Update: Berlin-Marathon mit neuem Fabel-Weltrekord +++ „LG“ stört nur wenig | Ziviler Ungehorsam in der Klimakrise (Verfassungsblog, Buchvorstellung) +++ Störung des Berlin-Marathons als neuer Aufmerksamkeitsgipfel im Flachland (DWB) +++ Überblick über bisherige Artikel im DWB zur LG | Literatur | Gesellschaft | Empfehlung | Klima / Umwelt | Klima-Energie-Report 32

Ergebnis Berlin-Marathon | KER | Klima / Umwelt | Kultur | Literatur | Gesellschaft | Buchempfehlung | Kurze Gedanken zum morgigen Berlin-Marathon und der LG
Wir setzen das Update zum heutigen Berlin-Marathon über einen Artikel, der den Akzent auf den Klimawandel und die „Letzte Generation“ legt, aber es ist auch einfach schön, dass es so gelaufen ist, dass sie einen Weltrekord laufen konnte.
 
Wie schon in den vergangenen Jahren war das Wetter wieder optimal. Freundlich, nicht zu kühl, nicht zu warm, zwischen 17 und 19 Grad.
 
Die Äthiopierin Tigst Assefa ist in Berlin zu einem Fabel-Weltrekord im Marathon gelaufen. Die 29 Jahre alte Vorjahressiegerin gewann in 2:11:53 Stunden und blieb damit mehr als zwei Minuten unter der bisherigen Bestmarke von Brigid Kosgei. Die Kenianerin war 2019 in Chicago 2:14:04 Stunden gelaufen. Assefa hatte den Berliner Streckenrekord im vorigen Jahr auf 2:15:37 Stunden geschraubt und war damit in die Welt-Elite über die 42,195 Kilometer vorgestoßen. Web.de
 
Eliud Kipchoge gewann wieder bei den Männern, konnte aber dieses Mal keinen neuen Weltrekord laufen und musste am Ende sogar aufpassen, dass er nicht eingeholt wurde. Trotzdem ist er mit fünf Siegen jetzt alleiniger Rekordhalter des Berlin-Marathons. Damit liegen nun beide Marathon-Weltrekorde, die bei realen Rennen gelaufen wurden, in Berlin. Das wird die Weltelite weiterhin hier an den Start bringen, selbst, wenn woanders die Preisgelder höher sein sollten. 
 
Wir werden noch viele solcher Rekorde in Berlin sehen, denn in dem obigen Artikel wird auch auf die verbesserte Schuhtechnik hingewiesen, die immer neue Bestzeiten ermöglichen soll. Hoffentlich stimmt das und wir stellen nicht irgendwann doch fest, dass verbotene Substanzen im Spiel waren, wie leider bei so vielen Sportarten, unabhgängig davon, um welche Anforderungen es dabei geht.
 
Falls sie einigermaßen erschwinglich sind, hätten wir diese Schuhe auch gerne, um damit ohne Rennrad in die Berliner Rennrad-Elite vorzustoßen, zumindest solange, bis sich das mit der Wunderwirkung der Schuhe rumgesprochen hat bzw. als Idee auch fürs verbesserte Radfahren von allen adaptiert wurde, die es betrifft. Spaß beiseite:
 
Die Frage, die viele vor der Veranstaltung beschäftigte: Würde die „Letzte Generation“ den Lauf so stören, dass die Ergebnisse dadurch beeinträchtigt werden oder er gar unter- oder abgebrochen werden muss? Die Antwort ist: nein. So hatten sie es auch nicht geplant, sondern auf eine Störung an zentraler Stelle, auf der Straße des 17. Juni, vor dem Start und in Sichtweite des Startpunkts gesetzt. Im Maximalfall hätte also der Beginn ein wenig verschoben werden müssen, doch dieser Fall trat nicht ein, weil die Polizei zugriff, bevor es  zum „Festkleben“ kommen konnte. Die Bilder vom Protest sind trotzdem um die Welt gegangen, und wir finden, das ist okay so.
 
Mit dieser Auffassung von legitimem Protest hat die LG sich auch unsere Sympathien erhalten. Dass einige der Läufer:innen orangefarbene Fußabdrücke auf der Straße des 17. Juni hinterlassen haben, wird sich höchstens dann zu einer Diskussion eignen, wenn sie die Ansicht vertreten, durch die Farbe an den Sohlen des Schuhwerks langsamer unterwegs gewesen zu sein.
 
Damit klar ist, worum es geht und warum es wichtig ist, darauf hinzuweisen, auch wenn es nicht bis 2030 möglich sein wird:
 

Die Gruppe forderte erneut, dass Deutschland ab 2030 auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Erdgas verzichtet. Die Bundesregierung peilt das Jahr 2045 für eine klimaneutrale Wirtschaft an. (Quelle wie oben)

TH

Der Verfassungsblog hat sich verdient gemacht. Durch viele Artikel seit dem Beginn der Proteste der „Letzte Generation“ gegen die Klimakrise. Am Ende des Beitrags verlinken wir auch noch einmal, was wir dazu besprochen und allgemein geschrieben haben.

