Update: Stand der Umfragen +++ Geheimes Treffen von AfD-Politiker, Geldgeber und Neonazis (Correctiv) | Briefing 408 Update | PPP Politik, Personen, Parteien

Briefing 408-UD | PPP, AfD, Rechtsextreme, 'Neonazis, Geheimtreffen, Potsdam

Nachdem die AfD gerade durch diesen Correctiv-Artikel, den wir weiterpubliziert haben (Geheimes Treffen von AfD-Politiker, Geldgeber und Neonazis (Correctiv) | Briefing 408 | PPP Politik, Personen, Parteien – DER WAHLBERLINER), noch einmal mehr in den Fokus gerückt ist, heute die aktuellsten Umfragewerte. Der heutige Beitrag ist ein Update zu dem verlinkten Artikel.

Besonders interessant ist natürlich, was in den ostdeutschen Bundesländern los ist, in denen dieses Jahr gewählt wird. Die aktuellen Zustimmungswerte der Partei liegen dort zwischen 27 Prozent (Brandenburg) und 35 Prozent (Sachsen). Fast genauso stark wäre sie in Thüringen (34 Prozent). Die Landesverbände von Thüringen und Sachsen gelten dem Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem.“

Infografik: Wie viele Deutsche wollen die AfD wählen? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

„An der rechtsextremistischen Ausrichtung der AfD Sachsen bestehen keine Zweifel mehr“, so Dirk-Martin Christian Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes Anfang Dezember 2023. Zu diesem Schluss sind zuvor schon die jeweiligen Verfassungsschutzlandesämter in Sachsen-Anhalt und Thüringen gekommen. Indes scheint eine steigende Zahl von Wähler:innen kein Problem damit zu haben, ihre Stimme Rechtsextremist:innen zu geben.

In vier Ostbundesländern liegen die Blauen den verfügbaren Sonntagsfragen zufolge oberhalb von 30 Prozent – darunter auch die oben genannten, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Und in Brandenburg steht die AfD mit 27 Prozent nicht viel schlechter da. Wie nah die Umfragen der Realität kommen, wird sich schon bald herausstellen: In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden im September 2024 die Landtage gewählt.

Dann wird sich möglicherweise zeigen, wie die Politik einer AfD-Regierung aussieht – zum Beispiel beim Thema Ausländer und Migration. Wie Teile der Partei darüber denken, hat kürzlich Correctiv aufgedeckt. Bei einem Treffen von AfD-Politikern und anderen Rechtsextremist:innen war es unter anderem um die Deportation von Menschen aus Deutschland gegangen – und das nur knapp acht Kilometer vom Ort der Wannseekonferenz entfernt.

In den Umfragen dürfte die Correctiv-Recherche noch keine Rolle spielen. Mit etwas Pech wird diese der AfD noch mehr Zuspruch einbringen, denn alles, was als rechtsextrem markiert wird, ist für viele Sympathisant:innen der AfD geradezu ein Gütesiegel. Ein weiteres Ereignis ist aber in diesen  Umfragen nicht berücksichtigt: Die Gründung von Sahra Wagenknechts Partei BSW. UPDATE 2: Langfristige Relevanz der Wagenknecht-partei BSW? (Civey + Kommentar) +++ Gründung und nach der Gründung der Wagenknecht-Partei am Montag, den 08. Januar 2024 (Newsletter SW + Leitkommentar + Interview-Kommentar). Es gab bereits Umfragen, die das BSW schon vor seiner Gründung am 8. Januar einbezogen haben, die von Statista herangezogenen dürften nicht dazu gehören. Denn eine weitere aktuelle Statista-Grafik besagt, dass bis zu 36 Prozent der AfD-Wähler:innen bereit wären, zum BSW umzuschwenken. Einen noch höheren Abgang hätte nur Wagenknechts frühere Partei Die Linke zu verzeichnen, über die Hälfte von deren Wählern wären möglicherweise wechselbereit.

