From Dusk Till Dawn (USA 1996) #Filmfest 959 #Top250

Filmfest 959 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (121)

From Dusk Till Dawn ist ein Film von Robert Rodriguez aus dem Jahr 1996.  

Dass George Clooney, dem man heute beinahe die Zeitlosigkeit eines Cary Grant zurechnet, gar nicht mehr so jung war, als er im Kino richtig bekannt wurde, belegt „From Dusk Till Dawn“, der zu den Filmen gehört, mit denen er in die A-Riege der Hollywoodstars vorstieß. Da war er schon 35 und musste also erst einmal eine Mischung aus Killer-Roadmovie und Splatterfilm durchstehen, bis er später zum Beispiel elf sympathische Gangster um sich scharen und den großen Coup in einem wesentlich stylischeren Film landen durfte. Mehr zu der Mischung aus Killer-Roadmovie und Splatterfilm, aber nicht zu „Ocean’s Eleven“ lesen Sie in der der Handlungsbeschreibung folgenden -> Rezension.

Handlung (1)

Seth Gecko und sein Bruder Richard werden vom FBI und der texanischen Polizei gesucht. Während Seth ein Krimineller ist, der seine Emotionen im Griff hat, ist Richard ein verhaltensgestörter, perverser Sexualverbrecher. Dieser hat Seth gerade aus dem Gefängnis befreit. Zusammen haben sie im Südwesten der USA eine Bank überfallen und dabei einen Zivilisten und drei Polizisten ermordet sowie drei Frauen als Geiseln genommen. Als sie auf der Flucht nach Mexiko einen Getränkeladen aufsuchen, um eine Straßenkarte zu kaufen, ermordet Richard grundlos einen Texas-Ranger und den Verkäufer; er selbst erleidet dabei einen Handdurchschuss. Zwei Geiseln können entkommen. Seth und Richard fahren mit der dritten Geisel, einer älteren Bankangestellten, die im Kofferraum ihres Wagens eingesperrt ist, weiter. Als Seth seinen Bruder mit der Geisel alleine im Motel zurücklässt, ermordet Richard diese bestialisch, nachdem er sich an ihr vergangen hat. Seth ist über diese Bluttat entsetzt. Um sich den US-Behörden zu entziehen, wollen sie sich nun nach Mexiko absetzen.

Im Motel nehmen sie den Geistlichen Jacob Fuller, der nach dem Tod seiner Ehefrau an Gott zweifelt, sowie dessen Tochter Kate und Adoptivsohn Scott als Geiseln, um in deren Wohnmobil über die Grenze zu kommen. Auf der Fahrt achtet Seth darauf, dass sich Richard von dem jungen Mädchen fernhält. Es gelingt ihnen mit Hilfe der Geiseln, die Grenze unbehelligt zu passieren. Sie fahren zu der Bar Titty Twister, eine abgelegene Tabledance-Bar mit Bordellbetrieb für Rocker und Trucker, zu der sie der mexikanische Unterweltboss Carlos für den nächsten Morgen bestellt hat. Dieser will den Gecko-Brüdern gegen Bezahlung Asyl in El Rey gewähren.

Seth hat vor, bis zum Eintreffen von Carlos in der dubiosen Bar zu warten. Am Eingang schlagen die Brüder den Koberer zusammen. In der Bar spielt eine Rockband, etliche Tänzerinnen auf Tischen und Emporen tanzen lasziv in knapper Kleidung, die im Stil an vergangene indianische Hochkulturen erinnert. Die Gruppe beginnt zu trinken. Als gerade die Hauptattraktion der Bar, die verführerische Santanico Pandemonium, getanzt hat, kommt der Koberer in Begleitung von Barkeeper und Rausschmeißer auf die Gruppe zu. Richard Gecko wird vom Barkeeper mit einem Messer in die verletzte Hand gestochen. Die Brüder strecken die drei mit Schüssen und dem Messer nieder. Das von Richards Hand herunterfließende Blut erregt die Aufmerksamkeit von Santanico, die sich plötzlich zu einer Hässlichkeit verwandelt, auf den Verletzen springt und mit den Zähnen seinen Hals aufreißt. Auch das niedergestreckte Trio erhebt sich wieder – es sind wie die Tänzerinnen Vampire.  (…)

Rezension 

Warum Quentin Tarantino sich hingegen in „From Dusk Till Dawn“ engagiert hat, nur zwei Jahre nach dem Erfolg von „Pulp Fiction“? Vielleicht, weil er auch mal vor die Kamera wollte und einen neurotischen Serienmörder spielen, der auch als Figur in seinen eigenen Filmen hätte vorkommen können. Es muss allen Beteiligten eine Menge Spaß gemacht haben, diese krude Persiflage auf die blutgetränkten Roadmovies der frühen 1990er („Natural Born Killers“, „California“ usw.) abzuziehen und außerdem im Vampirhorror-Genre mal zu zeigen, wie der Stand der Technik in etwa ist.

