Top-Unterstützer der Ukraine: Deutschland ganz vorne, wenn man realistisch rechnet (Statista + Kommentar) | Briefing 233 | Geopolitik, Ukrainekrieg

Briefing 233 | Geopolitik, Ukrainekrieg, Russland, Ukraine, Geberländer, Hilfe für die Ukraine, Gesamtkosten

Heute haben wir bereits über Rüstung geschrieben. Die größten Importeure, zu denen aktuell natürlich auch die Ukraine gehört, die größten Exporteure, Länder mit besonders hohen Rüstungsausgaben.

Wer importiert weltweit die meisten Waffen? +++ Wo kommen sie her und wer rüstet selbst am meisten? (Statista + Kommentar) | Briefing 232 | Geopolitik, Wirtschaft

Gehen wir einen Schritt weiter und schauen uns an, wie der gegenwärtige Stad der Hilfe für die Ukraine im Krieg gegen Russland aussieht:

Infografik: Militärhilfe: Die Top 10 Unterstützer der Ukraine | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Bei einem Vergleich der Unterstützung der Ukraine nach Ländern liegt Deutschland mit rund elf Milliarden Euro zusammen mit dem Vereinigten Königreich an gemeinsamer dritter Stelle. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis des Ukraine Support Trackers des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Die gezeigten Beträge beinhalten die finanzielle Unterstützung für militärische Zwecke, die humanitäre Hilfeleistungen und den Wert der gelieferten Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Allein nach dem Wert der gelieferten Waffen liegt Deutschland mit 7,5 Milliarden Euro an zweiter Position.

Die größte militärische Unterstützung bekommt die Ukraine aus den USA: Im Zeitraum vom 24. Januar 2022 bis zum 31. Mai 2023 flossen von dort 25 Milliarden Euro an finanziellen Hilfen für militärische Zwecke. Außerdem lieferten die USA der Ukraine Waffen im Wert von rund 43 Mrd. Euro.

Der Ukraine Support Tracker des IfW Kiel erfasst systematisch den Wert der Unterstützung, die Regierungen von 31 westlichen Ländern der Ukraine seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 zugesagt haben. Erfasst sind militärische, finanzielle und humanitäre Hilfen, die öffentlich bekannt sind. Die Datenbank soll die Diskussion über die Unterstützung der Ukraine mit Fakten unterfüttern.

Andere Quellen sprechen von bis zu 16,7 Milliarden Euro, die Deutschland bereits in Richtung Ukraine transferiert oder zugesagt hat, um die russische Aggression abzuwehren. Freilich sehen wir die USA ganz vorne, aber wir können nicht oft genug darauf hinweisen, dass die USA wie kein anderes Land davon profitieren, dass in der Ukraine Krieg herrscht. Geopolitisch hat auch China viel davon, aber rein finanziell wird sich die US-Hilfe immer auch in viel Geld für die eigene Rüstungsindustrie niederschlagen. Wie aber werden die USA nach dem Krieg verfahren, wenn die Ukraine nach normalen Maßstäben die hier aufgebauten Schulden zurückzahlen müsste? So wie bei Großbritannien, das die Akte Schuldentilgung für Hilfe im Zweiten Weltkrieg erst 2010 schließen konnte?

In Deutschland brauchen wir uns solche Gedanken nicht zu machen, geschenkt ist geschenkt, gilt als Motto. Deswegen ist es auch vollkommen berechtigt, dass die hiesigen Hilfen nicht US-Dimensionen annehmen, nicht nur wegen der viel geringeren Möglichkeiten Deutschlands. Man sieht aber auch, dass bei den Waffenlieferungen Deutschland klar auf Platz 2 hinter den USA steht, vor Großbritannien, das seine Lieferungen immer sehr werbewirksam verkauft, während die Bundesregierung als ach so zögerlich dargestellt wird, natürlich auch von den Briten. In Sachen Propaganda ist Kanzler Scholz wirklich eine Niete, das muss man einfach mal festhalten. Wir mögen seinen immer noch vergleichsweise vorsichtigen Kurs faktisch, aber er müsste ihn anders rüberbringen, auch wenn sich dabei herausstellen sollte, dass er gar nicht so vorsichtig ist, sondern sehr progressiv in Sachen Ukraine-Unterstützung.

Leider ist das nur die halbe Wahrheit. Es empfiehlt sich nämlich auf der anderen Seite sehr wohl, rhetorisch den Ball flach zu halten. Das bietet Angriffsfläche für die Kriegstreiber, wirkt aber nicht so eskalierend wie das, was aus Ländern wie Polen oder Großbritannien kommt. Wenigstens ist der unsägliche Herr Melnyk weg, der so getan hat, als ob Deutschland überhaupt nichts zuwege bringt. Der Name ist übrigens der häufigste in der Ukraine und bedeutet – Müller. Tja. Das war kein Ausnahmemensch, sondern ein ziemlich durchschnittlicher und ziemlich unverschämter Typ, der auch seinen viel dezenteren Botschafter-Nachfolger schon angegangen hat, weil dieser nach Melnyks Ansicht nicht genug auf die Pauke haut.

