Filmfest 1049 Cinema
Wie sehr waren die 1980er in Pink?
Pretty in Pink ist ein US-amerikanischer Film aus dem Jahr 1986. Die romantische Komödie erzählt die Geschichte eines verliebten Teenager-Pärchens, das aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen stammt.
Eines wird anhand dieses Films wieder einmal deutlich – die 1980er (und die frühen 1990er) waren die modeverirrteste Epoche aller moderneren Zeiten. Damit meinen wir weniger Andies Outfit, das sie als Außenseiterin und Individualistin kennzeichnet und damit nicht den Mainstream spiegelt, als das Styling der Normalteenager. Da der Film im Rahmen eines „Fashion Day“ des ausstrahlenden Senders lief, meinen wir, der Einstieg mit der Mode passt. Was sonst zu schreiben ist, steht in der –> Rezension.
Handlung (1)
Andie kommt aus einfachen Verhältnissen und besucht eine Schule, auf die hauptsächlich Kinder wohlhabender Eltern gehen. Ihre Kleidung kauft Andie im Second-Hand-Laden, was ihr herablassende Bemerkungen ihrer reichen Mitschüler einbringt. Sie arbeitet mit ihrer Freundin Iona nebenbei in einem Plattenladen. Dort lernt sie Blane kennen, der aus guten Verhältnissen stammt. Sie verabreden sich zu einem Date. Dies verärgert „Duckie“ Dale, der aus der gleichen Gesellschaftsschicht wie Andie stammt und schon lange ein Auge auf sie geworfen hat. Bei einem zweiten romantischen Date lädt Blane Andie dazu ein, mit ihm auf den Abschlussball zu gehen.
Blane wird durch die Verbindung mit Andie in seiner Clique schief angesehen. Das unterschiedliche Pärchen passt in keinen der beiden Freundeskreise: Auf den Feiern der wohlhabenden Kinder fühlt sich Andie unwohl und Blane wird in ihrer Disco wegen seiner konservativen Kleidung angemacht. Andie ist bereit, die Anfeindungen durchzustehen, und schert sich nicht um die Meinung anderer, Blane hingegen hält das nicht durch. Er geht Andie aus dem Weg und meldet sich nicht mehr bei ihr. Als Andie ihn auf dem Schulflur trifft, will sie eine Aussprache. Sie fordert ihn auf, ihr ins Gesicht zu sagen, dass er sich für sie bei seinen reichen Freunden schämt. Blane weicht aus und behauptet dann noch, er habe vergessen, dass er schon eine andere gefragt hatte, und könne deshalb nicht mit ihr zum Ball gehen.
Andie lässt sich von der Absage nicht unterkriegen und ist entschlossen, auch allein auf den Ball zu gehen. Von ihrem Vater hat sie schon ein Kleid bekommen, Iona schenkt Andie ihr Abschlussballkleid im Stil der 1960er-Jahre. Aus den beiden Kleidern schneidert Andie eine ganz neue Kreation in Pink. Als sie allein auf dem Abschlussball auftaucht, kommt ihr Duckie entgegen und führt sie in den Ballsaal. Dort treffen sie auf Blane, der allein gekommen ist. Blane entschuldigt sich für sein Verhalten und sagt Andie, dass er sie immer noch liebt. Dann geht er. Da Duckie nun einsieht, dass er mit Andie nie zusammenkommen kann, fordert er die zunächst zögernde Andie auf, Blane zu folgen. Sie findet ihn auf dem Parkplatz, beide küssen sich und es kommt zu einem Happy End.
Rezension
Was gab es damals? Wer weiß es noch? Richtig. Punker, Popper in mehr oder minder deutlicher Ausprägung und dann noch die übrig gebliebenen Zottels aus den 1970ern. Damals war nicht nur die politische Welt zweipolig, sondern auch die Zuordnung von jungen Menschen über die Kleiderordnung noch recht klar möglich. Gut, dass das vorbei ist. Der damals aufkommende Markenfetischismus, der von den Poppern generiert wurde, hat sich zwar gehalten, aber es ist alles nicht mehr so strikt.
Anhand der Gruppen können wir auch die Personen im Film verorten. Die Armen, das sind die Punks oder Typen wie Duckie, Andies Sandkastenliebe, die sogar in den 1950ern hängen geblieben sind, mit Elvis-Tolle und so. Oder eifert er James Dean nach? Egal. Es sind Menschen wie Andie selbst, die aus der materiellen Not eine Tugend machen und aus Second Hand-Klamotten und deren Kombination und der Fähigkeit, sie zuzuschneiden und zu neuen Klamotten zu machen, Kreativität ziehen. Altes aus Stoff zu recyceln ist also auch nicht so neu, wie man vielleicht denkt, weil man meint, erst seit Hartz IV und anderen Krisen-Folgeerescheinungen der letzten Jahre gibt es den Zwang, aus wenig so viel wie möglich zu machen.
