Cottbus Kopflos – Polizeiruf 110 Episode 408 #Crimetime Vorschau #Polizeiruf #Polizeiruf110 #Brandenburg #Frankfurt/Oder #Swiecko #Ross #Luschke #Rogov #Cottbus #kopflos

Crimetime Vorschau - Titelfoto © RBB / ARD Degeto / Eikon Film, Volker Roloff

Cottbus Kopflos ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Polizeiruf 110. Der vom rbb produzierte Beitrag ist die 408. Polizeiruf 110-Episode und soll am 12. November 2023 im Ersten ausgestrahlt werden. Es ist der vierte Fall von Kriminalhauptkommissar Vincent Ross.[1]

Wegen der vielen Personalwechsel beim Polizeiruf fangen wir heute einmal mit einem ordnenden Informationsteil an:

Wo hat sich zuletzt nichts verändert?

  • In Magdeburg, seit Doreen Brasch (Claudia Michelsen) dort alleine ermittelt bzw. keinen gleichberechtigten Partner hat, sondern nur noch einen Assistenten (seit 2020).

Wo hat sich gerade alles geändert?

  • In München, seit Bessie Eyckhoff (Verena Altenberger) von Chris Blohm (Johanna Wokalek) abgelöst wurde (erster Fall von Blohm war „Little Boxes“, Fernsehpremiere am 17. September 2023, vor knapp zwei Monaten.

Wo gab es Veränderungen und Bewahrungen?

  • In Rostock. Der Abgang von Sascha Bukow (Charly Hübner) war eine der größten Umwälzungen der letzten Jahre, die gessamte Reihe betreffend. Seine Partnerin Kartin König (Anneke Kim Sarnau) ermittelt jetzt mit Melly Böwe (Lina Beckmann).
  • In Brandenburg, Frankfurt/Oder und Świecko. Olga Lenski (Maria Simon) hörte 2021 auf, nachdem sie 2015 in die Grenzpolizeistation gewechselt war, ihr Partner Adam Racek (Lucas Gregorowicz) folgte 2022, seitdem ist Vincent Ross (André Kaczmarczyk) dort tätig, Alexandra Luschke, dargestellt von Gisa Flake ab vsl. 2023[6], bereits im Film 12 Hermann (2021) als Episodenrolle aufgetreten, Karl Rogov, dargestellt von Frank Leo Schröder ab vsl. 2023[6], bereits im Film 14 Der Gott des Bankrotts (2023) als Episodenrolle aufgetreten.[2]

Der Polizeiruf Brandenburg war personaltechnisch immer schon ein unruhiges Pflaster, geklammert von 2001 bis 2015 allerdings durch die Figur des Polizeihauptmeisters Horst Krause, der auch im Realleben so heißt. Er hatte drei Chefinnen: Wanda Rosenbaum (1998-2002), Johanna Herz (2002-2010)  und die oben erwähnte Olga Lenski (2010-2015). Krauses Vorgängerin wiederum war KHK Tanja Voigt (1993-1998), während dieser Zeit entstanden auch (überwiegend) die „Lansky-und-Dettmann-Filme“, die sehr prominent besetzt und für die damalige Zeit ungewöhnlich bezüglich der darin gezeigten Art von Humor war. Einer dieser Filme wurde mit dem Grimme-Preis ausgzeichnet („Totes Gleis“, 1995). Der Regisseur dieses Films, Bernd Böhlich, ist auch für alle Krause-„Spinoffs“, die bisher in den Jahren 2007 bis 2022 entstanden, verantwortlich.

Eine Kontinuität, die mit der an einigen Tatort-Standorten vergleichbar wäre, gibt es im Polizeiruf generell nicht, eine richtige Ära hatten vor allem die beiden Hallenser Kommissare Schneider und Schmücke geprägt (Wolfgang Winkler, Jaecki Schwarz), aber der Brandenburger Polizeiruf wirkt auf eine Weise amorpher als die übrigen Standorte, obwohl man, wenn man alles bis zur Wende zurückverfolgt, vermutlich feststellen würde, dass das Personal woanders nicht sehr konstanter war. In Brandenburg hat es aber auch mit dem binationalen Setting zu tun, dass man den Eindruck hat, man ist nie richtig hier und nie richtig dort.

Immerhin hat es die Reihe Polizeiruf als eines der wenigen DDR-Produkte geschafft, die Wende zu überleben, wurde sogar in den Westen exportiert und hat dort ausgerechnet am Hochqualitäts-Standort München dauerhaft einen Platz gefunden, nachdem der WDR und der HR ihre Schienen irgendwann wieder aufgaben.

