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Crimetime 1167 Titelfoto © BR

 Dies Ende hätten wir uns nicht gewünscht

Ende der Vorstellung ist die 99. Folge der Krimireihe Tatort. Vom Bayerischen Rundfunk produziert, wurde die Episode am 6. Mai 1979 im Ersten Programm der ARD erstmals ausgestrahlt. Es handelt sich um den zwölften Fall von Kriminaloberinspektor Veigl, dargestellt von Gustl Bayrhammer. In der Folge geht es um den Mord an einer jungen Theaterschauspielerin und eines jungen Mannes aus ihrem Umfeld.

„Ende der Vorstellung“ ist einer der gemäß Bewertungen von Tatort-Fans der Plattform Tatort-Fundus weniger beliebten Veigl-Filme. Er steht nicht ganz am Ende der Liste, aber vielleicht hat ein bestimmter Umstand dazu beigetragen, dass dieser Film von den Zuschauer:innen nicht so gemocht wird. Darüber und über weitere Aspekte zu dem Fall, der Veigls Dutzend vollgemacht hat, schreiben wir in der -> Rezension.

Die Ausstrahlung, nach der wir unsere Rezension geschrieben haben, wurde vom Bayerischen Rundfunk anlässlich des 100. Geburtstags von Gustl Bayrhammer (geboren am 12. Februar 1922, verstorben am 24. April 1993) durchgeführt.

Handlung

Kriminalhauptkommissar Veigl wird diesmal, bei der Aufklärung des Mordes an einer Schauspielerin, mit der Welt des Theaters konfrontiert. Seine Recherchen führen ihn an eine renommierte Münchner Bühne.

Veigl erfährt bald, daß Andrea Bäumler, die Ermordete, mit dem bekannten Schauspieler Carl Liebold befreundet war. Liebold aber lebt inzwischen mit der ebenso hübschen wie jungen Johanna Prasch, Andreas Cousine, zusammen.

Eine andere Spur führt zu Toni Inninger, einem polizeibekannten Kriminellen, der daraufhin überwacht wird. Trotzdem wird Inninger tot in seinem Wagen an einem Waldrand aufgefunden – alle Umstände deuten auf Selbstmord hin. Veigl zweifelt. Toni Inninger ist ein hartgesottener Ganove, nicht der Typ eines Selbstmörders. Allerdings gibt es Fälle, in denen selbst ausgekochte Knastbrüder mit sich und der Welt nicht mehr zurechtkamen und ihrem Leben ein Ende bereiteten. Trotzdem, Veigls Zweifel können nicht ganz ausgeräumt werden, zumal er einen neuen Hinweis bekommen hat. Wer weiß, ob er nicht zu einer heißen Spur führt?

Rezension

Es handelt sich um einen typischen Baukasten-Whodunit, in dem PHM Lenz nur ganz wenig vorkommt. Vielleicht, weil Helmut Fischer, der ihn spielt, damals schon ein bekannter Darsteller in anderen Serien war und sich einteilen musste. Veigl indessen hat auch noch seinen Hund Oswald verloren und so wirkt es auf dem Polizeirevier etwas trist. Er wird aber noch weitere drei Episoden durchhalten müssen, der Urbayer, der für die Verhältnisse der Zeit beachtliche 15 Fälle gelöst hat.

Umso mehr muss Brettschneider in die Bresche springen und als zweiter Mann viel Einsatz zeigen. Nicht so viel wie in „Wohnheim Westendstraße“, wo er undercover am Bau arbeitet. „Ende der Vorstellung“ ist mit 93 Minuten recht lang und konzentriert sich in der Tat wesentlich auf den Fall. Der ist gar nicht so schlecht gemacht, deshalb kommen wir jetzt zur Frage, warum er ein wenig unbeliebt ist.

Die Tatorte damals waren oft misogyn, offen oder versteckt, und hier gibt es ein Problem, das damals in dieser Reihe noch ganz selten zu bewältigen war, für das Milieu, aus dem auch heute noch viele Tatortseher kommen dürften: Eine Frau wird nicht nur als berechnendes Luder gezeigt, sondern sie kommt auch noch davon. In dem Moment, als sie die Kassette vernichtet, auf welcher der Schauspieler Liebold standesgemäß die Wahrheit preisgegeben hatte, dachte ich noch: Irgendwas wird der Veigl schon finden, um sie doch zu überführen. Aber in die Falle getappt, wie so viele alte weiße Männer, die sich ganz gewiss geärgert haben  über dieses Ende, das damals noch ungewöhnlicher war als heute.

