Braveheart (USA 1995) #Filmfest 928 #Top250

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Wie der Rebell William Wallace den schottischen Nationalhelden Robert the Bruce in den Schatten gestellt hat

Braveheart ist ein US-amerikanischer Film aus dem Jahr 1995 mit Mel Gibson in der Hauptrolle als William Wallace. Gibson ist zugleich auch Produzent und Regisseur. In weiteren Rollen sind Sophie MarceauPatrick McGoohanBrendan Gleeson und Angus Macfadyen zu sehen. Der Film erhielt fünf Oscars, unter anderem in den Kategorien Bester Film und Beste Regie. 

Nach dem Anschauen von „Braveheart“ haben wir gelesen, dass der Film fünf Oscars bekommen hat, in der IMDb mit einem Durchschnittsvotum von 8,4/10 auf Platz 89 der 250 besten Filme aller Zeiten steht und bei Kinofans hohes Ansehen genießt. Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung: „Braveheart“ steht im Jahr 2023 bei 8,3/10, ist aber im Rang sogar etwas aufgestiegen: 77.

Die Kritiker sind nicht ganz so begeistert und die Auswertung bringt Zahlen von 68/100 (Metascore) und 78 % (Rotten Tomatoes) hervor. Welche Einschätzung ist richtig? Dies und mehr klären wir in der -> Rezension

Handlung (1)

Schottland, 1280, König Eduard I. von England führt ein strenge Regime in Schottland, die Regeln beinhalten unter anderem, dass Adelige das Recht der ersten Nacht mit jungen Bräuten im Land haben. Deswegen verlobt sich William Wallace (Mel Gibson) heimlich, trotzdem kann er seine Braut nicht vor dem Versuch der Vergewaltigung und dem Tod bewahren.

In der Folge nimmt er Rache, indem er die Peiniger zusammen mit ein paar Getreuen tötet. Immer neue Konfrontationen mit der englischen Armee und immer mehr Kämpfer, die sich Wallace anschließen, lassen den Konflikt zu einem offenen Aufstand werden, der England und seinen König aufs Äußerste herausfordert. Mit Waffen, aber auch mit allen Tricks, versucht er, der Lage Herr zu werden.

Am Ende kann er William fangen, doch die Rebellion wird von dem schottischen Adeligen Robert the Bruce weitergeführt.

Rezension 

Es gibt einige Mel Gibson-Filme, die das Publikum mehr in den Bann ziehen als die Kritik. Der für damalige Verhältnisse sehr teure Schottland-Mittelalter-Streifen gehört wohl dazu. Bei 72 Millionen Dollar Produktionskosten spielte „Braveheart“ das Dreifache ein und damit hat Gibson kommerziell alles richtig gemacht. Immerhin verteilen sich die Produktionskosten auf beinahe drei Stunden Spielzeit, das muss man berücksichtigen. Und da wir hier eines der größten Aufgebote an Statisten der jüngeren Filmgeschichte sehen, ist der Preis für den Aufwand verständlich.

Dieses Großspektakel ist sicher ein Grund, warum die Zuschauer mitgehen. Kritiker haben teilweise die exzessive Gewalt in „Braveheart“ erwähnt, aber die haben wohl im Jahr zuvor nicht „Natural Born Killers“ gesehen, mit dem wir uns gerade befasst haben. Nach dieser beängstigenden Gewaltorgie im sehr persönlichen Rahmen konnten wir uns bei dem Massensterben auf dem Schlachtfeld ein wenig erholen. Im Prinzip ist aber alles beim Alten geblieben. Historienfilme haben immer schon viele Schlachtfelder mit einer Menge vorgeblicher Leichen gezeigt; nur, wie sie umkommen, das wird zunehmend mehr ausgewalzt und genussvoll inszeniert.

