Hält die Ampel bis (zu den regulären nächsten Wählen im) Herbst 2025? (Umfrage + Kommentar: Wen oder was bloß wählen?) | Briefing 403 | #btw25 #btw24 | PPP Politik Personen Parteien

Briefing 403 Bundestagswahl 2025 oder Bundestagswahl 2024, PPP, Demokratie, Alternativslosigkeit

Hält die Ampel bis Herbst 2025? Das ist eine wirklich interessante Frage. Kann das noch gutgehen, bis im Herbst des nächsten Jahres sowieso gewählt werden wird. Ab dann wird sowieso eine andere Regierung antreten, denn die Ampel ist in allen aktuellen Umfragen weit von einer Mehrheit und damit von einer Wiederholungsmöglichkeit entfernt.

Civey-Umfrage: Wird die Ampelkoalition Ihrer Einschätzung nach bis zum Ende ihrer Legislaturperiode im Herbst 2025 bestehen bleiben? – Civey

Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Aufgrund der vielen Krisen und Streitigkeiten innerhalb der Ampelkoalition mehrten sich aus der Opposition zuletzt Forderungen nach Neuwahlen. Der Unmut wurde aber auch in den Reihen der Ampelkoalitionspartner lauter. Ein offener Beschwerdebrief von 26 FDP-Politikerinnen und FDP-Politikern führte laut Spiegel schließlich zu einem Votum. Dabei konnten die Mitglieder ab dem 18. Dezember über den FDP-Verbleib in der Ampel abstimmen. 

Nun wurde das Abstimmungsergebnis publik. Dem RND zufolge stimmten 52,24 Prozent der Mitglieder für und 47,76 Prozent gegen den FDP-Verbleib in der Regierung. FDP-Chef Christian Lindner erkennt darin einen „klaren Auftrag, im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen“, schrieb er am Montag auf X. Ähnlich äußerten sich Justizminister Marco Buschmann und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Zeit nach. Für Letzteren habe die Befragung deutlich gemacht, dass die Partei „Verantwortung für unser Land tragen und gestalten“ will.  

Für FDP-Politiker Matthias Nölke ist das Ergebnis dagegen ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit in der Partei. Gegenüber der dpa forderte er einen neuen Kurs von der Parteiführung. Auch Teile der CSU interpretieren das Ergebnis anders als die FDP-Spitze und dringen auf Neuwahlen. „Die FDP ist völlig zerrissen und damit dauerhaft nicht handlungsfähig“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Augsburger Allgemeinen. „Eine knappe Mehrheit klammert sich an den Machterhalt und verpasst damit eine Chance für den dringend notwendigen Neuanfang.“ 

Sicher ist es für die Liberalen nicht schön, dass sie derzeit nur die Hälfte ihres Ergebnisses bei der Bundestagswahl 2021 bekommen würden. Dass dieses so hoch ausgefallen ist, ist allerdings für uns immer noch unverständlich. Niemals ist die Politik dieser Partei im Interesse von 11 bis 12 Prozent der Bevölkerung, der Wahlberechtigten oder derer, die damals gewählt haben. Falls die FDP eine Koalitionssauge in dieser Richtung macht, halten wir allerdings deren Wiedereinzug in den Bundestag für sehr wahrscheinlich und die Koalition, die dann wiederum diejenige wäre, an die wir zuerst denken, ist „Jamaika“, also CDU, FDP, die Grünen. 2017 wäre das schon einmal möglich gewesen, damals wollte die FDP nicht.

Wenn die SPD hingegen so verrückt sein sollte, mit der CDU noch einmal in eine Große Koalition zu gesehen, hat sie den endgültigen Untergang verdient. Wer braucht noch eine Partei, die zu nichts anderem dient, als eine immer rechtere Politik in Deutschland mehrheitsfähig zu machen? Derzeit hätte natürlich auch eine CDU-AfD-Koalition eine Mehrheit. Da die Brandmauern schon überall bröckeln, halten wir es nicht für ausgeschlossen, dass wir 2025 eine solche Regierung bekommen werden. Nicht für überwiegend wahrscheinlich, wenn es irgendwelche anderen Mehrheiten geben sollte, aber eben nicht für unmöglich.