Ansonsten ist das Theatermilieu immer mehr oder weniger fancy, weil die Menschen dort, das muss man immer wieder klarstellen, ganz anders sind als wir; eher so, wie wir uns die Menschen dort vorstellen. Ehrlich geschrieben, ich habe gar keine spezielle Vorstellung von Theaterleuten, ich weiß nur, dass sie einen Job haben, den ich nicht machen könnte, weil sie so viel Text auswendig lernen müssen. Außerdem müssen sie präsent und immer gut sein, wenn das Publikum erwartungsvoll vor ihnen sitzt. Die Fähigkeit zur Improvisation wird nicht immer so herausgehoben wie zu Beginn von „Ende der Vorstellung“, aber die Figuren sind auch sonst ganz gut gespielt und es macht daher doch Spaß, diesen Tatort anzuschauen.

Es ist durchaus bemerkenswert, was es auslöst, wenn Frauen verräterisch und hinterhältig wirken, während wir das bei Männern ja mehr oder weniger erwarten, und vor allem: akzeptieren. Bis zu einem gewissen Grad. Es gilt im Kapitalismus dann gerne auch als clever. Wir sind jetzt im Jahr 2022 und auch im Film allgemein und speziell in der Tatort-Reihe gibt es mittlerweile so viele Frauen, die ihre Chance suchen und finden, auch wenn es dabei nicht immer katholisch zugeht. Der der Fall Nr. 99  ist eben nicht von heute, sondern über 40 Jahre alt, und wirkt daher geradezu gewagt.

Das Zeitkolorit ist wieder einmal schön. Dieses Mal wirkt es fast wie in einem Film aus der Reihe „Der Kommissar“, der vielfach die gehobene Münchner Gesellschaft als Setting zu bieten hatte. Hier symbolisiert die Villa des Ex-Filmstars, der immer noch am Theater eine Starposition hat, aber natürlich nicht mehr das Darling von einst ist, das, was gong, im Wirtschaftswunderland. Mit ihrem Hallenschwimmbad und ihrer Architektur, die eben aus jener legendären Zeit stammt, als jeder Handwerker dachte: Ich auch, ganz bald! Und meine Kinder erst! Sie werden im Geld schwimmen wie der Bauherr im beheizten Pool. Im Kleinen spiegelte sich das eine oder andere dann auch in der kleinbürgerlichen Welt. Die nüchterne Anerkenntnis der Begrenztheit, die damals die überaus sachlichen DDR-Wohnungen durchflutete, war im Westen keine Alternative.

Finale

Die Kritiker der Fernsehzeitschrift TV Spielfilm beurteilten diesen Tatort mittelmäßig. Sie fanden, „der Veigl [wirkt] aus heutiger Sicht etwas behäbig“. So sei die Episode nur „für Freunde der Gemütlichkeit.“[2]

So kann man es sehen, aber man kann auch in den Vordergrund rücken, wie eigenartig die Filme und die Darsteller und überhaupt die Menschen damals in Tatorten waren. Im Grunde ist mit seinem Theater-Setting dieser Film einer, der von echten und falschen Gefühlen kündet und wie es zur Katastrophe führt, wenn man das nicht auseinanderhalten kann. Warum kommt es bei Schauspieler:innen so häufig zu wilden Beziehungsverläufen?

Ist es nur den Medien geschuldet, dass wir es so wahrnehmen? Der Aufmerksamkeit, die jenen Persönlichkeiten zuteil wird? Oder können Schauspieler wirklich nicht so recht zwischen gespielter und erlebter Emotion unterscheiden und sitzen daher in der Realität häufig Irrtümern auf? Was ist Fassade, was ist authentisch? Wie viel von der Fassade ist authentisch, wie weit dominiert also der Wunsch, eine Rolle zu spielen, und das gut, über den Wunsch, tiefere Beziehungen führen zu können? Darüber regt „Ende der Vorstellung“ durchaus an und es ist auch ein sehr melancholischer Film, wie meist, wenn Menschen am Ende ihrer Karriere gezeigt werden.

7/10

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2022)

Tabellarisch, kursiv: Wikipedia

Regie Georg Marischka
Drehbuch Norbert Ehry
Produktion Peter Hoheisel
Kamera Hermann Reichmann
Schnitt Christina Heinle
Premiere 6. Mai 1979 auf Deutsches Fernsehen
Besetzung

 

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