„Heizen derzeit meist günstiger als vor einem Jahr“ (Statista + Zusatzinfos + Kommentar: Vor einem Jahr ist als Bezugszeitpunkt schlecht gewählt) | Briefing 346 | Wirtschaft, Energie

Briefing 346 Wirtschaft, Energiepreise, Preisexplosion, Gas, Strom

Liebe Leser:innen, Sie wissen, wir wollen Sie immer so gut wie möglich mit aktuellen Informationen versorgen, solange diese frei zugänglich sind. Würden wir darüber hinausgehen, müssten wir auch den Wahlberliner kostenpflichtig machen. Unsere Zeit investieren wir ohnehin for free. Zum Beispiel, um dafür zu sorgen, dass Sie nicht denken, Sie würden gerade günstig leben.

Deshalb haben wir, wie meistens, ein paar zusätzliche Informationen recherchiert. Die Überschrift, die Statista gewählt hat, stimmt also, mit der Betonung auf „meistens“, aber im untenstehenden Begleittext wird der in der Grafik gezeigte Bezugszeitpunkt richtigerweise relativiert. Auf dieser Basis erfolgt unser anschließender Kommentar.

Infografik: Heizen derzeit meist günstiger als vor einem Jahr | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons  erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Zu Beginn der Heizsaison sind die Preise für zum Heizen benötigte Energie weiterhin hoch. Sie liegen aber im September 2023 bei einer Reihe von Energieträgern unter dem Niveau des entsprechenden Vorjahresmonats. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten des Statistisches Bundesamtes. Entspannt haben sich die Preise für leichtes Heizöl und Erdgas: Im September 2023 mussten Verbraucherinnen und Verbraucher gut ein Viertel (-26,0 %) weniger für leichtes Heizöl bezahlen als noch im Vorjahresmonat.

Erdgas verbilligte sich für Endverbraucher im September 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat erstmalig in diesem Jahr (-5,3 %). Hintergrund für diese Entwicklung sind die sehr hohen Preise für leichtes Heizöl und Erdgas im Vorjahr. Infolge der Kriegs- und Krisensituation waren die Energiepreise 2022 enorm gestiegen: So hatten sich die Preise für leichtes Heizöl auf der Verbraucherstufe im September 2022 binnen Jahresfrist mit einem Plus von 108,6 % mehr als verdoppelt, die Teuerung für Erdgas betrug 95,8 %.

Für private Haushalte, die alternativ oder ergänzend mit festen Brennstoffen heizen, ergeben sich aktuell ebenfalls Preisrückgänge: Brennholz, Pellets und andere Brennstoffe verbilligten sich im September 2023 um 18,1 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Im September 2022 hatte sich der Preis hierfür im Vergleich zu September 2021 mehr als verdoppelt (+103,1 %).

Strom hingegen ist teurer als noch vor einem Jahr. Dies trifft auch die privaten Haushalte, die sich für den Einbau einer Wärmepumpe entschieden haben. Auch hier war das Niveau im Vorjahresmonat bereits sehr hoch: Für Strom hatte die Teuerungsrate im September des Vorjahrs bei +20,3 % gelegen. Fernwärme kostet in etwa gleich viel.

Wie das Statistische Bundesamt außerdem mitteilt, erhöhten sich die Verbraucherpreise für Haushaltsenergie im September 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat im Schnitt um 6,3 %. Der Preisanstieg der Haushaltsenergieträger übersteigt somit weiterhin die Gesamtteuerung: Die Verbraucherpreise insgesamt nahmen im September 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,5 % zu.

Im obigen Text ist dann erwähnt, was wirklich Phase ist. Zusammengefasst: Es gibt keinen Energieträger, der nicht mindestens knapp 50 Prozent teurer geworden ist, als er 2020 war. Am wenigsten verteuert, über drei Jahre hinweg betrachtet, haben sich Fernwärme und Strom mit jenen knapp 50 Prozent an der unteren Grenze. Wir wissen aber alle, wie es beim Strom zwischenzeitlich aussah. Die Preise hatten sich mehr als verdoppelt. Bei uns hat das zum Wechsel des Anbieters geführt. Wir machen so etwas nicht gerne, wir finden es stressig. Erfolg: Bei uns ist der Strom „nur“ 40 Prozent teurer als Anfangs 2022. Dazu können wir uns wirklich beglückwünschen, denn wir haben versucht, auf eigene Faust etwas zu dämpfen, was die Politik schlicht und einfach versaut hat.

Trotzdem halten wir den Ansatz der Grafik dieses Mal für falsch, so sehr wir Statista schätzen. Denn die Abbildung von nur einem Jahr suggeriert, dass per Saldo sogar eine Ermäßigung eingetreten ist. Das Visuelle wirkt, das darf man nicht unterschätzen, und das sind erst einmal diese schönen, fast waagerechten Balken. Aber das Desaster offenbart sich auf der linken Skala. 2020 = 100, heute, nur drei Jahre später, 150 bis 225 Prozent davon.

