Flashdance (USA 1983) #Filmfest 1010

Filmfest 1010 Cinema

What a Feeling!

Flashdance ist ein 1983 erschienener Musik- und Tanzfilm von Adrian Lyne. Er wurde für den von Irene Cara gesungenen Titelsong Flashdance … What a Feeling mit dem Oscar für den besten Song ausgezeichnet.

Der Film hatte vier Millionen Dollar gekostet und 94 Millionen Dollar eingespielt. So what? Die Kritiken waren schlecht und Regisseur Adrian Lyne hatte erst später drei Filme gemacht, deren Hauptdarstellerinnen für den Oscar nominiert wurden. Schade? Wir schreiben ein wenig mehr darüber in der –> Rezension.

Handlung (1)

Erzählt wird die Geschichte der 19-jährigen Alexandra „Alex“ Owens. Tagsüber arbeitet sie als Schweißerin, nachts ist sie Tänzerin in der Bar Mawby’s. Alex hat mehrere Lebensträume. Vor allem will sie Unabhängigkeit erlangen, die große Liebe finden und in das (fiktive) Pittsburgh Conservatory of Dance aufgenommen werden.Th

Alex trifft sich mit ihrem Chef Nick Hurley auch privat. Als sie ihn mit einer anderen Frau sieht, wird sie wütend und wirft die Fensterscheiben seines Hauses ein. Später erfährt sie von ihm, dass er seine Ex-Ehefrau getroffen habe, die neben ihm in den Vorständen einiger wohltätiger Organisationen sitze.

Nick nutzt seine Beziehungen und arrangiert ein Vortanzen für Alex. Da Alex jedoch Autodidaktin ist und keine professionelle Tanzausbildung genossen hat, präsentiert sie ihre eigene Choreographie. Nach einer kleinen Panne kann sie die Juroren von sich überzeugen und wird aufgenommen.

Rezension

Man kann den Film strikt analysieren und für lächerlich halten, man kann ihn auch als eine Ikone der 1980er ansehen, zeitgerecht mit ihrer Tendenz zum flacheren Kino. Filme, vor allem aus der ersten Hälfte des Jahrzehnts, in denen manchmal Songs enthalten waren, die in allen Clubs rauf und runter gespielt wurden. In allen Mainstream-Clubs zumindest, die sich nach rechts vom Rock abgesetzt hatten.

Die elektronische Musik und der athletische Tanz bis hin zu Breakdance-Elementen und Rap in „Flashdance“ war das Nonplusultra der Zeit, die Mode mit den Schlabber-Mode, die Jennifer Beals hier trägt und die es tatsächlich ermöglicht, einen BH auszuziehen, ohne das T-Shirt abzulegen, sind kultig für Leute, die in jener Zeit groß wurden und sich an „Flashdance“ gewiss erinnern.

Ein Musikfilm eben. Klar kann man sich über den miserablen sozialen Hintergrund der Möchtegern-Balletttänzerin mit den wilden Locken und den Kulleraugen mokieren, aber wenn man’s so sieht, sind die meisten Musikfilme inhaltliche Leichtgewichte. Sehr selten, dass ein Musical, wie etwa „West Side Story“ (von dem Steven Spielberg tatsächlich ein Remake machen will, uns graust schon), schmissigen Tanz und eingängige, gerne auch schmalzige Songs mit sozialer Relevanz verbindet.

Und „Flashdance“ ist eben sehr zeitgeistig, einige andere Musicals sind das nicht – besonders, wenn sie nicht in der Gegenwart spielen. Schon interessant, dass die Amerikaner den Film noch schlechter bewerten als die IMDb-Nutzer außerhalb der USA (5,9/10 bzw. 6,1/10, Stand 21.08.2014; insgesamt 6,2/10 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Textes im November 2023), dass ihnen diese sehr rudimentäre Version des amerikanischen Traums also beinahe peinlich ist. Vielleicht fühlen sie sich ein wenig in ihrem langweiligen Materialismus durchschaut. Denn es ist eine ganz klassische Story von einem Underdog, der nach oben will und es auch schafft. Tausende anderer Filme bringen das kaum glaubwürdiger oder subtiler rüber, werden dafür aber von der Kritik nicht so abgestraft wie „Flashdance“.

