Filmfest 942
Ab in den Tunnel!
Mission: Impossible ist ein US-amerikanischer Actionfilm des Regisseurs Brian De Palma mit Tom Cruise und Jon Voight aus dem Jahre 1996, der auf der Fernsehserie Kobra, übernehmen Sie bzw. deren Ableger In geheimer Mission basiert. Es handelt sich um den ersten Teil der Mission-Impossible-Filmreihe, zu dem es mittlerweile sechs Fortsetzungen gibt. Im Jahr 2000 erschien Mission: Impossible II, 2006 folgte Mission: Impossible III und im Dezember 2011 Mission: Impossible – Phantom Protokoll. 2015 wurde Mission: Impossible – Rogue Nation veröffentlicht. Im Sommer 2018 startete mit Mission: Impossible – Fallout der sechste Teil der Reihe. Der siebte Film Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins erschien 2023; die direkte Fortsetzung Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Zwei ist für 2024 geplant.
M:I ist also mittlerweile ein richtiges Franchise geworden. War der Startfilm wirklich so gut, dass dies naheliegt? Die Story, wie der CIA-Agent Ethan Hunt (Tom Cruise), der unter Verdacht gerät, sein eigenes Team geopfert zu haben und ein Verräter zu sein, der hilft, Listen von Agenten außer Landes zu schmuggeln, versucht, sich reinzuwaschen, sorgt für 90 Minuten Action und Spannung. Mehr dazu steht in der -> Rezension.
Handlung (1)
Ein Verräter aus den Reihen der IMF ist im Besitz einer Hälfte der Non-Official-Cover-Liste (abgekürzt NOC-Liste), welche die Decknamen sämtlicher verdeckter IMF-Agenten in Osteuropa enthält. Doch zum Lesen braucht er die zweite Hälfte der Liste mit den echten Namen der Agenten. Die will er aus der amerikanischen Botschaft in Prag stehlen. Die Agenten der Spezialeinheit IMF (Impossible Missions Force) haben den Auftrag, diesen Coup zu dokumentieren und die Hintermänner festzunehmen. Doch der Einsatz um den Agenten Ethan Hunt geht schief. Scheinbar kommen außer Hunt alle Agenten, darunter auch der Teamchef Jim Phelps, ums Leben.
Als Hunt, am Boden zerstört, Kontakt zu IMF-Offizier Kittridge aufnimmt, erfährt er, dass die gesamte Aktion nur dazu diente, einen Maulwurf innerhalb des IMF zu enttarnen, und dass der Computer, auf dem die angebliche Liste gespeichert war, keine wertvollen Daten enthielt. Bei dem Gespräch mit Kittridge erfährt er von Max, einem involvierten Waffenhändler. Ihm wird auch bewusst, dass der Verdacht auf den einzigen Überlebenden der gescheiterten Aktion fallen wird, d. h. auf ihn selbst. Daraufhin ergreift er die Flucht.
Am Treffpunkt seiner ehemaligen Einheit trifft er zur zuvor festgelegten Uhrzeit auf seine tot geglaubte Kollegin Claire. Hunt sieht seine Chance, an den Maulwurf ranzukommen, darin, Kontakt zum Waffenhändler Max aufzunehmen. Max stellt sich bei einem Treffen als Frau heraus. Ihr bietet er die echte und vollständige NOC-Liste an im Tausch gegen zehn Millionen Dollar und den Namen des Verräters. Mit dem Besitz der NOC-Liste will Hunt den Maulwurf aus dem Hintergrund locken, da dieser versuchen wird, die Liste an sich zu nehmen. Zusammen mit Claire und den beiden Ex-Agenten Luther und Krieger plant er den Coup. Die echte NOC-Liste befindet sich gut geschützt auf einem Computer im CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia. (…)
Rezension
Plus
- Da man schlauerweise den Film ziemlich kurz gehalten hat, gibt es kaum Ruhepausen. Der Spannungsbogen deswegen nicht steil, weil es schon spannend anfängt und am Ende spannend aufhört. Das heißt, die Spannung ist mehr eine Linie oder Leine, die irgendwo – nicht zwischen den Wolken, aber etwa im obersten Stockwerk eines Mietshauses hängt, wo die Wäsche ziemlich im Wind flattert, wenn das Wetter entsprechend ist.
- Tom Cruise auf dem TGV. Das nächste Flattern. Aberwitzig, wie er auf der Außenwand des französischen Hochgeschwindigkeitszuges herumturnt (der, wenn er zwischen Frankreich und England verkehren soll, ein Eurostar sein müsste, und der ist kein TGV) und uns glauben lässt, bis auf eine Sturmfrisur geht alles glatt.
- Mit Cruise, den französischen Stars Jean Leno und Emanuelle Béart, John Voigt und Kristin Scott Thomas ist der Film für ein simples Action-Abenteuer sehr gut besetzt, wobei die Französin eine zwielichtige Figur abgibt und der Franzose einen hinterhältigen Deutschen spielt. Auch Jon Voigt, der Vater von Angelina Jolie Voigt, hat eine Schurkenrolle zu schultern, ebenso die große Vanessa Redgrave, die in diesem Film unter Wert eingesetzt wird.