Ob die Ampel hingegen bis dahin halten wird, wagen wir nicht zu prognostizieren. Deswegen haben wir mit „Unentschieden“ gestimmt. Derzeit gibt es eine absolute Mehrheit, die das nicht oder eher nicht glaubt, diejenigen, die denken, diese Koalition wird durchhalten, bis sie sowieso abgewählt wird, kommen auf etwas über 40 Prozent. Wir meinen, dass die Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung bis zum natürlichen Ende steigt, je länger die Ampel schon gehalten hat.

Von Neuwahlen hätte derzeit keine der drei Parteien etwas. Die FDP könnte sich noch, siehe oben, in eine Koalitionsaussage zugunsten der natürlichen rechten Partner retten, die Grünen könnten sich sagen, nach dem Rekordergebnis von 2021 dürfen es unter so ungünstigen Umständen auch mal zwei Prozent weniger sein, aber vor allem die SPD würde mit dem niedrigsten Ergebnis aller Zeiten zu rechnen haben, mit ihrer endgültigen Marginalisierung und dem Ende ihres Status als große, prägende Partei – und damit haben wir auch den Hauptgrund, warum Kanzler Scholz den Koalitionspartnern gegenüber so dezent auftritt. Dass er damit der SPD perspektivisch nicht hilft, ist auch klar, denn sie bekommt den ganzen Unmut im Land am meisten ab. Das ist eine Sündenbockposition, aus einer solchen gibt es selten kurzfristig ein Entrinnen und es würde lange dauern, bis die SPD sich davon erholt hätte.

Also setzt man auf eine Trendwende bis zu den kommenden Wahlen. Wo die herkommen soll, ist uns nicht klar, aber Parteipolitiker:innen denken oft anders als die Beobachtenden, sonst käme es nicht immer wieder zu politischen Konstellationen, die schlecht für die meisten ihrer Beteiligten sind. Wir machen uns auf jeden Fall Sorgen. Ob der Rechtsruck sich dieses Jahr nur bei Landtagswahlen im Osten abbilden wird oder auch bei einer vorgezogenen Bundestagswahl, ist schon nicht mehr so wichtig, denn wir müssen uns darauf einstellen, dass er kommen wird.

Es ist leider unumgänglich, dass wir eine Partei erwähnen, von der es bisher erst eine Vorfeldorganisation gibt. Sahra Wagenknechts Bündnis BSW. Wenn die Umfragen auch nur annähernd richtig sind, die dieses BSW bzw. die daraus entstehende Partei schon einschließen, dann werden die Karten bei den Landtagswahlen im Osten schon neu gemischt, falls diese Gruppierung bis dahin teilnahmefähig ist, auf jeden Fall aber bei der Bundestagswahl 2025; bis dahin dürfte sie organisatorisch stehen. Geradezu erstaunlich, dass es ein paar Tage lang mal ruhig um das BSW war, aber das lag nur daran, dass die Namensgeberin eine kleine Jahreswechselpause eingelegt hat.

Erzielt das BSW ein zweistelliges Ergebnis bei den kommenden Ostwahlen und zieht 2025 auf Anhieb in den Bundestag ein, werden alle anderen dadurch verlieren, außer den Grünen. Unter diesen Umständen ist kaum zu prognostizieren, was nach der Wahl 2025 sein wird. Auf vorgezogene Neuwahlen hingegen ist das BSW nicht eingerichtet, deswegen werden sie von dieser Seite auch nicht propagiert und deswegen haben es die Rechten, vor allem die Union, auch plötzlich so eilig.

