Update: Scholz, der Unbeliebte (Statista + Kommentar) +++ „Mit Olaf Scholz um die Welt“ | Briefing 435 Update | Politik, Personen, Parteien, PPP, Geopolitik

Briefing 435-UD, PPP, Geopolitik, Auslandsreisen von Olaf Scholz seit Amtsantritt als Bundeskanzler

… aber nicht so beliebt wie Joe Biden oder Emmanuel Macron. Nachdem wir im Ausgangsartikel (untenstehend angehängt) ein paar Informationen über die Auslandsreisen von Olaf Scholz verteilt haben, garniert mit etwas Meinung, machen wir das heute ebenso mit den Beliebtheitswerten des Bundeskanzlers, die hier zu sehen sind:

Infografik: Wie beliebt ist Olaf Scholz? | Statista

 

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Olaf Scholz (SPD) reist heute [09.02.2024, Anm. TH]zu einem Arbeitsbesuch nach Washington D.C. – er ist dort bereits das fünfte Mal zu Gast, wie die Auslandsreisen-Statistik des Bundeskanzlers zeigt. Dabei wird er auch mit US-Präsident Joe Biden zusammentreffen, ein internationaler Spitzenpolitiker, der bei den Menschen in Deutschland deutlich beliebter ist als Scholz.

Einer Umfrage der Statista Consumer Insights zufolge lautet das „Markenprofil“ des Bundeskanzlers wie folgt: 92 Prozent kennen ihn, 18 Prozent mögen ihn, 17 Prozent verfolgen, was er so tut und lässt und 42 Prozent haben ihn in den Medien wahrgenommen. Biden dagegen kennen 89 Prozent, 30 Prozent mögen ihn, 22 Prozent verfolgen, was er so tut und lässt und 48 Prozent haben ihn in den Medien wahrgenommen. Damit schlägt er den deutschen Bundeskanzler in drei von vier Kategorien.

Ähnlich sieht das beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron aus – den allerdings hierzulande deutlich weniger Menschen kenn als Scholz oder Biden. Auch der Vergleich mit dem Autokraten Wladimir Putin fällt nicht allzu schmeichelhaft aus, wie der Blick auf die Statista-Grafik aus. Aber immerhin liegt Scholz in allen Belangen deutlich vor dem türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan.

Gut, dass Olaf Scholz offenbar nur mit aktuellen Regierungschefs anderer Länder verglichen wurde. Sicher wäre auch Donald Trump beliebter als der deutsche Bundeskanzler, wenn auch bei einem anderen Wählerkreis als Joe Biden. Wir können uns nicht erinnern, dass jemals ein:e Kanzler:in so niedrige Beliebtheitswerte hatte. Wenn man die Nützlichkeit der Politik der verglichenen Politiker für Deutschland betrachtet, werden Biden und Macron deutlich überschätzt und Scholz wird unterschätzt, aber diese Einschätzungen fußen auch nicht auf einer realen Liste mit Plus und Minus, sondern im Wesentlichen auf Sympathie.

Und auf diesem Gebiet ist Scholz einfach schlecht. Das hat fatale Folgen für die Demokratie, die gerade jetzt einen Spitzenpolitiker bräuchte, der mitnehmen kann. Von mitreißen wollen wir nicht reden, das klingt auch schon wieso etwas nach Populist:innenhype und Populist:innen im negativen Sinne gibt es in Deutschland mittlerweile genug, in der Union, in der AfD und bei neu gegründeten Parteien. Sie lassen auch alle etwas vermissen, was inklusve der Tatsache, dass auch Scholz es vermissen lässt, zu einem riesigen Defizit führt. Sie können keine neue Geschichte erzählen, mit der Deutschland seine Zukunft gewinnen kann. Während das bei den Kritikern der Ampelpolitik offenbar nicht besonders stört, stört es umso mehr bei jemandem, der die Geschicke des Landes in schwieriger Zeit bestimmt. Das ist plausibel, von ihm wird mehr erwartet und von ihm darf auch mehr erwartet werden. Er hat nun einmal das wichtigste politische Amt in Deutschland inne.

Wenn man verstehen will, wie es dazu kommen konnte, dass Scholz so unbeliebt ist, muss man einige Punkte rekapitulieren:

  • Scholz ist nur Kanzler geworden, weil die CDU bei den letzten Bundestagswahlen mit Armin Laschet einen schwachen Kandidaten gegen ihn antreten ließ, nicht mehr Angela Merkel. Sie hätte auch 2021 wohl noch einmal gegen Scholz gewonnen. Für Scholz hat es ausgereicht, im Wahlkampf keine größeren Fehler zu machen, damit hatte er auch der grünen Kandidatin Annalena Baerbock einiges voraus. Eine Wahl zum Kanzler der Herzen fand aber vor zweieinhalb Jahren eindeutig nicht statt. Demgemäß fällt es den Menschen nicht schwer, Scholz zu kritisieren. Sie verbinden emotional wenig mit ihm und ihn verbindet emotional wenig mit den Wähler:innen.
  • Die teilweise von der Vorgängerregierung geerbten Missstände in Deutschland, gepaart mit laufenden Krisen wie der Corona-Pandemie, alsbald dem Ukrainekrieg, jetzt auch dem neuen Nahostkrieg, waren schlicht zu viel und haben die davon überraschte neue Bundesregierung überfordert. Nebenbei will man auch noch den Klimawandel stoppen, das kann im Grunde gar nicht funktionieren. Nicht so jedenfalls, dass das Land nicht darunter leidet und niemandem Opfer abverlangt werden. Leider werden die Opfer vor allem von jenen gebracht, bei denen seit Jahrzehnten eine schleichende Erosion von Wirtschaftskraft und Teilhabe stattfindet. Dass sich diese Tendenz nun beschleunigt und so deutlich sichtbar wird, wird einem sozialdemokratischen Kanzler stärker angelastet als einem konservativ-neoliberalen Politiker.
  • Immer wieder gerne als Argument genommen: Scholz schafft es auch als Kanzler nicht, seinen Kommunikationsstil so zu ändern, dass er Menschen im wörtlichen Sinne ansprechen kann. Das trifft nicht nur auf ihn zu und schadet natürlich der Ampel. Dabei kann er auch anders, das blitzt durchaus hin und wieder auf. Was er aber nicht kann: Die Ampel so führen, dass sie sicher geführt wirkt. Das wird sich in den vermutlich letzten andertalb Jahren seiner Kanzlerschaft auch nicht mehr ändern.

Damit wird Scholz zu den „unglücklichen Kanzlern“ der Republik zählen, wie Ludwig Erhard oder Kurt Georg Kiesinger in den 1960ern, obwohl er die SPD nicht so sehr beschädigt hat wie Gerhard Schröder und Krisen bewältigen muss wie keine Kanzlerperson vor ihm. Angela Merkel hat Krisen weggemerkelt, nicht gelöst, ihre Politik einfach als alternativlos erklärt. Scholz kann das nicht und es würde auch seltsam wirken, angesichts so vieler Kräfte, die sich als Alterantive darstellen. Merkel kam natürlich auch zugute, dass die SPD in drei von vieren ihrer Kanzler-Legislaturperioden mit der Union in einer Koalition war, damit war die Opposition recht klein. Scholz muss sich hingegen mit den Neoliberalen herumschlagen, die das Land am liebsten den wenigen Superreichen komplett zum Fraß vorwerfen würden und den Grünen, die ein Team am Werk haben, das sich als untalentiert und gleichzeitig arrogant herausgestellt hat. Hhin und wieder kommt es zudem bei der SPD selbst zu Ausfällen. Einen hat Scholz schon reguliert, die Verteidigungsministerin ablösen lassen, bei der Innenministerin wäre dieser Schritt im Grunde auch fällig.

In einer Situation wie dieser kann ein Kanzler kaum strahlende Politik macht, aber er kann die wenig überzeugenden anderen Politiker, die dieses Land derzeit aufbieten kann, überstrahlen, das wäre nun wirklich nicht schwer. Scholz macht es aber nicht, sondern reiht sich ein und glaubt sicher auch, das sei richtig. Es wäre vielleicht sogar richtig, wenn Deutschland sicher stehen würde. Als Demokratie, als Zivilgesellschaft, die ihr Narrativ bezüglich ihrer Zukunft schon gefunden hat und mit Leben erfüllt, wenn es außenpolitisch und wirtschaftlich nicht ständig zu Herausforderungen käme, bei denen es auch auf den Politikstil ankommt, wenn das Vertrauen der Bevölkerung erhalten bleiben soll.

Wahrscheinlich ist Scholz seine Authentizität sehr wichtig, aber wenn die Demokratie dadurch Schaden nimmt, muss sie hinter staatspolitischen Erwägungen zurückstehen. Unsere Vermutung ist, dass wir Scholz nicht mehr wesentlich anders erleben werden, als wir ihn kennen. Der Verdruss in der Bevölkerung hat sich so festgefressen, dass es selbst bei einem exzellent geführten Wahlkampf im kommenden Jahr und bei sich entspannender wirtschaftlicher und geopolitischer Lage für Scholz schwierig würde, seinen Wahlsieg von 2021 zu wiederholen. Angesichts der Auswahlmöglichkeiten können wir verstehen, dass viele Menschen auch einfach ratlos sind. Sie wollen nicht die Rechten wählen, haben aber auch keine Lust mehr auf eine Politik, die sich zu uninspiriert und unfähig darstellt, für die Verhältnisse, die wir aktuell haben und die Aufgaben, die wir lösen müssen. Als Macher halten wir Scholz gar nicht für so unfähig, auch nicht im Vergleich zu seiner Vorgängerin, aber das ist eben derzeit nicht zu vermitteln und die Zeit zum Wenden des Blattes ist schon sehr knapp geworden.

TH

Heute starten wir mit ein wenig Politik light und schauen uns an, wo Olaf Scholz in den knapp über zwei Jahren seiner Kanzlerschaft schon überall gewesen ist – und wo nicht. Und schieben einen oder zwei kurze eigene Gedanken nach, denn wir sind ja ein Meinungsblog.

