Wie bewerten Sie die Kommunikation von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Bezug auf die von ihm geplante Krankenhausreform? (Umfrage + Kommentar: Vor allem in der Sache!) | Briefing 255 | Gesundheits, Wirtschaft, Gesellschaft

Briefing 255 | Gesundheitspolitik, Karl Lauterbach, Wirtschaft & Gesellschaft

Die Krankenhausreform ist nur ein Teil der x-ten Gesundheitsreform, die gerade auf den Weg gebracht wird, Kassenpatienten werden ebenfalls wieder mit Änderungen rechnen müssen. Aber der Krankenhausteil war ein schweres Stück Arbeit und soll eine grundsätzliche Fehlstellung beheben: Die Fallpauschale, die ökonomischen Druck auf Kliniken entwickelt und zu unnötigen Leistungen führt, also der Absicht, damit Kosten zu sparen, zuwiderläuft.

Hat Gesundheitsminister bezüglich der Kommunikation dieser Reform alles richtig gemacht? So fragt Civey heute, aber der letzte Absatz des Begleittextes zielt in eine andere Richtung.

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie die Kommunikation von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Bezug auf die von ihm geplante Krankenhausreform? – Civey

Begleittext aus dem Civey-Newsletter

Mitte Juli einigten sich Bund und Länder auf die Eckpunkte der Krankenhausreform. Laut Ärzteblatt ist unter anderem die Ablösung der Fallpauschalen für Krankenhäuser „durch Vorhaltepauschalen für Leistungen” vorgesehen. Zudem werden Qualitätskriterien festgelegt, so dass nicht mehr alle Kliniken per se alle Leis­tungen anbieten dürfen. Durch ein Transparenzgesetz sollen Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken veröffentlicht werden. 

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hob in der ARD den Wegfall von Bürokratie und des ökonomischen Drucks für Kliniken hervor und sprach insgesamt von einer „Revolution”. SPD, Grüne und SPD äußerten sich laut BR durchweg positiv. SPD-Fraktionsvizin Dagmar Schmidt verspricht sich so etwa eine deutliche Qualitätsverbesserung bei der Krankenhausbehandlung und eine „flächendeckende Versorgung”. Während „Ärzte, Kassen und Sozialverbände” den Entwurf laut Zeit begrüßten, reagierten Kliniken, Gewerkschaften und Opposition kritisch. 

Nun forderten 71 Bayerische Landräte Lauterbach in einem Brief auf, den Entwurf zu überarbeiten. Sie warnen darin vor „irreparablen Schäden in der akutstationären Grundversorgung” und „willkürlichen Krankenhausschließungen”, berichtete der Spiegel am Dienstag. Für Gerald Gaß, Vorstandsvorsizender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), ist die angekündigte Revolution ein „Eckpunktepapier voller Absichtserklärungen und Prüfaufträgen“ geworden. Auf der DKG-Webseite bedauert er einen Mangel an „Planungssicherheit”, „klaren Aussagen und Maßnahmen”.

Genau diese Befürchtung, nämlich, dass es auf dem Land zu einem Kahlschlag kommen wird, bevor die Neuerungen ab 2028 erst voll wirksam werden, haben wir bereits in diesem Artikel erwähnt.

Krankenhäuser kämpfen mit Kostenexplosion (Statista + Kurzkommentar) | Briefing 237 | Gesundheit, Wirtschaft, Gesellschaft – DER WAHLBERLINER  und uns zur Reform erstmals hier geäußert: Die Krankenhausreform des Grauens? | Briefing 90 | #Klinikschließungen #Fallpauschale #Pflegenotstand #Vorhaltepauschale #Profit #Privatisierung – DER WAHLBERLINER