408 Episoden hat die Reihe hervorgebracht, inklusive „Cottbus Kopflos“ (man beachte die Großschreibung von „Kopflos“). Und was sagen die Journalist:innen zum aktuellen Fall?

„Die feucht-fröhliche Ufftata-Grundstimmung und die Dramatik der Ereignisse passen kaum zusammen. Es ist, als mischten Schwarz und Weiß sich nicht zum Grau: Was das Zebra ziert, selbst das betrunken wankende, macht einen Krimi leider öde.“ – Oliver Jungen: Frankfurter Allgemeine Zeitung[2] (Quelle 1)

Vielleicht haben sie in Frankfurt (am Main) bloß nicht den Zugang  zu der Tatsache gefunden, dass es überhaupt irgendwo im Osten Karneval gibt. Lesen wir also weiter:

„Die Redaktion von Tatort-Fans meint:
Das neue Ermittlertrio ist ein Experiment, auf dessen Ausgang man gespannt sein darf. Nach den vielen Abgängen und Wechseln täte etwas mehr Stabilität und Kontinuität beim Personal dem RBB-Polizeiruf gut. Und die bodenständigen Sympathieträger Luschke und Rogov bilden einen reizvollen Kontrast zum mitunter exzentrisch-unnahbar wirkenden Ross.

Das Beste am Fall selbst sind die bunten Bilder vom närrischen Treiben in Cottbus, das manch westdeutschen Karnevalisten tatsächlich beeindrucken dürfte. Ansonsten wird ein ziemlich durchschnittlicher Kriminalfall mit durchschnittlichem Ende abgeliefert, das der Zuschauer schon eher ahnt als die Kommissare, weshalb das letzte Drittel arg langatmig wirkt. Und das Thema Korruption und Vetternwirtschaft im Karneval ist nun auch nicht besonders originell. Also bitte etwas mehr erzählerischer Mut und Innovation in der nächsten Folge, dann klappt’s auch mit den neuen Kommissaren!“[3]

Das K.-u.-K.-Thema wurde auch im Westen schon abgehandelt. Wo? In Köln natürlich, wo ein Tatort-Team zuhause ist (Ballauf und Schenk alias Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär), das sowieso jedes Thema kann, einer der Karnevals-Filme wurde allerdings noch von deren Vorgänger Flemming (Martin Lüttge) gelöst. Wir halten also fest, auch nach zwei Stimmen kommt dieser Film noch nicht so richtig in die Gänge, die Begeisterung der professionellen Vorab-Gucker betreffend. Und man wünscht sich mehr Kontinuität, gemäß der von uns bereits erwähnten Tatsache, dass der Brandenburg-Polizeiruf zumindest gefühlt sehr wechselhaft rüberkommt.

„Wer beim Polizeiruf-Titel „Kopflos“ mit einem blutrünstigen Mord und einer geköpften Leiche rechnet, liegt komplett falsch. Im Fall geht es viel mehr um eine Menge Menschen, die sich nur von ihren Gefühlen leiten lassen und „kopflos“ handeln. Die Ermittlungen haben zwar die ein oder andere Schleife zu viel, einige Szenen hätten meiner Meinung nach auch eingespart werden können und übermitteln nicht ganz das, was sie sollen – insgesamt ist der Fall aber spannend und hat starke und authentische Charaktere. Mit einem nicht so abrupten Ende hätte es für mehr gereicht – so gibt es von mir 4 von 5 Elchen.“[4]

Nun geht es also doch aufwärts, auch wenn sich die Kritik eher nach 3/5 liest. Umgerechnet wäre das bei uns eine Bewertung 8/10, dafür muss ein Film schon ziemlich gut sein.

„Das Blöde ist, dass die Filmemacher insgesamt wenig nachhaltiges erzählerisches Kapital aus der Andersartigkeit ihres Hauptermittlers schlagen, obwohl sie die doch bei wirklich jeder Gelegenheit plakativ und pointenreich in Szene setzen.

Das mag auch daran liegen, dass es beim verantwortlichen RBB gerade kein Konzept gibt, wo man eigentlich genau in der brandenburgischen Provinz mit dem Hipster hinwill. In dieser Folge (Buch: Mike Bäuml und Axel Hildebrand, Regie: Christoph Schnee) kontert Ross den Cottbuser Kleinstadtzoff mit Ironie und Distinktionsgeschacher. Als er auf seinen Mantel angesprochen wird, pampt er, der sei von einem »italienischen Modelabel«.