Es ist ihnen eingefallen, dass das Zeitfenster sich schließen könnte, indem man unberechtigterweise von den Problemen der Ampel nun doch noch profitiert, nachdem lange Zeit vor allem die AfD daraus ihren Honig saugen konnte, ohne von der neuen Konkurrenz unter Druck gesetzt zu werden. Es gib aber auch eine andere Lesart: Da von der Seite dieser neuen Konkurrenz schon in Richtung Union geblinkt wurde, ist deren Position aber auch wieder nicht komplett prekär, sondern vergleichsweise komfortabel, während die AfD auf jeden Fall Federn lassen wird. Fraglich dann aber wieder, ob sich grundlegende, vor allem außenpolitische Positionen vereinbaren lassen. Eine Bundeskoalition aus Union und BSW und wem sonst auch immer würde eine der beteiligten Kräfte in den Offenbarungseid zwingen. Daher wird die Eingliederung dieses Bündnisses über die Landesparlamente laufen müssen, wo das Thema nicht nur keine so große Rolle spielt, sondern es auch viele Übereinstimmungen in diesem Bereich gibt – besonders in Sachsen.

Bei „Jamaika“ hingegen wäre alles auf Krieg und Rüstung ausgerichtet, gerne zulasten des Sozialen und der Zukunftsinvestitionen in Konversions- und andere Friedenstechnologien. Die einzige Partei, die das jetzt noch etwas bremst, ist die SPD. Falls es zu Neuwahlen kommt, können wir daher, wenn unsere Stimme nicht für den Papierkorb sein soll, kaum anders, als erstmals überhaupt die SPD zu wählen. Linke, progressive Politik ist sowieso derzeit keine realistische Option und es besteht leider das Risiko, dass man die CDU kriegt, wenn man die SPD wählt, aber uns fällt nichts anderes ein, was überhaupt einen Sinn ergeben könnte, wenn man den Rechtsruck nur möglicherweise, aber wenigstens nicht mit Sicherheit fördern will. Das macht auch unsere Position schwierig, die lautet: Wir sind selbst an der politischen Katastrophe schuld, die noch kommen wird und die jetzige bei weitem übertreffen wird. Es macht sie schwierig in Bezug auf die nächsten Wahlen, für die wir keine  fortschrittliche Empfehlung haben. Sie gilt aber uneingeschränkt für die Vergangenheit: Wer eine menschenfeindliche Politik will, der kriegt sie irgendwann, oft schrittweise. Wer erst dafür sorgt, dass die FDP in eine Regierung kommt, die durch sie immer wieder an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht wird, der kriegt die noch rechteren Parteien. Der wird auch die Brüder im Geiste von der AfD bekommen, das zeichnet sich seit Jahren ab und wurde seltsamerweise bei den Bundestagswahlen von vielen gar nicht ins Kalkül gezogen, die FDP gewählt haben. Oder doch? Oder gerade deswegen?

Wenn man es so sieht, haben wir in Deutschland gegenwärtig eine rechte Zweidrittelmehrheit, die sogar viele Bestandteile der Verfassung kippen könnte, wenn sie auf Bundes- und Länderebene in Wahlergebnissen und entsprechenden Koalitionen manifestiert wird. Neuwahlen im Bund schon 2024 würden diesen Trend natürlich noch wuchtiger werden lassen, während 2025 vielleicht schon einige Menschen bereut haben werden, was sie auf Landesebene angerichtet haben. Und natürlich besteht eine kleine Hoffnung, dass bis dahin noch ein paar schöne Dinge passieren, anstatt, dass alles nur immer mieser wird. Diese Hoffnung soll man sowieso nie aufgeben. Wir richten uns diesbezüglich aber schon eher auf das Ende des Jahrzehnts ein. Darauf muss die Zivilgesellschaft hinarbeiten. Bis dahin eine gültige und langfristig wirksame Gegenantwort gefunden zu haben. Die Wahlen 2024 werden, gleich, ob noch eine Bundestagswahl hinzukommt oder nicht, die Demokratie in diesem Land nicht stärken.

