Wie die Politik die Menschen in den Ruin treibt – Nahrungsmittelinflation bei 22 Prozent | Briefing 173

Wir hatten schon im Jahr 2021 darüber nachgedacht, ob es irgendwann in diesem Land zu Hungermärschen kommen könnte. Mittlerweile gäbe es jedweden Anlass dazu. Das sich nun Bürgergeld nennende Hartz IV ist zwar im laufenden Jahr um 10 Prozent erhöht worden, dies aber nach Kleinrechnung der wahren Teuerung viele Jahre lang.

Es bietet sich als Beispiel an, weil es transparent ist, anders als der Lohn- und Gehaltsdschungel in Deutschland. Die Lebensmittelinflation liegt aber aktuell mehr als doppelt so hoch wie dieser Zuwachs. Da fast jeder im Supermarkt einkauft, kann auch fast jeder diesen Irrsinn am eigenen Geldbeutel spüren. Zumal gilt das für Menschen, die nicht von sinkenden Benzinpreisen und ähnlichen aktuellen Entwicklungen profitieren, die das Ganze etwas ausgleichen – weil sie keine Autos haben.

Vor allem der Einkauf im Supermarkt ist deutlich teurer geworden. Um durchschnittlich 22,3 Prozent sind die Preise für Nahrungsmittel binnen eines Jahres gestiegen. Im Vergleich zu Januar (20,2 Prozent) und Februar (21,8 Prozent) wird die Dynamik in diesem Segment sogar noch größer.

Inflationsrate sinkt, Preise steigen trotzdem – was das für Verbraucher bedeutet (rnd.de)

Die Gesamtinflation ist zwar auf 7,4 Prozent leicht gesunken, aber man muss bedenken, dass dies a.) schon das zweite Jahr in Folge mit solchen Raten ist und b.) die Energiepreise, die am Anfang dieser Spirale standen, natürlich nicht immer weiter, quasi bis ins Unendliche steigen werden. Sie sinken auf hohem Niveau leicht und da ihnen im Warenkorb ein großer, vermutlich zu großer Anteil zugerechnet wird, dämpft dies die Inflation.

Spürbare Entlastung gibt es hingegen bei den Energiekosten. Sie lagen im März nur noch 3,5 Prozent über dem Vorjahresmonat, nachdem die Statistiker im Februar noch ein Jahresplus von 19,1 Prozent ausgewiesen hatten. 

Was den Zentralbankern Sorge macht, ist die sogenannte Kerninflation, eine Kennzahl, die volatile Preise wie die für Energie und Nahrungsmittel ausklammert. Die Kerninflation liegt zwar niedriger als die Gesamtrate, wächst aber im Gegensatz zu ihnen noch und erreichte erst im Februar mit 5,6 Prozent einen neuen Rekordwert im Euroraum. Höhere Abschlüsse bei den laufenden Tarifverhandlungen im Dienstleistungsbereich, die dann auch wieder zu höheren Preisen führen dürften, machen es wahrscheinlich, dass der Trend weiter anhält.

(Quelle s. o.)

Das bedeutet vor allem, dass sich die sogenannte Kerninflation  über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg festfrisst und nicht so leicht wieder wegzubekommen ist wie stark ansteigende Energiepreise, die dem aktuellen Makrgeschehen unterworfen sind.

Der Hauptgrund für den Anstieg der Inflation, schreibt das RND, sei der Ukrainekrieg. Das ist leider grundfalsch. Der Hauptgrund ist, dass man sich entschlossen hat, auf den Ukrainekrieg mit Sanktionen zu reagieren, die zur Verknappung an bestimmten Märkten geführt haben. Viele Verbraucher werden aufgrund längerfristiger Bindung an Verträge auch in die Falle gegangen sein, dass sie vorerst nicht mehr aus den hohen Kosten herauskommen werden, nachdem sie vor einigen Monaten von ihren Energieversorgern kalt erwischt wurden mit Preisaufschlägen von teilweise über 100 Prozent. Wir haben uns dazu mehrfach im Wahlberliner geäußert, weil es uns auch getroffen hat.

Die 22,3 Prozent Lebensmittelinflation sind aber nicht das Ende der Fahnenstange. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass gerade günstige Produkte schon seit Längerem besonders stark anziehen. Die NZZ hat hierzu eine schöne Grafik erzeugt, die zeigt, wie stark die Inflation bei einigen Lebensmitteln tatsächlich ist und ist verstärkt auf Aldi und die Rewe-Eigenmarke „Ja!“ eingegangen

Inflation in Deutschland: 5 Lebensmittel, die das Ausmass zeigen (nzz.ch)

Ähnlich sieht es selbstverständlich bei „g & g“ von Edeka aus, denn in vielen Bereichen gibt es Absprachen zwischen den Großen im Lebensmittelgeschäft, gerade bei Molkereiprodukten ist das offensichtlich und gerade diese sind in einem wirklich bodenlosen Ausmaß teurer geworden. Es gibt erst Entspannungszeichen, aber zunächst in Form von Angeboten für Bioprodukte, die zuletzt nicht mehr im selben Maße zugelegt haben wie die Günstigwaren.