 Das könnte ganz witzig sein – wenn Ross auf einen festen starken Widerpart treffen würde. Die Figur des genderfluiden, weltläufigen Kommissars wurde ursprünglich ja eingeführt, um dem von Lucas Gregorowicz gespielten polnischen Testosteron-Bollwerk Adam Raczek Paroli zu bieten. Doch Gregorowicz hat sich nach nur zwei gemeinsamen Folgen verabschiedet.“[5]

Wir versuchen immer, Christian Buß vom „Spiegel“ in unsere Liste der Stimmen aufzunehmen, sind aber beim Zitieren sparsam, vor allem, wenn der Hauptartikel hinter einer Bezahlschranke steckt. Dieses Mal waren wir etwas ausführlicher, weil Buß sich mit der jüngsten Entwicklung des Polizeirufs Brandenburg beschäftigt und damit unsere Eingangsdarstellung ergänzt. Es muss etwas mit Berlin zu tun haben, auch wenn der Polizeiruf in Brandenburg und Polen angesiedelt ist. Seit der SFB und dann der RBB in den Reihen Tatort und Polizeiruf am Werk sind, sind selten kontinuierliche und konsequente, in jeder Hinsicht überzeugende Konstellationen entstanden. Die Idee, mit wechselnden Teams zu arbeiten, klingt für uns nicht besonders gut und hat sich aus Gründen bisher weder in fast 1250 Tatort-Episoden, noch in bisher 408 Polizeirufen durchgesetzt. Die Zuschauer:innen akzeptieren zwar 25 Teams (Tatort und Polizeiruf zusammengerechnet) an ebenso vielen Standorten, aber wenigstens an einem Standort sollte ein Team einigermaßen feststehen, sodass man in etwa weiß, wem man am Sonntagabend gegenübersitzt, wenn man vor dem Bildschirm Platz nimmt. Schon die Installation neuer Teams ist immer ein Risiko, aber den Wechsel auf dem wichtigen Sonntagabend-Sendeplatz zum Programm zu machen, weil man eh keine Stringenz reinkriegt, kann nur einem Sender einfallen, der in einer Stadt beheimatet ist, deren Konzeptlosigkeit auf allen Ebenen in der Tat ihr Programm ist, ihr Mindset, vielleicht sogar ihre Raison d’être.

Ach ja, Buß vergibt 4/10 und tut damit kund, dass er zwar den Hipster irgendwie hip findet, aber nicht die Art, wie er eingesetzt wird und wohl auch nicht den Fall an sich.

„‘Cottbus kopflos‘ (ARD / Eikon Media) – der Titel des vierten „Polizeiruf 110“ mit André Kaczmarczyk deutet es an: In der Niederlausitzer Provinz-„Metropole“ geht es drunter und drüber – und das nicht nur, weil der Karneval ins Haus steht. Nach und nach wird von Ross & Kollegin Luschke der Klüngel, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten und behördlichen Machenschaften trockengelegt. Der Plot ist aus dem kommunalen Leben gegriffen, die Dramaturgie ist alte Schule, retrospektiv betrachtet erzähl- und psychologisch alles wasserdicht. In Cottbus nicht zu erwarten sind Genre-Coolness und hippe Inszenierung. Aber es gibt ja noch Kaczmarczyk alias Vincent Ross, der jeder Szene seinen Stempel aufdrückt: süffisantes Grinsen, mitfühlender Blick oder eine Befragung, bei der man echtes Interesse spürt – und am Ende spendet er Trost. Es ist also nicht nur sein Style, die dezent queere Ausstrahlung, die sein Alleinstellungsmerkmal in der Krimilandschaft ausmachen.“[6]

Bei den wichtigen Spezialisten von Tittelbach-TV hat Rainer Tittelbach selbst zur Feder gegriffen und 4/6 Punkte als das richtige Maß für den Film ermittelt. Lassen Sie sich nicht täuschen, das ist gemäß dem Wertungsschema der Publikation nicht überdurchschnittlich, auch wenn die Artikel im Grunde nie als Verrisse aufgesetzt werden. Es gibt ja auch immer Positives zu berichten, das ist ein konstantes Mindset, außerdem lohnt es sich gerade bei dieser Online-Publikation, den gesamten Artikel zu lesen, denn die Informationsqualität ist stets sehr hoch. Nehmen wir nach diesem durchwachsenen Stimmenbild noch eine Kritik, um es ein wenig aufzuhübschen?