Überhaupt ist „Braveheart“ ein sehr traditioneller Film in einem zeitgemäßen filmischen Gewand. Ein Kritiker hat angemerkt, wie realistisch doch alles sei, weil das Wetter immer so nebelig und die Landschaft karg. Weil man also nicht Schottland in den Farben Süditaliens gefilmt hat. In dem Film scheint, wenn wir richtig aufgepasst haben, nie die Sonne. Das ist aber Unsinn und ebenso eine Stilisierung wie eine Verschiebung in die andere Richtung, denn in den Highlands gibt es nicht nur graue Tage. Was also ist Realismus?

Uns hätt’s besser gefallen, wenn weniger Wert aufs Nieselwetter gelegt worden wäre und mehr auf die historischen Details. An dem Film stimmt so vieles nicht, dass man gleich zwei Assoziationen hat: Wie Hollywood die Weltgeschichte häufig zurechtbiegt, damit sie in ein dramaturgisches Konzept und natürlich zum jeweiligen Zeitgeist passt, und wie speziell englische / britische Historie immer wieder dermaßen verzerrt dargestellt wird, dass man ein falsches Bild von der Insel bekommt und dazu tendiert, sie zu heorisieren. Klar, die USA sehen sich den Briten  unter allen Europäern nach wie vor am nächsten und wo die amerikanische Geschichte nichts hergibt, weil das Land damals noch von langweiligen Angehörigen der First Nation besiedelt war, muss die englische zur Glorifizierung herhalten. Oder die schottische, wie in „Braveheart“.

In Wirklichkeit hat William Wallace nicht ganz die zentrale Führungsrolle gespielt wie im Film und vor allem war Bruce kein Verräter, der sein Mäntelchen nach dem Wind gehängt hat. Einmal hat er die Seiten gewechselt, aber nicht im Zusammenhang mit William Wallace, und jedenfalls war er es, der den Kampf weitergeführt und Schottland unabhängig gemacht hat – für lange Zeit. Ein netter Einfall übrigens vom ausstrahlenden Sender, „Braveheart“ und „Highlander“, über den wir ebenfalls schreiben werden, am Tag vor dem Unabhängigkeitreferendum der Schotten auszustrahlen. In gewisser Weise kann man das als ein Votum pro Abspaltung sehen. Mittlerweile wissen wir aber, dass die Schotten heute keinen so unbändigen Freiheitsdrang mehr haben wie William Wallace und mehrheitlich mit den Engländern im Vereinigten Königreich verbleiben wollten.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung neun Jahre nach der Erstellung des Entwurfs: Die Geschichte schreibt sich immer weiter fort. Die Engländer haben mittlerweile das Vereinigte Königreich von Europa abgespalten, während die Schotten in der EU bleiben wollten. Ein neues Referendum könnte kommen, denn der Deal von 2014 gilt nicht mehr, weil die Engländer ihn gebrochen haben.

Der Film ist eben ein Vehikel für „Mad Max“ Mel Gibson, und wenn man mit diesem Endzeitthriller angefangen hat, der so erfolgreich war, dann gibt es nur noch Großprojekte. Und es gibt Geschichtsfälschungen dort, wo der Vehikelstatus es verlangt. Die geheime Ehe oder wenigstens die Beziehung mit der schönen Murron (Catherine McCormack) hat es wohl gegeben, es dauerte auch länger als im Film, das Paar hatte zwei  Kinder, aber niemals hatte William Wallace eine Romanze mit der französischen Prinzessin Isabelle, der Frau von Eduards des I. Sohn, des Erbprinzen, der ebenfalls Eduard hieß. Diese war nämlich erst zehn Jahre alt, als Wallace hingerichtet wurde. Dient also die erste Romanze und deren gewaltsames Ende als Triebfeder, als Motiv für Wallaces Aufstehen gegen die Besatzer, so ist die zweite notwendig, damit im Persönlichen mehr Spannung drin bleibt und nicht alles, was Wallace angeht, auf das Verhältnis zu den treuen Miststreitern und den intriganten Adeligen reduziert ist.

