e-m@il für Dich (You’ve Got Mail, USA 1998) #Filmfest 1011

Filmfest 1011 Cinema

e-m@il für Dich ist eine US-amerikanische romantische Filmkomödie aus dem Jahr 1998 mit Tom Hanks und Meg Ryan in den Hauptrollen. Es handelt sich um eine freie Neuverfilmung des Films Rendezvous nach Ladenschluß (Originaltitel: The Shop Around The Corner) von Ernst Lubitsch aus dem Jahre 1940. Die Handlung wurde vom Budapest der 1930er Jahre ins New York der 1990er Jahre versetzt und entsprechend modernisiert: So wurde aus dem ursprünglichen Briefverkehr zwischen zwei Unbekannten (die sich eigentlich doch kennen) eine Kommunikation per E-Mail. Die Grundlage für die Verfilmung von 1940 beruhte auf der Handlung des Theaterstücks Parfümerie von Miklós László.

E-Mail für dich (wir verwenden im Text die nach Duden korrekte Schreibweise) weist dermaßen viele Bezüge zu Büchern und anderen Filmen auf, dass man sofort die Absicht bemerkt: Alles in einen Topf zu tun, was als romantisches Muster schon einmal funktioniert hat. Damit geht es weiter in der –> Rezension.

Handlung (1)

Der in New York lebende Unternehmer Joe Fox, Sohn des Besitzers einer Kette der Buchhandlungen „Fox & Sons Bookstores“, lernt im Internet eine Frau kennen, die sich als Shopgirl ausgibt. In derselben Zeit beaufsichtigt er die Vorbereitungen zur Eröffnung einer neuen Filiale der Kette. Kathleen Kelly, die in der Gegend eine kleine Buchhandlung führt, versucht die möglichen geschäftlichen Nachteile zu verharmlosen, während ihre Mitarbeiter beunruhigt sind. Die Filiale wird eröffnet. Während eines Empfangs lernt Kelly Joe Fox kennen, es kommt zu einem Streit. Ihre Erlebnisse erzählt sie ihrem E-Mail-Bekannten, den sie nur als NY152 kennt.

Fox verabredet ein Treffen mit dem Shopgirl. Als er sieht, dass es sich um Kathleen Kelly handelt, gibt er sich nicht als NY152 zu erkennen und erfindet später eine Ausrede, warum er nicht erschienen ist. Kelly muss ihren Laden schließen. Fox tröstet Kelly im Chat, wird zu ihrem Freund. Gemeinsam mit ihr denkt er über mögliche Gründe nach, wieso NY152 sich nicht zeigt.

Es wird ein zweites Treffen zwischen Shopgirl und NY152 verabredet. Als Kelly erkennt, dass sich hinter dem Pseudonym Joe Fox verbirgt, weint sie vor Freude und sagt, sie habe sich gewünscht, er sei der unbekannte NY152.

Spotlight

  • Wie in „Harry und Sally“ findet Meg Ryan auch hier am Ende zu einem Typ, mit dem sie sich anfangs gar nichts vorstellen kann.
  • Wie in „Schlaflos in Seattle“ findet Tom Hanks und findet Meg Ryan einen Partner über ein modernes Medium und erst am Ende sind alle Identitäten aufgedeckt.
  • Wie in „The Shop Around the Corner“ (1940) schreiben einander zwei Menschen, die ganz in der Nähe voneinander leben, sich gar nicht ausstehen können, verlieben sich aber über das Medium Brief (im Original) und Mail (im Remake).
  • Wie im Roman „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen gehen zwei Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft in Stellung gegeneinander, wobei der eine mehr Stolz, der andere mehr Vorurteil zeigt, und finden zueinander.
  • Weitere Bücher werden erwähnt und am Ende wird tatsächlich „Over the Rainbow“ aus „The Wizard of Oz“ (1939) gespielt, aus einem weiteren Buch der Serie von Frank L. Baum über Oz, dessen Märchenwelt dem Film zugrunde liegt, liest Meg Ryan während des Films einer Schar von Kindern vor.

Es gibt weitere Anspielungen wie etwa die Leidenschaft aller Männer im Film für „Der Pate“, es gibt ein ungeheures Product Placement für AOL, Starbucks und IBM und, etwas versteckter, für Barnes & Noble und, auf deutsche Verhältnisse übertragen, für Dussmanns Kulturkaufhaus. Was es im Original, dem liebenswerten „The Shop Around the Corner“ nicht gibt: Dass jemand es super zu finden, sein Glück mit jemandem zu finden, der gerade seine wirtschaftliche Existenz vernichtet hat. Aber, hey, wir sind in den 1990ern!