„Dankenswerterweise reicht seine ansonsten niemals aufdringlich wirkende Exzentrik dem Brandenburger „Polizeiruf 110“ als extravaganter Zuckerguss aus, sodass der eigentliche Kriminalfall ganz nach alter Schule abgehandelt wird und als ein im besten Sinne des Wortes altmodisches Rätselspiel daherkommt, welches in seiner klassischen Struktur stellenweise gar an die Urgesteine Schmücke und Schneider erinnert.“[7]

Na bitte. Und das haben wir zusätzlich hingekriegt:  Schmücke und Schneider noch einmal eine Erwähnung zu gönnen bzw. eine ihnen gegönnte Erwähnung zu zitieren. Man kann den Text aber auch so lesen: Beim 408. Polizeiruf ist man nicht über den mittlerweile etwas schal wirkenden Whodunit hinausgekommen, der vermutlich auch deshalb konservativ wirkt, weil die Figur Ross die wohl progressivste in den Ost-Polizeirufen ist und sicher eine der zeitgeistigsten im gesamten Tatort- und Polizeiruf-Land. Vielleicht ist sie sogar zeitgeistig als Anti-Zeitgeist und deshalb besonders wichtig. Sie wissen schon, was wir meinen.

TH

Handlung

Im Vorfeld zum Cottbuser Karneval wird der Pole Jurek Bukol, ein Motivwagen-Bauer, unter mysteriösen Umständen tot in seiner Werkstatt aufgefunden. Kriminalkommissar Vincent Ross wird von seiner Cottbuser Kollegin Alexandra Luschke informiert. Gemeinsam mit Karl Rogov, der aus dem Revier in Swiecko unterstützt, übernehmen sie die weiteren Ermittlungen.

Ein Feuer in der Werkstatt Bukols hat nicht nur zu seinem Tod geführt, sondern auch seinen Motivwagen für den Karnevalsumzug zerstört. Bukols Familie steht unter Schock. Seine Ex-Frau Petra und seine beiden Kinder, Dawid und Krystina, hatten Jurek einen Abend zuvor noch auf eine Familienfeier eingeladen. Doch er kam nicht. Jurek Bukol galt allgemein als Querulant und legte sich des Öfteren mit seinen Mitmenschen an. Die Ermittler fragen sich, ob es deshalb Auseinandersetzungen innerhalb der Familie gab und inwiefern ein zwei Jahre zurückliegendes Verfahren, bei dem Bukol strafrechtlich verurteilt wurde, etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte? Der Fall führt Ross und Luschke in eine Welt aus gegenseitigen Abhängigkeiten, Begünstigungen und ominösen Machenschaften – und das mitten in der Karnevalszeit.[8]

Besetzung und Stab

Kriminalhauptkommissar Vincent Ross – André Kaczmarczyk
Kriminalhauptkommissarin Alexandra Luschke – Gisa Flake
Kriminalhauptkommissar Karl Rogov – Frank Leo Schröder
Inspektor Karol Pawlak – Robert Gonera
Rechtsmediziner Marian Kaminski – Tomek Nowicki
Komisarz Wiktor Krol – Klaudiusz Kaufmann
Kommissariatsleiter Markus Oelßner – Andreas Döhler
Monika Oelßner – Johanna Falckner
Dawid Bukol – Niklas Bruhn
Krystina Bukol – Pia-Micaela Barucki
Jurek Bukol – Sigi Polap
Petra Schirmer – Julika Jenkins
Nikolaus Behrend – Christoph Bach
Janine Küppers – Julia-Maria Köhler
u. v. a.

Drehbuch – Axel Hildebrand, Mike Bäuml
Regie – Christoph Schnee
Kamera – Christoph Krauss

[1] Polizeiruf 110: Cottbus Kopflos – Wikipedia

[2] Polizeiruf 110 (Świecko) – Wikipedia

[3] Polizeiruf 110: Cottbus Kopflos – Tatort Fans (tatort-fans.de)

[4] Polizeiruf 110 im Check: Die Kritik zu „Kopflos“ am 12.11. (swr3.de)

[5] »Polizeiruf 110« mit André Kaczmarcyk: »Cottbus kopflos« – DER SPIEGEL

[6] http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6437.html

[7] Kein „Tatort“ heute am Sonntag: Starker „Polizeiruf 110“ zeigt, wie gute Krimis gemacht werden [Kritik] (msn.com)

[8] Cottbus Kopflos – Polizeiruf 110 – ARD | Das Erste

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