der –> Rezension.

Handlung

In München wird ein Straßenmädchen von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt. Kurze Zeit später flüchtet sich in der Nähe ein Amerikaner mit einer Schußwunde in das Haus einer Witwe. Bevor er das Bewußtsein verliert, erwähnt er, genau wie das Mädchen, einen „General“.

Kommissar Lenz übernimmt den Fall und kann im Krankenhaus einen zweiten Mordversuch an dem verletzten Amerikaner vereiteln. Der Täter, ein heroinsüchtiger Zuhälter, wird gefaßt.

Bald hat Lenz eine ganze Liste von Verdächtigen. Da ist einmal die Besitzerin eines Nachtlokals, dann ein Reporter von AFN, außerdem eine Prostituierte namens Pretty und der verletzte Amerikaner, ein desertierter GI. Lenz schaltet die amerikanische Militärpolizei ein, kommt aber in seinen Ermittlungen zunächst nicht weiter. Da setzt sich der rauschgiftsüchtige Zuhälter im Gefängnis einen „goldenen Schuß“. Nur wenige Personen können ihm die tödliche Heroinmischung zugesteckt haben.

Rezension

„Heißer Schnee“ ist der erste Tatort mit Kommissar Lenz als leitendem Ermittler, den wir angeschaut haben. Wir haben uns so auf Helmut Fischer gefreut und er enttäuscht uns auch nicht – vor allem, weil er derjenige ist, zusammen mit dem Kollegen Brettschneider (Willy Harlander), der alles klammert, was heillos auseinanderzufallen droht. Schon die Einstiegszene ist die Chaotischste, die wir in bisher über 300 Tatorten gesehen haben und es wird leider im Verlauf nur schrittweise besser. Am Ende dann ein nicht richtig geschlossenes Ende, das ist gerade wieder sehr in Mode. Anschauenswert ist der Film nur wegen Fischer und Crew und wegen der Atmosphäre – die ist gelungen, unabhängig vom 1980er-Flair, das durch diesen Tatort wabert.

Wie ist das US-Milieu gezeichnet? OmG. Der Begriff ist nicht sehr journalistisch, aber hier muss er mal sein, weil er dem trashigen Eindruck entspricht, der dem Film ohne Zweifel anhaftet. Wir stammen zwar nicht aus dem amerikanischen Sektor, aber der war auch nicht weit weg und wir hatten Kontakte in die Gegend. Falls wirklich Amerikaner den Film gesehen haben sollten, müssen sie sich schlapp gelacht haben. Okay, die Amis machen über Deutschland auch Filme, die nicht viel besser sind, vor allem Kriegsfilme, aber wir sind doch sonst ein so pedantisches Volk und waren’s in den 1980ern weit mehr als heute – und dann diese grässlichen Akzente von deutschen Schauspielern, die schon vom Typ keine militärischen Amerikaner sind. Das ist zu viel des Schlechten, wie überhaupt der Film schauspielerisch nicht überzeugen kann. Wir nehmen Fischer und seinen Obermeister aus, aber speziell Fischer wirkt auch nicht so, wie es sein könnte, wenn man ihn mit einem anständigen Drehbuch durch eine vernünftige Inszenierung führen würde.

Und dann diese Geschichte mit der Wirtin und dem AFN-Reporter als mindestens Zwischenebenen-Schurken – da hat der BR wohl ein wenig unter Konkurrenzdruck gestanden, denn das AFN hat nun einmal gute Musik gespielt.

Fischer hat ja als Lenz nur sieben Tatorte gemacht, kein Vergleich mit Batic und Leitmayr, die ihm nachgefolgt sind, mit ihren 67 Filmen. „Heißer Schnee“ lag sozusagen als vierter Film in der Mitte und war vermutlich der Tiefpunkt nicht seines persönlichen Schaffens, aber der Qualität von Tatorten in Bayern. Wir haben gerade einen Bodensee-Tatort aus 2010 rezensiert und uns ausführlich mit Drehbuchschwächen beschäftigt, sie sogar in den Mittelpunkt der Rezension gestellt, obwohl der Film um Längen besser ist als „Heißer Schnee“. Wenn etwas so kurios wirkt wie dieser Tatort, empfiehlt sich zumeist Recherche über die Macher.

Und was sagt das Internet über die Macher? Der Kern insbesondere eines Krimis ist nun einmal das Drehbuch, und Plym Pahl haben wir nicht n der Wikipedia gefunden – nur bei „Serienstarts.de“ war er in Zusammenhang mit der klassischen Serie „Graf Yoster gibt sich die Ehre“ erwähnt, für die er offenbar auch eines oder mehrere Drehbücher verfasst hat. Ob Regisseurin Wilma Kottusch die erste Frau war, die einen Tatort inszeniert hat, wissen wir nicht, aber wie es dazu kam, können wir uns vorstellen. In „Anja“ hatte sie 1983 Barbara Rudnik zum Durchbruch verholfen. Wir haben den Film nicht gesehen, aber wir vermuten, dass er nicht eine solch krude, kaum in vernünftige Bilder und eine gute Schauspielerführung umsetzbare Handlung hatte wie „Heißer Schnee“. Vermutlich war Frau Kottusch froh, als sie den Dreh hinter sich hatte, vielleicht hat’s auch wegen Fischer noch ein wenig Spaß gemacht. Leider gibt die Wikipedia auch über das Werk von Wilma Kottusch keinen Aufschluss, aber die Seite des Deutschen Regieverbandes gibt etwas mehr zu ihr her, ebenso die IMDb, die aber beide offenbar keine komplette Filmografie enthalten, was zumindest bei der IMDb sehr selten zu beobachten ist.