Ganz offen, wir halten Mel Gibson für eine Fehlbesetzung. Obwohl wir zu dem Zeitpunkt noch nicht gelesen hatten, dass Wallace während der meisten seiner Handlungen viel jünger war als Gibson im Film ist und wirkt, war dies die erste Dissonanz, die uns auffiel. Dass Wallace ein außerordentlich großer Mann gewesen sein muss, während Gibson gerade mittlere Größe hat, ist eine Sache, die man nicht überbewerten sollte. Die Altersfrage aber können wir nicht ignorieren. Gibson war  zum Zeitpunkt des Drehs 39 Jahre alt, wirkt aber eher wie Mitte 40. Darf man so etwas schreiben? Doch, wenn es die Darstellung einer Figur belastet.

Die Veränderung der historischen Fakten bringt auch eine Verschiebung des Akzentes mit sich – der Freiheitskampf der Schotten wirkt mehr wie ein Rachefeldzug eines einzelnen Mannes, da kann er das Wort „Freiheit!“ noch so oft aussprechen – zuletzt auf der Richtbank. Unterstützt wird der Eindruck dadurch, dass es keinerlei Transzendierung der Motive gibt, keine Gespräche mit seinen Freunden darüber, wie sich seine Sicht im Lauf der Zeit entwickelt. Wir sind darauf zurückgeworfen, dass er nach dem Tod seines Vaters bei seinem Onkel eine Erziehung erhielt, die seine geistigen Fähigkeiten entwickelt hat, was sich später unter anderem darin äußert, dass er die französischen Damen in ihrer Landessprache ansprechen und sie damit beeindrucken kann und dass er die in Latein vorgenommenen Äußerungen eines Beraters versteht – und, nebenbei, zu schnell damit herausrückt, dass er die alte Sprache der Kirche kann. Klüger wär’s gewesen, das erst einmal nicht erkennen zu lassen. Klüger in dem Sinn, den sein Vater wohl gemeint hat, als er das Kind William unterwies, seinen Kopf zu gebrauchen, nicht bloß das Schwert. Dass er jede Falle, die man ihm stellt, geradezu riecht, ist aber dennoch mehr eine Eigenschaft, die sich nicht aus Bildung, sondern aus Instinkt speist. Hätte man William nicht als armes Bauernkind dargestellt, sondern als den Großgrundbesitzersohn, welcher er wirklich war, wäre auch die Bildungsoffensive des Onkels eher nachvollziehbar, der demgemäß auch von höherem Stand war.

Der nächste Kritikpunkt gilt der Dramaturgie des Films. Die Logik der Ereignisse stimmt recht gut, wie eine Stufe der Eskalation sich aus der vorherigen ergibt, ist nachvollziehbar – aber das Werk ist zu lang. Beinahe drei Stunden. Natürlich, ein Epos. Drunter wollte es Mel Gibson nicht tun. Ein Epos als Einmann-Show ist aber meist etwas langweilig, so viel dieser einzelne Mann auch erlebt haben mag. Sofern die Erlebnisse sich beinahe nur auf Schlachten und ein paar Zwischendurch-Intrigen beschränken. Filmisch ist das alles nicht schlecht gemacht, der hohe Aufwand an Statisten sorgt für die richtige Kulisse, wenn die Armeen der Engländer und der Schotten aufeinander prallen – aber muss man die Mystik von William Wallace wirklich mit einem Schwertwurf darstellen, der eine gefühlte Minute dauert?