Infografik: Mit Olaf Scholz um die Welt | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Bundeskanzler Olaf Scholz startet heute seine diplomatische USA-Reise und wird im Zuge dessen von Präsident Joe Biden im Weißen Haus erwartet. Es ist Scholz fünfter Arbeitsbesuch in Washington D.C. und die 102. Auslandsreise seit seinem Amtsantritt am 8. Dezember 2021. Wie die Infografik von Statista zeigt, gehören die USA zu den am häufigsten besuchten Ländern des Bundeskanzlers. Ebenfalls fünfmal war Scholz beruflich in Spanien. Nur Frankreich (10 Besuche) und Belgien (17 Besuche) standen noch häufiger auf dem Terminkalender.

Dass der Bundeskanzler so oft in Belgien ist, liegt vor allem an den Verpflichtungen im Rahmen der Europäischen Union, dessen wichtigste Institutionen ihren Sitz in Brüssel haben. Sitzungen des Europarats und der Europäischen Kommission, sowie EU- und NATO-Gipfel hat Olaf Scholz hier in den vergangenen Jahren einige absolviert.

Seit 2021 war der Bundeskanzler in acht afrikanischen Ländern auf Staatsbesuch, in Ägypten sogar zweimal. Insgesamt hat Olaf Scholz während seiner Tätigkeit als deutsches Staatsoberhaupt rund 53 Länder weltweit besucht und dabei, bis auf Australien, einen Fuß auf jeden Kontinent gesetzt.

Jetzt wäre es nicht schlecht, wenn man den Vergleich mit den Vorgänger:innen hätte und eine weitere Karte, die die Reisen der Außenministerin darstellt. Es klingt sehr viel, dass Olaf Scholz quasi alle 5 Tage eine neue Reise angetreten hat. Aber es gibt eben auch viele Termine, die nur von Staatsoberhäuptern / Regierungschef:innen wahrgenommen werden (können oder sollten), und je mehr internationale Treffen anstehen, desto häufiger sind schon diese Fixtermine, diese turnusmäßigen Ereignisse für einen Regierungschef unausweichlich. Deswegen ist der Anteil der klassischen bilateralen diplomatischen Besuche von Scholz vielleicht gar nicht übertrieben hoch.

Gerade wegen der dichten Reisetätigkeit in westlichen Ländern und dem immerhin-mindestens-einmal-Besuch in vielen asiatischen Regionen fällt auf, dass Afrika wieder einmal sehr stark unterrepräsentiert ist. Symbol einer verfehlten Politik? Sicher lässt sich hier ablesen, dass Afrika in Deutschland immer noch nicht den ihm gebührenden Stellenwert genießt und vielleicht ist es umgekehrt genauso, wenn man das „gebührend“ herausnimmt. Deutsche Politik wird zu oft als unselbstständig wahrgenommen, gerade auf diesem Kontinent. Hier überlässt man den Franzosen innerhalb der EU als „Kennern“ den Vortritt – mit derzeit fatalen Folgen, angesichts der extremen Unbeliebtheit der „Kenner“ dort, wo sie sich vielleicht auskennen, aber keine Politik auf Augenhöhe machen wollen. Diese Tatsache wirft auch ein Schlaglicht darauf, dass ein gemeinsames Handeln der EU-Staaten nicht immer zielführender sein muss als nationale Politik, wenn das Handeln der EU von einem bestimmten Staat, dessen Interessen und dessen kolonialer Vergangenheit geprägt wird. Eine gemeinsame Außenpolitik der EU tut Not, um ihr mehr geopolitisch mehr Gewicht zu verleihen, kann aber eine kluge nationale Außenpolitik noch lange nicht ersetzen. 

Dort, wo er hinfliegt, ist Scholz wenigstens und bisher nicht dadurch aufgefallen, dass er in jedes irgendwo herumstehende Fettnäpfchen tritt, anders als die Außenministerin. Wie viel von ihrer wahlweise als unerfahren, unfähig oder präpotent oder mindestens zwei dieser Attribute bezeichneten Art, mit anderen Regierungen umzugehen, der Kanzler schon heimlich ausgeglichen hat, können wir nicht einschätzen, weil er Dissens nicht öffentlich zur Schau stellt. Aber schon unter seiner Vorgängerin Angela Merkel war Außenpolitik Chefinnensache. Der letzte deutsche Außenminister, der das politische Spiel in der komplizierten Nachwende-Welt beherrschte, war Hans-Dietrich Genscher, der seinerseits einen Erfahrungsvorsprung vor Helmut Kohl hatte, als dieser 1982 Kanzler wurde.

Die Geopolitik ist seit den 1990ern noch einmal schwieriger geworden, gerade deshalb bräuchte es neben Scholz einen wirklichen Profi fürs Außenamt. Diese Erkenntnis nützt leider nichts, es ist niemand in Sicht, der diesen extrem wichtigen Posten kompetent ausüben könnte und parteipolitisch erwünscht ist.

TH

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