- Die verräterische Bibel. Ja, ja, wer die Heilige Schrift als Chiffre benutzt, der geht hohes Risiko. Das muss auch der Schuft Jim Phelps erfahren, der seine Botschaften nach dem Buch Hiob gestaltet – und übersieht, dass in der Bibel, die er verwendet und in einem Hotel geklaut hat, ein Stempel enthalten ist, der auf dieses Hotel hinweist. Dadurch kann Hunt eine wichtige Verbindung ermitteln, die Phelps aufdeckt. Normalerweise müsste man den Stempel sofort sehen, wenn man die Bibel aufschlägt, aber wer rechnet schon damit, dass ein Hunt sie aus dem Regal zieht, weil er mit einem absoluten Geistesblitz darauf kommt, dass „Job“ nicht „Job“ meint, sondern Hiob.
Neutral
- Einerseits rasant und spektakulär gefilmt, andererseits voller Unklarheiten und mit einigen der Action geschuldeten Megapannen.
- Vor allem die Klimax mit der Verfolgung des TGV durch einen Hubschrauber in einem Tunnel ist in mehrfacher Hinsicht unmöglich. Der größte Klops ist uns sofort aufgefallen: Dass selbst dieser Tunnel, der viel breiter ist als die echten Zugtunnel, trotzdem unmöglich so groß sein kann, dass ein Hubschrauber mitsamt vorderem Rotorblatt hineinpasst. Wenn man das weiß, entwertet es die Action, obwohl ein richtiger guter Actionfilm heutiger Prägung auf haufenweise physischen Unmöglichkeiten basiert, was fragmentarische Naturen zu der Annahme bringt, dass nicht im Film, sondern mit ihrer eigenen Welt etwas nicht stimmt – und sie sich daher lieber mit der Playstation ins Virtuelle zurückziehen, anstatt diese physisch so begrenzte Wirklichkeit jeden Tag auszuhalten. Der verwendete Hubschrauber hat allerdings keinen Heckrotor, der vertikal steht und nicht mit den Tunnelwänden, sondern mit der Decke Probleme bekommen hätte.
- Wir haben nachgeschaut, was der verwendete Hubschrauber MD 520 NOTAR kann, weil wir gleich einen Verdacht hatten, der sich dann auch bestätigte: Auf jeden Fall kann er nicht so beschleunigen, dass er einem in voller Geschwindigkeit fahrenden TGV innerhalb von Sekunden mehrere hundert Meter abnehmen kann, er kann einem Hochgeschwindigkeitszug überhaupt nur bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 250 km/h folgen.
- Man kann heute nicht mehr nur Neues erfinden, daher sind Elemente wie der Datenklau in der CIA-Zentrale älteren Filmen stark nachempfunden. Auch da gab es schon mehrfach gesicherte Räume mit Lasern, aufwendigen Alarmanlagen usw. Die betreffende Szene in „Mission Impossible“ ist lediglich eine Modernisierung und Pointierung von Abläufen, wie sie vor allem in Heist-Movies, also nicht Agentenfilmen, sondern klassischen Krimis vorkommen (etwa in „Die Vier im roten Kreis“, 1970). Stilistisch ist die Szene gut gemacht und erinnert entfernt an den Stil von Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968).
- Im Ganzen ist die Handlung aber deshalb zu kryptisch und schwer verständlich, weil man das bewusst so inszeniert hat, um ihren Mangel an originellen Elementen zu kaschieren. Auch jenseits er oben erwähnten Beispiele war im Grunde alles schon einmal da. Und wenn man die Art betrachtet, wie im Film Datentransfer betrieben wird, war das für 1996 einerseits innovativ, andererseits aber ebenfalls unmöglich – wie zum Beispiel die offenbar per Satellit stattfindende Weiterreichung der Agentenliste durch „Max“. Satelliten-Internet gab es damals noch nicht, alles andere wirkt heute, angesichts der NSA-Weltabhörung, geradezu Members-Club-mäßig, zielgerichtet und exklusiv.
- Visuelle Umsetzung. Dem Plot angemessen virtuos und beweglich, stellenweise sogar stimmungsvoll, vor allem zu Anfang in Prag. Aber die Inszenierung könnte einen Rhythmus schaffen, wo die Handlung schon dampfhammerartig durchläuft, davon sieht sie aber ab und beschränkt sich im Wesentlichen darauf, alles im Griff zu behalten.
Minus
- Bei so viel Action und so wenig Spielzeit kann die Figurenzeichnung nicht überragend sein. Es geht nur darum, wer zu den Guten gehört und wer nicht. Bei Tom Cruise ist es natürlich klar, er ist der Held. Alle anderen stehen im Zweifel. So schlecht ist das an sich nicht gemacht, aber Motive und Hintergründe entfallen komplett. Bei Filmen wie „Rambo“, die das Actiongenre heutiger Prägung begründet haben, waren diese wenigstens noch vorhanden.