Auf jeden Fall war es wichtig, dass wieder einmal ein Schlaglicht auf die tatsächliche Ausrichtung der Partei geworfen wurde. Der Ruf nach einem AfD-Verbot dürfte lauter werden, nach dieser Recherche. Wir hatten uns zuletzt skeptisch gezeigt und darauf hingewiesen, dass der Schaden für die Demokratie bei einem Verbot möglicherweise noch größer wäre als durch den Versuch, die Auseinandersetzung politisch zu führen. Allerdings hatten wir die letzte Einschätzung vorgenommen, bevor nun drei Landesverbände als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden, zumindest, bevor das beim letzten der Fall war, Sachsen-Anhalt. Es ist auch kognitiv interessant, dass eine Recherche, die so konkret einen erschreckenden Vorgang beschreibt, mehr auslöst als eine Zuschreibung oder Einordnung, die sich aus unzähligen Komponenten zusammensetzt. Wir werden uns dazu  demnächst wieder äußern, denn ganz siche wird es zu einer Civey-Umfrage diesbezüglich kommen. Gegenüber der letzten Behandlung des Themas müssten die Pro-Verbot-Stimmung nach der Einstufung der drei Landesverbände und nach den Correctiv-Recherchen zugenommen haben, wenn diese Demokratie noch funktioniert. 

TH

Liebe Leser:innen, wir geben Ihnen heute einen Artikel von Correctiv unkommentiert weiter, der uns am vorgestrigen Abend erreicht hat.  Einige Anmerkungen nur zum Prozedere unterhalb. Dieser Artikel und eine nun zur Verfügung stehende detailliertere Version haben mittlerweile für erhebliches Aufsehen gesorgt.

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Geheimtreffen: Einflussreiche AfD-Politiker planen mit Geldgebern und
Neonazis Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland

In einem Hotel bei Potsdam trafen sich im November einflussreiche AfD-Politiker – darunter der
persönliche Referent Alice Weidels – mit Neonazis und potenziellen Geldgebern. Sie entwarfen eine
Strategie für die „Remigration“ von Millionen von Ausländern aus Deutschland und Menschen mit
deutschem Pass. Das Treffen könnte die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren auf Bundesebene neu
beleben.

Essen/Berlin, 10.01.24. Bei einem bislang öffentlich nicht bekannten Treffen haben einflussreiche
AfD-Politiker mit dem bekannten Rechtsextremisten Martin Sellner und privaten Unterstützern
über einen Masterplan beraten: Sie wollen Millionen von Menschen aus Deutschland vertreiben.
Eingeladen hatte zu der Zusammenkunft unter anderen der ehemalige Mitbesitzer der
Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette „Backwerk“, Hans Christian Limmer, heute einer der Eigner der
Restaurant-Franchisemarke „Hans im Glück“.

Dass es das Treffen gab und was dort besprochen wurde, hat das gemeinwohlorientierte
Medienhaus CORRECTIV recherchiert. Dessen Rechercheteam dokumentierte das Treffen, das im
November in einem Hotel bei Potsdam stattfand, vor Ort. Einige Dokumente wurden CORRECTIV
auch von Greenpeace zur Verfügung gestellt.

In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der CORRECTIV vorliegt, heißt es: Bei der
Veranstaltung werde ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt. Und: Die
„Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen“, seien „so groß
wie nie zuvor“. Für die Teilnahme werde eine „Mindestspende von 5.000 Euro“ erhoben. Diese
Spende solle deutlich machen, dass „die Sammlung von Unterstützungsmitteln eine Kernaufgabe
unserer Runde ist“, heißt es in dem von Unternehmer Limmer und dem bekannten Rechtsextremen
Gernot Mörig unterschriebenen Brief. In einem weiteren Einladungsschreiben von Mörig heißt es:
„Das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend
vorstellen.“ 

Mehrere Quellen gaben gegenüber CORRECTIV-Reportern die Aussagen aus der Konferenz
glaubhaft wieder. Im Zentrum der Zusammenkunft stand demnach ein von Sellner – dem
langjährigen Kopf der Identitären Bewegung – vorgetragenes rechtsextremes Konzept, das die AfD
offiziell von sich weist: die „Remigration“ auch von deutschen Staatsbürgern mit
Zuwanderungsgeschichte. Das beträfe Millionen von Menschen, die aus Deutschland vertrieben
werden sollen.

Teilnehmer am Treffen erklärten, wie genau sie diese Strategie gemeinsam in die Tat umsetzen
wollen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen.

Sellner sagte demnach, man wolle „maßgeschneiderte Gesetze“ erlassen, um einen „hohen
Anpassungsdruck“ auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erzeugen. Umgesetzt werden
solle der Plan auch mithilfe eines „Musterstaates“ in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis
zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die
sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten auch dorthin, sagte Sellner.

