Crimetime 1192 – Titeltofo © HR
Der Prinz von Homburg ist ein Kriminalfilm des HR von Titus Selge aus dem Jahr 2004 und erschien als 260. Folge der Filmreihe Polizeiruf 110. Es ist für den Ermittler Thomas Keller (Jan-Gregor Kremp) der erste Fall, den er zu lösen hat. Nach dem Tod seines Vaters ermittelt Keller in Bad Homburg auf eigene Faust, um die Todesumstände aufzuklären.
Vier Fälle hatte Hauptkommissar Keller in Bad Homburg zu lösen, in Nachfolge des Teams Offenbach (Grosche / Dreyer, Reeding, Schlosser), danach stellte der Hessische Rundfunk seine Polizeirufschiene ein, konzentrierte sich ganz auf das Format Tatort und schuf zwei Jahre nach dem Ende von Kellers Zeit die Figur Felix Murot vom LKA. Aus der Keller-Reihe habe ich bisher „Die Lettin und ihr Lover“ gesehen und fand ihn sehr ansprechend gemacht. Wie dieser Film stammt auch der „erste Keller“ ganz von Titus Selge, der für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet. Wie es mit diesem Film war, verrät die –> Rezension.
Handlung (1)
Thomas Keller ist eigentlich als Kommissar in Berlin tätig, doch als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhält, reist er in seine Heimatstadt Bad Homburg. Am Bahnhof begrüßt ihn Wilhelm Meister, sein damaliger Chef, bei dem er seine Polizeilaufbahn begonnen hatte.
Keller holen zunächst all seine Erinnerungen ein. Er ist in Bad Homburg aufgewachsen und vieles ist ihm noch vertraut. Sein Vater war Uhrmacher und hatte von André Bijou Wertsachen in Verwahrung, die dieser nun gern zurück hätte, aber der Tresor ist leer. Als passionierter Polizist will Keller die genauen Todesumstände wissen und fordert eine Obduktion. Die ergibt, dass sein Vater erwürgt wurde. Auch finden sich Hautfetzen unter den Fingernägeln.
Einige Tage später wird Keller im Haus seines Vaters überfallen und alles ist durchwühlt. Doch anstatt nach einem Täter zu suchen, nimmt Kommissar Meister kurzerhand Keller wegen Mordverdacht fest. Die DNA-Analyse ergab eine 50%ige Übereinstimmung mit der des Opfers, was für Meister nur den Schluss zulässt, dass sein Sohn der Mörder ist. Erst die Gegenprobe beweist, dass die DNA nicht von Thomas Keller ist.
Während seiner Ermittlungen hatte sich Keller mit Sophie Stein angefreundet, die ein kleines Lokal in der Stadt besitzt. Sie bringt ihn auf die Idee, dass er möglicherweise einen Bruder hat. So erinnert er sich, dass er bei der Durchsicht der Sachen seines Vaters auf einen Brief von einer alten Freundin gestoßen war. Diese Nathalie Schmücker hatte Keller aufgesucht und erfahren, dass sie seinen Vater vor vielen Jahren kennengelernt hatte. Auch hatte sie von einem Sohn gesprochen, den sie mal gehabt hätte. Dieser Sohn stellt sich am Ende als André Bijou heraus, der zugibt seit Jahren die Nähe seines Vaters gesucht und ihn letztendlich auch gefunden zu haben. Da er Spielschulden hatte, war er in die Fänge von Diamantenhändlern geraten, für die er gestohlene Steine in Uhren nach Antwerpen geschmuggelt hatte, wobei ihm sein Vater geholfen hatte. Nach einiger Zeit wollte Heinrich Keller das aber nicht mehr und darüber hätten sie sich gestritten, aber umgebracht hätte er ihn nicht. Nun steht Bijou in der Schuld dieser Ganoven, die ihre Steine der letzten Lieferung wieder haben wollen, er sie aber nicht mehr hat. So stellt Keller den Dealern unter Mithilfe von Bijou eine Falle und kann sie festnehmen. Doch wird dabei leider sein Bruder von einem der Ganoven erstochen.
Keller hat eigentlich vor, wieder nach Berlin zurückzugehen, doch durch einen Zufall kommt er dahinter, dass Wilhelm Meister ihm einiges verschweigt. Er stellt seinen alten Chef zur Rede und dieser gibt zu, schon von je her in Kellers Mutter verliebt gewesen zu sein. An jenem Abend hätte Heinrich ihn angerufen und gebeten die Diamantendealer zu fassen, damit sein Sohn heil aus der Geschichte heraus käme, aber es eskalierte und im Streit hat Meister Kellers Vater erwürgt.