Im Verhältnis

Es ist beinahe widerlich, wie Regisseurin und Drehbuchautorin Norah Ephron alles verkitscht, was nicht rechtzeitig auf ganz hohe Bäume kommt, und vor allem, dass es funktioniert hat. Wir müssen unbedingt in einer besonders sentimentalen Woche einen besonders sentimentalen und zudem unglaubwürdigen Roman schreiben, der natürlich ein Beststeller wird und bei dem wir uns aller Klischees und Vorlagen bedienen, die bekanntermaßen die richtigen Saiten beim Leser zum Klingen bringen. Auf der Ebene einer kurzen Erzählung ist uns das ja unter Pseudonym schon einmal gelungen. In kleinerem Rahmen, versteht sich.

Man muss wohl wirklich eine Ader dafür haben, einen so wunderbaren Film wie „The Shop Around the Corner“ mit James Stewart und Margaret Sullavan in den Rollen von Tom Hanks und Meg Ryan dermaßen aufzuplustern, wie das hier geschehen ist. Okay, die Vorlage ist nicht geklaut, das zugrundeliegende Bühnenstück von Miklós László, es wird zumindest in der IMDb als Mit-Drehbuch erwähnt.

Aber kann Norah Ephron Ernst Lubitsch toppen (den Regisseur des Originals)? Sicher nicht. Was im Original ganz konzentriert und in einer wunderbar hollywoodmäßig imitierten Prager Atmosphäre stattfindet, was sich ganz dem Unterschied zwischen Fiktion per Brief und Realität per täglicher Konfrontation im Schuhladen stellt, das kann man kaum besser machen. Und hätte der Originalfilm die notwendige Anzahl von Bewertungen (erforderlich sind derzeit etwa 25.000, „The Shop Around the Corner“ kommt nur auf ca. 17.000), dann wäre er mit einem Durchschnittsvotum aller IMDb-Nutzer, die ihn bewertet haben, bei 8,1/10 innerhalb der Top 250 aller Zeiten.

Davon ist „E-Mail für dich“ weit entfernt, seines von Tom Hanks und Meg Ryan wesentlich initiierten Erfolgs zum Trotz. Das Remake ist geradezu ein Paradestück von einem versüßten Hollywoo-Remake, wofür die Filmemacher der 1990er natürlich besonders anfällig waren. Man will alles größer, schöner, bombastischer machen als im Original, geht am Wesentlichen vorbei und verheizt manchmal auch noch Top-Schauspieler, die sich etwas davon versprochen haben, in der Neuauflage eines berühmten Films tätig zu sein und die es als Ehre empfinden. In diesem Fall, Tom Hanks betreffend: auf den Spuren des großen Jimmy Stewar zu wandeln – wobei er noch kein ganz Großer war, als der die männliche Hauptrolle in „The Shop Around the Corner“ gespielt hat, sondern nur ein junger, vielversprechender Schauspieler, der dann fürein paar Jahre in den Krieg zog und sichtlich gereift heimkehrte.

Tom Hanks aber war bereits Oscarpreisträger (Hauptrolle in „Forrest Gump“, 1994) und Meg Ryan das ultimative Sweetheart nicht nur Amerikas, als man sie mit Hanks zum dritten Mal in einem Film zusammenspannte. Dass dabei die Botschaft des Originals wie auch des erwähnten Jane-Austen-Romans quasi ins Gegenteil verkehrt wird, dass der Film unglaublich kommerzanbiedernd ist, wie es selbst in Hollywood selten  in dieser Plakativität vorkommt, dass außerdem, und das ist unverzeihlich, der Mailverkehr, auf dem ja alles basieren soll, zwischenzeitlich in den Hintergrund tritt, dass es  zu viele Nebenschauplätze und –figuren gibt, getreu dem Motto, viel kann nie zu viel sein, das macht aus einer großartigen Vorlage, die schon einmal einen zauberhaften Film hervorgebracht hat, eine richtig dumme Schnulze.

Wir empfinden das auch viel mehr so als etwa bei „Schlaflos in Seattle“, dessen emotionale Temperatur ähnlich ist. Oder ist sie’s doch nicht? Ein wesentlicher Unterschied ist sicher die Tom Hanks-Figur, zunächst zum Originalfilm, in dem diese Figur nicht Joe Fox, sondern Alfred Kralik heißt. Das Original verkneift sich Statusunterschiede, sondern lässt auf eine Weise, die auch für Lubitsch untypisch ist, alles in einer recht realistisch wirkenden Welt der kleinen Geschäfte spielen, während das Remake unbedingt pompöse Jachten und riesige Kauftempel zeigen will und einen Typ, der ein Mädchen gewinnt, obwohl er dessen Laden und dessen Existenz mit seiner Großbücherei-Kette rücksichtslos vernichtet.