Wenn jetzt die Politik und sogar die Kommentatoren, die es besser wissen müssten, gemeinsam behaupten, man habe sich ja so ins Zeug gelegt, um die Energiekrise zu meistern und es sei auch nie der Strom ausgefallen, kann man nur fragen: Und zu welchem Preis, bitte? Wer muss das bezahlen?

Nur zur Erinnerung: Schon vor diesem Knall, in energiepolitisch ganz normalen Zeiten, mit günstigem russischem Gas, wurde in Deutschland die Privatverbraucher:innen u. a. mit den weltweit höchsten Strompreisen „beglückt“. Das heißt, schon der mittlerweile marginalisierte Bezugspunkt 100 stellt in Relation zu vergleichbaren Ländern eine Zahl von 150 oder 200 dar.

Was das Gas betrifft, sieht es etwas anders aus, deswegen wurde ja hierzulande auch Gas zum Heizen politisch gefördert. Bis zum „Knall“ blieben die Gaspreise über lange Zeit sehr stabil:

Gaspreisentwicklung 2022: Diagramme, Tabellen & Prognosen – Kesselheld

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern lag Deutschland zuletzt sogar immer noch günstig, aber bei uns hat die Gasheizung ja auch einen höheren Anteil am Energiemix, weil sie promotet wurde, lange Zeit auch von der Regierung Merkel:

Gaspreise Europa: Vergleich & Gaspreisentwicklung 2023 (energiemarie.de)

Hier sieht man die Preise im ersten Halbjahr 2022, die gegenüber den Zahlen in der oberen Tabelle (bis 2021) schon einen deutlichen Anstieg aufweisen. Man kann also sagen, wer den Deal angenommen hat, mit Gas zu heizen, hatte einen gewissen Ausgleich für die hohen Stromkosten, denn alle Länder, in denen das Gas noch billiger war, waren auch wirtschaftlich wesentlich schwächer als Deutschland. Die wohlhabenden EU-Länder hingegen weisen teils deutlich höhere Gaspreise für Endverbraucher:innen aus. Zwischenzeitlich stand aber Deutschland auch hier ganz an der Spitze, mit einem Preis von fast 22 Cent / kWh. Mittlerweile gilt dieser Deal nicht mehr, wenn man sieht, dass der Gaspreis sich seit 2020 verdoppelt hat.

Es ist bitter, was die Menschen sich hier aus ideologischen Gründen aushalten müssen, dass der Wohlstand von Jahrzehnten auf vielen Ebenen erodiert und das sogar politisch gewollt ist. Und natürlich sind es die Meinungsführer mit den hohen Einkommen, denen es wumpe ist, ob Ärmere noch mit ihren explodierenden Energiekosten haushalten können. Ob sie mit den steigenden Mietkosten, mit den ebenfalls stark anziehenden Lebensmittelpreisen (dieses Jahr zwischen 20 und 14 Prozent Inflation in den Monaten März, April, Mai) klarkommen. Kein normaler, arbeitender, leistender Mensch hat jedoch Einkommenssteigerungen, die das abfedern können. Nur die Profiteure dieser Krise freuen sich, Konzerne bestimmter Branchen und deren Anteilseigner.

Wir haben leider keine sinnvolle Empfehlung, wen Sie beim nächsten Mal wählen könnten, um dieses Ampel-Desaster zu beenden. Mit dem, was wir oben – nicht zum ersten Mal, aber aktualisiert – beschrieben haben, ist es ja nicht getan. Das Nächste, was kommen wird, sind Kürzungen im Bereich Migration & Soziales, sodass Integrationsaufgaben aller Art noch schwieriger wahrzunehmen sein werden als bisher. Die Grünen haben ohne Bedenken die höheren Preise organisiert, die Gelben werden die seit Jahren rissige Sozialstruktur endgültig einreißen und dann zusammen mit der AfD die Ergebnisse ihrer klassistischen Politik abfeiern. Dazwischen ein Kanzler, der das alles laufen lässt. Wir haben bisher geschrieben, dass die SPD den Unmut dafür am meisten abbekommt, sei nicht wirklich gerecht. Eigentlich ist es doch gerecht, denn sie wäre für das soziale Korrektiv dessen zuständig, was sich derzeit an Krisenfolgen zeigt und was die anderen Ampel-Parteien der Mehrheit im Land zumutet. Zunächst in der GroKo, dann in der Ampel sich ein wenig zu bemühen, dass der Abwärtstrend nicht noch stärker wird, als er ohnehin ist, reicht nicht mehr aus, denn der Abwärtstrend beschleunigt sich trotzdem. Die Gleichung stimmt leider noch immer:

Ampelkoalition = Preisexplosion.

Wir sind gespannt darauf, wie sich die Energiepreise in den nächsten Monaten entwickeln. Experten haben das, was sich bereits abzeichnet, vorausgesagt: Es wird wieder teurer werden. Von 2020 aus gesehen: Der Irrsinn geht weiter. Das kann oder sollte man nicht mit Grafiken kaschieren, indem man sie so kurzfristig anlegt, das das Grundproblem optisch verschwindet. Aber Sie haben ja den Begleittext und unseren Kommentar.

TH

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