Blinder Fleck – Tatort 1244 #Crimetime #Vorschau ARD 24.09.2023, 20:15 Uhr #Zürich #Grandjean #Ott #SRF #Fleck #blind

Crimetime Vorschau – Titelfoto © SRF / ARD Degeto, Sava Hlavaceck

Gerade habe ich mir den Tatort „Schattenkinder“ angeschaut, den dritten des Teams nach „Züri brännt“ und „Schoggiläbe“. Mittlerweile sind wir aber schon bei Nummer sechs angelangt.

Zwei Filme pro Jahr werden mit dem Schweizer Team gedreht, das die Nachfolge von Flückiger / Mayer angetreten – und es ähnlich schwer hat, vom deutschen Publikum akzeptiert zu werden. Teilweise verständlich, wegen der Unverständlichkeit. Das Original muss immer synchronisiert werden und dabei geht die Lebendigkeit, die einen Dialekt auszeichnet, verloren. Die Übertragungen ins Hochdeutsche waren beim Team Flückiger / Mayer oft gnadenlos hölzern bzw. steif. Andererseits muss Schwyzerdütsch übersetzt werden, auch für mich, weil ich damit, anders als mit dem Wienerisch des Teams Eisner / Fellner nicht klarkommt.[1]

Um was geht es um sechsten Tatort des Teams Zürich und wie sehen die Meinungen der Profis dazu aus?

Handlung[2]

Ein brutaler Dreifachmord führt die beiden Kommissarinnen Isabelle Grandjean und Tessa Ott an einen Ausflugsort im idyllischen Zürcher Oberland. Eine Frau liegt erschossen in einem Auto, davor zwei tote Männer. Alle drei wurden mit einem Kopfschuss hingerichtet. Während Tessa zur Spurensuche den Tatort sichert, schaut sich Isabelle das Auto genauer an und macht dabei einen herzzerreißenden Fund: Die sechsjährige Ella hat sich unter dem Rock der toten Mutter versteckt und dort stundenlang ausgeharrt.

Tessa und Isabelle suchen nach einer Verbindung der drei Mordopfer. Ihre ersten Recherchen ergeben: Ellas Eltern Marco Tomic und Julie Perrier waren gemeinsam mit dem Schweizer Investor Joel Müller Inhaber des Startups „Protected View“. Das Unternehmen hat mit „Blind Spot“ ein Programm entwickelt, das computergesteuerte Gesichtserkennung zu erschweren vermag. Müller wollte die Firma an das US-Unternehmen „Security Rumpf“ verkaufen. Dagegen wehrte sich Tomic. Da „Security Rumpf“ sein Geld mit drohnengesteuerten Überwachungssystemen verdient, vermutete er, der Verkauf sollte sein Programm aus dem Verkehr ziehen. Jakob Bachmann (Uwe Schwarzwälder), das dritte Opfer, war der Bankberater des Unternehmens, den Müller dazu bringen wollte, Tomic den Kredit zu kündigen und ihn zum Verkauf zu zwingen.

Es gibt aber offensichtlich noch eine weitere Verbindung zwischen den Toten, die weit in der Vergangenheit liegt. Die beiden ermordeten Männer waren Mitglieder einer paramilitärischen Gruppe von Kroaten, die im Bosnienkrieg Kriegsverbrechen verübte. Ein dritter Mann der Gruppe, Lars Diemer, wurde dafür verurteilt und vor kurzem aus der Haft entlassen. Ihm gehört auch das geheimnisvolle Motorrad, das die Ermittler auf Drohnenaufnahmen entdecken, die in der Nähe des Tatortes gemacht wurden. Vieles deutet darauf hin, dass Diemer noch eine Rechnung mit seinen einstigen Kumpanen offen hatte. Steckt er hinter dem Dreifachmord im Zürcher Oberland? Als der Täter von der kleinen Ella erfährt, gerät diese erneut in große Gefahr.