Seit vielen Jahren steigen die Mieten weitaus stärker als die offizielle Inflation, ein Ende ist nicht abzusehen und belastet die Budgets der Verbraucher:innen zusätzlich:

Die Mieten sind im Jahr 2022 um 3,5 Prozent gestiegen, während die Kaufpreise um 4,5 Prozent gesunken sind. Letzteres  liegt vor allem an der Zinswende, die das Finanzieren von Immobilien teurer macht und die Nachfrage dämpft.

Die Mietsteigerungen betreffen vor allem Großstädte wie Berlin, München oder Hamburg, wo die Wohnungsnot besonders groß ist. Dort sind die Mieten im Schnitt um 5 Prozent gestiegen.  

Immobilien: Warum die Mieten weiter steigen – und was Experten erwarten (handelsblatt.com)

Ob sich die Expertenprognosen bestätigen, ist schwer zu sagen. Das aktuelle Zinsniveau war über viele Jahre die Normalität, erst die Billigzinsen, die auch die Immobilienblase angetrieben haben, haben für eine Art neue Normalität mit erheblichen negativen Konsequenzen für Nicht-Kapitalisten gesorgt. Tatsache ist, dass die Mieten in Großstädten etwa so stark ansteigen, wie die meisten Tarifabschlüsse es für die Einkommen erwarten lassen, während auf anderen Gebieten jetzt die Preise geradezu davon schießen. Entspannung gibt es seit vielen Jahre nicht mehr, folgerichtig steigt die reale Kaufkraft in Städten wie Berlin, die immer teurer werden, aber nicht zu den Hochlohnregionen zählen, nicht mehr, sondern wird in den 2020ern zunächst real sinken. Auf ohnehin niedrigem Niveau, wohlgemerkt.

Zu allem Überfluss wird laut IWF-Prognose die russische Wirtschaft im Jahr 2023 besser abschneiden als die deutsche und wir werden sehen, dass auch viele andere Industrieländer besser fahren werden als ein Land, dessen Regierung so ziemlich als einzige ihre Sanktionsvorhaben wirklich ernst nimmt und sich dafür von der ukrainischen Regierung auch noch mangelnde Unterstützung vorwerfen lassen muss.

Wir hatten immer schon eher zu Waffenassistenz als zu Sanktionen tendiert, die kaum kontrollierbar und nachhaltig sind, wie viele ähnliche Vorgänge in der Geschichte bewiesen haben. Selbst dem isolierten Dritten Reich sind erst im Jahr 1944, also kurz vor dem Zusammenbruch, merklich die Ressourcen ausgegangen, bis dahin hatte sich das BIP auch rüstungs- und kriegsbedingt ab 1933 jedes Jahr erheblich gesteigert. Wie sieht es also mit Russland aus, dessen Lage sich viele andere Länder zunutze machen, um für die westlichen, besonders die deutschen Sanktionierer, in die Bresche zu springen und dadurch eigene Vorteile zu erzielen?

Die Ampelregierung würde derzeit abgewählt, das ist keine Frage. Leider mit einer teilweise falschen Bewertung als Grundlage. Während Kanzler Scholz die Zusammenhänge immerhin sieht, aber von den Wähler:innen umfrageseitig abgestraft wird,  geben die Zahlen der Grünen kaum nach, obwohl sie für diese komplette politische Schräglage der Ampel hauptsächlich verantwortlich sind. Ganz verrückt die FDP,  die versuchen will, durch mehr Rüstung das auszugleichen, was in der Friedenswirtschaft an Substanz verloren geht. Was das für die Verbraucher:innen bedeutet, die nicht zu der kleinen Hochfinanzklientel der FDP zählen, braucht wohl nicht erläutert zu werden.

Die Importabhängigkeit Deutschlands wird weiter steigen, weil die Produktionsbedingungen immer schlechter werden. Das ist das genaue Gegenteil der strategischen Wirtschaftspolitik, die wir lange vor dem Ukrainekrieg vermisst haben, auch dazu gibt es einige Artikel von uns, und die notwendiger ist denn je.

Wir sind gespannt, wie lange das noch in dem Sinne gutgehen kann, dass die soziale Lage nicht explodiert. Andere Länder kämpfen zwar auch, greifen aber viel beherzter ein, um die Inflation zu dämpfen. Die Staatsschulden steigen dadurch, das tun sie in Deutschland aber seit Corona auch wieder. Leider ohne spürbare Entlastung der unteren Einkommensklassen. Diese dramatische Entwicklung, die weitaus stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Industrieländern, ist politischer Wille, das dürfen wir nie vergessen. 

TH

 

 

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