Emma (USA 1996) #Filmfest 947

Filmfest 947 Cinema

Emma ist eine US-amerikanische Literaturverfilmung aus dem Jahr 1996. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jane Austen. Regie führte Douglas McGrath, die Hauptrollen übernahmen Gwyneth PaltrowEwan McGregorGreta Scacchi und Jeremy Northam.

Mitte der 1990er Jahre erreichte die Welle von Romantik-Komödien mit englischem Background ihren Höhepunkt, unabhängig davon, ob sie im alten oder damals gegenwärtigen England spielten. Ein Jahr vor „Emma“ wurde Jane Austens Roman „Sinn und Sinnlichkeit“ verfilmt. Wie steht „Emma“ in diesem Umfeld? Dies klären wir in der –> Rezension.

Handlung (1)

Highbury, eine ländliche Gemeinde in England Anfang des 19. Jahrhunderts. Emma Woodhouse, eine gutsituierte junge Frau von 21 Jahren, lebt, seit ihre ältere Schwester und ihr früheres Kindermädchen geheiratet haben, nunmehr alleine mit ihrem älteren Vater auf dem Familiensitz. Ein gern gesehener Gast ist ihr Schwager Mr. Knightley. Der intelligente und rechtschaffene Junggeselle, der mit Mitte Dreißig im besten Heiratsalter ist, kommt gelegentlich zu Besuch. Sie kennt ihn seit ihrer Kindheit. Zusammen betreiben sie z. B. Bogenschießen und geben sich geistreichen Schlagabtauschen hin. Abgesehen davon passiert aber nicht allzu viel in Emma Woodhouses Leben.

Als Emma die Bekanntschaft von Harriet Smith – einer jungen Frau von geringem Stand – macht, versucht sie, ihr eine Freundin zu sein und sie mit einer angemessenen Partie zu verheiraten. Die Avancen des Farmers Robert Martin Harriet gegenüber beurteilt Emma negativ. Sie bewegt Harriet dazu, seinen Heiratsantrag abzulehnen. Als geeigneter Kandidat schwebt ihr Mr. Elton, der örtliche Geistliche, vor. Tatsächlich scheint dieser sich für Miss Smith zu interessieren, was Emma an seinen lobenden Äußerungen über ein Porträt Harriets, das sie gezeichnet hat, zu erkennen meint. Am Weihnachtsabend zerschellt die Hoffnung jedoch unerwartet. In einem unbeobachteten Moment gesteht Mr. Elton Emma, dass er sie liebe und heiraten wolle. Er ist geradezu entsetzt, als Emma ihn auf ihre Freundin anspricht, da er Harriet für weit unter seiner Würde hält. Emma wiederum ist entsetzt, dass Mr. Elton es gewagt hat, ein Auge auf sie selbst zu werfen. Kurze Zeit später heiratet der beleidigte und verletzte Mr. Elton eine junge Dame namens Augusta Hawkins. Augusta Hawkins ist die amüsante Karikatur einer anmaßenden und eingebildeten Neureichen.

In Gestalt des charmanten Frank Churchill naht die nächste Abwechslung. Emma erwartet, sich selbst in ihn zu verlieben, was aber nicht geschieht. In einer ironischen Szene analysiert sie, ob sie verliebt ist, wenn ja, wie sehr, und an welchen Symptomen sie die Liebe diagnostizieren kann. Frank Churchill ist unterdessen heimlich mit Jane Fairfax, einer mittellosen, aber klugen und hochgebildeten Waise aus Highbury und Nichte der Nachbarin Miss Bates, verlobt. Die beiden halten ihre Zuneigung zueinander aber geheim, da Frank von einer reichen Erbtante abhängig ist, die eine solche Verbindung nicht dulden würde. Frank flirtet zur Tarnung mit Emma und gilt als ihr Verehrer.  (…)

Rezension

Es gibt 17 Kinofilme und 25 Fernsehverfilmungen von Jane Austens Werken, besonders die BBC widmet sich hingebungsvoll dieser Traditionspflege (Stand 2017, zum Zeitpunkt der Erstellung des Entwurfs dieser Rezension, bis zur Veröffentlichung kamen weitere hinzu, hier nur die Angaben zu „Emma“: Im Jahr 1972 entstand die Fernsehserie Emma, 1996 auch der Fernsehfilm Emma mit Kate Beckinsale in der Titelrolle. 2009 folgte mit Emma eine vierteilige Fernsehverfilmung. 2020 kam eine weitere Verfilmung, mit Anya Taylor-Joy in der Hauptrolle, in die Kinos.