Der Film ist im Grunde für Menschen ohne Erwartungen gemacht. Wir haben zum Beispiel einen richtigen Thriller erwartet, noch böser, noch mieser und fieser als die oben erwähnten Roadmovies. Dass diese angesprochen werden sollen, ist schon an der Besetzung der weiblichen Hauptrolle oder wichtigsten weiblichen Rolle als Nebenrolle durch Juliette Lewis zu sehen, die damals beinahe zum Inventar der blutigen Roadtrips gehörte. Wie auch die sinnlose Gewalt, die immerhin nicht unrealistisch ist, wenn man verfolgt, was sich immer mal wieder tut, im ländlichen Amerika (im städtischen wohl auch, aber da wirkt es offenbar nicht so verstörend atavistisch und ist wohl eher durch Aktivitäten der OK hinterlegt, wozu es ja auch eigene Genres und Subgenres gibt).

Wir haben die obige Inhaltsangabe bis zum Zeitpunkt abgebildet,  zu dem sich der Film in das Vampir-Schlachtfest wandelt, den Rest möge in der Wikipedia nachlesen, wer sich an den zwangsläufig umständlichen Beschreibungen des Schlachtverlaufs ergötzen oder davor ekeln mag.

Je mehr Filme wir sehen, die in den USA erstaunlich hohe Zustimmung beim Publikum finden (zuletzt „Lethal Weapon“ aus 1987) und deren Philosophie auf simpler, oft exploitativer Gewalt fußt, desto mehr ist uns klar, woher die Verrohung der Zivilisation kommt, die nicht nur dort zu beobachten ist, sondern auch zu uns exportiert bzw. von uns importiert wird. Noch nicht mit signifikanten Auswirkungen auf die Rate an Tötungsdelikten, was aber auch damit zu tun hat, dass heute kaum ein solches Delikt unermittelt bleibt. Und den Freak, der trotzdem um sich schießt, der ist eben hierzulande noch nicht so weit verbreitet, vielleicht sind die meisten auch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges oder kurz danach draufgegangen und neue müssen erst herangezüchtet werden.

Wer sich dabei betätigen will, soll seine minderjährigen Sprösslinge mit Filmen wie diesem füttern, der es vor allem deswegen in die Anthologie des Wahlberliners geschafft hat, weil er erstklassige Kräfte wie Clooney, Tarantino, Lewis und auch Harvey Keitel einsetzt. Dadurch können wir ihn nicht auf die Weise ignorieren wie die unzähligen B- und C-Splattermovies. Er gehört zur für uns sichtbaren Spitze eines ziemlich scharfkantigen Eisbers. Wir rechnen anhand dieser und einiger anderer sehr bekannter Gewaltmovies hoch, wie groß dieser Eisberg wohl insgesamt sein muss und auch dies erklärt, unter Einschluss bekannter Computerspiele, warum die Erosion der Kultur unweigerlich voranschreiten muss, wenn man sich den ganzen Tag nichts anderes reinzieht als solche Machwerke – oder sogar interaktiv damit umgeht und dadurch ein trügerisches Gefühl von Macht und Einflussnahme gewinnt, das nichts mit der Realität zu tun hat.

Solche prinzipiellen Statements müssen unsere Leser aushalten, bei Filmen wie diesem, zumal wir generell den sozialen Kontext und die dazugehörigen Assoziationen in unseren Kritiken relativ stark gewichten. Was auch sonst, bei einem so sinnfreien und zynischen Schlachtfest wie diesem? Wir merken pflichtgemäß an, dass wir George Clooney einen Film wie diesen gar nicht zugetraut hatten und soweit wir’s gerade im Blick haben, hat er derlei auch später nicht mehr gemacht – gilt hingegen als einer der US-Stars mit dem ganz großen Charity-Appeal. Natürlich wird dieser Film nicht das positive Bild von ihm zerstören, das wir bisher hatten, er ist ja noch beinahe eine Jugendsünde, aber er belegt doch, wie nah manchmal auch die A-Garde am Trash siedelt.

Ganz zu schweigen von Quentin Tarantino, dessen Filme allerdings auch den Trash geradezu hoffähig gemacht haben. Diese Verbindung von Kunst und Geschmacklosigkeit ist tückisch, weshalb wir „Pulp Fiction“ zwar für alles gewürdigt haben, was er zweifellos ist, nämlich eine der furiosesten und witzigsten Gaunerklamotten der letzten Jahrzehnte, aber wir haben ihn nicht als einen der besten Filme aller Zeiten eingestuft, weil die Manipulationen, die auf sehr sarkastische Weise unseren Mangel an Geschmack und humanistischer Substanz offenlegen, zu deutlich erkennbar sind.

