Wie finden Sie es, dass die AfD einen Kanzlerkandidaten für die nächste Bundestagswahl aufstellen will? (Umfrage + Kommentar) | Briefing 222 | PPP – Politik, Personen, Parteien

Briefing 222 | Politik, Personen, Parteien, AfD, Weidel, Höcke

 Es ist schon seit Tagen ein Thema, dass die AfD einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkanidatin für die Bundestagswahl 2025 aufstellen will. Sofern sie dann auch stattfindet, denn es wird ja an einer Wahlrechtsreform geschraubt, die Legislaturperioden um ein Jahr verlängern soll, diesem Vorhaben stehen wir ablehnend gegenüber.

Gilt das auch für die Tatsache, dass die AfD mit Alice Weidel oder Björn Höcke oder mit jemanden, mit dem gegenwärtig niemand rechnet, als Kanzlerkandidat in diese Wahl 2025 oder 2026 ziehen will?

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie es, dass die AfD eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten für die nächste Bundestagswahl aufstellen möchte? – Civey

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Die AfD will für die nächste Bundestagswahl einen eigenen Kanzlerkandidaten oder Kanzlerkandidatin aufstellen. Die Co-Parteichefin Alice Weidel sagte letzte Woche bei RTL, dass die Aufstellung unabhängig von den aktuell hohen Umfragewerten geplant sei. Ähnlich äußerte sich auch ihr Partei-Co-Chef Tino Chrupalla im ZDF.  Er kündigte zudem an, die Werte der AfD bis zur Wahl „in den westlichen Bundesländern“ deutlich zu steigern und zur „Volkspartei” zu werden. 

Gegenüber der WELT sagte Weidel am Donnerstag, dass die Personalfrage noch offen sei. Sie schloss aber sowohl eine eigene Kandidatur als auch eine von Björn Höcke, Vorsitzender der thüringischen AfD-Landtagsfraktion, nicht aus. Sie kritisierte zudem seine Einstufung als rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz: „Herr Höcke ist kein Rechtsextremist.“ 

„Das war erst der Anfang”, schrieb Chrupalla gestern auf Twitter angesichts des gestrigen Wahlsieges von Robert Sesselmann (AfD) zum Landrat im thüringischen Landkreis Sonneberg. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, zeigt sich dagegen stark erschüttert vom Wahlerfolg einer Partei, die „laut Landesverfassungsschutz rechtsextrem [ist]”, berichtet die SZ. Es beruhige ihn „zutiefst”, dass „so viele Menschen dem zustimmen”. Er forderte die „demokratischen politischen Kräfte” zum Handeln auf.

Wieso haben wir uns nicht zu den 51 Prozent gesellt, die nach dem aktuellen Stand der Umfrage gegen die Aufstellung einer Kanzlerkandidat:innenperson seitens der AfD sind? Es sind nämlich auffälligerweise ziemlich genau so viele, wie sagen, dass sie niemals die AfD wählen würden, zwischen beiden Mengen dürfte ein hoher Schnittbereich bestehen. Wir haben auch gesagt, dass wir niemals die AfD wählen würden, haben aber mit „unentschieden“ gestimmt. Wir finden selbst, dass unsere „Unentschieden“ langsam beängstigende Ausmaße annehmen.  Haben wir unsere klare Meinung verloren?

In diesem Fall nicht. Für uns macht es tatsächlich keinen großen Unterschied, ob die AfD Weidel, Höcke oder ein rosa Rhinozeros ins Rennen schickt. Es ist ihr demokratisches Recht, das zu tun, wie bei allen anderen Parteien, auch wenn bei einem Rhinozeros die staatsbürgerlichen Voraussetzungen geprüft werden müssten. Nicht aber seine Gesinnung, und das gilt auch für Weidel & Co., solange die AfD nicht verboten ist. Die Idee ist auch nicht lächerlich, denn die AfD liegt in Umfragen derzeit auf einer Höhe, auf der auch die Grünen waren, als Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin der Partei für 2021 gekürt wurde. Ihr wurden reale Chancen ausgerechnet, es wirklich zu packen. Im vorherigen Satz liegt auch ein Hint: Schlussendlich landeten die Grünen bei 14,8 Prozent und waren weit weg von einem Wahlerfolg, der uns eine Kanzlerin Annalena Baerbock eingebracht hätte.