Die EU leistet nach den USA die meiste Finanzhilfe, auf Rang drei steht dabei aber ein nichteuropäisches Land, das auf den ersten Blick keine Aktien im Ukraine-Krieg hat: Japan. Japan zählt aber zum Westen, auch wenn es in Ostasien liegt, und hat damit sehr wohl ein Interesse an einem Bestehen der Ukraine. Bei der humanitären Hilfe werden die USA auf Rang eins geführt. Da müsste eigentlich wieder ein anderes Land stehen, nämlich Deutschland. Offenbar werden die enormen Kosten für die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten nicht in die Grafik eingerechnet, die wir oben sehen, sondern nur Hilfe vor Ort, also in der Ukraine selbst.

Wenn man sich das für die Statista-Grafik zugrundeliegende Panel des IfW anschaut, das übrigens alle Hilfen bis zum 31.05.2023 beinhaltet, bestätigt sich das: Knapp hinter Polen liegt Deutschland auf Platz 2 bei den Hilfen für Geflüchtete. Diese übersteigen mit 13,9 Milliarden Euro auch die anderen Hilfeleistungen, die Deutschland bisher erbracht hat (10,7 Milliarden). Fast 6 Millionen Menschen sind aus der Ukraine aktuell in andere Länder Europas geflohen Situation Ukraine Flüchtlingssituation (unhcr.org), davon jeweils eine Million oder etwas mehr nach Deutschland und Polen.

Wenn es also darum geht, die Leistungen der Helferländer zu beurteilen, sollte die ukrainische Regierung  bedenken, dass hierzulande eine Million ihrer Bürger:innen sicheren Unterschlupf gefunden haben. Die deutschen Hilfen für die Ukraine summieren sich demnach mittlerweile auf ca. 25 Milliarden Euro.

Hinzuaddieren müsste man im Grunde auch die massiven wirtschaftlichen Schäden und Belastungen für die hiesigen Bürger:innen, die Deutschland sich wegen der Sanktionspolitik selbst eingehandelt hat, die nicht im Mindesten im eigenen Interesse, wohl aber in dem der Ukraine und der USA liegen.

Wenn wir nun in Betracht ziehen, wie groß die einzelnen Volkswirtschaften der Geberländer sind, kann man ohne Weiteres festhalten, dass Deutschland das beste aller dieser Länder ist. Es zahlt in Relation zu seiner Wirtschaftskraft am meisten, hat keine wesentlichen Vorteile davon und brockt sich zudem Nachteile ein. Diese Nachteile sind nicht so leicht zu beziffern sind wie die Hilfen, die wir oben dargestellt haben, weil die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten verschiedene Gründe haben. Jedoch hat der Ukrainekrieg und wie Deutschland darauf geantwortet hat, mit dazu geführt haben, dass Deutschlands Wirtschaft in Europa, zusammen mit derjenigen der durch ihren selbst arrangierten Brexit geplagten Briten, derzeit am schwächsten läuft.

Zwei Länder also, die unter hausgemachten Sonderproblemen leiden, bleiben hinter den anderen zurück, die sich teilweise für jede wirkungslose Kleinigkeit pompös feiern. Unschlagbar in dieser Disziplin, wie immer, Frankreichs Präsident Marcon. Kein Wunder bei alldem, dass die hiesige Politik den Spuren, die von den Lecks in den Nord-Stream-Leitungen möglicherweise in die Ukraine führen, nicht mit aller Entschlossenheit nachgeht und sie nicht an die große Glocke hängt. Die Unterstützung der Mehrheit im Land für einen Krieg, an dessen Beendigung auch die ukrainische Führung kein Interesse zu haben scheint, so zumindest die offiziellen Verlautbarungen, steht ohnehin auf der Kippe.

Auch gewisse politische Kreise hierzulande, die immer mehr und mehr fordern und oft der Rüstungslobby nahestehen, sollten sich etwas mehr zurückhalten, um diese Unterstützung nicht zu gefährden. Im Grunde läuft ohnehin alles für sie. Auch die sogenannte Zeitenwende, die eine massive Ausweitung der Militärausgaben mit sich bringt, während überall sonst gespart werden soll, geht auf das Konto dieses Krieges. Ohne ihn wäre das „Sondervermögen Bundeswehr“ = Sonderschuldenberg, der nicht im deutschen Staatsdefizit auftaucht, in Höhe von 100 Milliarden Euro nicht beschlossen worden.

Wir verbleiben auch nach den neuesten erhältlichen Zahlen bei unserer bereits mehrfach geäußerten Ansicht, dass Deutschland sich von niemandem vorwerfen lassen muss, man tue nicht genug für die Ukraine.  Außerdem bleiben wir unserem Verfahren treu, dass man Informationen genauer betrachten und gegebenenfalls ergänzen sollte, um ein realistisches Bild der Lage zu erhalten. In diesem Fall mit der Addition der Hilfe für Geflüchtete zu den Stützen für die Ukraine, wie Statista sie darstellt, und der Erwähnung des Sanktionsregimes als weiterem Faktor, der vermutlich viel höher zu veranschlagen ist als bisher errechneten 25 Milliarden Euro. Da dieser Gesamtsumme kein positiver Rücklaufeffekt gegenübersteht, kann man mit Fug sagen: Deutschland leistet in etwa das, was die USA als offiziell mit Abstand größter Geber gemäß Statista tun, in Relation zu seiner Größe sogar ein Mehrfaches.

TH

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