Nein, schon die 1980er, das letzte Jahrzehnt des gänzlich in sich geschlossenen Kapitalismus, kannten das buntere Ich als Ausdruck der Lebensfreude am unteren Rand der Gesellschaft. Und das beinhaltet auch das Verschmelzen der sozialen Klassen. Wir haben das kürzlich in „Flashdance“ (1983) referiert, es gilt aber auch für die John Hughes-Komödien, die beinahe ein Subgenre des Teenie-Films darstellen, der in diesem Jahrzehnt eine ungeheure Blütezeit hatte.
Damit sind wir natürlich auch bei den Poppern. Mit sicherem Gespür für Trends ist der Unsympath ein (James Spader) Vollpopper mit Porsche, während der sensiblere Typ aus derselben Clique (Andrew McCarthy) etwas moderater angezogen ist, also beige oder graue anstatt weiße Blazer trägt und nur einen neuen BMW 3er fährt. Wir merken schon, das war auch eine ungewöhnlich deutschfreundliche Zeit in den USA (Hauptdarstellerin Molly Ringwald hat deutsche Wurzeln und alle irgendwie relevanten Autos stammen aus deutscher Produktion, auch ihr verbeultes, selbstverständlich pinkfarbenes Karmann Ghia-Coupé auf Käfer-Basis, der Regisseur Howard Deutch dürfte qua Nachname auch Ahnen von hierzulande haben).
Was diesen Film mit einigen sehr ähnlichen Werken eint, ist die gemeinsame Genese. Die Schauspieler stammten teilweise aus dem Brat Pack (in Anlehnung an das „Rat Pack“ von Frank Sinatra, Dean Martin usw., das nicht nur gemeinsam filmte und auf der Bühne performte, sondern auch alkoholfreudige und partylastige Freundschaften pflegte), und der zentrale kreative Kopf war John Hughes, zwar Baujahr 1950, also Mitte der 1980er schon mit einem gewissen Überblick gesegnet, aber wohl auch deswegen hochgradig erfolgreich. Die Filme, die zum oben erwähnten Subgenre der Hughes-Teeniekomödien zählten, waren neben „Pretty in Pink“ u. a.
- „Das darf man nur als Erwachsener“ (Sixteen Candles, 1984), ebenfalls mit Molly Ringwald,
- „Der Frühstücksclub“ (The Breakfast Club, 1985), wieder mit Molly Ringwald,
- „L.I.S.A.“, ebenfalls 1985,
- „Ferris macht blau“ (Ferris Buellers Day Off, 1986).
Meist schrieb er mindestens das Drehbuch zu diesen Filmen, manchmal führte er auch Regie – und der Überknaller kam 1990, als er das Buch zu “Kevin allein zu Haus” (Home Alone) schrieb.
Wir sehen, es handelt sich um talentierte Menschen, die hier zusammengearbeitet haben, und die teilweise heute noch gut im Geschäft sind. Wenn man bedenkt, in wie vielen erfolgreichen Filmen sie Mitte der 1980er gespielt hat, hätte man annehmen dürfen, dass aus Molly Ringwald ein Weltstar wird – das ist allerdings nicht eingetreten. Vielleicht war ihr Typ doch zu zeitgebunden oder konnte seine besondere Ausstrahlung nicht ins Erwachsenenalter transferieren.
Die Quintessenz von „Pretty in Pink“, der zwar heute von den „Brat-Pack“-Komödien nicht mehr am höchsten eingeschätzt wird, aber durchaus Ringwalds Signatur-Arbeit sein dürfte, ist so simpel wie in Hunderten von anderen Teenie-Filmen. Erstaunlich, dass Hollywood diesen Markt der Lebens- und Kino-Einsteiger erst in den 1980ern so richtig entdeckt hat. Aber neben oben erwähnten Eigenschaften war dies auch das Jahrzehnt, in dem die kommerzielle Variante des Jugendwahns so richtig durchbrach und überhaupt Filme in Hollywood diese synthetischen Konturen annahmen, die heute noch gängig sind – alles wird nach vermeintlich maximaler Marktwirksamkeit zusammengemixt.
