Kaufen Sie Kleidung, die Sie dann nicht anziehen? (Statista + Kommentar) | Briefing 365 | Wirtschaft, Gesellschaft

Briefing 365 Wirtschaft, Konsum, Verbraucher, Mentalität

Falls  Sie ein Fashion Victim sind, machen wir Ihnen das nicht zum Vorwurf. Einen Tick oder gar eine Sucht hat fast jeder Mensch. Aber sind Sie auch ein Konsum-Umweltschwein in Sachen Mode? Es gibt einige davon, wie die untenstehende Grafik zeigt.

Infografik: Kaufen Sie Kleidung, die Sie nicht brauchen? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Der so genannte Black Friday steht vor der Tür und auch Modeshops wie etwa Zalando oder Asos locken mit Rabatten. Dabei dürfte auch das eine oder andere Teil in den Einkaufskörben landen, das es zwar in den Kleiderschrank hinein, aber nicht wieder hinaus schafft. Das legen Ergebnisse der aktuellen Statista Consumer Insights nahe. So geben zwölf Prozent der hierzulande befragten Konsument:innen an, oft Kleidung zu kaufen, die sie nie tragen – Frauen passiert das öfter als Männern, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Am weitesten verbreitet ist dieses Shoppingverhalten auf den britischen Inseln und Spanien. Allerdings greifen auf der iberischen Halbinsel Männer beim Modekauf ähnlich oft daneben wie Frauen.

Die Black Week läuft ja schon seit drei Tagen, aber der Black Friday ist natürlich der Höhepunkt der Kaufrausch-Periode Nummer … ja, die wievielte im Jahr ist es eigentlich? Wir haben uns entschlossen, erst 2024 die Black Week wieder vermehrt zu nutzen, und selbstverständlich, wie immer, nur für absolut notwendige Anschaffungen, auf die man wirklich überhaupt nicht verzichten kann.

Das einzige Kleidungsstück, das wir nie getragen haben (außer zur Probe) war ein Geschenk, sogar ein selbstgemachtes von einer sehr netten Person. Aber was nützt es uns, wenn sie bei der Anfertigung nicht unsere Größe berücksichtigt, sondern bei sich selbst Maß genommen hat, woraus sich ergab, dass uns die Strickmütze immer über die Augen rutschte? Kappen, die mit dem der Verheißung „One Size fits All“ daherkommen, halten wir sowieso für höchst problematisch, das ist reine Bequemlichkeit der Hersteller, und ein bisschen Unzufriedenheit mit der Passform kurbelt das Neuwarengeschäft wiederum an. Die besagte Mütze haben wir tatsächlich noch im Kleiderschrank, als Andenken.

So dürfte es vielen gehen, die online bestellen, auch wir waren schon mit einigen Stücken nicht hundertprozentig zufrieden, die wir vorher nicht anprobiert, sondern nur nach der üblichen Größe gekauft haben. Die fällt aber nun einmal je nach Hersteller unterschiedlich aus, manchmal auch je nach Kollektion. Vielleicht sind wir da zu kompromissbereit, aber wir haben bisher so gut wie nie Rücksendungen vorgenommen. Die einzige, die uns spontan einfällt, basierte auf einer Transportbeschädigung. Eine Rücksendung sollte auch nicht mitgezählt werden, wenn es um die Stücke geht, die ungetragen im Kleiderschrank hängen oder liegen.

Dass sich beim Kaufen und nicht Tragen die Briten so hervortun, belegt, dass sie in der Mehrzahl keine Schotten sind und warum die Schotten sich von dieser Prasserei gerne lossagen möchten, zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre.

Aber wie kommt es dazu, dass Menschen etwas kaufen und es dann nicht anziehen? Bequemlichkeit auch auf der Konsumentenseite spielt auf jeden Fall eine Rolle. Man kann sich online auch in der Form „verkaufen“, dass ein Teil zwar größenmäßig passt, aber optisch doch nicht so wirkt, wie man es sich vorgestellt hat. Man fühlt sich einfach nicht wohl damit. Dann könnte man es aber auch zurücksenden. Offline sieht es etwas anders aus. Rückgaben sind in der Regel auch möglich, aber immer mit einer persönlichen Konfrontation verbunden, auch wenn sie nicht zu einem Streit führt. Dem gehen manche Menschen gerne aus dem Weg, außerdem haben manche Verkäufer die unangenehme Eigenschaft, alles, was nicht mehr originalverpackt ist, nicht mehr zurückzunehmen. Unseres Wissens ist dieses Vorgehen gar nicht erlaubt, aber man kann es ja versuchen, um die Retourenanzahl niedrig zu halten. Bei Kleidungsstücken dürfte das aber kaum eine Rolle spielen, doch wir müssen auch hier gestehen: keine Erfahrung. Wir erinnern uns an keine einzige Rückgabe eines im Präsenzhandel gekauften Kleidungsstücks. Zu viel Kompromissbereitschaft, siehe oben? Oder doch ein recht gutes Auge dafür, was matcht?

