„Paris liegt in weiter Ferne“ – Die Unerreichbarkeit des 1,5-Grad-Ziels (Statista + Kurzkommentar) | Briefing 375| Klima, Umwelt

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Heute ist zwar Freitag, aber nicht der 13. Darf’s trotzdem etwas Doomsaying sein? Es geht um die Klimaziele aus dem Pariser Abkommen. Es war eigentlich klar, aber hier hat Statista es einmal grafisch dargestellt: Das „1,5-Grad-Ziel“ wird keinesfalls einzuhalten sein.

Infografik: Paris liegt in weiter Ferne | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die aktuellen Ziele und Versprechen von Regierungen weltweit zur Senkung der Emission von Treibhausgasen reichen nicht aus, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die globale Erderwärmung würde Forschern zufolge am Ende des Jahrhunderts dann bei 2,0 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit liegen. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis der aktuellen Prognose des Analyseprojekts Climate Action Tracker (CAT). Würden die Ziele und Versprechen nicht umgesetzt werden und der Status quo bestehen bleiben, würde die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2100 sogar +2,7 Grad Celsius betragen. Bei einem optimistischen Szenario mit verstärkten Klimaschutz-Anstrengungen würde die Erderwärmung immer noch 1,8 Grad betragen.

Die Daten geben den Stand von November 2022 wieder. Bei der heute beginnenden Klimakonferenz COP 28 in Dubai dürften sich die Regierungen vieler Länder auf weitreichende Ziele bei der Reduzierung von CO2-Emissionen einigen. Relativ einfache Fortschritte dürfte es Medienberichten zufolge beim Ausbau der erneuerbaren Energien geben. Mit Sonne, Wind und Co. sollen bis 2030 dreimal so viel Strom produziert werden. Darauf dürfte sich die Weltgemeinschaft einigen können, heißt es im Vorfeld. Genauso wie auf eine Halbierung des Stromverbrauchs durch Verbesserung bei der effizienten Energienutzung. Eine Aktualisierung der Grafik nach Ende der COP 28 ist daher in Planung.

Eine hohe Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre schränkt das Entweichen der von der Erde abgestrahlten Wärme in das Weltall ein. Die Folge: Die Temperaturen auf der Erde steigen. Messbar wird die globale Erwärmung u.a. an den Anomalien der globalen durchschnittlichen Kontinental-Temperaturen. Temperaturanomalien sind Abweichungen der Temperatur, die sich an berechneten langjährigen Temperatur-Mittelwerten messen. Was die Erderwärmung für die einzelnen Regionen in Deutschland bedeutet, zeigt diese Statista-Grafik.

Basis für die Prognose sind Daten von 32 Staaten, die zusammen für rund 80 % der globalen Emissionen verantwortlich sind. Erstellt wird der CAT von den Instituten New Climate Institute und Climate Analytics sowie dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Gestartet wurde die Webseite im November 2009. Finanziert wird der CAT von der European Climate Foundation. Ergebnisse des CAT werden unter anderem in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht.

Vielleicht ist es eine gute Idee, das „1,5-Grad-Ziel“ noch einmal zu erläutern: 1,5 Grad Erderwärmung sagen nichts aus ohne einen Bezugszeitpunkt:

Das 1,5-Grad-Ziel ist ein Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, gerechnet vom Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100. Fast alle Staaten der Erde haben auf der 21. UN-Klimakonferenz 2015 (COP 21) mit dem Übereinkommen von Paris einen Vertrag unterzeichnet, nach dem sie Anstrengungen zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels unternehmen wollen1Gemäß einem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC wäre die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles deutlich günstiger, als wenn nur das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden könnte1. Jedoch reichen die vor 2023 unternommenen Bemühungen die Treibhausgasemissionen zu mindern, nach Einschätzung des Weltklimarates bei weitem nicht aus. Ohne eine sofortige Verstärkung der Maßnahmen könnte die Welt sich im Laufe der nächsten 70 Jahre um rund 3,2 °C erwärmen, mit katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt1.

11(https://de.wikipedia.org/wiki/1,5-Grad-Ziel) (Zusammengefasst von ChatGPT).

Auch sonst wirkt einiges mindestens schwammig: Angesichts der forcierten Elektrifizierung des Individualverkehrs und des Einbaus von Wärmepumpen, beides Zielvorgaben, die den privaten Stromverbrauch geradezu explodieren lassen, wenn sich diese Techniken durchsetzen, wirkt es äußerst befremdlich, den Stromverbrauch um die Hälfte reduzieren zu wollen. Anders wäre das zum Beispiel, wenn sich grüne Wasserstofftechnik durchsetzen würde. Mindestens aber müsste der Strom tatsächlich klimaneutral im Renewables produziert werden, und das ist vorerst in vielen Ländern nicht abzusehen. Kein Wunder, dass bei diesem Szenario immer wieder der Ruf nach der Nutzung oder Wiedernutzung der Atomkraft aufkommt. Der Begriff Brückentechnologie hat dabei, wie schon beim Gas, eine besondere Bedeutung. Aber eine Kehrtwende von der Kehrtwende lässt sich nicht so einfach noch einmal drehen, ein solcher Schritt muss also gut überlegt sein.

Bei allen Klimaschutzmaßnahmen taucht immer wieder ein Dilemma auf: Viele Länder werden auf absehbare Zeit eher steigende als sinkende Emotionen zu verzeichnen haben, darunter große bis sehr große Länder. China hat seinen Peak noch nicht überschritten, andere, wie Indien oder afrikanische Staaten fangen erst an, Emissionen in größerem Umfang zu produzieren. Ist es angesichts dieser Tatsache vertretbar, die hiesige Industrie und die Privaten mit enormen Konversionskosten zu belasten, obwohl der deutsche Anteil an den Welt-Emissionen schon deshalb sinkt, weil immer weitere Länder ins Industriezeitalter eintreten und damit auch ein rasches CO2-Ausstoß-Wachstum zeigen? Sicher könnte Deutschland und könnte die EU eine Vorbildfunktion einnehmen, dazu müsste aber die Außenpolitik auf Kooperation anstatt Maßregelung umgestellt werden. Globales Bewusstsein ist kein Selbstläufer, schon gar nicht angesichts der kolonialistischen Geschichte des Westens.

Am meisten wird sich tun, wenn die Folgen der Erderwärmung immer extremer werden. In Deutschland ist zum Beispiel ein dramatischer Rückgang der Wasserreservoire zu verzeichnen, einer der stärksten weltweit. National kann man dieses Problem zwar nicht alleine lösen, sehr wohl aber durch nationale Maßnahmen zu seiner Bekämpfung beitragen. So sollte man auch die Klimaschutzmaßnahmen insgesamt sehen, die hierzulande umgesetzt werden und werden sollen: Als ein Beitrag zum Ganzen, aber auch als Hilfe vor Ort, die sehr wohl den Menschen hierzulande auch dann zugutekommt, wenn anderswo in der Welt noch keine postindustriellen Zustände herrschen.

TH


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