Sicher sind die Musiknummern in diesem Arbeiterclub übertrieben ausgestattet, somit unrealistisch, was Roger Ebert zum Beispiel kritisiert hat und hier einen Clash zwischen Proletariat und Las Vegas sieht. Andererseits hat das auch einen surrealen Charme, der den ganzen Film durchzieht, vom Loft-Wohnen der erst 18-jährigen Alex angefangen bis zu der gruseligen Familie, der sie entstammt. Der Schwester, die jahrelang Eiskunstlauf trainiert und dann in einer nicht näher benannten Ausscheidung jeden dreifachen Sprung (oder waren’s nur doppelte?) auf dem Hintern beendet. Aber Alex schafft es, obwohl sie zu Beginn ihrer Vorstellung vor den Juroren der Ballettschule auch ins Straucheln gerät und neu beginnen muss. Sie verfügt über ein Sieger-Gen, das wohl die eine oder andere Generation übersprungen hat – und sie ist ein sympathisches Mädel.

Der Film hat stellenweise etwas Knuffiges, besonders, wenn Alex wirklich wie ein handfestes Mädel aus einfachen Verhältnissen wirkt. Leider ist das nicht durchgängig so, manchmal ist sie eben das Model, das ihre Darstellerin wirklich war, bevor sie den Ausscheidungstest für die Filmrolle gewonnen hat. Es gibt also Parallelen zwischen ihrem Leben und dem Film insofern, als ihre Karriere durch ihn quasi über Nacht einen riesigen Satz nach vorne gemacht hat. Ihre Tanzszenen sind trotzdem gedoubelt worden, in der Schlusssequenz vor der Jury sieht man recht deutlich, dass die Tänzerin nicht Jennifer Beals ist, auch wenn die Szene so gefilmt wurde, dass man möglichst nur die Konturen der vorführenden Person wahrnehmen soll. Klar, auch das verstärkt den künstlichen Eindruck des Films.

Aber, hey, wir sind in den 1980ern! Dem Jahrzehnt, in dem nach den einerseits schönen 1970ern, in denen aber viele ernsthafte Filme gemacht wurden, in den Reagan-USA endlich wieder richtig rumgesponnen werden durfte. Realismus war auf dem absteigenden Ast, nicht nur im Film, wie zum Beispiel der Börsencrash von 1987  zeigte. 1983, das war auch die Zeit von Punkern und Poppern, und wenn der Film auch ein Mädchen aus der Unterschicht promotet. Und natürlich die Musik, einen der ersten Hit-Soundtracks, die es sofort auf CD ga. Der Film war eher für die Popper-Fraktion gemacht. Für sie steht in gewisser Weise Nick, der Chef mit dem Porsche, der sich zwar auch hochgearbeitet hat, aber hinter den Kulissen seiner Flamme hilft, zum Vortanzen eingeladen zu werden, obwohl sie bisher keine Ballettausbildung hatte.

Eigentlich ist es ein Schlag ins Gesicht von Eleven, die von klein auf hart trainieren. Hier wird vorgegaukelt , dass zwei Jahre Selbsttraining reichen, um dasselbe oder gar ein besseres Niveau zu erreichen als Mädchen, die mit den Ballettschuhen an den Füßen aufgewachsen sind. Aber, hey, wir sind in den 1980ern, da kam noch einmal das Gefühl auf, anything goes. Wir erinnern uns gut daran, wie optimistisch die Zeiten waren, in denen wir aufgewachsen sind, und wie schön einfach die bipolare Welt doch war. Und bei allem Quatsch, der in „Flashdance“ verbraten wird, die Erinnerung an diese Zeit ist eine Menge wert, wenn man sich anschaut, was sich seitdem ereignet hat und wie die Dinge sich in vieler Hinsicht entwickeln.