Wenn die Bundesregierung nicht alles falsch macht und die Opposition ihr Versprechen hält, eine Brandmauer zu ziehen, dann kann nichts passieren, denn selbst dann, wenn die AfD nicht so enttäuschen würde (ihre eigenen Anhänger:innen vor allem), wie das grüne Ergebnis 2021 es getan hat, hätte sie keine Chance, den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen.

Alice Weidel hat aber auf Twitter kundgetan, dass sie nicht glaubt, dass die CDU sich wirklich dauerhaft wird abgrenzen können, vor allem im Osten nicht. Wie zum Beweis dafür, dass die Machtvberhältnisse sich zugunsten der AfD entwickeln, wurde am Wochenende im thüringischen Sonnenberg ein AfD-Mann erstmals zum Landrat gewählt. Er gewann die Stichwahl gegen den CDU-Amtsinhaber.

Robert Sesselmann hat die Landratswahl in Sonneberg gewonnen. Damit stellt die AfD erstmals in Deutschland einen Landrat. In der Stichwahl trat Jürgen Köpper von der CDU gegen Sesselmann an.

Sonneberg hat am Sonntag, dem 25. Juni, Robert Sesselmann von der AfD gewonnen. Sesselmann kommt nach dem vorläufigen Wahlergebnis auf 52,8 Prozent und CDU-Kandidat Köpper auf 47,2 Prozent. Der Landtagsabgeordnete Sesselmann ist damit nach dem vorläufigen Wahlergebnis der erste AfD-Landrat in Deutschland.

AfD-Kandidat gewinnt Landratswahl im thüringischen Sonneberg | tagesschau.de

Wir hatten schon vor einiger Zeit festgehalten, dass es nicht die vorrangige und vornehmste Aufgabe geschätzter zivilgesellschaftlicher Organisationen sein kann, einen AfD-Landrat zu verhindern.

UPDATE: Höcke & Co. verhindern in Thüringen (Campact + Kurzkommentar) +++ „Ist die AfD Ihrer Meinung nach eine rechtsextreme Partei?“ (Umfrage + Leitkommentar) | Briefing 200 | Politik, PPP, Gesellschaft, Umfrage – DER WAHLBERLINER

Wir verstehen die Beweggründe sehr gut, aber gefragt sind die Wähler:innen und natürlich die herrschende Politik. Ähnlich wäre es, wenn jetzt Campact käme und uns auffordern würde, irgendwie einen AfD-Kanzlerkandidaten oder eine AfD-Kanzlerkandidatin zu verhindern. Das ist nicht der Bus, der vor unserer Tür parkt, weil wir die AfD nicht wählen. Es ist leicht, die AfD als rechtsextrem einzustufen, wie wir das im oben verlinkten Artikel getan haben, aber es ist schwer, diesen Rechtsextremismus in diesen Zeiten nicht salonfähig werden zu lassen.

Dummerweise müssen wir Alice Weidel faktisch zustimmen. Wir glauben auch nicht, dass die CDU sich im Osten noch lange wird einigermaßen nach rechts abgrenzen können, zumal deren dortigen Landesverbände auch nicht gerade „mittig“ sind und viele in diesen Landesverbänden sich eine Zusammenarbeit mit der AfD sehr wohl vorstellen können, teilweise sogar mehr wünschen als eine Koalition mit jeder anderen Partei. Da sind eben nicht nur 25 Prozent oder mehr AfD-Wähler und links davon gibt es eine strikte Grenze, vielmehr zeigt das gesamte politische Spektrum im Vergleich m it den alten Bundesländern eine Rechtsverschiebung.

Was ist, wenn Friedrich Merz vor die Wahl gestellt wird, mit der AfD zusammengehen oder Opposition? Was ist mit der wichtigen CDU-Ländermehrheit im Bundesrat? Als kleinerer Partner würde die CDU vielleicht in die Opposition gehen, aber wenn sie mit der AfD und nur mit ihr knapp an der Regierung bleiben könnte, als immer noch stärkste Kraft in einem Ost-Bundesland? Oder die Variante AfD oder Volksfront? Unsere westlichen Denkstrukturen dürfen wir nicht auf den Osten übertragen, das hat sich schon so oft als falsch erwiesen und erschwert das Verständnis für die früheren DDR-Bürger:innen und deren Nachkommen.