Die allererste Adaption aber rührt aus dem Jahr 1938, während der Stummfilmzeit sind, anders als bei vielen anderen berühmten Romanen, von Jane Austens Werken keine Verfilmungen bekannt. Durchaus möglich, dass dies auch daran lag, dass die Filme zwangsläufig sehr dialoglastig sind – wie auch die mir bekannten Verfilmungen.  Eine der schönsten Kino-Adaptionen ist sicher die MGM-Version von 1940 mit Greer Garson und Laurence Olivier von „Pride und Prejudice“. Obwohl ich den Film schon lange nicht mehr gesehen habe, prägt er immer noch mein Bild von der Austen-Welt, weil er einfach wundervoll gespielt ist. Vorsichtig ausgedrückt: Das lässt sich heute nicht mehr reproduzieren, wie sehr man glauben mag, man befände sich wirklich im frühen 19. Jahrhundert, und wie man annehmen muss, die Filmemacher des frühen 20. Jahrhunderts hatten die bessere Einfühlung, weil ihre Vorfahren aus der viktorianischen Epoche stammen („Emma“ entstand und spielt im „Regency“, also kurz davor).

Zudem gilt „Emma“ als literarisch besonders reifes, spätes Werk von Jane Austen, die leider, wie die Bronté-Schwestern, nicht besonders alt wurde. Daher man nur ahnen kann, wohin ihre weitere Entwicklung geführt hätte. Da in den letzten Büchern von Jane Austen die Gesellshaftskritik mehr hervortrat als in den früheren, ist anzunehmen, dass man bei der 1996er Verfilmung mehr Abstriche gemacht hat als etwa bei den ebenfalls ins Werk gesetzten Fernseh-Mehrteilern, um wirklich eine romantische Komödie im Stil der Zeit zu schaffen.

Im Stil der Clinton-Ära. Die Filme unterscheiden sich deutlich von früheren und späteren Werken, sind optimistisch und charmant, humorvoll und in satten, überwiegend freundlichen Farben gehalten. Kein Vergleich zum aktuellen State oft he Art, der langsam dem Schwarzweißkino zu Leibe rückt, ohne dessen Intensität zu erreichen. Aber vor mehr als 20 Jahren hat man sich einfach darauf konzentriert, bezaubeernde Charaktere in ebensolche Settings zu stellen, sie ebenso zu kleiden und damit auszudrücken, dass nach dem vermeintliche Ende der Geschichte auch die ältere Geschichte überwiegend liebenswerte Seiten aufweise. Nicht ganz so deutlich ist das in „Sinn und Sinnlichkeit“, der ein Jahr zuvor entstand und mehr dramatische Wucht entwickelt, aber „Emma“ ist ein sehr leichter und luftiger Film.

Mit einer adäquaten Titelfigur-Darstellerin? Es gibt Kritiker, die Gwyneth Paltrows Darstellung ablehnen, aber sie machen dies u. a. an einem angeeigneten und nach ihrer Meinung nicht geglückten englischen Akzent fest; das kann ich nicht beurteilen, weil ich die deutsche Version gesehen habe, die im üblichen Synchron-Hochdeutsch gehalten ist, bei allen Figuren. Und lässt man das Sprachliche weg, kann ich an Paltrows Darstellung nichts aussetzen. Immerhin wird „Emma“ als die Initialzündung für ihre Rolle der Viola de Lesseps in „Shakespeare in Love“ angesehen. Dafür wiederum erhielt Paltrow die höchste Auszeichnung der Filmwelt, den Oscar für die beste (weibliche) Hauptrolle. Ob sie der absolute Period-Picture-Typ ist? Sicher nicht in der Form wie Greer Garson, die ja wirklich Engländerin war und daher Britishness nicht adaptieren musste. Der Cast von „Emma“ ist insgesamt gut, aber nicht herausragend im Sinn der erwähnten Austen-Referenz, und Paltrow fällt nicht hinter die übrigen Schauspieler zurück. Sie hat ja auch eine nur in geringem Maß dramatische und überwiegend humorvolle, aber nicht flamboyante Rolle zu spielen. Ich fand ihre Emma sehr reizend und sie verliert nicht an Präsenz, wenn andere Figuren auf der Bildfläche erscheinen. Es ist eine ansehnliche Ensemble-Leistung zu vermerken, der spätere Star Ewan McGregor wirkt in diesem Ensemble zum Beispiel nicht besonders auffällig, jedenfalls nicht so, dass man aus seiner Darstellung des Churchill seine spätere Weltkarriere ableiten könnte.