Meinungen und Kommentierung

„Die Redaktion von Tatort-Fans meint: Mal wieder wird uns im Zürich-Tatort ein bunter Strauß an Themen präsentiert, bei dem es schwerfällt, den Überblick zu behalten – zumal der Nebenstrang um den Bosnienkrieg erst ganz am Ende aufgelöst und verständlich wird. Dennoch ist aus dem wilden Themenmix ein solider Krimi entstanden, der die Spannung bis zum Schluss hochhält. Ein großes Lob geht an Jungdarstellerin Maura Landert, die die traumatisierte Ella mit großer Intensität und total überzeugend verkörpert.“[3]

Im Tatort „Schattenkinder“, den wir kürzlich gesichtet hatten, stand durchaus ein Thema im Zentrum, der Wunsch nach einem Identitätswechsel, einer Neuerschaffung des Ich nach sexuellem Missbrauch. Für den Film haben wir wegen der interessanten Behandlung dieses Gegenstands, nicht wegen des sehr einfach gestrickten Falles, 7/10 vergeben (die Rezension ist noch nicht veröffentlicht). Die beiden Ermittlerinnen betreffend: Carol Schuler als Tessa Ott war für mich die Identifikationsfigur, ihre Kollegin muss doch etwas zu sehr das Kühl-Professionelle betonen – auch wenn es diesbezüglich in dem Film einen schönen Twist gibt. Das Nebenthema war dort Otts Probleme mit dem Waffengebrauch, das dazu hätte führen können, dass sie das Team verlassen muss. Das sollte im sechsten Fall aber keine Rolle mehr spielen.

„Tatort Zürich: solider Tatort, der Schwächen hat. Fakt ist: Einige können und wollen nicht vergessen, geschweige denn vergeben. Drohnen, Geld und Krieg – das sind die drei großen Themen in diesem Tatort. Da den Überblick zu behalten, ist nicht immer einfach und vieles klärt sich wirklich erst zum Schluss. Ein Plus sind die immer wiederkehrenden Drohnenaufnahmen z.B. von Ott und Grandjean.

Und auch Jungdarstellerin Maura Landert als Ella sticht heraus. Für den Umstand, dass sie praktischerweise immer genau so viel sagt, dass es den Ermittlerinnen nach und nach hilft, kann sie nichts. Auch nicht dafür, dass Ella im Polizeigebäude untergebracht wird, was nicht wirklich realistisch ist. Noch ein kleines Minus: Trotz Synchronisation war für mich Isabelle Grandjean auch diesmal wieder schwer zu verstehen. Alles in allem ist es für mich trotzdem ein solider Krimi – 3 von 5 Elchen.“[4]

Auch vom SWR-Check wird die Themenvielfalt kritisch angesprochen, aber der Krimi dennoch als solide eingeschätzt, und wieder der Hinweise auf die „Jungdarstellerin“, die ihre Rolle besonders gut zu spielen scheint. Der Hinweis auf die Verständlichkeit von Grandjean – ja, genau, daran erinnere ich mich jetzt in Bezug auf „Schattenkinder“. Man gibt ihr in der Synchronisierung einen leichten französischen Akzent. Sie ist in der Tat nicht maximal gut zu verstehen– vielleicht aber, weil die Lautstärke ihrer Sätze oft nicht gut gemanagt ist, sprich, sie ist zu leise, es liegt gar nicht so sehr am Akzent. Das Gedämpfte soll sicher die professionelle Konzentriertheit ihrer Figur unterstreichen, die Autorität, die kein Dröhnen braucht, aber bei entsprechender Soundumgebung kann es die Verständlichkeit beeinträchtigen.

„Drei Leichen und ein traumatisiertes Kind bescheren den Zürcher Kommissarinnen einen emotional aufwühlenden Fall. Ihr Ermittlungserfolg hängt nahezu allein von den Aussagen der kleinen Zeugin ab. Das verängstigte Mädchen im Mittelpunkt bestimmt auch die Tonalität von „Tatort – Blinder Fleck“ (ARD / C-Films-AG). Da wird viel getröstet und beschützt. Die Erzählung stärkt die etablierte Rollenverteilung im Zürich-Team, verzichtet aber auf emotionale Zusammenbrüche oder spektakuläre Wendungen. Wie zuvor „Tatort – Seilschaft“ entstand der fünfte Fall unter der Regie von Tobias Ineichen. Seine ruhige Inszenierung gewinnt durch Parallelmontagen zum Finale an Tempo. Passend zu einem der Verdachts-Stränge setzt Ineichen immer wieder Drohnenaufnahmen ein. Das funktioniert im Erzählfluss sehr gut, in der finalen Gegenüberstellung von Kommissarin und Täter nur bedingt.“[5]