Wenn aber viele positive Aspekte wegfallen, die wir noch mit „Pulp Fiction“ verbinden, bleibt im Grunde nur die überdurchschnittliche Schauspielerriege, um „From Dusk Till Dawn“ einigermaßen vor dem vollständigen wertungsmäßigen Absaufen zu bewahren, wobei sich wieder die Frage stellt: warum eigentlich? Weil Clooney und Tarantino dabei sind? Vielleicht schon, ein wenig jedenfalls. Auch wir sind nicht frei von Gefühlen gegenüber Stars und Regiegrößen, und George Clooney ist für uns die Nummer Eins unter den gegenwärtigen Größen. Nicht unbedingt nur oder vorwiegend schauspielerisch, aber das Gesamtbild inklusive der Persönlichkeit macht’s.

Finale

Ist „From Dusk Till Dawn“ spannend? Ja, in der ersten Hälfte. Nein, ab dem Start der Vampirshow, denn das Ende ist wohl so vorhersehbar wie die Tatsache, dass auch heute die Sonne wieder untergehen wird und die Nachgestalten aktiv werden, und dass sie morgen früh wieder verschwinden müssen, denn Licht ist Gift.

Fraglich ist während des Gemetzels nur, wer neben Seth / Clooney, bei dem das ziemlich leicht zu erkennen ist, noch als Mensch, also ungebissen, überleben wird. Es ist das Mädchen, also Juliette Lewis. Und die beiden werden kein Paar, so wirkt es jedenfalls. Welch ein Schlag gegen die Sehnsucht nach Endharmonie. Welch Bruch mit der Tradition. Ist „From Dusk Till Dawn“ gut gemacht? Für seine Zeit sicherlich, an der technischen Qualität des letzten Tanzes für viele Vampire ist nichts auszusetzen – wobei wir keine Spezialisten für CGI-Beobachtung sind und auch nicht tiefer eingestiegen sind, wie hoch hier noch der Anteil der klassischen Maske ist und wie viel vor fast 20 Jahren schon am Computer entworfen werden konnte.

Eine moralische Botschaft wurde so gut versteckt, dass man erst darauf kommt, wenn man genreübergreifend nachdenkt: Der Schwerverbrecher Seth erscheint uns am Ende als liebenswürdige Retter-Figur. Wieder eine Manipulation mit vorgeblichen moralischen Werten, die sich bei näherer Betrachtung als schlapp erweisen. Man kann sie mit jedem Filmeffekt umstoßen. Deswegen ist es auch okay, dass Seth davonkommt, egal, wie viele echte Menschen er vor den Vampiren umgebracht hat. Es ist eh egal geworden.

Nachtrag anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Sommer 2023

Immerhin hat „From Dusk Till Dawn“ einmal in der IMDb-Top-250-Liste Platz gefunden, die allerdings just in dem Jahr eingeführt wurde, als der Film herauskam. Damals sind sehr viele neue Filme aufgenommen worden, die längst wieder aus der Liste verschwunden sind. So auch „From Dusk Till Dawn“. Gleichwohl gehört er durch seine einstige Platzierung zu unserem Konzept, möglichst viele Filme rezensieren zu wollen, die einmal in der Liste standen. Was uns jetzt erst eingefallen ist: Dadurch wird ein gewisser Schwerpunkt auf Filmen der 1990er liegen, denn  heute ist es viel schwieriger für einen neuen Film, sich einen Platz in der bekanntesten Topliste der Welt zu sichern. Trotzdem: „From Dusk Till Dawn“ hat heute noch eine Durchschnittswertung von 7,2/10. Das ist weit entfernt von den 8,1, die man aktuell braucht, um auf die erwähnte Liste zu kommen, aber noch weiter von der Bewertung, die wir vergeben haben. Dass wir so weit unter dem Durchschnitt der IMDb-Nutzer:innen liegen, ist sehr selten und auch sehr bedauerlich, denn immerhin spielt mit George Clooney ein Star mit, den wir sehr schätzen. Es gibt u. E. bessere Filme mit ihm. Unsere „Nummer eins“-Angabe aus dem Jahr 2015 haben wir so stehen lassen, obwohl wir mittlerweile neue Gesichter entdeckt haben und bekannte Gesichter teilweise positiver wahrnehmen.

51/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

Regie Robert Rodriguez
Drehbuch Quentin Tarantino,
Robert Kurtzman (nur Story)
Produktion Gianni Nunnari,
Meir Teper
Musik Graeme Revell
Kamera Guillermo Navarro
Schnitt Robert Rodriguez
Besetzung

 

 

 

 

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