Sicher hat der damalige Kinodebütant Douglas McGrath nicht alle visuellen Möglichkeiten des Kinos ausgelotet, aber die etwas statische und konventionelle Bildarbeit, kombiniert mit den heutzutage üblichen ausgefeilten Kostümen und Dekors steigert auch den klassischen Eindruck und ist bei einem solchen Historienfilm sicher nicht so zu kritisieren, wie es bei einem „Genrefilm“ aus dem Bereich Fantasy, SF oder Action der Fall wäre. Allerdings gibt es ein anderes Problem, das im Verlauf des Films deutlicher zutage tritt: Die Umsetzung eines längeren Romans in einen Zweistunden-Film ist hier drehbuchseitig nicht optimal gelungen. Anfangs noch hinreichend konzentriert, verzettelt sich das Skript dann aber in Einzelszenen, de sicher ganz hübsch sind, aber man erahnt auch zu früh, wie die Sache ausgehen wird und das kappt die Spannung doch erheblich, geht es doch nur noch um das „Wie“, den Weg bis zu der Lösung, dass am Ende jeder bekommt, was er verdient, die reizend zickige und etwas arrogante Emma nach ihrer Erleuchtung denjenigen, den sie wohl immer schon geliebt hat.

Hervorzugeben sind hingegen einige Szenen. Etwa die Pfeilschuss-Sequenz, in der sie in dem Moment, wo es ernst wird und auch um sie selbst geht, mächtig daneben schießt, sodass Mr. Knightley Sorge um das Wohlergehen seiner Hunde hat, die in der Nähe der Zielscheibe im Gras liegen. Aber auch vorher, man beachte dies, trifft sie nie genau ins Schwarze, immer knapp daran vorbei, soll heißen, ihre Beobachtungen und Absichten bezüglich der zu vekuppelnden Paare sind nicht ganz abwegig, aber auch nicht maximal präzise. Und dann die Musikszene, in der sie von der anmutigen Mrs. Westen in den Schatten gestellt wird und sich traurig abwendet, als Mr. Knightley dieser seine Aufmerksamkeit schenkt, während Emma neben ihm sitzt. Das ist wirklich süß gemacht und nimmt für die Emma-Interpretation Paltrows besonders ein.

Finale

Eine nicht unbedingt tiefgehende, aber ansehnliche und im Stil ihrer Zeit anmutige und warmherzige Verfilmung des vielleicht besten Austen-Romans. Mit „Emma“ hatte sich die Autorin bereits getraut, eine wohlhabende Frau zum Mittelpunkt zu machen, vielleicht, weil sie selbst bereits berühmt war und sich den Kummer über die damalige wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen, die alles darauf ausrichten mussten, eine gute Partie zu machen, bereits von der Seele geschrieben hatte. Das ermöglicht natürlich einen elegant-ironischen Grundton und gewissermaßen einen Perspektivwechsel, denn nun ist nicht mehr die Titelfigur unter Druck, sondern es sind andere, und die Sichtweise ist die von jemandem, der sich keine Sorgen um sein materielles Wohlergehen machen muss.

75/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Douglas McGrath
Drehbuch Douglas McGrath
Produktion Patrick Cassavetti
Steven Haft
Musik Rachel Portman
Kamera Ian Wilson
Schnitt Lesley Walker
Besetzung

 

 

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