Die Bounty (The Bounty, USA / GB 1984) #Filmfest 1035

Filmfest 1035 Cinema

Die Bounty ist eine Verfilmung der Meuterei auf der Bounty von Roger Donaldson aus dem Jahr 1984. Sie basiert auf dem Buch The Bounty von Richard Hough, das zunächst unter dem Titel Captain Bligh and Mr Christian veröffentlicht wurde.

1935, 1962, 1984 – Das sind drei wichtige Jahre für die filmische Werdung des Bounty-Stoffes. Der preisgekrönte erste Film mit Clark Gable und Charles Laughton als Gegner stellte sich ganz auf die Seite der Meuterer und noch heute ist uns Laughtons grandios bösartige Darstellung als Bligh in Erinnerung. Die zweite Verfilmung kann man ebenfalls noch als überwiegend den Meuterern gegenüber freundlich gesonnen bezeichnen, hier maßen sich schauspielerisch Marlon Brando als Christian und Trevor Howard als Bligh. Auch der dritte Film ist wieder Starkino, er zeigt Mel Gibson als Christian, Anthony Hopkins als Bligh und den jungen Daniel Day-Lewis als John Fryer und Laurence Olivier als Admiral. Allerdings ist das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen. Die Meuterer wirken nicht mehr so anständig, der Kapitän nicht mehr so dämonisch wie in den älteren Kino-Adaptionen des Stoffes.  Sind die Zeiten konservativer geworden oder bemüht man sich mehr um historische Korrektheit? Dies und mehr besprechen wir in der –> Rezension.

Was in dem Film noch nicht berücksichtigt werden konnte, sind Manipulationen, die der Kapitän offenbar am Logbuch der Bounty vorgenommen hatte, die erst in einer deutschen Dokumentation aus dem Jahr 2007 filmisch dokumentiert wurden. Verfilmt wurde der Stoff erstmals 1916 und nach 1984 gab es weitere filmische Befassungen damit, aber keine Adaption, die mit den drei genannten inhaltlich vergleichbar wäre.

Handlung (1)

Die Rahmenhandlung des Films bildet die Verhandlung gegen William Bligh vor dem Kriegsgericht wegen des Verlustes der Bounty durch Meuterei.

In der Binnenhandlung erhält Leutnant Bligh den Auftrag, Brotfrüchte von Tahiti nach Jamaika zu liefern, die als billige Nahrungsquelle für die Sklaven auf den dortigen Plantagen dienen sollen. Bligh ist angetrieben von persönlichem Ehrgeiz, er will sich mit diesem Auftrag, den er in der kürzestmöglichen Zeit durchführen will, unbedingt einen Namen und so in der königlichen Marine Karriere machen. Auf der Hinfahrt erweist er sich noch als recht umgänglich und um seine Mannschaft bemüht. Seinen Ersten Offizier, den ebenfalls ehrgeizigen John Fryer, lässt er allerdings schon von Anfang an seine Ablehnung spüren. Dieses gipfelt in der (rechtswidrigen) Degradierung Fryers, nachdem die Umrundung Kap Hoorns gescheitert ist, und Bligh ihm die Schuld dafür gibt. Statt Fryer wird nun der Zweite Maat Fletcher Christian, der mit Bligh befreundet ist, zum Ersten Offizier ernannt.

Bei der Ankunft auf Tahiti werden sie vom Häuptling und den Bewohnern freundlich empfangen, die Pflanzen der Brotbäume werden ihnen gewährt. Zum Missfallen Blighs müssen sie länger bleiben als geplant, da die Pflanzen im derzeitigen Wachstumsstadium noch nicht transportfähig sind. Die Besatzung entwickelt derweil Beziehungen – vornehmlich zu jungen Frauen – und lernt ein freies Leben ohne die Zwänge und Einschränkungen auf See kennen. Besonders wird die Liebe von Fletcher Christian zu einer jungen Häuptlingstochter dargestellt. Bligh sorgt sich zu Recht, dass die Disziplin seiner Mannschaft unter den Verlockungen dieses Inselparadieses allmählich verloren geht. Es kommt zu ersten Differenzen zwischen Christian und Bligh, was Fryer mit Genugtuung beobachtet. Schließlich wagen drei der Seeleute die Flucht vom Schiff. Sie werden jedoch gestellt, und obwohl auf Desertion der Strang steht, lässt Bligh sie nur auspeitschen. Da sich alle benötigten Pflanzen mittlerweile an Bord befinden, gibt Bligh den Befehl zur Abreise. (…)

Anni und Tom über „DieBounty“ 

ANNI: Nach den Filmen von 1935 und 1962, die beide schon für die Wahlberliner rezensiert wurden, nun also der dritte Versuch von 1984. Mit Mel Gibson und Anthony Hopkins, der 1991 den Hannibal Lecter gespielt hat.