Es gibt zu viele Zeitlupen und die Kunst der Begrenzung fehlt dem Werk. Klar, wenn kein Studio reinredet und man nicht nur Hauptdarsteller und Regisseur ist, hat der Zuschauer ausnahmsweise den Director’s Cut auf der Leinwand. Da fehlt nichts, da gibt es keine harten Übergänge, die auf das Herausschneiden von Szenen schließen lassen. Es ist auch nicht so, dass der Film sich nicht steigert, die Schlachten werden schließlich immer größer – aber der Held bleibt gleich, obwohl gerade da eine Chance für Gibson gelegen hätte: sich an sein echtes Alter sozusagen heranzuarbeiten. Das Wirken von William Wallace hat ja auch zwanzig Jahre gedauert, die Veränderungen, auch optische, auch bei den Freunden usw. hätte man sehen dürfen. Nur bei Eduard I. aber kann man derlei wahrnehmen und beim Vater von Robert the Bruce – kurioserweise bleiben deren Söhne immer gleich jung.

Aufgrund der Darstellung des Prinzen Eduard, der mit seiner schönen französischen Frau nicht schlafen kann, sodass es heißt, für den Enkel müsse wohl Eduard der Ältere sorgen, während der Prinz, ein Weichling, einen auffallend hübschen Berater hat, haben Kritiker auf Gibsons Homophobie geschlossen – vermutlich besonders aufgrund der Szene, als der Vater den Berater beim Schlafittchen packt und aus dem Fenster schmeißt, was dieser nicht überlebt, woraufhin der Sohn sehr weibisch reagiert.  

Finale

Die jüngeren  Historienfilme wie „Alexander“, „Troja“ haben alle diese Mitte und diese Kraft nicht mehr, die Cecil B. deMille und andere klassische Regisseure ihren Epen verleihen konnten, haben nicht die poetische Ausstrahlung der großen Filme von David Lean oder die Wucht der epischen Dramen der 1950er, die im Grunde schon 1939 mit „Vom Winde verweht“ aufgestiegen waren– unabhängig davon, ob sie nun echte „Biopics“ waren Romanfiguren im Mittelpunkt standen. Der Charme das ganz, ganz großen Kinos ist diesem Genre offenbar abhandengekommen. Das trifft nach unserer Ansicht auch auf Braveheart zu, obwohl Gibson alles tut, um die wirklichen Ereignisse so zu verändern, dass sie eine Verdichtung und Anreicherung ermöglichen.

Bei unserer Kritik ist zu berücksichtigen, dass wir immer den fünffachen Oscargewinner im Blick haben und das Urteil daher härter ausfällt, als wenn der Film nicht so hoch dekoriert worden wäre. 1995 war wohl nicht das beste aller Filmjahre seit Beginn der Oscarverleihungen, aber trotzdem hätte es Konkurrenten gegeben, deren künstlerische Kraft wir höher einschätzen, wie „Leaving Las Vegas“, der nicht einmal für die Kategorie „bester Film“ nominiert wurde, Ang Lees „Sense and Sensibility“ (nominiert), „Apollo 13“ (nominiert), „Dead Man Walking (nicht nominiert, jeweils Kategorie „bester Film“).

Der einzige Historienfilm jüngerer Zeit, der ähnlich hoch gewertet wird wie „Braveheart“ ist „Gladiator“ (2000) von Ridley Scott, zu diesem fehlt uns aber noch der Vergleich.

Wir kommen leider nicht auf die ganz hohen Wertungen, die sehr viele Nutzer für „Braveheart“ vergeben, sondern enden bei 66/100.

Zweite Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2023: Wir haben mittlerweile auch die  „Lethal Weapon“-Reihe gesichtet, die Gibsons Ruhm gefestigt hat. Da wiederum haben wir die hymnischen Besprechungen mancher Kritiker nicht verstanden – wenn es um Action-Kino dieser Art geht,  halten wir die „Die Hard“-Filme mit Bruce Willis für besser, die ein paar Jahre später gestartet sind. Immerhin können wir nun wieder einen „Top 250“-Film abhaken.

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Mel Gibson
Drehbuch Randall Wallace
Produktion Mel Gibson
Alan Ladd junior
Bruce Davey
Musik James Horner
Kamera John Toll
Schnitt Steven Rosenblum
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 

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