Und dann schauen wir uns an, dass in vielen Ländern Europas ähnliche Verhältnisse herrschen wie im deutschen Osten, auch in traditionellen westlichen Ländern wie in Frankreich oder Italien, wo es jeweils eine ganz starke Rechte gibt. Von den Konversionsländern, die rechts regiert werden, gar nicht zu reden. Wie konnte das passieren? Wie konnten so viele Wähler:innen, die lange als gute Demokrat:innen galten, so nach rechts gehen? Es gibt Antworten dafür, aber die kann man nicht unbedingt von einem Land auf das andere übertragen. Was es aber in vielen Ländern gibt, ist ein massives Unbehagen mit der aktuellen Situation.

Das trifft auch auf uns zu. Dass es nicht dazu führt, dass wir die AfD wählen, liegt an einer linken Herangehensweise an die Probleme, die wohl kaum zu bestreiten sind. Es liegt daran, dass wir durch Populismus verführbar sind, komme er von der AfD oder von Sahra Wagenknecht. Es liegt daran, dass wir uns zu intensiv mit den historischen und politischen Hintergründen der aktuellen Lage befasst haben, um glauben zu können, dass rechts die Lösung ist. Es ist aber nicht immer einfach, zu sagen, hier und da wird etwas richtig gesehen, aber wenn das so ist, dann ist es natürlich das Richtige im Falschen, während diejenigen, die für uns streiten sollten, die Linke, so viel Falsches im Richtigen macht. Wir halten aber die Trostlosigkeit der Lage lieber aus, als dass wir rechts wählen würden.

Ob die AfD jemanden ins Rennen um die Kanzlerschaft schickt, ist uns also ziemlich egal. Ob es der AfD helfen wird? Möglich. Und weiterhin gilt: Sie darf sich auf diese Weise pushen, falls es denn ein Push ist, wenn eine so rechte Figur wie Höcke es macht, sofern sie als Partei erlaubt bleibt.

Wir sehen sogar einen leichten Vorteil in dieser Personalisierung im Sinne größerer Klarheit, der uns aber gerade jetzt erst einfällt, nachdem wir abgestimmt haben: Wenn tatsächlich der Rechtsausleger bei den Rechten, Björn Höcke, Kanzlerkandidat wird und die AfD dann ein herausragendes Ergebnis einfährt, ist endgültig der Beweis dafür erbracht, dass es sehr vielen Menschen in Deutschland gar nicht rechts genug sein kann. Bei Alice Weidel wäre das nicht ganz so klar, weil sie es geschafft hat, aufgrund der permanenten Rechtsverschiebung der AfD schon fast mittig-konservativ zu wirken. Ursprünglich war sie am rechten Rand der AfD angesiedelt. Nicht sie hat ihre Positionen verändert, sondern die AfD ist rechter geworden. Ja, genau. Soll der Höcke es doch machen. Falls wir dann herausfinden, dass jemand, den wir kennen, AfD gewählt hat, dürfen wir ihn oder sie wenigstens als Nazi beschimpfen und den Kontakt abzubrechen.

Gewonnen ist dadurch für die Zukunft überhaupt nichts, aber es tut gut, mal wieder entrüstet sein zu dürfen. Nein, ernsthaft: Wir müssen die herrschende Politik endlich mehr fordern, damit sie sich nicht selbst zerstört und damit auch die Demokratie. Eine linke Alternative gibt es sowieso nicht. Die AfD einzugrenzen, ist möglich, wie der Rückgang vor einigen Jahren im Westen und die Stagnation zum selbe Zeitpunkt im Osten gezeigt hat. Das geht aber nicht von heute auf morgen, sondern nur dadurch, dass Vertrauen zurückgewonnen werden kann. Wer eine schnelle Einhegung der AfD will, sollte hoffen, dass die Wagenknecht-Partei bald kommt.

Kommt die Wagenknecht-Partei? (Umfrage + Kommentar) | Briefing 48 – DER WAHLBERLINER

Für Wagenknecht wäre es ein kompletter Bankrott, mit der AfD zusammenzugehen, daher würde diese neue Konstellation die fragile Balance erst einmal erhalten und fördern, die wir derzeit haben.

Wir würden auch diese Partei nicht wählen und auch die Union, die FDP, die SPD und die Grünen kämen für uns nicht infrage.

Würden Sie Wagenknechts Partei wählen? (Umfrage + Leitkommentar) | Briefing 213 | #PPP #Wagenknecht – DER WAHLBERLINER

TH

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