Damals machte das Wort von der „sozialen Kälte“ zum Beispiel in Deutschland die Runde, auf die vorgeblich gegen die kleinen Leute (wie Alex) gerichtete Politik des neuen Kanzlers Kohl gerichtet. Aber, oh Mann, was waren das unter Birne für soziale Zeiten gegenüber dem, was SPD-Schröder mit der Axt im Walde angerichtet hat und der Marginalisierung der allgemeinen Sicherheit und des Mittelstandes von heute. Heute gedreht, ja, da würde ein Film wie „Flashdance“ in der Tat komplett lächerlich wirken. Aber in den 1980ern durften junge Leute noch von anderen Dingen träumen als von einem bezahlten Praktikumsplatz und von einer hoffentlich, hoffentlich zu erreichenden Stelle im Öffentlichen Dienst, um den deprimierenden Zuständen in der freien Wirtschaft zu entkommen.

Alex Owens, die kleine Schweißerin mit den schnellen Füßen ist, mehr als sich die analyiserende Kritik eingestehen will, ein Symbol für die 1980er, in denen man noch naiv genug war, daran zu glauben, dass man mit viel üben und die richtige Einstellung haben auch viel erreichen kann. Intellektuelle fanden das damals schon absurd, heute sind auch Normalmenschen viel zynischer und desillusionierter als vor 30 Jahren.

Finale

Seit heute haben wir erstmals einen Streamingdienst im Haus, und welchen Film haben wir als ersten ausgeliehen? Kein Meisterwerk, das uns viel Kopfarbeit bei der Rezension abverlangt, sondern dieses Tanzmärchen, das heute die Zeit nachhallen lässt, deren gute Seiten wir schmerzlich vermissen, die aber glücklicherweise noch im kollektiven Bewusstsein vorhanden sind und die Kraft geben, überwiegend oder doch manchmal optimistisch zu sein.

Es gab damals einen deutschsprachigen Song, an den wir uns vage erinnern, der hieß „Die goldenen 80er Jahre“ und die Essenz war, dass es ein Jahrzehnt wie dieses wohl nie wieder geben wird. Fanden wir damals schräg, so zu denken, oder auch folgerichtig, weil die 90er sicher noch besser werden würden. Aber so, wie es in dem Lied gemeint war, ist es gekommen. Das Jahrzehnt vor dem Mauerfall war das letzte mit einer fühlbaren Vorwärts- und Aufwärtsbewegung für die breite Masse der Bevölkerung und der Humus, auf dem Filme wie „Flashdance“ prächtig gediehen.

Insofern ist „Flashdance“ auch schon ein Nostalgie-Film für die Babyboomer-Generation und hat als solcher seine Berechtigung. Er lässt uns ein wenig mit Alex vom schnellen Aufstieg träumen. Die Bewertung fällt daher etwas höher aus, als der künstlerische Anspruch es rechtfertigen würde.

Ergänzung des Textes anlässlich der Veröffentlichung. Die vielen Parallelen, die wir in der Rezension zwischen 1983 und dem Jahr 2014 gezogen haben, sind mit der unverkennbar pessismistischen Grundhaltun gegenüber der Entwicklung der letzten Jahrzehnte heute auch als Vorahnung interpretierbar. Mag damals einiges noch leicht überzogen gewirkt haben, wenn man es vom persönlichen Kontext löst, muss man im Jahr 2023 nichts an dem Text ändern oder ihn relativieren, sondern ihn einfach nur so betrachten, als sei er angesichts der aktuellen Lage geschrieben worden. Hoffentlich werden wir nicht in einigen Jahren schreiben müssen: und heute erst!

70/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

Regie Adrian Lyne
Drehbuch Thomas Hedley,
Joe Eszterhas
Produktion Jerry Bruckheimer,
Don Simpson
Musik Giorgio Moroder
Kamera Donald Peterman
Schnitt Walt Mulconery,
Bud S. Smith
Besetzung

 

 

 


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