Was nicht heißt, dass dabei nicht auch gute Filme herauskommen, aber die Berechenbarkeit der Produkte aus Hollywood hat sich in den letzten Jahrzehnten der 100%-Marke genähert – dazu haben Steven Spielberg und andere beigetragen, aber auch Filmer wie Hughes, die aus immer denselben Versatzstücken immer neue Ideen schöpften und durch die geschickte Varaitionen der Zusammenstellung bekannter Elemente die Jugend auf ihrer Seite hatten. Auch hier: Warum nicht, es ist ja immer das Gleiche, wenn man genau hinschaut. Die Themen werden nicht alle und auch nicht alt, weil junge Menschen immer wieder vor denselben Herausforderungen stehen, die zeitgemäß auf die Leinwand gebracht werden können:
Was macht die erste Liebe mit uns? Das ist wohl das zentrale Thema. Wie definieren wir uns als Individuen und welcher Clique, welcher Peer Group wollen wir angehören und schaffen wir das und ist es überhaupt richtig und wichtig? Das läuft in all diesen Filmen ebenfalls mit. Es gibt immer das Darling (hier: Andie), den Sidekick (hier: Andies Vater, aber auch Andies Freundin im Plattenladen), den Nerd (hier: Duckie) und natürlich das Love Interest (hier: Blane). Und den Gegner, nicht zu vergessen (Steff). Der Vater steht an zweiter Stelle der Besetzungsliste, was ungewöhnlich für einen Film dieser Art ist. Das kommt daher, weil er vom zerknautschten Harry Dean Stanton gespielt wird, der kurz zuvor in Wim Wenders „Paris, Texas“ wiederentdeckt wurde. Und der ist die wohl sympathischste Figur von allen und macht aus seiner wenig heroischen Rolle sehr viel. Ganz unmöglich, rein optisch, dass er der leibliche Vater von Molly Ringwald sein kann, aber was soll’s, das Schöne an Hollywood und besonders am 1980er-Hollywood ist ja eben auch, dass man sofort merkt, man ist im Film und alles geht, was in der Realität lächerlich wirken würde.
Stanton trägt viel zu den menschlichen Qualitäten von „Pretty in Pink“ bei, weil er ein ungewöhnlicher Daddy-Typ ist, und ganz klar ein Vertreter der Aussteiger-Generation, die von ihren Kindern wieder auf den rechten Pfad geführt werden muss: Dad findet oder will nie einen Job, Tochter ist eine superbe Schülerin. Die Streberin als Role Model ist auch eine typische Erscheinung der 1980er, die es zuvor und danach so platt propagiert nicht mehr gab. In früheren und meist auch in jüngeren Filmen waren die schrägeren Typen und die mit Problemen die Helden. Die 1980er tickten aber anders, weil sie eine Gegenbewegung zu den späten 1960ern und 1970ern waren und die Kinder der ersten Hippie-Generation sich von ebenjener wieder absetzen wollten und Yuppies hervorbrachten. Wie anders als mit einem bewussten Gegenakzent zu den zotteligen Zeiten der Love-not-war-Generation sollte sich die Popper-Mode mit ihren weiten, hellen, bonbonfarbenen Elementen erklären, die wiederum in den konservativen 1950ern wurzelte?
Schlimmer als die Männer waren allerdings die jungen Frauen dran. Wenn man die Rüschen-Abschlussballkleider und die Mega-Dauerwellenfrisuren sieht, ist man froh, trotz aller Probleme der heutigen Zeit in ebenjener zu leben und erfreut sich an dem Kleide im schick-schlichten 1960er-Stil, das Iona, Andies Freundin, mit der sie im Plattenladen jobbt, ihr für den Abschlussball zur Verfügung stelt. Beinahe schade, dass Andie es umschneidert.
Wie hat Andie auf uns gewirkt? Manchmal etwas nervig, ehrlich geschrieben. Irgendwas an ihr ist ganz schön penetrant, vielleicht ist es auch, weil ihr Typ ebenso überdezidiert wirkt wie die Blondchen aus den besseren Kreisen, die so dumm und oberflächlich sind, dass man darauf gestoßen wird, dass der Film ebenfalls oberflächlich ist. Sicher sind die Fragen der sozialen Zuordnung wichtig, ganz sicher sogar sind die ersten Liebesgefühle besonders wichtig. Die Initialisierung, die in der Zeit zwischen 15 und 20 stattfindet, das Coming-of-Age, hat tausend Aspekte, die alle irgendwie miteinander eng verknüpft sind. Die Figuren und Hormone ändern sich und die Kindlichkeit weicht einer aufgeregten Betrachtung des sonderbaren Selbst.