Die anwesenden AfD-Politikerinnen und -Politiker zeigten sich während des Treffens mit dem
Konzept einverstanden. So ergänzte der anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts,
Ulrich Siegmund: Man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es „für dieses Klientel
möglichst unattraktiv zu leben“ werde. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sagte, sie
verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein
„Remigrationskonzept mitgebracht“.

Einer der Besucher des Treffens war der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland
Hartwig. Vor allem seine Teilnahme zeigt, dass rechtsextremes Gedankengut bis in die Spitze des
Bundesverbandes der Partei hineinragt. Hartwig sagte der CORRECTIV-Recherche zufolge bei dem
Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen.

Dass die geheime Zusammenkunft und ihre Inhalte durch die Recherche ans Licht kommen,
könnte eine wichtige Rolle in der aktuellen Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren auf Bundesebene
spielen. Bislang weist die Partei den Vorwurf von sich, mit rechtsextremem Gedankengut gegen
verfassungsmäßige Grundsätze zu verstoßen. In ihrer offiziellen „Erklärung zum deutschen
Staatsvolk und zur deutschen Identität“ schreiben ihre Bundes- und Landessprecher: „Als
Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe
aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.“

Mit den Spenden der Teilnehmer und Unterstützung der AfD sollten laut Aussagen während des
Treffens unter anderem Aktivitäten in Social-Media-Kanälen aufgebaut werden, um dort
besprochene Begriffe und Ideen zu bewerben. Hartwig sagte dazu, der neue Bundesvorstand sei
bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht nur unmittelbar der Partei
zugutekommen.

CORRECTIV konfrontierte viele der Teilnehmer zu ihren beim Treffen getroffenen Aussagen. Gernot
Mörig, der sich auf die Fragen hin als „alleiniger Veranstalter“ bezeichnete, wies darauf hin, es habe
keine Teilnahmebedingung, schon gar nicht in Form einer Spende, gegeben – obwohl es in seiner
Einladung anders stand.

Zu dem besprochenen „Remigrationskonzept“ sagte Mörig, er erinnere sich an die Aussagen des
Nonazis Sellner anders – denn hätte er sie „bewusst wahrgenommen“, so hätte er sicherlich
widersprochen. Ähnlich äußert sich der Unternehmer Limmer. Er weist darauf hin, anders als Mörig
nicht Organisator und Planer der Veranstaltung gewesen zu sein. Er nahm am Treffen nicht teil.
Auch würde er „immer widersprechen“, wenn jemand „deutsche Staatsangehörige als
Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte“.

Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund betont in seiner Antwort auf die
Fragen, er sei als „Privatperson“ und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem
Treffen gewesen. In seiner Antwort über die Anwaltskanzlei Höcker lässt Siegmund offen, wie er
dem Konzept der „Remigration“ gegenüber steht. Er schreibt lediglich, dass er Menschen „nicht
gesetzeswidrig ausweisen“ wolle.

Martin Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten ebenso
wie der AfD-Bundesvorstand bis Redaktionsschluss nicht auf die Fragen.

Die gesamte Recherche finden Sie hier: https://correctiv.org/?p=173776

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Wir sind Mitglieder bei »Correctiv Local«, haben aber den Newsletter von »Correctiv Local« bisher nicht für Veröffentlichungen genutzt, auch, weil wir selbst nichts beisteuern konnten. In diesem Fall hat Correctiv aber einen Text mit überregionalem Content an alle verschickt, also auch an uns, und zwar am Abend des 09.01.2024. Die Sperrfrist für die Veröffentlichung war auf den 10.06, 06:00 festgesetzt. Wir haben etwas mehr Zeit verstreichen lassen, weil wir bisher in Sachen Correctiv nur Nehmer sind und weil wir abwarten wollten, wie die politischen Reaktionen auf den Text aussehen. Sie erhalten also einen Artikel direkt von jenen, die die Recherche durchgeführt haben. Bisher ist dieser Recherche von politischer Seite nicht grundsätzlich widersprochen worden. Lediglich ein Detail wurde offenbar bemängelt, die Änderung ist in der oben wiedergegebenen Version bereits berücksichtigt. 

TH

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