Männer verstoßen häufiger gegen Verkehrsregeln (Statista + Zusatzinfos + Kommentar) | Briefing 474 | Gesellschaft, Verkehrswende

Briefing 474 Gesellschaft, Verkehrswende, Straßenverkehr, Verkehrsdelikte nach Geschlechtern

Vor acht Tagen war der Weltfrauentag, da bietet es sich, wenn auch etwas verspätet, an, eine Statistik über die Verkehrsdelikte von Männern und Frauen aufzusetzen, um zu beweisen, dass Frauen die besseren Autofahrerinnen sind. Zumindest gilt das gemessen an der Zahl der von ihnen begangenen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Straßenverkehr. Wir werden die Infografik aber auch verwenden, um auf eine weitere Tatsache hinzuweisen.

Männer verstoßen häufiger gegen Verkehrsregeln

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Deutschland hat im Jahr 2022 wieder einen deutlichen Rückgang der Verkehrsverstöße verzeichnet. Laut der Jahresstatistik des Kraftfahrt-Bundesamtes sank die Gesamtzahl der Verkehrstaten – sowohl Straftaten als auch Ordnungswidrigkeiten – im letzten Jahr auf nur 200.000 respektive 3,9 Millionen Fälle. Damit setzt sich der abnehmende Trend der letzten fünf Jahre fort. 

Zugleich belegen die Daten, dass Frauen in seltener gegen Verkehrsregeln verstoßen. Die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern wird noch deutlicher bei Betrachtung spezifischer Ordnungswidrigkeiten. Am größten ist der Anteil der Frauen mit etwa einem Drittel bei den Delikten Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren und bei Rotlichtverstößen. Geschwindigkeitsverstöße machen zahlenmäßig den größten Teil der Ordnungswidrigkeiten aus – diese werden zu rund 76 Prozent von Männern begangen. Auch bei Delikten in Zusammenhang mit Alkohol, Überholen oder Ladungssicherung dominieren männliche Verkehrsteilnehmer mit 86 bis 98 Prozent. Für die Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes gilt: Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten beziehen sich jeweils auf alle Personen, die am Straßenverkehr teilgenommen haben und damit auch auf alle Fahrerlaubnisklassen plus Rad- und Rollerfahrer oder auch Fußgänger. 

Bei einer annähernd gleichverteilten Gesamtfahrerlaubnisverteilung reflektieren diese Zahlen ein signifikantes Ungleichgewicht im Hinblick auf das Fahrverhalten. Dies gilt jedoch nicht für alle Führerscheinklassen, wie diese Statista-Grafik zeigt. Bei einzelnen Delikten, die eine bestimmte Fahrzeugkategorie stärker betreffen als andere, dürfte der geringere Frauenanteil Teil der Erklärung dafür sein, warum mehr Männer als Frauen diese Ordnungswidrigkeit begehen. Dies dürfte auf den Fall „Ladung“ zutreffen, von der mehrheitlich Lastkraftwagen betroffen sein dürften. Hier liegt der Anteil der Frauen mit einem entsprechenden Führerschein bei 37 Prozent. Bei Pkw-Fahrerlaubnissen beträgt der Frauenanteil dagegen 52 Prozent.

Gleichwohl muss man über alle Delikte hinweg einen deutlichen Männerüberschuss konstatieren, der sich nicht hinreichend durch einen geringeren Anteil der Frauen bei den jeweiligen Fahrerlaubnisklassen erklären lässt. Nicht zu vernachlässigen dürfte die Vermutung sein, dass in vielen gegengeschlechtlichen Partnerschaften öfter der Mann das Auto fährt und dementsprechend mehr Männer in den Statistiken zur Ordnungswidrigkeit einfließen. Wie oben erwähnt beziehen sich die Daten jedoch auf alle Verkehrsteilnehm:innen, nicht nur auf Pkw-Fahrer:innen. Dafür, dass bei Paaren häufiger der Mann als die Frau am Steuer sitzt, sind dem Autoren zudem bislang nur Indizien bekannt.

Psychologen haben unlängst festgestellt, dass es deutliche Unterschiede beim Aggressionspotential im Straßenverkehr bei den Geschlechtern gibt. So würden Männer weniger regelkonform fahren und würden das Auto auch zu Zwecken der Machtdemonstration und Selbstdarstellung nutzen. Es spricht also einiges dafür, dass der größere Männeranteil bei den Ordnungswidrigkeiten auf ein nicht adäquates Verhalten vieler Männer im Straßenverkehr zurückzuführen ist. Das Aggressionslevel im deutschen Straßenverkehr könnte dabei in den vergangenen Jahren insgesamt zugenommen haben, wie diese Umfrage des TÜV-Verbands nahelegt.

