Das Ding aus einer anderen Welt (The Thing, USA 1982) #Filmfest 1007 #Top250

Filmfest 1007 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (133)

Es platzt aus allen Nähten

Das Ding aus einer anderen Welt (Originaltitel: The Thing) ist ein Science-Fiction– und Horrorfilm von John Carpenter aus dem Jahr 1982. Der Film ist eine Umsetzung der Erzählung Who Goes There? von John W. Campbell Jr., die im Jahr 1951 bereits als Das Ding aus einer anderen Welt von Christian Nyby in einer Produktion von Howard Hawks verfilmt worden war. Anfang der 1980er wurde John Carpenters berühmtester Body-Horror-Film von den meisten Kritikern abgelehnt.[2] Mittlerweile gilt er als Genre-Klassiker, der möglicherweise auch deshalb floppte, weil er gleichzeitig mit dem deutlich gefälligeren Außerirdischen-Klassiker E.T. – Der Außerirdische in die Kinos kam.[3]

Was ist, wenn die Originalversion von „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1951) auf „Alien“ (1979) trifft? Es kommt das vercarpenterte Remake von 1982 heraus. „Alien“ und „The Thing“ sind strukturell sehr ähnliche Filme, daher lag es nah, sie zu verknüpften und dem einen die Situation, dem anderen die Schockeffekte und die Art, wie sich das Wesen auf der Erde fortpflanzen will, zu entnehmen. Und lag es wirklich an dem Außerirdischen, der nach Hause telefonieren wollte, dass das Remake floppte? Wir klären dies und mehr in der –> Rezension.

Handlung (1)

Eine amerikanische Forschungsstation mit 12 Wissenschaftlern in der Antarktis erhält überraschend Besuch von zwei panischen und schießwütigen Norwegern, die mit einem Hubschrauber und mit Gewehren bewaffnet einem Schlittenhund nachjagen. Sie folgen ihm schließlich zur amerikanischen Antarktisstation, wo sie einen der Forscher anschießen, da sie verzweifelt versuchen, den Hund zu töten. Vor lauter Hysterie sprengt einer der Norweger aus Versehen sich selbst mit dem Hubschrauber in die Luft. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der zweite norwegische Forscher in Notwehr erschossen wird.

Eine Untersuchung der norwegischen Forschungsstation deckt auf, dass die ganze Station völlig zerstört wurde. Draußen im Schnee entdecken die Forscher außerdem einen verbrannten Leichnam, der die Form eines deformierten Menschen hat. Sie bringen die Leiche zwecks Untersuchungen in die eigene Station. Ein Arzt stellt fest, dass die Organe der Leiche ganz normale, menschliche Organe sind, und somit liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Leichnam um einen Menschen handelt. Aber es findet sich keine Erklärung für die Deformationen.

Der zugelaufene Hund ist ein Wirt einer außerirdischen Lebensform, die in amöben- oder krebsgeschwürartigen Metamorphosen die Gestalt des infizierten Wirtes täuschend echt annimmt und sich auch teilen kann. Als der Hund vor den Augen der Forscher grotesk mutiert, werden diese auf das Alien aufmerksam. Sie entdecken auf mitgebrachten Videoaufnahmen, dass die norwegischen Forscher ein Raumschiff freigelegt hatten, das seit über 100.000 Jahren im Eis verborgen war. Mit diesem Raumschiff wurde auch das Alien befreit. (…)

Rezension

Wobei das Wort „fortpflanzen“ eher für die Art der Vermehrung zutrifft, die wir im Original von 1951 sehen, in der Fortsetzung nistet es sich auf die Art in Menschen ein, die wir in „Alien“ so drastisch vor Augen geführt bekamen. Aus weiteren Körperfresserfilmen stammt die Idee, dass das Außerirdische Ding, das eben kein Ding, sondern bei allem doch ein Lebewesen ist, Menschengestalt annehmen kann, im vorliegenden Fall jede Gestalt, auch die eines Huskys. Auf diese Weise kann man sich ganz schön verbreiten, aber nicht in 27 Stunden die ganze Welt erobern, wie es die falsche Synchronisation behauptet, sondern in 27.000 Stunden, also 1185 Tagen. Das wirkt bei aller typisch amerikanischen Geschwindigkeit eher realistisch, sofern man bei der internen Logik bleibt, dass Wesen aus dem All generell auf die dumme Idee kommen, sich ohne jede Erklärung ihrer Motive der Erde bemächtigen zu wollen.

