Briefing 372 Wirtschaft, Konsum, Wohnkosten, Lebensmittel, Kultur und Freizeit, Kommunikation
Wie haben sich die Konsumausgaben in Deutschland im Vergleich zum letzten Jahr vor Corona entwickelt?
Für das Jahr 2023 lassen sich noch keine Aussagen treffen, aber die Tendenz des vergangenen Jahres dürfte sich im Wesentlichen fortsetzen. Und diese zeigt einige bemerkenswerte Entwicklungen:
Infografik: Wie hoch sind die Konsumausgaben in Deutschland? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Die privaten Haushalte in Deutschland haben laut einer aktuellen Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr pro Monat 2.846 Euro ausgegeben. Davon entfallen 36 Prozent auf die Segmente „Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung“ sowie 15 Prozent auf „Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren“. Zum Vergleich im letzten Jahr vor Corona waren es zusammengenommen drei Prozentpunkte weniger. An dritter Stelle folgt mit 347 Euro beziehungsweise zwölf Prozent „Verkehr“. Hier sind die Ausgaben im Vergleichszeitraum der Statista-Grafik minimal zurückgegangen. Geschrumpft ist offenbar auch das Budget für „Freizeit, Sport und Kultur“. Gab ein Haushalt 2019 im Schnitt für diesen Posten im Monat 157 Euro aus, waren es 2022 rund 245 Euro. Stark gestiegen (+87 Prozent ggü. 2019) sind dagegen die Aufwendungen für „Information und Kommunikation“.
Letzteres dürfte vor allem daran liegen, dass während der ausklingenden Corona-Zeit viele neue Geräte angeschafft und Streamingdienste gebucht wurden, auch die Umstellung auf etwas teurere 5G-Tarife inklusive der höherpreisigen Smartphones schlug sicherlich zu Buche, vielleicht ein wenig der Umstieg auf schnelleres Internet. Tarife für Funk- und Internetdienstleistungen ohne technisches Upgrade dürften hingegen nicht für die Preissteigerungen verantwortlich sein.
Bemerkenswert sind vor allem zwei gegensätzliche Entwicklungen: der Anstieg der Wohnkosten ohne Einrichtungsgegenstände und der gleichzeitige Rückgang bei Sport und Kultur. Die Daseinsvorsorge, das, woran ein Haushalt kaum etwas ändern kann, die Fixkosten für die Bleibe, stiegen erheblich, während das, was hauptsächlich die Lebensqualität ausmacht und was man sich leisten möchte, nicht bezahlen muss, rückläufig sind. Im obigen Text ist bei diesem Posten ein Fehler enthalten, 245 Euro sind die Ausgaben im Jahr 2022 gewesen, dem helleren Balken nach müssten es im Jahr 2019 ca. 270-280 Euro gewesen sein.
Wäre Corona noch nachwirkend, würde diese negative Entwicklung auch die Gastronomie betreffend, hier wird aber mehr ausgegeben als vor Corona. Sicherlich nicht bedingt durch häufigere Besuche im Restaurant, sondern durch die stark gestiegenen Preise. Möglicherweise haben die Besucherzahlen nicht einmal das Vorkrisen-Niveau erreicht.
Bei den Lebensmitteln gibt es zwar einen Ausgabenzuwachs, aber nicht in dem Maße, wie sie sich verteuert haben und weiterhin verteuern. Die Lebensmittelinflation liegt deutlich über der Gesamtinflation. Bei richtiger Interpretation würde das bedeuten, dass Menschen tatsächlich sogar weniger Nahrungsmittel einkaufen. Sicherlich kann man bei der hohen Wegwerfquote in Deutschland einiges optimieren. Jedoch liegt der Verdacht nah, dass gerade diejenigen weniger kaufen, die es einfach nicht mehr bis zur vollwertigen Ernährung schaffen – und möglicherweise sogar zur Tafel gehen. Was dort erstanden wird, fließt nicht in eine Grafik wie die obige ein. Auch nominal leicht rückläufig: Ausgaben für Schuhe und Bekleidung. Die Preise für Kleidungsstücke dürften allerdings nur unwesentlich gestiegen sein. Trotzdem sieht es aus, als ob auch hier etwas gespart würde. Im Bereich Fortbewegung beeinflussen die Kraftstoffpreise die Ausgaben sehr stark, daher können sie nur bedingt als Gradmesser für allgemeine Trends herangezogen werden.
Interessant wäre ein Vergleich, der auch die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 einbezieht, daran könnte man pandemiebedingte Verschiebungen ersehen und Normalisierungstendenzen besser einschätzen.
Insgesamt ist festzuhalten: Starke Kostensteigerungen im Wohnbereich sind auf jeden Fall nachteilig für die Wirtschaft, denn der Konsum leidet darunter, möglicherweise auch die Sparquote. Hingegen landen die Erträge aus der Bewirtschaftung von Mietwohnungen regelmäßig in den Taschen von besonders Begüterten oder Aktionär:innen landen – abzüglich der Kreditrückzahlungen für die Anschaffung von selbst genutztem Eigentum, falls diese in der obigen Aufstellung berücksichtigt sind. Diese dürften aber in den letzten Jahren nicht für die Steigerung der Ausgaben insgesamt verantwortlich gewesen sein, denn bei niedrigen Kreditzinsen kam es während Corona nicht zu einer wesentlichen Ausweitung der Bau- und Kauftätigkeit seitens privater Selbstnutzer.
TH
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