Update: Der lange Aufstieg von Airbus +++ Flugzeugbestellungen auf Rekordniveau (Statista + Kurzkommentar) | Briefing 428 Update | Wirtschaft

Briefing 428 -UD Wirtschaft, Economy, Flugverkehr, Flugzeugbestellungen, Airbus, Boeing, neue Konkurrenz

Heute stellen wir ein Update ausnahmsweise nicht nach vorn, sondern mitten in den Ausgangsartikel, aus Gründen der Chronologie. Sie lesen also zunächst Teile des Ausgangsartikels vom 31. Januar 2024.

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Im Jahr 2023 wurden bei Airbus und Boeing über 3.500 Flugzeuge bestellt. Eine so hohe Zahl gab es nie zuvor.

Freilich ist dabei auch ein Aufholeffekt aus der Corona-Zeit zu beachten, trotzdem sind die Zahlen beeindruckend. Bei Airbus noch mehr als bei Boeing. Warum das kein Grund ist, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.

Infografik: Flugzeugbestellungen auf Rekordniveau | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die Zahl der Flugzeugbestellungen bei Airbus und Boeing sind nach ihrem starken Einbruch im ersten Jahr der Corona-Pandemie in bislang unbekannte Höhen aufgestiegen. Demnach hat Airbus so viele Aufträge wie noch nie erhalten: Im Jahr 2023 gingen bei dem Konzern Bestellungen für 2.094 Flugzeuge ein – ein Branchenrekord, der den bisherigen Spitzenwert von 1.503 Bestellungen aus dem Jahr 2013 übertrifft. Damit liegt Airbus deutlich vor dem Konkurrenten Boeing, der mit 1.576 Flugzeugen aber immerhin ebenfalls deutlich mehr Bestellungen verzeichnet als im Jahr zuvor.

Der europäische Flugzeugbauer Airbus verzeichnet nun im fünften Jahr in Folge mehr Nettobestellungen als der US-Rivale Boeing. Boeing litt eine Zeit lang besonders unter Stornierungen der 737 Max. Die Modellreihe war im März 2019 nach zwei Abstürzen mit 346 Toten aus dem Verkehr gezogen worden, weil es Probleme mit einer Steuerungssoftware gab. Ende 2020 bzw. Anfang 2021 (Europa) erfolgte dann die Wiederzulassung für den Flugbetrieb.

Allerdings kämpft Boeing weiterhin mit Problemen bei der Produktion und Qualitätskontrolle und lieferte 2023 nur 528 Flugzeuge aus. Kürzlich musste eine Boeing 737 MAX von Alaska Airlines notlanden, da sich ein Rumpfstück aus der Maschine gelöst hatte. Die US-Luftfahrtbehörde FAA leitete Ermittlungen ein.

An diese Statistik schließen wir im Update die Liniengrafik der Vorjahre an, sodass eine lückenlose Zeitleiste bis zurück ins Jahr 2007 entsteht. Man sieht daran, dass für eine ganze Reihe von Jahren in etwa ein Gleichgewicht zwischen Airbus und Boeing herrschte. Dass das jetzt nicht mehr der Fall zu sein scheint, könnte weitreichende Folgen haben, vor allem im Hinblick auf die immer rabiater werdende US-Wirtschaftspolitik.

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
 
Airbus hat bei Neubestellungen die Nase vorn, wie die heute [15.01.2018, Anmerkung DWB] veröffentlichten Geschäftszahlen des europäischen Flugzeugbauers zeigen. Demnach orderten Kunden über das gesamte vergangene Jahr hinweg 1.109 Maschinen. Bei Konkurrent Boeing waren es dagegen 912 Neubestellungen. Anders sieht es bei den Auslieferungen aus. Während die US-Amerikaner 763 Flieger an Kunden übergeben konnten, waren es bei Airbus 718. Ein guter Wert ist das trotzdem – zumal die Europäer im Herbst noch bezweifelt hatten, die Marke von gut 700 ausgelieferten Jets überhaupt zu schaffen.
 