- Demgemäß sind die Stars unterfordert, bis auf Tom Cruise, der in etwa das spielt, was er kann. Es ist Geschmacksache, keine Frage, aber zu unseren Lieblingen gehört der pausbäckige kleine Schauspieler nicht, dessen Lachen in diesem Film, wo es naturgemäß selten gezeigt wird, ziemlich maskenhaft wirkt. Einen Cruise-Film als sehr gut zu bewerten heißt für uns, dass der Film an, Cruise herausgenommen, besonders gut sein muss. Für historische Schauspieler geben wir seltener solche dezidierten Meinungsäußerungen ab, für Jetztzeit-Mimen erlauben wir uns das aber, weil sie auch dazu beitragen, wie die Epoche, in der wir leben, durch die Medien, in denen sie wichtige Rollen spielen, mitgestaltet wird – und Typen wie Cruise haben etwas Künstliches und Konfektioniertes, das leider Einfluss auf die Ideale gerade junger Filmegucker hat. Wir wollen aber nicht verschweigen, dass Cruise drei Oscar-Nominierungen vorweisen kann, zwei als Hauptdarsteller („Geboren am 4. Juli“, 1989; „Tobey MacGuire“ im selben Jahr wie „M:I“ gedreht, 1996) und eine als Nebendarsteller („Magnolia“, 2000).
- Der Titel drückt es aus: Diese Mission ist unmöglich. Das waren und sind die Bond-Filme natürlich auch, aber man muss diese Wahrheit ja nicht gleich als Überschrift verwenden.
Fakten
- Gemäß IMDb wird der Film von US-Nutzern und Nicht-US-Nutzern gleichmäßig mit 7,0/10 bewertet (7,1/10 im Jahr der Veröffentlichung des Textes, 2023), aber erwartungsgemäß nimmt der Spaß an diesem Werk mit dem Zuwachs an Lebenserfahrung sukzessive ab. Dass Frauen diesen nicht sehr frauenfreundlichen, sondern auch in einem von Frauen nicht unbedingt bevorzugten Genre angesiedelten Film immerhin genauso mögen wie Männer, liegt wohl weniger am Plot, sondern daran, dass es eben viele weibliche Tom Cruise-Fans gibt, die in der Mehrzahl kleiner als 1,70 Meter sein dürften.
- Das Drehbuch zum Film durchlief einige Transformationen, unter anderem war Richard Towne daran beteiligt, der das oscargekrönte Buch zu „Chinatown“ schrieb, den wir kürzlich rezensiert haben. Von der klassischen und geradezu exemplarischen Perfektion des Chinatown-Skripts ist das von „Mission: Impossible“ einige Schritte entfernt.
- Erwähnen sollte man bei einem solchen Film, dass der Agent Ethan Hunt während der gesamten Zeit keinen einzigen Schuss aus einer Waffe abgibt.
- Der Film ist das teure Remake einer TV-Serie aus den 1960er Jahren namens „Cobra, übernehmen Sie“.
- Fürs Schauspielen und die Produktion erhielt Tom Cruise die für damalige Verhältnisse exorbitante Gage von 20 Millionen Dollar. Wieviel er davon Scientology abgeben musste, wissen wir leider nicht, dabei wäre gerade dieser Fakt interessant, um Film, Wirklichkeit und Hintergründe nicht aus dem Blick zu verlieren.
Finale
Typisches Kinderkino heutiger Prägung, wie Steven Spielberg und George Lucas es erfunden haben und wie es sich mittlerweile in allen Genres breitgemacht hat – zumindest den Hollywood-Mainstream betreffend. Man kann sagen, die Bond-Filme waren oder sind auch nicht realistischer, aber die älteren, besonders natürlich diejenigen mit Sean Connery, hatten Charme und Humor, und die heutigen mit Daniel Craig zeigen eine Härte, die wesentlich echter und physischer wirkt als alles, was Tom Cruise je als Superagent auf die Leinwand bringen kann.
Das sind die Originale, hinter denen eine Idee und ein Konzept steht. „M:I“ und die Folgefilme wirken wie schwache Epigonen ohne die kultigen Bond-Figuren – und der Charme des alten Europa, der von einigen Kritikern in den Prag-Szenen so hervorgehoben wird und der mit viel Aufwand inszeniert wurde, kann uns begreiflicherweise nicht vom Hocker reißen, weil wir das echte Prag in zwei Fahrstunden erreichen können und sehen, dass es mehr Atmosphäre hat, als ein paar Szenen in einem Actionfilm offenbaren können.
Wir werten „M:I“ aufgrund der ambitionierten Besetzung und des Show-Wertes einzelner Szenen und weil er gut unterhält, nicht gänzlich negativ, aber mehr als 6/10 sind für dieses Popcorn-Kino nicht drin.
Anlässlich der Veröffentlichung angehoben auf 62/100.
© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Brian De Palma |
|---|---|
| Drehbuch | David Koepp, Robert Towne |
| Produktion | Tom Cruise, Paula Wagner |
| Musik | Danny Elfman, Lalo Schifrin |
| Kamera | Stephen H. Burum |
| Schnitt | Paul Hirsch |
| Besetzung | |
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