Auch „Blade Runner“ betreffend, wird behauptet, die Konkurrenz von „E. T.“ habe dem Film an der Kinokasse geschadet. Das ist insofern denkbar, als „Blade Runner“ heute als einer der meistgeschätzten Kultfilme und als Genre-Meilenstein, besonders im Bereich „Cyberpunk“ gilt, diese Reputation kam aber nicht über Nacht, nachdem man festgestellt hatte, dass leider der Film nun aus den Kinosälen verschwunden war, weil er sich nicht gegen „E. T.“ behaupten konnte. Aber ist John Carpenters Mix aus früheren Filmen tatsächlich von ähnlicher Qualität? Wir haben „Blade Runner“ mit der außergewöhnlich hohen Bewertung von 91/100 ausgestattet.  Man kann Steven Spielberg und sein Kinderkino nicht für wirklich alles verantwortlich machen, zumal es immer schon die Situation gab, dass sich mehrere Filme eines Genres gegeneinander behaupten mussten. Zudem sind „Das Ding“, „E. T.“ und „Blade Runner“ doch sehr unterschiedlich gestrickt.

Wir haben neulich John Carpenters „The Fog“ angeschaut und kennen daher die – sic! – etwas kindliche Art des Regisseurs, Grusel zu erzeugen und dabei jede Logik außer Acht zu lassen. Da die Story von „Das Ding“ hinreichend ausgewertet war, sind die logischen Aussetzer nicht so groß wie bei „The Fog“, aber Carpenter schafft es, den hervorragend ausgeleuchteten Wissenschaftler- und Soldatenkosmos der Originalversion von beinahe jedem zwischenmenschlichen Subtext zu befreien und sich rein aufs Spektakel zu konzentrieren. Nicht einmal eine hübsche Frau, wie sie im Original noch vorkommt, hat er uns belassen. Der Film ist wirklich etwas für Splatter-Freunde und war dank verbesserter Masken- und Tricktechnik beim Stop-Motion-Verfahren ein neuer Höhepunkt in diesem Kontext. Man kann auch sagen, er hat zu dessen Verbreitung erheblich beigetragen, obwohl er an der Kinokasse nicht so erfolgreich war wie der bereits erwähnte Film mit dem einsamen kleinen  Alien.

Welche Filme in der IMDb Top 250-Liste wie bewertet werden, ist immer wieder interessant zu sehen. Wir haben vor längerer Zeit herausgearbeitet, dass neue Filme tendenziell überbewertet sind, aber dass sich „Das Ding“ überhaupt auf dieser Liste findet (Durchschnittsbewertung 8,2/10, Platz 166; im Jahr 2023, der Veröffentlichung des Textes, sogar Platz 151 bei bis zur ersten Nachkommastelle gleicher Bewertung), hatten wir nicht erwartet. Der Originalfilm, den wir für besser halten, erreicht nur 7,3/10 und ist damit ein gutes Stück entfernt von einem solchen Ehrenplatz. Das uns mehr als nur überrascht, es ließ uns erneut an der menschlichen Intelligenz im Allgemeinen zweifeln. Obwohl, das muss man fairerweise zugeben, auf dieser Liste auch viele zu Recht als Meisterwerke zu bezeichnenden Filme wirklich gute Filme zu finden sind.

Die deutschen Kritiken fallen recht verhalten aus und auch der US-Metascore liegt nur 57/100. Das kommt unserer Einschätzung dieses notabene Publikums-Kinostücks viel näher als diejenige der der IMDb-Nutzer:innen.

Keine Frage, die Tricktechnik von Carpenter funktioniert, und die aufplatzenden Körper und herumlaufenden, verzerrten Gesichter mit Spinnengliedern und ewig langen Zungen, mit denen sie sich überall festkrallen können, sind gruselig. Aber nicht so gruselig wie ein gut gemachter Psychothriller, und darin liegt für uns schon einer der Mängel des Films: Es gibt kein eindeutiges Happy-End, das war in den 1970ern in Mode gekommen, in denen es im S. F. und allgemein im Film pessimistischer zuging als noch wenige Jahre zuvor, wobei der Wind sich im Grunde schon wieder gedreht hatte – durch die ersten beiden Star Wars-Filme, die Weltraummärchen mit starker Anlehnung an die antike und mittelalterliche Mythologie sind.