Bei Karl Lauterbach, das haben wir mittlerweile gelernt, muss man  höllisch aufpassen, weil er eine ganz eigenartige Mischung aus Nerd und Lobbyist darstellt, der schon lange, bevor er durch Corona fast zum Politiker Nummer eins in Deutschland wurde, als Klinikschließungsapologet hervorgetreten ist. Als der SPD-Vorstand per Wahl der Mitglieder neu bestimmt werden sollte, nach vielen Fehlversuchen, fanden wir ihn noch ganz kultig und hätten uns, wären wir abstimmungsberechtigt gewesen, für ihn und seine Tandem-Partnerin Nina Scheer entschieden. Wir sind mittlerweile für die SPD froh, dass zunächst Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, jetzt Esken und Lars Klingbeil, es geworden sind. Lauterbach als SPD-Vorsitzender hätte der Partei geschadet, nicht nur, weil er nicht als Integrierer, sondern eher als Eigenbrötler gilt, sondern auch wegen seiner Mutation vom herausragenden Corona-Warner zum mindermittelprächtigen Gesundheitsminister.

Wir befürchten außerdem, dass auch ihm wieder nichts anderes einfallen wird, als die Krankenkassenbeiträge zu erhöhen und / oder die Leistungen zu kürzen, um die Kosten in den Griff  zu bekommen. Wo soll das eigentlich noch hinführen? Selbst absolut notwendige und die Arbeitsfähigkeit erhaltende Maßnahmen wie eine neue Brille muss man mittlerweile weitgehend selbst bezahlen. Das wird uns demnächst auch wieder treffen.

Das Gesundheitssystem ist ein Spiegel des Abstiegs eines einst gerade im Medizinbereich weltführenden Landes, dafür kann Lauterbach nicht alleine etwas, das versteht sich von selbst. Aber er hat auch keine besseren Lösungen, wie zum Beispiel, konsequent zum Kostendeckungsprinzip zurückzukehren, kapitalistische Kliniken, die Gewinne für Aktionäre erzielen müssen, anstatt bestmögliche Versorgung zu bieten, in staatliches Eigentum zurückzuholen, dafür aber ein Monitoring und Auditing einzuführen, das in der Lage ist, zu messen, was notwendig und wichtig ist und was nicht und wie es mit der Behandlungsqualität aussieht. Dabei sit es durchaus sinnvoll, eine gewisse Zentralsteuerung zu organisieren, die auf dem Land die Grundversorgung sicherstellt und in den Städten Zentren für High-End-Medizin herausbildet, ohne dass unnötige Mehrfachangebote bestehen.

Wäre das mehr Bürokratie, als zum Beispiel die vielen unterschiedlichen Klinikträger zu kontrollieren, sie aber selbst entscheiden zu lassen, was sie anbieten, was wiederum dazu führt, dass eben Unnötiges, aber Teures gerne genommen wird? Deutschland artet alles in mehr Bürokratie aus, das scheint ein Selbstläufer zu sein und bei Karl Lauterbach ist die Gefahr groß, dass er dieser Falle nicht entgeht.

Es hat hier schon lange keine wirklich überzeugende Reform mehr gegeben, deswegen hat der Begriff Reform mittlerweile einen miserablen Ruf und trägt dazu bei, dass die Menschen immer ängstlicher und zukunftsunsicherer werden. Sie haben gelernt, dass sie von jeder Reform negativ betroffen sind. Wenn man den Begriff eng auslegt, sagt er ja auch nichts darüber aus, ob es damit besser oder schlechter wird. Es sollte aber besser werden. Wir sind skeptisch.

Unser „sehr negativ“, das wir vergeben haben, hängt also nicht nur mit der Kommunikation von Karl Lauterbach zusammen, nicht einmal in erster Linie, aber wir sind den sachlichen Argumenten, die im letzten Absatz stehen, auch deshalb gefolgt, weil wir sie in ähnlicher Form schon von der Deutschen Krankenhausgesellschaft gehört haben. Dabei ging es vor allem darum, dass in der Übergangsphase bis zur Wirksamkeit der neuen Regelungen unzählige Kliniken ihre Pforten für immer schließen könnten.

TH


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