Wenn Sie aufmerksam mitgelesen haben, werden Sie bemerkt haben, dass eine wichtige Zahl fehlt, die man nicht außer Acht lassen darf, wenn es um die Bewertung der häufigeren Verkehrsregelverstöße bei Männern geht. Das ist die Fahrleistung. Wir haben es uns so vorgestellt: Männer sind weitaus häufiger als Vielfahrer unterwegs, im Außendienst, als Handwerker, als Paketzusteller, als Busfahrer, Lieferwagen und LKW-Fahrer und Taxifahrer, kurz, überall, wo es zu Verkehrsdelikten kommen kann. Offenbar stimmt das zwar, aber in einem viel geringeren Ausmaß, als wir vermutet hätten:

Leider sind die Daten schon etwas älter, aber nehmen wir an, die Verhältnisse hätten sich seitdem nicht stark verändert, dann muss man die Anteile der Geschlechter an den Verkehrsdelikten lediglich um etwa5 bis 6 Prozent korrigieren – gemessen an den Anteilen selbst, nicht auf die Gesamtzahl der Delikte bezogen. Für uns ist es gar keine Frage, dass Frauen vorsichtiger fahren als Männer, es gibt aber auch ein paar Delikte, bei denen die Unterschiede nach unserer Ansicht nicht sehr groß sind, etwa Verkehrsdelikte gegenüber Radfahrern. Bei Männern haben wir wiederum eher den Eindruck, sie verletzten die Regeln sogar bewusst, um ihren Aggressionen freien Lauf zu lassen, es gibt das sogar interessante Unterschiede nach Wagenklassen und Berufsgruppen, sofern sie erkennbar sind (besonders negativ: Taxifahrer) während Frauen eher zur Ignoranz oder Nichterkennung der Gefahr tendieren.

Wir wollten aber noch etwas anderes besprechen. Die Fahrleistung in Deutschland beginnt zu sinken. Auch nach Corona setzt sich diese Tendenz fort. Im Moment kann leider auch der Effekt dabei eine Rolle spielen, dass die Wirtschaft stottert, deswegen muss man noch ein paar Jahre abwarten, um endgültig eine Trendwende konstatieren zu können. Die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge steigt immer weiter, aber sie werden weniger bewegt. Die Steigerung der vorhandenen Kfz ist durchaus problematisch, wegen ihres immer weiter anwachsenden Platzverbrauchs, zu dem auch noch die rasant wachsenden Fahrzeuggrößen beitragen. Aber natürlich trägt die rückläufige Fahrleistung auch zum Rückgang der Verkehrsdelikte bei, wenn andere Parameter sich nicht verändern. Auch dieser Faktor hätte oben berücksichtigt werden müssen. Was zählt, ist die Anzahl der Verkehrsdelikte pro Fahrkilometer, und die hat sich zuletzt nicht wesentlich verändert. Sie hat sich glücklicherweise nicht erhöht, man soll ja immer die gute Botschaft vermelden, schon gar in diesen Zeiten. Es hätte angesichts der zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Aggressivität auch anders laufen können.

Es gibt auch Gegenden in Deutschland, die tatsächlich die Verkehrswende einzuleiten scheinen. In Berlin hat der Straßenverkehr im Zeitraum von 2018 bis 2023 um etwa 15 Prozent abgenommen. Das hat nicht nur mit Corona zu tun, der Trend hat sich danach nicht umgekehrt. Dies, obwohl die Bevölkerung hier seit Jahren stärker zunimmt als im Bundesdurchschnitt. Auf den ersten Blick kurios: Die Zahl der Verkehrsunfälle in Berlin nimmt zu, sie stieg von 2022 auf 2023 um etwa 3 Prozent. Zusätzlich zu einem gewissen Zufallsfaktor und weiteren möglichen Aspekten gibt es auch eine Erklärung, die mit dem geringeren Verkehrsaufkommen konform ist: Freie Straßen führen zu verstärktem Rasen. Sehr viele schlagzeilenträchtige Verkehrsunfälle in Berlin haben mit stark überhöhter Geschwindigkeit zu tun.

Verkehrsunfälle sollten immer auch in den obigen Deliktstypen im Straßenverkehr enthalten sein, denn fast jeder Kfz-Verkehrsunfall geht mit einem Regelverstoß oder mehreren, also einer Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat, einher.

TH

Hinterlasse einen Kommentar