Das ist auch das Unglaubwürdige – wie schnell am Ende Meg Ryan sich so wünscht, dass der Unbekannte tatsächlich dieser Joe Fox ist. Zuerst war sie noch in dessen Laden, der so anheimelnd alles Mögliche und Angestellte hat, die überhaupt nicht über Bücher Bescheid wissen, anders als Kathleen Kelly, wie ihre Figur heißt. Jeder normale Mensch, der eine gar vererbete Existenz verliert, die seine ganze Identität beinahe zu einhundert Prozent bestimmt, haut nach kurzem Geplänkel, wie sehr man sich doch nicht mag, alles über Bord, um das Gegenteil zu verkünden. Mag’s im wirklichen Leben sogar geben, aber es wirkt literarisch unglaubwürdig, zudem bei der Herzchen-Figur, die Meg Ryan hier beinahe zum Exzess hin spielt.

Mitten im Film dachten wir an ganz andere Dinge. Zum Beispiel, was macht eine Schauspielerin, die so sehr auf der Sweetheart-Taste klimpert, wenn sie älter wird, aber noch nicht liebreizende ältere Damen spielen kann? Sich liften lassen? Dann könnte aber dieses einmalige, tausenfältige Lachen verloren gehen, das sie auszeichnet. Bei Tom Hanks ist die Sache einfach, er kann fast alles und gehört für uns fraglos zu den Top-Actors unserer Zeit, muss nicht Typen wie den nach dem Tod seiner Frau so verloren wirkenden Architekten spielen („Schlaflos in Seattle“) oder den schmalzigen Tycoon aus „E-Mail für dich“.

Das Fiese an dieser Konstellation von „E-Mail für dich“ ist, dass auch der alte Traum, einen reichen Typ kennenzulernen und ein glamouröses Leben hier untergemixt wird, der gar nichts, wirklich gar nichts mit der Vorlage zu tun hat und den man auch in „Schlaflos in Seattle“ glücklicherweise nicht integeriert hat, und das ist eben ein wichtiger Unterschied. In „E-Mail für dich“ steckt auch eine Menge Rosamunde Pilcher drin, schade eigentlich, dass die Verfilmungen von deren Flachsinn nie so großformatig geworden sind, erst daran hätte man die Ähnlichkeiten und die Unterschied gleichermaßen gesehen: Es ist nur wichtig, wer zu sehen ist, und das funktionierte in den 1990ern auf der Ebene der romantischen Komödie vor allem mit Hanks und Ryan, manchmal auch mit Julia Roberts.

Man hatt sich’s beinahe gedacht: Frauen mögen den Film im IMDb-Votum gemäß demografischer Aufschlüsselung um gut 0,5/10 mehr als Männer, und das ist eine signifikante Abweichung. Soll man sich jetzt doch fragen, ob Frauen nicht ein wenig einfältig sind und es verdient haben, weniger zu verdienen als Männer und eben meistens keine Leute wie Tom Hanks kennenzulernen? Sogar unsere emotionale Referenzgruppe, die Frauen über 45, die schon etwas Lebenserfahrung haben (sollten), tappt in die Kitschfalle und steigt nicht hinter die hochspekulative, manipulative Machart von „E-Mail für dich“.

Männer hingegen scheinen doch eher eine Ahnung davon zu haben, wieviel Hokuspokus sich in dem Film ansammelt, und da sind wir mal bei unseren Geschlechtsgenossen und rühmen ihr (in Maßen) besseres Urteilsvermögen. Da dies bei anderen Filmen ja oft ganz anders ist, dürfen wir das hier mal tun, denn immer, wo der Kitschfaktor hoch ist, da jubeln uns Frauen doch etwas zu auffällig, und das ist wohl ein Grund dafür, weswegen es im realen Leben, wo man auf reale Menschen trifft, viele Missverständnisse und unerfüllbare Erwartungen gibt. Die Männer werden sich eher denken: Ich bin nicht dieser Fox, und ich weiß es und wenn meine Frau sich diesen Film angeschaut hat, wird sie mit mir noch unzufriedener sein als zuvor. Das Leben ist eben auch Beziehungsarbeit.