Kurz nach diesem Geständnis erschießt sich Meister und Keller beschließt daraufhin in Bad Homburg zu bleiben, da bei der Kriminalpolizei eine Stelle frei wurde und er auch gern in Sophie Steins Nähe ist.
Rezension
Achronologisches Vorgehen ist schwieriger, als sich Filme in der Reihenfolge anzuschauen, wie sie entstanden sind. Als ich im März 2019 begann, neben den Tatorten auch die Polizeirufe zu rezensieren, hatte ich bezüglich der „historischen Krimis“ aus der DDR das Glück, dass sie vom MDR gerade eine Wiederholung von Beginn an und vom RBB die 1980er an der Reihe waren. Chronologisch, wenn auch mit ein paar Lücken. Aber die Nachwende-Polizeirufe werden leider nicht auf diese Weise wiederholt. Besonders die Rostock-Chronologie, die sich mit einer horizontalen Erzählung bezüglich der Hauptfiguren Bukow und König verbindet, war ein richtiges Puzzle. Aber wenn wir das geschafft haben, werden wir auch noch mit den vier Keller-Filmen klarkommen, oder?
Selbstredend habe ich nach dem Anschauen des Films darüber nachgedacht, ob der Film nicht nur bezüglich seines Titels, sondern auch des Inhalts einen Bezug zu Heinrich von Kleists Drama „Der Prinz von Homburg“ aufweist. Titus Selge traue ich auf jeden Fall zu, dass er ein Drehbuch schreibt, das tatsächlich Anklänge an klassische Literatur aufweist. Ich meine aber, es ging mehr um den Titel selbst, der, wie die anderen der Keller-Reihe, von einigem Esprit zeugt. Während mit den übrigen Titeln stehende Begriffe verballhornt oder kreativ umgeformt werden, wie „Latin Lover“ oder „Kellerkind“ („Kellers Kind“), hat man beim ersten den Titel eines Stücks genommen, um eine Figur zu illustrieren, die nach meiner Ansicht mit dem Prinzen von Homburg oder dessen Situation wenig gemein hat: Den Vater des Kommissars, einst ein Filou, ein Schwerenöter, der einen (Halb-) Bruder gezeugt hat, von dem Keller bisher gar nichts wusste und den er alsbald wieder verliert.
Am Ende ist Keller sich nicht einmal sicher, ob nicht der befreundete Kommissar und Mentor namens Meister sein wirklicher Vater ist, denn auch Kellers Mutter hatte eine außereheliche Affäre – mit ebenjenem Berufskollegen. Jeder hintergeht jeden, das ist aber im Wesentlichen nicht der Stoff, aus dem „Der Prinz von Homburg“ gemäß Kleist gemacht ist, sondern eine traditionelle Konstellation, die zu Mord aus Eifersucht führen kann.
Die Kritiker der Fernsehzeitschrift TV Spielfilm lobten diesen Polizeiruf mit dem Daumen nach oben und meinten, Kommissar Keller: „Wandelt abseits ausgetretener Krimipfade“ und es sei: „Der gelungene erste von vier Auftritten des Duos.“[1]
Es war ein Kennzeichen der West-Polizeirufe, die nach der Wende produziert wurden, dass sie genau das taten. Schon das erste Hessen-Team, das ich oben benannt habe, war ungewöhnlich aufgestellt, hatte einen besonderen, sehr sympathischen Grundton, ermittelte allerdings noch eher konventionell im Rahmen des Dienstauftrags. Der WDR hatte mit „Volpe“ eine neue Richtung eingeschlagen, die noch mehr auf Humor basierte, dann überwog das Skurrile auch bei den Hinrichs-Tatorten in Schwerin, die von einem früher reinen Westsender, dem NDR, produziert wurden. Heute gibt es im Westen nur noch die München-Schiene, und die besticht vor allem durch ihre Qualität, besonders seit dem Einsatz von Titus Selges Bruder Edgar als Kommissar Tauber.