TOM: Der Film ist der kürzeste der drei, aber auch deshalb, weil er in Deutschland in einer gekürzten Version gezeigt wird, ursprünglich war er sogar als zweimal dreistündiges Epos geplant und sollte vom Spezialisten für lange Filme, David Lean, inszeniert werden. Dann hat ihn aber Roger Donaldson gemacht, der zuletzt für „Brooklyn“ gute Kritiken bekam.

ANNI: Wenn man die drei Filme vergleicht, kann man von einer Art schrittweisem Paradigmenwechsel sprechen – die schleichende Entdämonisierung des Captain bzw. Lieutenant Bligh zulasten von Fletcher Christian. Wobei die beiden älteren Filme enger beieinander liegen als der von 1984 bei den anderen. Hier ist ja Bligh wirklich fast der Gute, und offenbar ist das historisch am meisten der Wahrheit entsprechend.

TOM: Sehr interessant vor allem deshalb, weil man gerade in den älteren Filmen ja so sehr nach einer logischen Begründung für die Meuterei in der Art des Kapitäns gesucht hat. Vor allem hat Charles Laughton dem Bligh in der klassischen Verfilmung von 1935 einen geradezu monströsen Charakter verliehen. Da hatte es Clark Gable als Christian leicht, sich die Gunst des Publikums zu sichern, als er sich schließlich gegen ihn stellte. Laughton hingegen hat eine echt superbe Darstellung geboten, man merkt, dass er diese Bösewichte aufgrund seiner Physiognomie mit echter, natürlicher Hingabe darstellte. Einer der ersten Stars für dunkle Rollen.

ANNI: 1962, als das Paar dann Trevor Howard und Marlon Brando hieß, war das schon ein wenig gemildet, hat weniger psychopathisch als borniert gewirkt, da wurde besonders das Soziale herausgearbeitet: Der Kapitän als einer, der sich immer durchbeißen musste gegenüber dem Christian mit seinen Beziehungen. Allerdings ist gerade deshalb der Film überhaupt nicht eindeutig, weil letztlich der Schnösel der Gute ist.

TOM: Ich wage mal eine Behauptung. Das lag sicher auch daran, dass Überdrüber-Brando den Christian spielte. Um den Film gab es einige Kontroversen im Vorfeld, und ich interpretiere das Ergebnis so, dass Brando selbst dafür gesorgt hat, dass er nicht zu schlecht wegkommt. Dadurch könnte es eine Art Verschiebung bei der Kausalität gegeben: War es Bligh, der die Ursachen setzte oder eher Christian, der die Meuterei dadurch beförderte, dass er sich immer als moralisch und auch sonst irgendwie überlegen darstellte.

ANNI: Im Film von 1984 ist hingegen alles klar. Bligh ist im Grunde ein ganz normaler Seemann und nicht einmal ein sehr strenger Vorgesetzter, nach den Maßstäben der Zeit. Gerade deshalb entgleitet ihm auf Tahiti die Situation und letztlich versucht er dann an Bord, die Disziplin mit Mitteln einer strengeren Führung wiederherzustellen, die ihm die außer Rand und Band geratene Mannschaft nicht zubilligt. Und von Christian wird er quasi im Stich gelassen, weil dieser auf Tahiti „gedreht“ wurde – durch die Liebe zu einer Frau. Hätte er sie nicht auch nach England mitnehmen können?

TOM: Wie John Smith Pocahontas mitgenommen hat? Ich glaube nicht, dass das möglich gewesen wäre. Aber gut beschrieben, die Meuterer sind bei weitem keine sympathischen Leute mehr, allerdings trägt von Beginn der Reise an auch der snobistische und hartherzige John Fryer, die Nummer Zwei auf dem Schiff, seinen Teil dazu bei, dass die Stimmung unterminiert wird. Das wird übrigens in allen Filmen mehr oder weniger so dargestellt. In der 1984er Version aber – Paradigmenwechsel! – teilt er sich jetzt den bösen Part mit einigen Meuterern, die mehr oder weniger als verkommenes Pack dargestellt werden.
ANNI: Was an Bligh hingegen für mich hängen bleibt, ist seine arrogante Einstellung den Insulanern gegenüber. Da wird mir zu oft von unzivilisierten Wilden gesprochen.