Und noch einmal: Die ökonomische Aussage des Films ist dermaßen pro Großkonzerne gestrickt, dass man davon ausgehen darf, dass einige Firmen hier auch gesponsert haben. Es ist sowas von ironisch, dass Kathleen Kelly mit Starbucks-Becher in der Hand rumläuft. Während also ihr Buchladen gerade von Fox – nicht angegriffen, sondern nebenbei überrollt wird – geht sie zu Starbucks, anstatt in ein kleines, von Ketten wie Starbucks bedrohtes Café um die Ecke. Wenn das hintergründig sein soll, ist es gelungen. Wir zweifeln aber daran, dass man diese Assoziation hervorrufen wollte, die man dahingehend weiterführen kann, dass ein Mensch, der so fragmentiert denkt wie Kathleen Kelly sich auch mit Haut und Haar von dem Typ vereinnahmen lässt, der sie von einer liebenswerten Kleinunternehmerin vermutlich zu einer von tausend Buchverkäuferinnen in einem Fox-Laden werden lässt.

Im Grunde ist der Film realistisch, was die Ökonomie angeht. Es ist nun einmal so, dass die Einkaufsmeilen den Kleinen schwer zu schaffen machen. Ihrerseits werden die Kaufhäuser, das war 1998 noch nicht so abzusehen, da gab es noch kein Amazon, wiederum vom Internet-Versandhandel bedrängt, der wiederum mit sehr viel weniger Menschen zu bedienen ist als die Malls. Im Grunde, und wir werden die Folgen noch sehen, ein Desaster für die Präsenzgeschäfte.

An einer Stelle, an der er’s gewiss gar nicht vorhatte, regte uns „E-Mail für dich“ tatsächlich zum Nachdenken an. Das Szenario des Sich-Verliebens per E-Mail, Chat und so weiter können wir ohne Überlegung in einen Satz fassen, was den Realitätsgehalt angeht: Stimmt alles und wird im Film, weil dieser auch hier nicht konsequent ist, kaum ausgereizt. Das ginge viel besser, witziger oder auch trauriger.

Finale

Für uns einer der enttäuschendsten Filme der letzten Zeit, weil er mit seinem Thema, seiner Vorlage, seinen Schauspielern Erwartungen weckt, die er nicht erfüllen kann. Hingegen gibt es viele zweifelhafte und wenig ausgegorene Momente und fragwürdige Strömungen. Die Schlussszene war dann doch wieder rührend, und der Witz ist, das funktioniert sogar, wenn man sich dagegen sträubt. Wir sind eben alle manipulierbar. Manche für ein paar Minuten oder Stunden, andere laufen so durchs ganze Leben und glauben, was in Hollywoodfilmen gezeigt wird, sei für jedermann möglich.

Durch die viel zu vielen Bezüge und Nebensächlichkeiten verliert „E-Mail für dich“ an Dynamik, anstatt reichhaltig zu wirken, ertrinkt beinahe in Klischees und ist als Remake selbst eines. Ein schlagendes Bespiel dafür, warum wir Remakes gegenüber skeptisch eingestellt sind. Bei diesem, wie meistens, müssen wir nicht die Schauspieler tadeln, die das Beste aus ihren Rollen machen, aber die Art, wie hier nach dem Baukastenprinzip ein subtiles kleines Alltagsmärchen in einen seichten Film verwandelt wird. Aus einem kleinen, erfreulichen Leckerbissen macht man einen Konsumstoff, der die gedankenlose Masse verführt und verfährt damit genau so wie die bösen Füchse, die ja so böse nun wieder nicht sind. Damit sanktioniert der Film das, was Begegnungen verhindert und E-Mails erfordert. In einem Buchladen kann man so gut wie kaum irgendwo sonst mit Fremden ins Gespräch kommen – aber ist Ihnen das schon einmal in einem „Kulturkaufhaus“ passiert?

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung 2023: Dieses Mal haben wir einen auf unser persönliches Kaufverhalten zielenden Absatz herausgenommen, weil sich da seit 2014 einiges verändert hat. Trotzdem bleibt es eine für die Verhältnisse der Zeit, in der dieser Text entstanden ist und wenn man die negative Bewertung bedenkt, recht umfangreiche Besprechung.

54/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

Regie Nora Ephron
Drehbuch Nora Ephron,
Delia Ephron
Produktion Nora Ephron,
Lauren Shuler Donner
Musik George Fenton
Kamera John Lindley
Schnitt Richard Marks
Besetzung

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