Soweit zur Ergänzung des Zeitraums von 2007 bis 2017, womit wir nun eine Entwicklung über 16 Jahre hinweg abbilden.

Die Entwicklung der letzten Jahre hat viele Analysten dazu verführt, den Zweikampf Airbus vs. Boeing als entschieden anzusehen. Wir meinen, das ist viel zu früh. Beide Hersteller haben zuletzt nichts bahnbrechend Neues mehr auf den Markt gebracht und in Sachen umweltfreundliches Fliegen ist die Entwicklung eher verhalten. Wer hier einen Durchbruch erzielt, könnte die Nase vor dem Cockpit plötzlich vorne haben. Airbus wirkt sehr stabil, hat auch die Produktionseinstellung des A 380 offenbar gut verkraftet, der die höchste Investitionssumme verschlungen hat, die jemals in die Neuentwicklung eines Flugzeugtyps gesteckt wurde. Hat es sich gelohnt? Jedenfalls hat dieses vorzeitige Ende wegen mangelnder Rentabilität dem paneuropäischen Unternehmen nicht nachhaltig geschadet und sie hat jetzt das Image, das größte Verkehrsflugzeug aller Zeiten auf die Räder gestellt zu haben, das vorher Boeing durch den Typ 747 innehatte.

Die Frage ist allerdings, was diese markttechnische Fehlkonzeption langfristig bedeutet. Das viele Geld, das in die Entwicklung des A 380 floss, wäre aus heutiger Sicht besser in nachhaltigere, leichtere, Treibstoff sparende Konzepte geflossen. Der Luftverkehr ist nicht der Haupt-CO2-Emittent, aber er hat, wie alle anderen Verkehrssystem und wie die Industrie und die Verbraucher seinen Beitrag an den Einsparungen bei der CO₂-Produktion zu leisten.

Außerdem tauchen im Horizont neue Gefahren für beide Teilnehmer am gegenwärtigen Verkehrsflugzeug-Duopol auf. Man sollte nicht noch einmal den Fehler machen, die chinesische Konkurrenz zu belächeln, wie es zunächst bei den Autos der Fall war. Chinas Hersteller Comac, der gerade sein erstes Flugzeug in der A320 / Boeing 737-Klasse auf den Markt gebracht hat, kann und wird vor allem billiger produzieren als die Europäer und Amerikaner. Die Flugzeuge müssten also um einiges schlechter sein als die von Airbus und Boeing, wenn sie sich nicht über den niedrigeren Anschaffungspreis rechnen sollten. Die anfänglichen Verluste und eine längere Aufbauphase sind bei Comac einkalkuliert und bisherige Verzögerungen und Probleme, etwa bei der Ausrüstung mit westlichen Bauteilen, werden das Vorhaben nicht stoppen und der heimische Anteil an Bauteilen wird sich erhöhen.

Gerade beim Flugzeugbau, der eine sehr hohe Kapitalisierung erfordert, wird sich zeigen, ob der Westen in der Lage ist, eine Antwort auf die chinesische Herausforderung zu finden, um auf einem wichtigen Gebiet Technologieführer zu bleiben. Nun könnte man sagen, die amerikanische Regierung ist für jeden Trick gut, um die eigene Industrie wieder nach vorne zu bringen, aber dieses Verfahren würde allenfalls gegenüber den Europäern wirken, nicht langfristig gegenüber China. Außerdem werden viele Staaten außerhalb des Westens sich darüber freuen, dass ein Hersteller auf den Plan getreten ist, mit dem man Unabhängigkeit von den USA und Europa auch beim Kauf von Flugzeugen demonstrieren kann. Viele Länder, die wir dabei im Blick haben, zum Beispiel in Afrika, gehören zu den Wachstumszonen der Weltwirtschaft.

Wenn man die Entwicklung auf anderen Industriesektoren betrachtet, könnte zum Beispiel mit Indien noch ein weiterer Konkurrent auf den Plan treten. Bisher wird dessen rasch wachsender Markt von den üblichen Herstellern beliefert, bietet aber langfristig ähnlich viel Potenzial für Eigenentwicklungen wie der chinesische.

TH


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