 

Zugegeben, in den letzten Monaten haben wir es langsam angehen lassen, aus Zeitgründen, wegen Nacharbeiten an anderen Features des Wahlberliners. Aber wir haben sehr wohl  mitbekommen, welch ein Kesseltreiben, sowohl staatlicherseits als auch in den Medien, gegen die „Klimakleber“ stattgefunden hat. Wie genüsslich über jede Gewalt gegen Akvitist:innen der LG berichtet wird. Dies ist nicht off Topic: Haben Sie auch Windows 10 oder 11 und können vom Start aus ganz leicht zu den MSN-Nachrichten gehen? Zum Glück ist das wohl nicht die Durchschnittsmeinung, was dort Likes und Dislikes erfährt, sonst wäre Deutschland unrettbar ein Naziland. Wir sind ganz sicher, dass tödliche Gewalt gegen Menschen, die Straßenblockaden organisieren, dort Likes und Dislikes im Verhältnis 5/1 bis 10/1 bekäme. 
Das würde uns selbst dann besorgen, wenn wir komplett gegen die LG eingestellt wären. Was wir nach wie vor nicht sind, auch wenn wir Bedenken in Bezug auf eine Störung des morgigen Berlin-Marathons haben.
 
Natürlich, dieses herausragende Sportereignis, bei dem immer wieder Weltrekorde gelaufen werden, generiert die maximale Aufmerksamkeit, es wird weltweit übertragen. Es führt direkt an unserer Haustür vorbei und trotz des Auftriebs sind wir irgendwie auch ein bisschen  stolz drauf, mittendrin zu wohnen. Wir finden, diese Läufe gehören zu den wenigen großen Sportereignissen, die weitgehend frei von Nationalismen ablaufen und die etwas tatsächlich Integratives haben, auch, weil Amateure mitlaufen dürfen.
Eines sehen wir voraus: Wenn ein Ereignis wie der Berlin-Marathon tatsächlich Schaden nimmt, wird die gesellschaftliche Akzeptanz für die LG noch einmal schwinden und den allgemeinen Rechtsdrall in Deutschland weiter – nun ja, anheizen, das ist wohl der richtige Ausdruck in Bezug auf Menschen, die sich doch gegen die Erhitzung der Erde wenden wollen. Wenn die gesellschaftlichen Schäden größer werden als jedweder auch nur denkbare Nutzen des Aktivismus, dann muss darüber noch einmal neu diskutiert werden.
 
Das soll nicht heißen, dass wir es für angezeigt halten, sich rechte Argumentationen zu eigen zu machen, aber bei einem trotz der vielen Unpässlichkeiten für Anwohner:innen, die der Marathon in Berlin immer mit sich bringt, so positiv besetzten Ereignis sollte man ernsthaft Nutzen und Folgen abwägen, sonst wird die Meinung nicht nur bei den üblichen rechten Verdächtigen Raum greifen, dass die LG eine Sekte ist, die rücksichtslos und fanatisch ihre eigenen Ziele torpediert. Auch für uns gibt es Grenzen des Vertretbaren, bei jedem zivilen Ungehorsam, so sehr wir ihn traditionell und noch einmal verstärkt seit unserer Begleitung der Kämpfe der Mieter:innenbewegung in Berlin als legitimes Mittel der demokratischen Willensäußerung befürworten. Wir meinen Kämpfe, die uns ganz unmittelbar vor Augen geführt haben, wie der Kapitalismus sich undemokratisch und schädlich gegen die Interessen der Menschen äußert.
Wir haben uns vorgenommen, einige der Artikel aus dem nachfolgenden Buch zu lesen und zu besprechen, weil Demokratie, Protest, Ungehorsam Themen sind, die noch sehr, sehr relevant werden, wenn der Trend in Deutschland weiter so nach rechts tendiert wie derzeit und die Mehrheit dazu schweigt, siehe die neue Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Wir möchten nicht, dass die ohnehin in diesen Zeiten ziemlich geforderte Mitte ständig abschichten muss, welche Proteste im Sinne der Demokratie und der Zukunft noch legitim und sinnvoll zugleich sind. Wir wollen nicht, dass die Leugner:innen der Klimakrise dadurch Auftrieb erhalten, dass der Protest nicht etwa überzogen wird, es wird auch beim Marathon nicht zu Todesfällen kommen, sondern dass er an der falschen Stelle platziert wird, und das sehr prominent. 
 
Es nervt zum Beispiel, dass wir bei einem Thema oder einem konkreten Anlass mit der CDU in der Berliner #Rückschrittskoalition in Teilen übereinstimmen, hier ist das aber unweigerlich der Fall.  Die Einlassungen des Regierenden Bürgermeisters zur Verbrechensbekämpfung dürfen Sie aber getrost für Propaganda halten, denn für diese ist die Kripo zuständig, nicht die Bereitschaftspolizei, die Großereignisse absichert.
 