Die Schwierigkeiten bei der Recherche zeigen, dass hier offenbar keine Kräfte am Werk waren, die filmisch das ganz große Ding gedreht haben und die man entsprechend dokumentiert hätte. Interessanterweise hat aber der Tatort 161 eine eigene Wikipedia-Seite. 

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes neun Jahre nach dem Entwurf im „neuen Wahlberliner“ mittlerweile haben alle Tatorte, über die wir in letzter Zeit zu recherchieren hatten, eine eigene Wiki-Seite.

Ist die Wikipedia-Seite zu „Heißer Schnee“ informativ? Die Handlungsangabe ist so kurz, dass der Verdacht aufkommt, auch derjenige, der sie geschrieben hat, wollte auf der sicheren Seite bleiben und nichts offensichtlich Falsches ins Netz stellen, und da er das Meiste nicht verstanden hat, blieb die Inhaltsangabe rudimentär, noch etwas dürftiger als unsere eigene zu Anfang. Doch zum Glück gibt es „Das Erste“ mit seinen Infos zu den Filmen, die vor nicht allzu langer Zeit wiederholt wurden, und vielleicht bringt die noch etwas Aufklärung.

Die Handlungsbeschreibung der ARD haben wir nach oben gezogen und die in der Wikipedia ist mittlerweile viel ausführlicher, Anmerkung 2 anlässlich der  Veröffentlichung der Rezension im Jahr 2023.

Die ARD-Handlungsangabe (s. o.) liest sich nicht gerade wie die eines schlüssigen Films. Sie soll ja nicht alles verraten – zum Beispiel nicht, ob der … wir schreiben es mal korrekt … ob der General wirklich der AFN-Reporter war bzw. ob es den General gar nicht gibt. Ob er nur erfunden wurde, um kleine Lichter in der Drogenverteilungskette unter Druck zu setzen. Das ist mit das Beste an diesem Film, entspricht dem Muster, das wir zuletzt auffallend häufig angeboten bekommen – auch in sehr guten Tatorten.

Was hat es mit den offenen Enden auf sich? Heute haben sie gewiss die Absicht, das Affirmative am klassischen Krimi zu kontern – es gibt keine endgültige Lösung. Schlägt man der Hydra einen Kopf ab, wachsen neue nach. Schon gar nicht wirkt es befriedigend, wenn einem dicken Baum des Verbrechens ein kleiner Zweig entfernt wird, während der Stamm und die tragenden Äste weiterleben. Die heutigen offenen Enden haben den Zweck, uns die Unsicherheit zu vermitteln, in der wir tatsächlich leben, das Vage, das Unbefriedigende auch der Polizeiarbeit anzudeuten, den Frust, den die Exekutive mittlerweile haben muss. Wir finden diese offenen Enden deshalb auf ihre Weise realistisch, trotz der hohen Mordaufklärungsquote von mehr als 95 Prozent. 

Den Effekt hat der Schluss in „Heißer Schnee“ auch, sonst würden wir ja hier das offene Ende nicht vergleichsweise ausführlich thematisieren.  Durchaus möglich, dass die Macher die helle Idee hatten, damals schon eine OK anzudeuten, die sie wohl nicht von innen kannten und deshalb im Spekulativen belassen wollten. Deswegen ist das Szenario allerdings auch unglaubwürdig geraten. D as offene Ende wirkt als Botschaft, wenn es so gemeint ist, nicht so gekonnt wie bei Filmen, bei denen man spürt, dass die Thematik im Griff ist und authentische Milieus und mafiose Zustände dargeboten werden, die geradezu zwingend logisch wirken.

Diesen Vorzug genießt „Heißer Schnee“ leider nicht, schon wegen der absurden Konstellationen und Vorgehensweisen der im Drogen- und Prostitutionsmilieu angesiedelten Figuren. Aber schön, dass Lenz gar nicht erst versucht, den im Krankenhaus befindlichen Ami-Deserteur zu schützen, egal, ob er ihm damit Angst macht oder nicht. Wir sehen auch ein frühes Beispiel dafür, wie die Polizei, die einen Kranken in einer Klinik bewacht, sich düpieren lässt. Wieso aber der Zuhälter Carlos zweimal nicht in der Lage ist, den wehrlosen Baxter endlich um die Ecke zu bringen, gehört zu den vielen Geheimnissen des Skripts.

Finale

Wir würden so gerne den heutigen Tatortmachern mal zeigen, was ne Harke ist, indem wir schreiben, früher war alles besser, die Kühe hatten größere Köpfe und die Drehbücher und Inszenierungen hatten diese harte, glasklare Konsequenz guter Autorenfilme. 1984 war davon teilweise schon nicht mehr viel zu spüren. Man wollte durchaus ernst und trist sein, wenn auch wegen Fischer mit etwas Humor durchsetzt, aber der Film ist einfach nicht stimmig, und deswegen müssen wir mit blutendem Herzen zur Tiefstwertung innerhalb unseres üblichen Schemas greifen:

5/10 Punkte.

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

Kursiv und tabellarisch: Wikipedia

unternehmen Bayerischer Rundfunk
Regie Wilma Kottusch
Drehbuch Plym Pahl
Musik
Kamera
Schnitt
Premiere 9. Sep. 1984 auf ARD
Besetzung

 

 

 


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