Wir haben also mit unentschieden gestimmt. Sind wir aber deshalb auch neutral? Nicht ganz. Es ist furchtbar, wenn man vor jeder Option das Grausen kriegt, aber uns wäre es am Ende des Tages doch lieber, die Ampel hielte noch für den Rest der Legislaturperiode. Problem, das auf dem Fuße folgt: Wir dürften deren Fehler nicht mehr kritisieren und müssten ihre schmalen Erfolge unbedingt herausheben. Hinter dieser Fragestellung und der Antwort kommt aber der Realismus: Egal, was wir schreiben, es wird den Ausgang der Wahl nicht beeinflussen. Also werden wir weiterhin schreiben, was wir wirklich denken. Und das, was wir denken, ist für keine Partei im Bundestag schmeichelhaft und auch für diejenige nicht, die bald hinzukommen wird. Dass es so weit kommen musste, haben wir im Grunde nicht zu verantworten. Wir haben so weit links gewählt, wie es verantwortbar war. Verantwortbar heißt, keine schrägen antidemokratischen Gruppierungen mit extremer ideologischer Fehlverortung, sondern zuletzt die Linke, die nun keine Fraktion mehr im Bundestag hat. Nicht unsere Schuld, dass das passiert ist. Wohl aber unser Dilemma. Wir werden spätestens 2025 ohne eine echte Idee dastehen, wo wir unsere Kreuze setzen könnten.

ei der Berlin-Wiederholungswahl im Februar 2023 war das noch anders, weil die Linke in der Stadt weiterhin eine relevante Größe darstellt, aber das gilt eben nicht mehr auf Bundesebene. Kompromisse waren natürlich auch dabei schon mehr als genug enthalten, es war nicht einfach. Aber jetzt ist es ausweglos. Alternativlosigkeit im Sinne von nichts Wählbares dabei, trotz sechs oder bis dahin sieben Auswahlmöglichkeiten, das ist für gestandene Demokraten wie uns ein Desaster.

Abgezeichnet hat sich das allerdings schon länger, denn obgleich unsere Zustimmungsquote bei den Wahl-O-Maten immer hoch für linke Parteien liegt, ist die reale Zustimmung, die auch Fragen der Systemkritik beinhaltet, wie sie in diesen Abfragen nicht gestellt werden, schon seit Jahren im Rückgang begriffen. Schlicht, weil keine relevante politische Kraft mehr die Kraft hat, diese Fragen offensiv zu stellen. Eine hohe Zustimmung in Punkten bedeutet also nicht, dass wir von einer politischen Partei begeistert sind, weil die Fragen, die uns wichtig sind, teilweise gar nicht behandelt werden.

Wir werden natürlich auch bei den drei Wahlen in den östlichen Bundesländern wieder den Wahl-O-Mat machen und dabei werden linke Parteien hohe Prozentzahlen erhalten. Aber darin liegt kaum noch eine Selbstvergewisserung, die Unzufriedenheit wächst und wächst.

Sie gilt aber nicht der Demokratie an sich, sondern dem, was die deutschen Parteien und auch die weit überwiegende Mehrzahl der Wähler:innen daraus gemacht haben. Zähneknirschend, wie schon so oft, doch mitzumachen und dieses Mal SPD zu wählen, macht diese Unzufriedenheit nicht geringer. Mit einem beherzten „Ja!“ hat das alles schon lange nichts mehr zu tun, sondern es geht um Abwehr, Abwehr, Abwehr des noch Schlechteren.  Es ist unfassbar nervig und auch belastend; es fühlt sich an wie eine Gefangenschaft  im politischen Hamsterrad.

Immerhin haben wir etwas Progressives beizusteuern. Wir haben für viele Artikel seinerzeit das Hashtag #btw21 verwendet und uns da richtig reingeschmissen, damit endlich etwas anderes kommt als diese elegischen Großen Koalitionen. Das Rad dreht sich weiter. Der vorliegende Beitrag wird erstmals das Folgehashtag #btw24 / #btw25 zeigen. Dass es dieses Mal  zwei dieser Rautenverstärker gibt, sagt wiederum eine Menge über den Zustand der hiesigen Parteiendemokratie aus.

TH

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