TOM: Ich glaube nicht, dass das die Einstellung des Films an sich ist. Vielmehr soll damit gezeigt werden, dass er die Gefahr, die für die Mission durch den Kontakt der charakterschwachen Mannschaft mit den Tahitianern entsteht, sieht und ihr dadurch begegnen will, dass er die „Wilden“ mehr oder weniger verunglimpft. Das ist an die Mannschaft gerichtet und Ausdruck seiner Unsicherheit als Führungsperson. Ich weiß zwar nicht, ob diese Fahrt Blighs erste Mission als Kommandant eines Schiffes war, aber zuvor diente er ja unter dem berühmten Captain Cook als Steuermann und kannte daher die Gegend vortrefflich, die hier befahren wird – und das ermöglicht ihm letztlich das Überleben, als er die Barkasse der Getreuen befehligt, nach der Aussetzung durch die Meuterer.

ANNI: Der Kampf mit dem Meer während dieser Reise und auch während des Sturms bei Kap Horn werden in diesem Film übrigens gut rübergebracht. Etwas mehr in den Vordergrund gerückt als bei den älteren Versionen. Und die Tahitianerinnen sind endlich barbusig.

TOM: Jaja, ich weiß, das Kino in den 1970ern und 1980ern war sexistisch. Heute ist ja alles wieder wunderbar dezent, fast wie zu Zeiten des Production Codes, schon um die weltweite Vermarktung der Filme nicht zu gefährden.

ANNI: Der geistige Einfluss der Frauen auf die Männer ist ja auch hier wieder sehr, sehr gering. Alles basiert auf der Idee, dass der Sex gut und das Leben so hübsch angenehm ist, ganz anders als auf dem Schiff.

TOM: Die meisten dieser Leute sind erstmalig mit einer Easy-Going-Kultur in Berührung, und es sind einfache Leute, die das nicht intellektuell einordnen, sondern die nur merken, dass es auf Tahiti mehr Spaß und weniger Gefahr und Einschränkungen gibt als auf der „Bounty“ oder jedem anderen Schiff. Allerdings kommt interessanterweise gerade in der jüngsten der drei Verfilmungen das Alternative an dieser Lebensweise am wenigsten deutlich und positiv rüber. Das hat mich auch ein wenig irritiert, es könnte aber auf die benannten Kürzungen zurückzuführen sein, die damit auch eine Akzentverschiebung bedeuten würden. Da die Geschehnisse an Bord der Bounty logisch aufeinander aufbauen müssen, konnte man möglicherweise von dem idyllischen Tahiti-Leben am meisten rausnehmen.

ANNI: Die Schauspieler sind gut, aber nicht so extrem oder exzentrisch angelegt wie in den beiden älteren Filmen. Der Superstar-Appeal fehlt ein wenig. Und wenn man bedenkt, dass es schon mehrere Filme zum Thema gab, hat man auch nicht viel Innovation eingebracht.

TOM: Die hätte ja nur technischer Art sein können, wenn man nah an den dokumentierten Ereignissen bleiben wollte. Die Kokosnüsse!

ANNI: Ja, das fiel mir auch auf. In der 1935er Version beschuldigt Bligh die Mannschaft des Diebstahls und Christian überführt ihn quasi selbst des Diebstahls. Es wird so getan, als ob Bligh sich aus den Schiffsvorräten bedient und die Mannschaft beschuldigt, genau dies getan zu haben. 1984 sind wir da etwas weiter: Christian hat eine Kokosnuss geklaut und es bleibt offen, wer die übrigen elf genommen hat – es sieht aber eher nicht so aus, als ob Bligh manipuliert hätte. Leider erinnere ich mich nicht mehr so richtig, ob auch diesbezüglich die 1962er Version so eine Art Zwischenschritt darstellt.

TOM: Ich glaube, es lief eher auf die Darstellung von 1935 hinaus, falls diese Angelegenheit überhaupt im Film dargestellt wurde. So, ich hab meine Punkte notiert und bitte um deine.

ANNI: Der große Wurf ist es nicht, unter anderem wegen der Darstellung der Tahitianer und des Lebens auf Tahiti. Ich hab 7/10.

TOM: Ich hab 7,5. Das heißt, wir landen gemäß Viertel-Abwertung bei 7/10. Zufrieden?

ANNI: So sehr hat mich der Film auch wieder nicht berührt, dass sich wegen eines halben Punktes Unterschied mein Seelenleben bewegt. Wenn ich ein Baströckchen tragen würde und mir Mel Gibson gegenüberstünde, wer weiß. Vielleicht würde ich wegrennen. Aber in dieser Realität? Alles gut.

70/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Roger Donaldson
Drehbuch Robert Bolt
Produktion Bernard Williams
Musik Vangelis
Kamera Arthur Ibbetson
Schnitt Tony Lawson
Besetzung

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