Tittelbach-TV vergibt 4/6, nach 3,5/6 letzte Woche das zweite Mal hintereinander, dass der gefühlte Durchschnitt von 4,5/6 unterschritten wird. Da man den Tatorten dort aber generell positiv gegenübersteht (wir haben noch keine Wertung von weniger als 3/6 gesehen).

„Claudia Tieschky nutzte ihre Kritik an dem Film in der Süddeutschen Zeitung für ein Zwischenfazit der Entwicklung des Ermittlerinnen-Duos Grandjean und Ott und fragte, wie „ein derart goldrichtiges Ermittlerteam nur so schnell“ habe „verbiedern“ können. Thematisch fehle dem Fall „keineswegs grundsätzlich die Relevanz“, hinsichtlich der Machart aber die Glaubwürdigkeit. „Die Flughöhe in Sachen emotionale Komplexität ist schon fast gefährlich niedrig“, die Handlung schreite „hart am Rand einer Soap“ voran.[2][6]

Da wir bisher erst bis zu „Schattenkinder“ vorgedrungen sind, wo es immerhin noch um berufliche Existenzfragen geht, zumindest für eine der beiden Ermittlerinnen, können wir die Verbiederung nicht kommentieren, dazu fehlen uns noch die Tatorte 4 und 5 des Teams. Und natürlich der Film, der hier besprochen wird. Ich hatte auch Flückiger / Mayer nicht als bieder empfunden, mir gefiel die ruhige und sympathische Art von Stefan Gubser, den den Flückiger spielte, sogar besonders gut und war immer wieder eine erholsame Abwechslung zu den deutschen Teams, die mittlerweile so aufgekratzt daherkommen, dass man meint, die Mitglieder stehen alle unter Drogen. Mehr oder weniger. In einem Fall war das auch so, wenn man Psychopharmaka einbezieht.

Im Moment gibt es auch bei uns eine kleine Trendwende in Richtung Solidität oder Seriosität, aber wir müssen sehen, wohin es damit geht. Es wäre nicht gut, wenn dies ein Ausdruck des immer mehr ins Konservative und Rechte driftenden Zeitgeistes wäre, der kantige, auch provokante Figuren nicht mehr zulässt. Die Mischung sollte stimmen. Es kippte in den 2010ern etwas zu sehr in Richtung gewollt ungewöhnlich, ziemlich künstlich und realitätsfern, aber das ist etwas anderes, eine Entwicklung, die teilweise eher künstlich und aufgesetzt wirkte (Saarbrücken-Tatort, Tschiller-Hamburg-Tatort u. a.). Gar nicht so einfach, prägnante Charaktere zu erschaffen, die trotzdem glaubwürdig rüberkommen. Es muss an unserer Zeit liegen, in denen die Macher der Filme sich das Gespür für gelungene, interessante Persönlichkeiten quasi aus der Theorie ihres Filmstudiums heraus erarbeiten müssen, weil sie in der Realität zu selten auf interessante Persönlichkeiten treffen.

Auch das Zürich-Team, wir haben es oben in Bezug auf Grandjean erwähnt, ist zumindest in der deutschen Fassung etwas zu klinisch abgezirkelt.

„(…) Auch das macht „Blinder Fleck“ reizvoll: Das Publikum weiß mehr als die Ermittlerinnen. Was aber noch lange nicht heißt, dass es die richtigen Schlüsse daraus zieht. Regisseur Tobias Ineichen inszeniert, auch mit Hilfe von Michael Saxers (gelegentlich natürlich drohnengesteuerter) Kamera, „Blinder Fleck“ als einen perspektivenreichen, aber nie überladenen Kriminalfall, dessen Bildsprache das Thema spiegelt. Die Wahrheit ist wie so oft komplizierter als das, was man sieht. Egal ob mit seinen eigenen Augen oder denen einer Drohne.“[7]

Eine Kritik von unserem E-Mail-Provider Web.de, der ja auch längst ein Nachrichten- und Kommentardienst ist, mit Akzent auf den Drohnen-Aspekt und einer deutlich positiven Tendenz. Gute Drohnen, schlechte Drohnen: Es kommt darauf an, wer sie steuert und natürlich auch, was sie können und sollen. Wie bei jeder Technik, die „Dual Use“ erlaubt.