Wir werden sehen, was morgen passiert, hoffen, es bleibt alles friedlich und der Marathon als wirklich bedeutsames Event in Berlin nimmt keinen dauerhaften Schaden dadurch, dass er beispielsweise abgebrochen werden muss, auch eine Verzerrung der Wettkampfbedingungen durch zeitweilige Behinderung der Sportler:innen fänden wir nicht sehr klug von der LG. Und wir hoffen, sie haben die Farbe vom Brandenburger Tor gut abgekriegt, das kürzlich besprüht wurde. 
 
Die Überschriften über den Artikeln im Buch des Verfassungsblog (ein „Verfassungsbook“) lassen uns vermuten, dass man sich sehr differenziert, aber insgesamt wohlwollend mit der LG auseinandergesetzt hat. Es ist ganz sicher ein spannendes Buch auch über die LG hinaus, und zwar für alle, die sich mit Formen des zivilen Protests beschäftigen wollen. Und es ist gemeinfrei, dafür ein sehr herzlicher Dank an den Verfassungsblog. Sie können es als E-Book oder als PDF herunterladen.
 
TH
 
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Ziviler Ungehorsam in der Klimakrise

Blockierte Straßen, besetzte Flughäfen, besprühte Wahrzeichen: Der zivile Ungehorsam erlebt ein spektakuläres Comeback. Während der Staat mit teils drastischer Härte reagiert, ringen die Rechtswissenschaften um Antworten. Lässt sich ziviler Ungehorsam in Zeiten der Klimakrise rechtfertigen? Oder handelt es sich um nichts weiter als gewöhnliche Straftaten, wenn nicht gar das Wirken einer kriminellen Vereinigung? Der Verfassungsblog hat die Debatte von Anfang an begleitet und versammelt erstmals ausgewählte Beiträge in Buchform. Das Buch ist seit heute hier zu haben, digital, open access und in Print. Falls wir nicht bereits damit Ihr Interesse geweckt haben, dann hoffentlich spätestens nach Lektüre der Einleitung, deren gekürzte und leicht veränderte Version wir diese Woche als Editorial verschicken.

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Bisherige Artikel im Wahlberliner zur „Letzte Generation“:

UPDATE 2: Härtere Strafen gegen die LG-Aktivist:innen? (Umfrage + Kommentar) +++Radikal oder militant, zu radikal, zu wenig radikal +++ Klassenkampf? +++ Nachdenken über das Ganze +++ Neues zur „Letzte Generation“: Aktionen in Berlin +++ Strafurteile +++ Diskussionen mit hohem Lächerlichkeitsfaktor wg. Fehlbesetzung | Briefing 182 | Klima, Energie, Umwelt, KER Dieser Beitrag ist ein mehrfach upgedateter „Sammler“.

Die Letzte Generation als Partei? Ergibt das Sinn? (Civey + Kommentar + Info) | Briefing 165 | KER 27 | Personen, Parteien, Politik / Klima / Umwelt

Kommunale Kompromisse mit der „Letzte Generation“? (Umfrage + Kurzkommentar) +++ Verkehrswende ad absurdum geführt | Briefing 148 | Klima-Energie-Report 24 | #LetzteGeneration #EMobility

Wagenknechts Jahresrückblick und die Letzte Generation: Der Wagen bricht zusammen unter der Last rechter Argumente | Briefing 87 | #Wirtschaft #Klima #Energie #Wagenknecht #LG #LetzteGeneration

UPDATE: Aktivistinnen der „Letzte Generation“ sägen Spitze des Weihnachtsbaums am Brandenburger Tor ab +++ Die Frauen der „Letzten Generation“Das Interview mit Carla Hinrichs, Carla Rochel und Aimée van Baalen: „Man kann uns nicht mehr ignorieren, deswegen werden wir bekämpft“ (Gesichter des Friedens, Kommentar) | Demokratie in Gefahr

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei Straßenblockaden der „Letzten Generation“: Zum Gewalt-Begriff von § 113 StGB (Verfassungsblog + Kurzkommentar | Briefing 214 | Gesellschaft, Recht

„Nicht in Ordnung“ (Verfassungsblog) – Die „Last Generation“ aus verfassungsrechtlicher Sicht + Leitkommentar | Klima-Energie-Report 16 Das bis heute einzige Mal, dass wir uns auf einen Artikel des Verfassungsblogs zur LG bezogen und ihn kommentiert haben.

„Last Generation“: Ein Plädoyer für die Aktivist:innen und eine Ausnahme, die konkrete Straftat gegen das Leben +++ Kein Einfluss von „LG“ auf den Tod einer Berliner Radfahrerin? +++ Anschlag auf die Kunst oder nur ein bisschen mehr Lebensmittelverschwendung? | Briefing 50

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