Zugegeben, es hakt bei den Schuhen. Es ist schon länger her, dass wir welche erstanden haben, in denen wir wirklich von Beginn an gut gehen konnten, auch längere Strecken. Daher tragen wir teilweise auch Treter, die ihren Zenit, sagen wir mal, schon seit einiger Zeit überschritten haben. Irgendwas ging da in den letzten Jahren schief, aber wir haben nie Schuhe zurückgegeben, obwohl wir wegen der erkannten Notwendigkeit des Anprobierens Schuhe fast nie online bestellen.  

Sicher gibt es psychologische Gründe dafür, dass Menschen sich etwas kaufen, das sie anschließend komplett missachten, es ist aber an dieser Stelle nicht unsere Aufgabe, sich deren Erforschung zu widmen, das sollen diejenigen tun, die Statistiken wie die obige erstellen; wir publizieren die Ergebnisse, wenn sie gemeinfrei sind, wie die gezeigte Grafik.

Wir sind deshalb aber noch lange nicht Primark, das ja auch fast umsonst anbietet. Alleine in Berlin an vier Standorten. Als dieses Billigstshopping aufkam und wir uns in der U-Bahn manchmal beengt fühlten, wegen der Personen mit den vielen Tüten von dieser neuen Shoppingmöglichkeit, dachten wir bezüglich der Wegwerfmentalität: Was noch? Tja, etwas noch Gruseligeres in Bezug auf die Nachhaltigkeit war wohl nicht möglich.

Das Unternehmen steht aufgrund seiner besonders niedrigen Preise unter anderem mit Bezug auf die Arbeits-, Lohn- und Produktionsbedingungen in Billiglohnländern, Schadstoffbelastungen in der angebotenen Ware sowie der mangelnden Nachhaltigkeit der angebotenen Textilien international in der Kritik. Primark – Wikipedia

Ganz sicher werden Klamotten von dort häufiger gar nicht getragen als hochwertige Kleidung, werden direkt weitergereicht oder frühzeitig weggeschmissen. Als das im Budget war, haben wir immer die genau gegenteilige Philosophie vertreten: Gutes ist nicht teuer, weil man es lange tragen kann, ohne dass es zu getragen aussieht. Mittlerweile müssen wir da auch mehr Kompromisse machen, aber in eine Primark-Filiale werden uns diese nicht führen.

Eher wieder einmal in den Secondhand-Laden, obwohl wir mit bisherigen Käufen gerade dort nicht besonders glücklich wurden. Die auf diese Weise erstandenen Sachen tragen wir weit unterdurchschnittlich oft, auch wenn es keine gibt, die nur herumhängen und Platz wegnehmen. Trotzdem steht mit diesem eher seltenen Gebrauch der Sinn dieser auf den ersten Blick ressourcensparenden Einkaufsweise zumindest für uns persönlich infrage, period.

Irgendwie gehen wir an dieses Gebrauchtwaren-Shopping anders heran, vermutlich, weil es eben günstiger ist. Wir müssen uns noch ein wenig mehr selbst einnorden, geduldiger beim Suchen ohne Beratung werden, denn es macht eigentlich auch Spaß, auf Märkten und in durchaus fancy Secondhand-Läden in Berlin zu stöbern. Wir glauben, dass bei den weniger zufriedenstellenden Ergebnissen immer noch die Erwartung eine Rolle spielt, nicht ohne einen Kauf aus dem Laden zu gehen. Wie z. B. bei jenem Herrenausstatter, der uns immer exakt das anbieten konnte, womit wir uneingeschränkt zufrieden waren.

Begonnen hatte Secondhand bei uns mit Hosen von unserer Lieblingsmarke via Ebay und war durchaus zufriedenstellend, etwa in der Form: ein Drittel des Neupreises, aber zwei Drittel der Tragezeit vergleichbarer Neuware bei bekannter, gutsitzender Passform. Sie werden sich schon gedacht haben, dass es sich dabei wohl um Jeans handelt, weil bei diesem Hosentyp einige Bestseller oder klassische Modelle über viele Jahre hinweg produziert werden.

Nun haben wir freilich mehr unser eigenes Konsumverhalten reflektiert, als dass wir den Typ des Käufers, der nicht trägt, beleuchtet hätten. Wenn man bedenkt, wie viele Lebensmittel weggeworfen werden, sind die in der Grafik ausgewiesenen Quoten auch gar nicht so hoch. Aber kann man das überhaupt vergleichen? Fragen über Fragen, auf die es nur eine sichere Antwort gibt: Bitte konsumieren Sie so nachhaltig wie möglich, künftige Generationen werden es Ihnen danken.

TH

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