„Mit Olaf Scholz um die Welt“ (Statista + Kurzkommentar) | Briefing 435 | Politik, Personen, Parteien, PPP, Geopolitik

Briefing 435 PPP, Geopolitik, Auslandsreisen von Olaf Scholz seit Amtsantritt als Bundeskanzler

Heute starten wir mit ein wenig Politik light und schauen uns an, wo Olaf Scholz in den knapp über zwei Jahren seiner Kanzlerschaft schon überall gewesen ist – und wo nicht. Und schieben einen oder zwei kurze eigene Gedanken nach, denn wir sind ja ein Meinungsblog.

Infografik: Mit Olaf Scholz um die Welt | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Bundeskanzler Olaf Scholz startet heute seine diplomatische USA-Reise und wird im Zuge dessen von Präsident Joe Biden im Weißen Haus erwartet. Es ist Scholz fünfter Arbeitsbesuch in Washington D.C. und die 102. Auslandsreise seit seinem Amtsantritt am 8. Dezember 2021. Wie die Infografik von Statista zeigt, gehören die USA zu den am häufigsten besuchten Ländern des Bundeskanzlers. Ebenfalls fünfmal war Scholz beruflich in Spanien. Nur Frankreich (10 Besuche) und Belgien (17 Besuche) standen noch häufiger auf dem Terminkalender.

Dass der Bundeskanzler so oft in Belgien ist, liegt vor allem an den Verpflichtungen im Rahmen der Europäischen Union, dessen wichtigste Institutionen ihren Sitz in Brüssel haben. Sitzungen des Europarats und der Europäischen Kommission, sowie EU- und NATO-Gipfel hat Olaf Scholz hier in den vergangenen Jahren einige absolviert.

Seit 2021 war der Bundeskanzler in acht afrikanischen Ländern auf Staatsbesuch, in Ägypten sogar zweimal. Insgesamt hat Olaf Scholz während seiner Tätigkeit als deutsches Staatsoberhaupt rund 53 Länder weltweit besucht und dabei, bis auf Australien, einen Fuß auf jeden Kontinent gesetzt.

Jetzt wäre es nicht schlecht, wenn man den Vergleich mit den Vorgänger:innen hätte und eine weitere Karte, die die Reisen der Außenministerin darstellt. Es klingt sehr viel, dass Olaf Scholz quasi alle 5 Tage eine neue Reise angetreten hat. Aber es gibt eben auch viele Termine, die nur von Staatsoberhäuptern / Regierungschef:innen wahrgenommen werden (können oder sollten), und je mehr internationale Treffen anstehen, desto häufiger sind schon diese Fixtermine, diese turnusmäßigen Ereignisse für einen Regierungschef unausweichlich. Deswegen ist der Anteil der klassischen bilateralen diplomatischen Besuche von Scholz vielleicht gar nicht übertrieben hoch.

Gerade wegen der dichten Reisetätigkeit in westlichen Ländern und dem immerhin-mindestens-einmal-Besuch in vielen asiatischen Regionen fällt auf, dass Afrika wieder einmal sehr stark unterrepräsentiert ist. Symbol einer verfehlten Politik? Sicher lässt sich hier ablesen, dass Afrika in Deutschland immer noch nicht den ihm gebührenden Stellenwert genießt und vielleicht ist es umgekehrt genauso, wenn man das „gebührend“ herausnimmt. Deutsche Politik wird zu oft als unselbstständig wahrgenommen, gerade auf diesem Kontinent. Hier überlässt man den Franzosen innerhalb der EU als „Kennern“ den Vortritt – mit derzeit fatalen Folgen, angesichts der extremen Unbeliebtheit der „Kenner“ dort, wo sie sich vielleicht auskennen, aber keine Politik auf Augenhöhe machen wollen. Diese Tatsache wirft auch ein Schlaglicht darauf, dass ein gemeinsames Handeln der EU-Staaten nicht immer zielführender sein muss als nationale Politik, wenn das Handeln der EU von einem bestimmten Staat, dessen Interessen und dessen kolonialer Vergangenheit geprägt wird. Eine gemeinsame Außenpolitik der EU tut Not, um ihr mehr geopolitisch mehr Gewicht zu verleihen, kann aber eine kluge nationale Außenpolitik noch lange nicht ersetzen. 

Dort, wo er hinfliegt, ist Scholz wenigstens und bisher nicht dadurch aufgefallen, dass er in jedes irgendwo herumstehende Fettnäpfchen tritt, anders als die Außenministerin. Wie viel von ihrer wahlweise als unerfahren, unfähig oder präpotent oder mindestens zwei dieser Attribute bezeichneten Art, mit anderen Regierungen umzugehen, der Kanzler schon heimlich ausgeglichen hat, können wir nicht einschätzen, weil er Dissens nicht öffentlich zur Schau stellt. Aber schon unter seiner Vorgängerin Angela Merkel war Außenpolitik Chefinnensache. Der letzte deutsche Außenminister, der das politische Spiel in der komplizierten Nachwende-Welt beherrschte, war Hans-Dietrich Genscher, der seinerseits einen Erfahrungsvorsprung vor Helmut Kohl hatte, als dieser 1982 Kanzler wurde.

Die Geopolitik ist seit den 1990ern noch einmal schwieriger geworden, gerade deshalb bräuchte es neben Scholz einen wirklichen Profi fürs Außenamt. Diese Erkenntnis nützt leider nichts, es ist niemand in Sicht, der diesen extrem wichtigen Posten kompetent ausüben könnte und parteipolitisch erwünscht ist.

TH

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