„Auch wenn der „Tatort“ von Karin Heberlein und Claudia Pütz (Buch) und Tobias Ineichen (Regie), die im Trio schon den vorigen Zürcher „Tatort: Seilschaft“ fabriziert hatten, nicht mit ganz großen Überraschungen aufwarten kann, so ist „Blinder Fleck“ ein solider, zum Ende hin dramatischer Krimi – mit einem wichtigen Thema, das künftig noch relevanter werden dürfte, sowohl zivil als auch militärisch. Die Dreharbeiten fanden im Herbst 2021 statt. Vier Monate später überfiel Russland die Ukraine, und seither haben Tausende Drohnen die Fronten überquert und für Tod und Zerstörung gesorgt.“[8]

Dual Use, wie oben erwähnt, und erstmals die Einbindung einer Kritik der Berliner Zeitung in unsere Vorschau. Damit kommen wir zum Ende dieser Übersicht und wünschen Ihnen viel Spaß mit dem Film, heute Abend um 20:15 Uhr.

TH

Besetzung

Hauptkommissarin Isabelle Grandjean – Anna Pieri Zuercher
Profilerin Tessa Ott – Carol Schuler
Kriminaltechniker Noah Löwenherz – Aaron Arens
Staatsanwältin Anita Wegenast – Rachel Braunschweig
Charlie Locher – Peter Jecklin
Milan Mandic – Igor Kovac
Luka Gasser – Nicola Perot
Ada Gasser – Patricia Litten
Lars Diemer – Marcus Signer
Judith Heinrich – Barbara Terpoorten
Luc Perrier – Sebastian Krähenbühl
Julie Perrier – Samia von Arx
Ella Perrier – Maura Landert
Joel Müller – Ralph Gassmann
Ivan Horvat – Pero Radicic
Ken Rumpf – Jarreth J. Merz
Marco Tomic – Patric Gehring
Jakob Bachmann – Uwe Schwarzwälder
u. v. a.

Buch – Karin Heberlein, Claudia Pütz
Regie – Tobias Ineichen
Musik – Fabian Römer

[1] Deswegen auch die kürzliche Sichtung von „Schattenkinder“. Im Moment rezensieren wir neue Tatorte nicht mehr sofort, aber die meisten kann ich rechtzeitig aus der ARD-Mediathek sichern, bevor sie herausgenommen werden. Die Zürich-Tatort muss ich aber auf dem Media-Receiver aufzeichnen, weil die über den Mediathek-Viewer abrufbare Version die schweizerische ist, die  hochdeutsche gibt es dort nicht. Und es war an der Zeit, auf dem Media-Receiver wieder etwas Platz zu schaffen. Es bedeutet leider noch nicht, dass wir Crimetime wieder voll bestücken, denn wir haben uns entschieden, dem Filmfest erst einmal Vorrang einzuräumen, bis alle Nacharbeiten dazu erledigt sind. Bezüglich der Zugrifszahlen sicher eine schwierige Entscheidung, die Rezensionen zu neuen Tatorten wurden beim Wahlberliner immer recht häufig abgerufen – aber eine konsequente.

[2] Blinder Fleck – Tatort – ARD | Das Erste

[3] Tatort Folge 1244: Blinder Fleck – Tatort Fans (tatort-fans.de)

[4] Tatort aus Zürich „Blinder Fleck“ mit Grandjean und Ott (swr3.de)

[5] Dieser Artikel stammt von http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6393.html

[6] Tatort: Blinder Fleck – Wikipedia

[7] „Blinder Fleck“: Ein traumatisiertes Kind erschüttert die Zürcher Ermittlerinnen | WEB.DE

[8] „Tatort: Blinder Fleck“ aus Zürich: Tödliche Flugaugen (berliner-zeitung.de)

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