Aber der Style und der Auftritt von Andie sind eben wirklich Geschmacksache, und ihr Liebhaber Blane wirkt ziemlich profillos, um es vorsichtig auszudrücken. Da war uns James Dean mit seiner überzogenen Spielweise in „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ (1955), dem Prototyp aller Teenie-Filme, doch lieber, weil er etwas Faszinierendes, Schräges, auch ein wenig Dämonisches hatte. Die Jungs und Mädels der 1980er wirken hingegen genau so, wie sie heute als Verantwortungsgeneration rüberkommen: Beliebig und erschreckend wenig visionär. Das hat die 68er-Generation nun davon, dass sie es in der anderen Richtung etwas übertrieben hat – dass sie solche Nachkommen hervorbrachte.
Denn eine echte Substanz hat nichts von dem, was wir hier sehen. Außer, dass Andie ihr Ding macht und gezwungenermaßen kämpferisch sein muss, ist sie einfach nur nett – meistens jedenfalls. Da ist keine Hinterlegung, kein besonderes Ich, das sie abhebt. Mit dem, was sie zeigt, ist sie allerdings immer noch weitaus griffiger als die Jungs. Duckie ist zu sehr auf chancenlos gebürstet, als dass man ihn ernst nehmen könnte und die anderen sind so austauschbar, dass es nicht von ungefähr kommt, dass das Originellste, was Blane hervorbringt, eine Internet-Suggestion am Schulcomputer ist. Dass man sich über den Computer schreiben kann und sogar Fotos versenden, das immerhin ist prophetisch. Dass Andie das so cool von Blane findet, wie er das hinkriegt, Gottseidank, ohne dass dieser die Funktionsweise erklären muss, kommentiert er dann auch eher ironisch.
Finale
Es versteht sich, dass wir über diesen Film aus der Erwachsenenperspektive schreiben. Unser Publikum dürfte sich hauptsächlich im Alter zwischen 30 und 50 Jahren bewegen, daher können wir nicht mit einer Teenie-Attitüde an einen Teenie-Film herangehen und jede Banalität mit Entzücken quittieren. Jetzt könnte der versierte Leser sich natürlich fragen, warum wir dann überhaupt über solche Kinostücke wie „Pretty in Pink“ schreiben. Die Antwort ist einfach: Weil diejenigen, die in den 1980ern wirklich Teenies waren, unsere hauptsächliche Zielgruppe sind und wohl die gleiche Metamorphose durchgemacht haben wie wir – diese führt aber unweigerlich zu der Erkenntnis, dass viele Probleme unserer Zeit in den 1980ern angelegt sind, als Vieles so rasant verflachte, was in den 1960ern hoffnungsvoll und veränderungsstark begonnen hatte.
Das heißt auch, es ist eine kritische Reflektion auf die Zeit angesagt, an die uns Filme wie „Pretty in Pink“ so sehr erinnern. Sie haben ja ihre eigene Form von Realismus dadurch, dass die Menschen damals teilweise wirklich so aussahen, dachten und redeten wie in diesen Filmen. Dass Hollywood über all das immer noch einen eigenen Zuckerguss kippt, muss man berücksichtigen und das war immer schon so, dass Hollywood wiederum eine Rückkoppelung in die Realität erzeugte, ebenfalls.
Vor allem hat uns an dem Film dieses Märchen mit der Verbindung der sozialen Schichten gestört, das eine der größten Lügen in einer Zeit war, als die Schichten wieder begannen auseinanderzudriften wie die ebenfalls seit jener Zeit deutlich schmelzenden Eisschollen im Polarmeer. Prozesse, die bis heute anhalten. Dass ein Mädchen wie Andie einen Typ wie Blane kriegt oder umgekehrt, ist die Ausnahme, da mag die Gesellschaft noch so vordergründig offen sein und mögen die Unterschiede in der Mode zwischen den Gruppen nicht mehr so statuarisch wirken wie vor 30 Jahren. Es gibt sie sehr wohl noch, und wir wissen genau, wen wir herkunftsseitig vor uns haben, wenn wir mit der U-Bahn fahren und uns Schüler anschauen. Die Angehörigen der Gruppen, die sehr wohl zu erkennen sind, reden auch nur untereinander miteinander. Die wirklich sozialintegrativen Zeiten der 1970er sind Geschichte und die Welt ist nicht pretty in Pink.
Ein „schlechter“ Film im Sinn von schlecht gemacht ist „Pretty in Pink“ aber nicht, daher geben wir trotz seiner Klischees und Lügentendenzen
64/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Howard Deutch |
|---|---|
| Drehbuch | John Hughes |
| Produktion | Michael Chinich |
| Musik | Michael Gore |
| Kamera | Tak Fujimoto |
| Schnitt | Richard Marks |
| Besetzung | |
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