Die besonders starke Involvierung des Kommissars sticht bei „Der Prinz von Homburg“ heraus, obwohl auch dieses Prinzip bekannt ist: Jemand stolpert über einen Fall, dazu einen in der eigenen Familie, obwohl er die Verwandten nur besuchen wollte, in diesem Fall den Vater. Selbstredend hätte Keller in diesem Fall nicht ermitteln dürfen, das hätte Kollege Meister strikter durchsetzen müssen. Aber der hat ja auch ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu dem jüngeren Kollegen, nennt ihn tatsächlich „Junge“ und da Kellers Vater bereits tot ist, sehen wir, bis auf eine Rückblende, nur das Quasi-Vater-Sohn-Verhältnis Meisters und Kellers, das in der Tat den Schluss nahelegt, Meister könnte der wirkliche Vater sein.
Die erstaunliche Mischung von Sentimentalität und Skurrilität in vielen Polizeirufen jener Zeit, war sie stilprägend? Ich meine, nein. Der Münster-Tatort, die erste Klamauk-Schiene der Reihe, ist erkennbar anders angelegt, weil hier die Charaktere bereits skurril sind, es sind Comic-Figuren. die mehr oder weniger zufällig in der Welt des Verbrechens angesiedelt wurden. Ähnliches gilt für die Weimar-Schiene, die ich im Wege einer Rezension einmal als Mickymaus-Tatorte bezeichnet habe, wobei ich Walt Disneys Maus damit nicht gerecht werde. Durch diese Grundanlage kann, vorwiegend in Münster, zwar viel Spaß entstehen, aber dass man sich mit jemandem identifiziert oder gar gerührt oder doch betroffen ist, wird dadurch verhindert. Es gibt ein paar sehr gute Münster-Krimis, in denen das dennoch klappt, weil die Episodenrollen sehr gut ausgeformt werden und weil man ein recht ausgeglichenes Verhältnis zwischen Komik und Dramatik findet, trotz der vielköpfigen Komikertruppe, die jene Filme stets dominiert.
Wegen des Sprungs in die Tiefe der Zeit finde ich „Der Prinz von Homburg“ nicht so einfach wie „Die Lettin und ihr Lover“, denn in der Vergangenheit zu graben, in der Traumata entstanden sein können, die Geheimnisse bereithält, die alles andere als lustig sind, wie im 260. Polizeiruf, das muss sehr gut austariert werden, damit das Witzige nicht befremdlich wirkt. Das ist in „Der Prinz von Homburg“ aber einigermaßen gelungen und Keller ist zumindest in seinem ersten Fall eine interessante Person, die letztlich doch in der Provinz bleibt. Der Berlin-Boom setzte allerdings ein paar Jahre später ein und das Verbrechen lauert wirklich überall, wie die mittlerweile kaum noch zu überschauende Zahl an Regionalkrimis belegen möchte.
Finale
Der Grundton des ersten Films mit Kommissar Keller ist allerdings eher melancholisch, obwohl Keller am Ende sogar eine Frau findet. Eine Frau, die zwar kochen lässt, aber als Restaurantbesitzerin eine tolle Partie für jeden Gourmet darstellt. Ihr „Stein“ spielt mindestens auf die vielen Sterne-Restaurants an, die tatsächlich eher in der Provinz als in den Großstädten anzutreffen sind. Zumindest war das zu Beginn der 2000er noch so. Berlin hat bezüglich der Spitzengastronomie bis heute Nachholbedarf. Die Bad Homburger Wohlstandsbürger:innen werden hingegen eher als konservativ dargestellt, ihren kulinarischen Geschmack betreffend. Aber das „Stein“ ist immer ganz gut besucht, und solange von der Polizei alle hingehen. Wer ist später dort Koch geworden? Oh ja, Köche sind gefährlich, auch wenn man in Wirklichkeit nur ein einziges scharfes Messer braucht, wie uns Kellers Bruder, der Koch, erklärt. Vielleicht gerade deshalb. Wer schleppt schon gerne einen Messerblock mit sich herum, wenn er jemanden erstechen will? Ein Problem bei Anschauen von „Der Prinz von Homburg“ ist, dass man mittlerweile diese durchaus reizvolle Mischung der Gefühle und Tonlagen kennt. Im Grunde war sie in deutschen Fernsehkrimis schon lange angelegt, aber vielleicht ist dies die Gemeinsamkeit zum Stück von Kleist: Dass Drama und Komödie eine Symbiose miteinander eingehen.
7,5/10
© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
| Regie | Titus Selge |
| Drehbuch | Titus Selge |
| Produktion | Jörg Himstedt |
| Musik | KAB Fischer |
| Kamera | Frank Blau |
| Schnitt | Elke Herbener |
| Besetzung | |
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