Am Ende von „Das Ding“ (1982) sitzen die beiden letzten Überlebenden der U.S.-Forschungsstation da und harren der Dinge, die kommen. Vielleicht kommt auch das Ding, das die Totalzerstörung der Station doch überlebt haben könnte und vorher schon allen Norwegern den Garaus gemacht hat. Bis auf einen, der wird unsinnigerweise von einem der amerikanischen Forscher erschossen, sodass er nicht mehr weitererzählen kann, was sich in der Station der Skandinavier zugetragen hat. Die beiden letzten Forscher warten auf Hilfe, dabei war der Funkkontakt zur Außenwelt von Beginn an abgerissen, damit sich bloß nicht externe Kräfte in den Kampf mit dem Ding einmischen konnten.

Szenen, die Fragen aufwerfen. Alle Beteiligten verhalten sich genau so, dass der Horror nie aufhört, ähnlich, wie wir es von den Menschen in Antonio Bay („The Fog“) bereits kennen. Auch im weiteren Verlauf gibt es viele unsinnige Aktionen und Reaktionen, die uns belegen, dass Carpenters Filme nur funktionieren, wenn Menschen sich so verhalten, dass die Wesen von außerhalb schon deswegen eine Art Recht des Stärkeren und Klügeren haben, wenn es darum geht, wer diesen Planeten beherrscht. Den U.S.-Forschern fällt zum Beispiel gar nicht auf, dass die norwegische Forschungsstation aussieht, als sei sie monatelang nicht mehr in Betrieb, obwohl zwei Hubschrauberinsassen gerade von dort hergeflogen kamen.

Die Art, wie die Amerikaner die gefundenen Überreste eines der früheren Dings-Ableger in den Hubschrauber packen und in der eigenen Station auf den Seziertisch schmeißen, lässt jede Vorsicht vermissen, nur, damit man möglichst zeigen kann, wie Eingeweide aus dem Körper des Wesens entfernt werden. Die es aber nicht braucht, um zu Boden zu tropfen und weitere Menschen anzufallen. Der Hund, den der letzte Norweger erschießen wollte, schleppt es bei den Amerikanern ein und immer, wenn es sich ans Werk macht, lässt Carpenter abblenden. Ein Schatten vom Kopf eines Besatzungsmitgliedes, das in einem Raum sitzt, der Hund läuft in den Raum, die Szene erlischt, aber wir wissen, es ist etwas geschehen. Besatzungsmitglieder fesseln andere Besatzungsmitglieder, machen Blutproben, halten glühende Drahtenden hinei. Auch klar, dass der Flammenwerfer, der zum Erhitzen der Drahtenden gebraucht wurde, nicht funktioniert, als es drauf ankommt. Aber das, was bis vor kurzem noch Menschen und Gefährten waren, mit dem Flammenwerfer umzubringen, weil sie nun vom Ding ergriffen sind, das geht ohne einen Moment des Schauderns oder Nachdenkens.

Uns soll niemand erzählen, dass John Carpenter unter anderen Umständen nicht auch hätte einen KZ-Ofen betreiben können und daran ebenso viel Spaß gehabt hätte wie an seinen in Flammen aufgehenden Filmmenschen, die, um das Grausame daran zu rechtfertigen, von diesem Ding besetzt sein müssen, das so ganz unphilosophisch daherkommt. 

Finale

Wie meistens, hat uns der Originalfilm also besser gefallen. Darin spritzte das Blut nicht so, aber die Spannung zwischen diesen echt wirkenden Menschenfiguren und dem Unheimlichen von draußen war spürbar und wurde sehr präzise aufgebaut. Hätte es nicht drei Jahre zuvor den wesentlich anspruchsvolleren „Alien“ gegeben, hätten wir geschrieben, als das Remake von „Das Ding“ entstand, war diese Art von Filmen bereits out und das Verständnis von außerirdischen Lebensformen ein anderes geworden als zu Beginn der 1950er, als der Originalfilm einen relevanten politischen Subtext hatte. Unbefriedigend am Remake ist vor allem, dass es keinen Zugang zu den Figuren ermöglicht, die deren Bedrohung und größtenteils Vernichtung durch das Außerirdische emotional erfahrbar machen würde, irgendeine Botschaft kann  man zwar hineininterpretieren, aber man soll’s damit nicht übertreiben, denn es wirkt, als habe Carpenter darauf keinen großen Wert gelegt. Selbst in dem von uns sehr zurückhaltend bewerteten „The Fog“ konnte man mehr kritische Substanz erkennen.

60/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie John Carpenter
Drehbuch Bill Lancaster
Produktion David Foster,
Lawrence Turman
Musik Ennio Morricone,
John Carpenter (ungenannt)
Kamera Dean Cundey
Schnitt Todd Ramsay
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 

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